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Theorie der Unternehmung

Unternehmenstheorie.
I. Begriff: System von Axiomen und abgeleiteten Sätzen, mit denen Aussagen über Unternehmungen getroffen werden. Eine allgemeine Theorie der Unternehmung müßte sämtliche Facetten einer Unternehmung erklären und Hinweise zu ihrer Gestaltung geben können. Dem steht jedoch die Komplexität moderner Unternehmungen entgegen. So gibt es nicht die T.d.U., sondern eine Vielzahl verschiedener Ansätze, die ihre Wurzeln zum Teil in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen haben, die sich jeweils auf bestimmte Aspekte der Unternehmung konzentrieren, bestimmte Eigenschaften und Zusammenhänge hervorheben und andere ausblenden. Mit der jeweiligen Zielsetzung der Analyse kann daher die zugrundegelegten T.d.U. variieren.
II. Ansätze zu einer T.d.U.: 1. Preistheoretische Ansätze: Der Preistheorie zugrunde liegende Modelle der Unternehmung betrachten diese in erster Linie als Produktionsfunktion. Die Unternehmung wird dabei als "Ein-Mann-Punkt-Organisation" angesehen. Es wird angenommen, daß der Unternehmer bei vollkommener Information und unter gegebenen Produktions- und Absatzbedingungen das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt. - Solche Modelle der Unternehmung wurden zunächst für den Fall der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols (Cournot) aufgestellt. Weitere Modelle beleuchten Marktformen, die zwischen vollkommener Konkurrenz und Monopol liegen (Chamberlin, Robinson, v. Stackelberg). Die Modelle dienen in erster Linie dazu, die Preisbildung bei verschiedenen Marktformen zu erklären. - Beurteilung: Die diesen Modellen zugrundeliegende T.d.U. erlaubt die Entwicklung und Formalisierung gewinnmaximaler Produktionspläne. Wie diese Pläne umgesetzt werden, wird jedoch nicht betrachtet. Fragen der unternehmensinternen Arbeitsteilung und Spezialisierung, Kordination und Motivation werden daher ebenso wenig thematisiert wie Aspekte der Entstehung, der Entwicklung und des Niedergangs von Unternehmungen. - 2. Managerialistische Ansätze: In managerialistischen Theorien der Unternehmung werden drei der Annahmen preistheoretischer Ansätze aufgegeben: (1) Unternehmenseigentum und Unternehmens-kontrolle befinden sich nicht mehr in einer Hand, sondern sind personell getrennt (Berle/Means). (2) Managern werden eigene Zielfunktionen unterstellt, die nicht oder nicht allein das Ziel der Gewinnmaximierung umfassen. (3) Marktunvollkommenheiten eröffnen den Managern diskretionäre Handlungsspielräume und damit die Möglichkeit zur Realisierung eigener Ziele. - Als statische Modelle werden die umsatzmaximierende (Baumol) und stabsausgabenmaximierende (Williamson) Unternehmung vorgeschlagen. Das dynamische Gegenstück zur umsatzmaximierenden Unternehmung ist die wachstumsorientierte (Marris) Unternehmung, die versucht, ein möglichst hohes Wachstum von Periode zu Periode zu erreichen. Die managerialistischen Modelle der Unternehmung sind - ebenso wie die preistheoretischen Modelle - stark formalisiert worden. Mit Hilfe der komparativ-statischen Analyse lassen sich die Reaktionen der verschiedenen managerialistischen Unternehmungstypen im Vergleich zur eigentümergeführten Unternehmung auf die Änderung von Faktorkosten, Steuern, Preiselastizitäten, u. a.m. abschätzen. - Beurteilung: Die bis heute erzielten empirischen Ergebnisse bzgl. der Unterschiede von manager- und eigentümergeführten Unternehmungen sind widersprüchlich. Obwohl sich zum Teil alternative Zielsetzungen nachweisen lassen, konnten hinsichtlich der Variablen Rendite und Produktivität auch in neueren Untersuchungen keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden (Kaulmann). - 3. Risikotheoretischer Ansatz: Die Entstehung von Unternehmungen als Mehrpersonengebilde wird im Rahmen dieses Ansatzes auf verschiedene Risikoneigungen der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten zurückgeführt (Knight). Individuen mit hoher Risikoneigung (Unternehmer) schließen mit risikoaversen Individuen Arbeitsverträge ab, die für letztere den Vorteil eines gleichmäßigen und vorhersehbaren Einkommensstroms bedeuten. Der Unternehmer akzeptiert seinerseits aufgrund seiner spezifischen Risikoneigung unsichere Einkommensströme, die im Einzelfall über denen liegen können, die er als abhängig Beschäftigter zu erzielen vermag. Der Unternehmergewinn bildet somit eine Prämie für die Übernahme der mit wirtschaftlichen Aktivitäten verbundenen Unsicherheit. - Beurteilung: So wichtig die risikotheoretische Betrachtung für das Verständnis von Unternehmertum und abhänngiger Beschäftigung ist, so wenig vermag sie die Größenverteilung von Unternehmen verschiedener Branchen zu erklären. - 4. Ökonomische Ansätze der Organisationstheorie: Im Zentrum der ökonomischen Analyse steht das Individuum (methodologischer Individualismus). Unternehmungen werden als Ergebnis individueller Entscheidungen und Handlungen dargestellt. Triebfeder des individuellen Verhaltens ist annahmegemäß das Streben nach individueller Nutzenmaximierung. - a) Die von Barnard begründete und von March/Simon weiterentwickelte Anreiz-Beitrags-Theorie thematisiert individuelle Verhaltensentscheidungen in Organisationen aus Sicht des einzelnen Mitarbeiters. Die Entscheidung, in eine Organisation einzutreten bzw. dort zu verbleiben und bestimmte Leistungen zu erbringen, ist dabei abhängig von der (positiven) Differenz zwischen dem erwarteten Nutzen der materiellen und immateriellen Anreize, die das Unternehmen bietet, und den erwarteten Kosten, die dem Mitarbeiter durch die zu entrichteten Leistungsbeiträge entstehen. Alternative Verwendungsmöglichkeiten der eigenen Leistungsfähigkeit gehen als Opportunitätskosten in die Anreiz-Beitrags-Kalkulation ein. - b) Die Theorie der Teamproduktion (Alchian/Demsetz) erklärt die Entstehung von Unternehmungen durch technologisch bedingte Vorteile der Teamarbeit. Kehrseite dessen ist jedoch, daß der Leistungsbeitrag des einzelnen Teammitglieds nicht exakt meßbar und zuordenbar ist. Damit besteht die Tendenz zum "Trittbrettfahren" (free riding) bzw. zur "Drückebergerei" (shirking). Um dies zu verhindern, werden in das Team Kontrolleure eingeführt, die die Leistungen der Teammitglieder überwachen. Da auch diese Kontrolleure überwacht werden müssen, entsteht eine Hierarchie. Die dabei auftauchende Frage lautet: Wer kontrolliert den obersten Kontrolleur? Das Verhalten des obersten Überwachers kann dadurch beeinflußt werden, daß ihm das Residuum der Teamproduktion überlassen wird. Damit kann gewährleistet werden, daß er bei seiner Überwachungstätigkeit keine Leistungszurückhaltung ausübt. Um diese Tätigkeit effektiv durchführen zu können, erhält er die Möglichkeit, Mitglieder aus dem Team zu entlassen und neue Mitglieder einzustellen. Er wird somit zum zentralen Vertragspartner, mit dem alle Teammitglieder Kontrakte schließen. - c) Die Prinzipal-Agent-Theorie ermöglicht eine ökonomische Analyse der Beziehung zwischen einem Auftraggeber bzw. Delegierendem (Prinzipal) und einem Auftragnehmer bzw. Ausführendem (Agent) in einer durch Unsicherheit und asymmetrische Information gekennzeichneten Umwelt (Jensen/Meckling). Der Prinzipal überträgt Aufgaben auf den Agenten, kann diesen jedoch nicht vollständig überwachen. Der Agent trifft Entscheidungen, die nicht nur sein eigenes Wohl, sondern auch dasjenige des Prinzipal beeinflußen. Beiden ökonomischen Akteuren wird beschränkte Rationalität und die Möglichkeit zu opportunistischem Verhalten unterstellt. Je nach Art der Informationsasymmetrie lassen sich nun drei Delegationsrisiken unterscheiden (Akerlof, Alchian/Woodward): Kennt der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten bzw. der von diesem angebotenen Leistung vor Auftragsvergabe nicht, dann besteht die Gefahr der Verdrängung geeigneter Vertragspartner durch ungeeignete Vertragspartner (adverse selection). Kann die Leistung des Agenten nach der Auftragsvergabe nicht oder nur zu hohen Kosten überwacht werden, besteht die Gefahr einer opportunistischen Ausnutzung von Handlungsspielräumen (moral hazard). Sind die Absichten des Agenten nach Auftragsvergabe nicht bekannt, dann besteht, sofern der Prinzipal vom Agenten abhängig ist, die Gefahr einer Erzwingung von Änderungen vereinbarter Konditionen (hold up). Grundsätzlich gibt es drei Strategien zur Reduzierung von Delegationsrisiken. Zunächst kann versucht werden, das Informationsgefälle soweit als möglich zu beseitigen. Dazu kann der Agent durch Informationsübermittlung (signaling) und der Prinzipal durch Informationssuche (screening) beitragen. Zum zweiten kann ein differenzierter Vertrag entworfen werden, welcher bereits im Vorfeld zu einer Selbstauswahl (self selection) der Vertragspartner führt. Eine dritte Möglichkeit besteht in der Angleichung der Ziele von Prinzipal und Agent mittels effizienter Anreizsysteme. Als Effizienzkriterium zur Beurteilung des institutionellen Lösungsmusters können die sog. Agency-Kosten herangezogen werden. Diese setzten sich zusammen aus den Kontrollkosten des Prinzipal, den Garantiekosten des Agent sowie einem Residualverlust. - d) Analyseeinheit der Transaktionskostentheorie ist die Transaktion, d.h. der Prozeß der Vereinbarung und Durchführung eines Leistungsaustauschs. Die damit verbundenen Kosten der Anbahnung, der Vereinbarung, der Abwicklung, der Kontrolle und der Anpassung werden Transaktionskosten genannt. Die Höhe der Transaktionskosten ist abhängig von den Eigenschaften der Transaktion, insbes. von deren Spezifität, Komplexität, Unsicherheit und Häufigkeit. Die Bedeutung der von Coase 1937 in die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion eingebrachten Transaktionskosten wurde erst in den 70er Jahren voll erkannt. Seitdem wird der Transaktionskostenansatz der Organisation entwickelt und diskutiert (Williamson, Picot). Dieser Ansatz hat sich zwei Kernfragen gestellt: (1) Die Abgrenzung der Unternehmung nach außen. Bei der Enscheidung, ob eine Transaktion innerhalb der Unternehmung oder über den Markt abzuwickeln ist, sind Transaktions- und Produktionskosten zu berücksichtigen. Die Grenzen der Unternehmung liegen dort, wo die Grenzkosten der Nutzung des Marktmechanismus gleich den Grenzkosten der Nutzung interner Koordinationsmechanismen sind. (2) Die Strukturierung der internen Organisation. Das Dekompositionsprinzip von Williamson legt dabei zweierlei nahe: Zum einen sind Systeme auf solche Weise in Subsysteme zu untergliedern, daß Transaktionen innerhalb letzterer häufig, zwischen letzteren jedoch selten sind. Diese sind zum anderen zu ergänzen um Anreizsysteme, die sowohl die lokale als auch die globale Effizienz sicherstellen. - e) Analysegegenstand der Property-Rights-Theorie ist die Unternehmung als institutioneller Rahmen, welcher die Handlungen der Mitarbeiter determiniert (Demsetz, Hart). Property-Rights sind dabei definiert als Handlungs- und Verfügungsrechte, die mit materiellen oder immateriellen Gütern verbunden sind und die ökonomischen Akteuren aufgrund von Rechtsordnungen und Verträgen eindeutig zustehen. Hinsichtlich der Gestaltung und Entwicklung von Unternehmensstrukturen kann eine wesentliche Funktion der Property-Rights-Verteilung darin gesehen werden, daß sie Entscheidungsspielräume abzugrenzen und Entscheidungsfolgen zuzuordnen vermag. So läßt sich etwa zeigen, daß in einer komplexen und dynamischen Umwelt eine Konzentration, Zuordnung und Übertragung von Rechtsbündeln an überschaubare organisatorische Einheiten (dezentral-konzentrierte Property-Rights-Struktur) einen höheren Effizienzgrad erzeugt als monozentrische, hierarchische Unternehmensstrukturen (Brickley/Smith/Zimmermann). Im Hinblick auf die Gestaltung der Unternehmensverfassung ist analog zu fragen, wie die Handlungs- und Verfügungsrechte an einer Unternehmung auf die verschiedenen Anspruchsgruppen der Unternehmung (v.a. Mitarbeiter, Management, private und staatliche Eigentümer) unter Effizienzgesichtspunkten zu verteilen sind (Kaulmann). Wettbewerbliche Prozesse auf dem Kapitalmarkt, auf den Absatzmärkten sowie auf dem Markt für Manager haben ebenfalls verhaltenssteuernde Wirkungen und finden als sog. Eigentumssurrogate in der Property-Rights-Theorie Berücksichtigung. - f) Im Rahmen vertragstheoretischer Ansätze kann die Unternehmung als Netzwerk von Verträgen dargestellt werden (Alchian/Demsetz, Fama). Dies erlaubt Einsichten zur Frage, wie explizite und implizite Verträge innerhalb der Unternehmung effizient zu gestalten sind. Dabei ist sicherzustellen, daß einerseits eine effiziente Aufteilung, Zuordnung und Verknüpfung der betrieblichen Aufgaben gewährleistet ist sowie andererseits eigennutzenmaximierende Mitarbeiter einen Anreiz zur Maximierung der Gesamteffizienz des unternehmerischen Leistungsprozesses haben (Wolff). Erkenntnisse der Vertragstheorie finden auch Eingang in die andereren ökonomischen Ansätze der Organisationstheorie. - Beurteilung: Ökonomische Ansätze der Organisationstheorie erfreuen sich einer stetig steigenden Bedeutung. Sie sind heute aus fundierten Analysen der Unternehmung kaum mehr wegzudenken. Kritik an diesen Ansätzen richtet sich im wesentlichen auf vier Punkte. (1) Zentrale Größen der Analyse - etwa immaterielle Anreize und Beiträge, Agency- und Transaktionskosten - sind z.Theorie der Unternehmung nur schwer empirisch operationalisierbar. (2) Die Beherrschung von opportunistischem Verhalten ist ein wichtiges, jedoch keineswegs das einzige Ziel organisatorischer Strukturierung. (3) Die Annahme eines individuellen Rationalverhaltens wird nach Ansicht einiger Autoren auch in ihrer abgeschwächten Form (begrenzte Rationalität) der Komplexität menschlicher Verhaltensweisen nicht gerecht. (4) Individuelle Präferenzen können nicht als gegeben angenommen werden. In der Realität feststellbare Welchselwirkungen zwischen individuellen Präferenzen und institutionellen Rahmenbedingungen sollten daher in ökonomischen Modellen Berücksichtigung finden. - 5. Verhaltenstheoretische Ansätze: Verhaltenstheoretische Ansätze betrachten Unternehmungen nicht als statische, zweckrationale Gebilde, sondern als Ergebnis interessengeleiteter Interaktionen. Mitarbeiter versuchen dabei, ihre eigenen Interessen im täglichen Kampf um Macht, Einfluß, Prestige und Ressourcen durch Koalitionenbildung, Unterstützung und Widerstand zu verfolgen. a) In der Verhaltenstheorie der Firma (Cyert/March) wird die Unternehmung als Koalition von Individuen mit divergierenden Interessen interpretiert. Die Unternehmung besitzt keine eigenen Ziele. Diese sind vielmehr Ergebnis eines Verhandlungsprozesses, in welchem die Individualziele der Koalitionsmitglieder in Ziele der Unternehmung umgewandelt werden. Der Verhandlungsprozeß kann in drei Phasen gegliedert werden: (1) In einem ersten Schritt werden die Koalitionsbedingungen festgelegt. Diese regeln, inwieweit die Koalitionsbildung frei oder unter dem Zwang der Verhältnisse (Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, soziale und wirtschaftliche Lage der Betroffenen) erfolgt. (2) Während der Mitgliedschaft werden die Koalitionsbedingungen stabilisiert und präzisiert. Die Arbeitnehmer bilden verschiedene Unterkoalitionen (z.B. Betriebsrat, leitende Angestellte) und Verhaltensnormen. (3) Veränderungen von Umweltfaktoren und Bedürfnisstrukturen sowie Widersprüchlichkeiten innerhalb der Koalitionsbedingungen führen dazu, daß der Verhandlungsprozeß nicht zu einem Ende kommt, sondern kontinuierlich stattfindet. Die politischen Prozesse in Unternehmen werden in neueren Publikationen häufig unter dem Oberbegriff Mikropolitik diskutiert (Neuberger). - b) Das Mülleimer-Modell der Organisation (Cohen/March/Olsen) geht noch einen weiteren Schritt in Richtung der Dekonstruktion ökonomischer Rationalmodelle und stellt die Unternehmung als organisierte Anarchie dar. Entscheidungssituationen gleichen einem Mülleimer, in welchen verschiedene Personen unterschiedliche Arten von Problemen und Lösungen kippen - gerade so wie diese entstehen. Die Unternehmung wird damit zu einem Strom von Entscheidungen, die Probleme suchen, von Fragen und Gefühlen, die Entscheidungssituationen suchen, in denen sie zur Sprache kommen können, von Lösungen, die nach Fragen suchen, für die sie eine Antwort sein könnten, sowie nicht zuletzt von Entscheidern, die nach Arbeit suchen. Entscheidungsergebnisse hängen demnach von zahlreichen kontextuellen und zeitlichen Bedingungen ab, die mit der Sache selbst unmittelbar nichts zu tun haben. - c) Die Theorie der Strukturierung unternimmt den Versuch, die dualistische Gegenüberstellung von Handlung und Struktur durch eine "dualitäre" Konzeption zu überwinden. Handlung und Struktur werden als zwei Momente desselben Geschehens dargestellt (Dualität). Strukturen sind sowohl das Medium als auch das Ergebnis sozialen Handelns. Handeln ist verwirklichte Struktur. Eine Analyse der Unternehmung kann mittels zweier aufeinander bezogener Ansätze vorgenommen werden. (1) In der Handlungsanalyse geht Giddens vom einsichtsfähigen und handlungsmächtigen Akteur aus, der seine Aufgaben angesichts unerkannter Probleme und unbeabsichtigter Handlungsfolgen vor allem durch praktisches Wissen bewältigt. (2) In der Strukturanalyse geht es darum, die Regeln und Ressourcen zu finden, die strukturiertes Handeln ermöglichen und beschränken. Dabei spielen die Strukturierungsdimensionen Signifikation, Herrschaft und Legitimation eine besondere Rolle. - Beurteilung: Verhaltenstheoretische Ansätze stellen kein geschlossenes, konsistentes Theoriegebäude dar. Im Spannungsfeld zwischen realitätsnaher Detailkundigkeit und logisch zwingender, theoretischer Argumentation liegen ihre Stärken im Aufzeigen der Vielfalt und Unvollkommenheit menschlichen Entscheidungsverhaltens. Sie leisten damit fruchtbare Beiträge zur Relativierung der Annahmen des Rationalmodells. - 6. Evolutionstheoretische Ansätze: Evolutionstheoretische Modelle der Unternehmung zielen auf eine Erklärung der Entstehung, der Entwicklung und des Niedergangs von Unternehmungen. Gegenstand der Betrachtung sind nicht statische oder dynamische Optimallösungen, sondern Veränderungs- und Selektionsprozesse. Grundbausteine evolutionstheoretischer Ansätze bilden die Mechanismen Variation, Selektion und Reproduktion (Nelson). Durch gezielte und/oder zufällige Variationen entstehen neue Eigenschaften. Unbrauchbare Eigenschaften werden im Wettbewerb eliminiert (Selektion). Brauchbare Eigenschaften hingegen werden durch Reproduktion weiter verbreitet. Die verschiedenen evolutionstheoretischen Ansätze unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes, als auch hinsichtlich ihrer Konzeption der evolutionstheoretischen Mechanismen. a) Im Rahmen des Population-Ecology-Ansatzes werden die Mechanismen der Evolution nicht auf einzelne Unternehmungen, sondern auf Populationen von Unternehmungen angewandt. Die Mitglieder einer Population zeichnen sich durch eine gemeinsame, relativ stabile Grundstruktur aus (Hannan/Freeman). Als Analogon zur genetischen Information können die im Unternehmen gespeicherten Wissenselemente, die sog. Comps, angeführt werden (McKelvey/Aldrich). Hierzu zählen Produkt- und Verfahrenstechnologien, organisationales Know-How, Handlungsroutinen, Informationssysteme und Unternehmensphilosophien. Innovationen und Neugründungen führen zu Variationen innerhalb einer Population und zur Enstehung neuer organisationaler Spezies. Im Konkurrenzkampf auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten zeigt sich die Überlebensfähigkeit der einzelnen Unternehmungen. Erfolgreiche Organisationen wachsen, ihre Comps werden imitiert. Erfolglose Organisationen scheiden langfristig aus, ihre Comps gehen verloren. - b) Die grundlegenden Mechanismen der Verhaltensevolution (Campbell) können auch zur Erklärung der internen Entwicklung von Unternehmungen verwendet werden. Mitarbeiter variieren fortlaufend ihr Handeln. Handlungsvariationen mit relativ höherem Problemlösungspotential haben eine größere Chance, ausgewählt (Selektion) und in der Folge als Verhaltensregeln gespeichert und weitergegeben zu werden (Reproduktion). Somit entstehen organisatorische Verfahren (Regeln, Programme, Comps), die unabhängig von einzelnen Mitarbeitern bestehen können. Nicht zuletzt unterliegen auch die Evolutionsmechanismen selbst der Evolution. Ansätze evolutionären Managements legen nahe, daß sich Führungskräfte angesichts der nicht beherrschbaren Komplexität moderner Unternehmungen vor allem auf die Gestaltung der unternehmensinternen Evolutionsmechanismen konzentrieren (Kirsch, Malik/Probst). - c) Weitere evolutorische Theorien der Unternehmung untersuchen die Gründe für die Entstehung von Unternehmungen und stellen dabei v.a. auf die Person des Unternehmers: (1) Kirzner erklärt die Entstehung und Entwicklung von Unternehmungen mit der Findigkeit des Unternehmers beim Aufspüren von Arbitragemöglichkeiten. Unvollkommene Information der Wirtschaftssubjekte führt auf Märkten zu partiellen Ineffizienzen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, Güter an einem Ort einzukaufen, um sie an einem anderen Ort mit Aufpreis wieder zu verkaufen. Solche Arbitragegeschäfte bringen einerseits den Markt näher an sein Gleichgewicht und ermöglichen andererseits die Gründung und Entwicklung von Unternehmungen. - (2) Im Zentrum von Schumpeters Theorie der schöpferischen Zerstörung steht ebenfalls der Unternehmer. Dieser setzt Innovationen durch und verursacht dadurch kurzfristige Marktungleichgewichte, die ihm ein Abschöpfen von temporären Monopolrenten erlauben. Angezogen von diesen Monopolrenten bemühen sich Konkurrenten in der Folge um eine Imitation der Innovation. Das daraus resultierende Abschmelzen der Monopolrenten fordert den Unternehmer zu erneuter Innovationstätigkeit heraus. Die Entwicklung von Unternehmen vollzieht sich somit im Spannungsfeld von Innovation und Imitation. - Beurteilung: Evolutionstheoretische Ansätze leisten wichtige Beiträge zur Erkenntnis grundlegender Zusammenhänge des Wandels von Organisationen. Kritisch ist jedoch anzumerken, daß diese Ansätze wenig zur konkreten internen Ausgestaltung der Unternehmung beitragen können, daß sie bislang von wenigen Ausnahmen abgesehen nur ein begrenztes Niveau der Formalisierung erreicht haben, sowie daß die Definition und Abgrenzung von Populationen sich in empirischen Untersuchungen als außerordentlich schwierig erweist. - 7. Systemtheoretische Ansätze: Die systemtheoretische Sichtweise der Unternehmung versucht, Erkenntnisse über Systeme, die ihre Wurzeln v.a. in den Disziplinen Physik und Biologie haben, auf die Unternehmung zu übertragen. Dazu wird ein Systemmodell der Unternehmung aufgestellt, dessen Elemente Menschen und Maschinen umfassen (sozio-technisches System). Beziehungen bestehen aus Kooperations- und Kommunikationsvorgängen. Das System Unternehmung zeichnet sich durch Zielgerichtetheit und Offenheit gegenüber der Umwelt aus. - Darüber hinaus läßt sich die Unternehmung als kybernetisches System kennzeichnen, das nach gleichgewichtsstörenden Ereignissen unter bestimmten Bedingungen wieder in einen (neuen) Gleichgewichtszustand zurückkehrt. Diese Tendenz wird durch Regelkreise innerhalb des Systems realisiert. Sie basieren auf dem Prinzip der Rückkopplung. Darunter versteht man ein Prinzip, nach dem das Ergebnis eines Prozesses (Ist) gemessen und mit dem gewünschten Zustand (Soll) verglichen wird. Werden hierbei Abweichungen festgestellt, so wird eine Korrekturmaßnahme eingeleitet. Analog können dispositive Entscheidungen des Managements als Korrekturmaßnahmen aufgefaßt werden, wenn die tatsächliche Produktion (Ist) von den Plänen (Soll) abweicht. - Neuere Ansätze der Systemtheorie, die häufig auf jüngeren kognitionsbiologischen Erkenntnissen basieren, interpretieren die Unternehmung als selbstorganisierendes System (Probst). Von autopoietischen Systemen wird dann gesprochen, wenn diese nicht nur durch klare Systemgrenzen gegenüber der Umwelt, sondern auch durch eine selbstreferenzielle Entwicklung ihrer Elemente gekennzeichnet sind (Maturana/Varela, Luhmann). Handlungen der Unternehmung beruhen auf den Interpretationen der Wahrnehmungen von Umwelt und Unternehmung, die ihrerseits wieder zu neuen Interpretationen der Wahrnehmungen und Handlungen führen. Es findet also eine Koevolution von Wahrnehmung, Interpretation und Handlung statt (Kirsch). - Beurteilung: Obschon systemtheoretische Ansätze zu großer analytischer Präzision führen können, besteht gerade bei älteren Arbeiten die Gefahr, daß bereits hinreichend bekannte Tatsachen und Zusammenhänge lediglich mit anderen sprachlichen Attributen belegt werden. Neuere systemtheoretische Arbeiten erlauben hingegen wertvolle Einsichten insbes. zu den Grenzen der Gestaltbarkeit von Systemen.
III. Diskussion: Die vorstehende Darstellung wesentlicher Ansätze zu einer T.d.U. zeigt, daß diese jeweils nur zur Erklärung und Gestaltung einzelner ausgewählter Tatbestände herangezogen werden können. Mehrere Wege sind denkbar, um dem komplexen Phänomen Unternehmung gerecht zu werden: (1) Nutzung der theoretischen Ansätze als spezifische Instrumente zur Lösung spezifischer Probleme. Eine Veränderung des Analyseziels führt damit meist auch zu einer Variation der herangezogenen Theorien. (2) Da häufig jedoch nicht feststellbar ist, welcher theoretische Ansatz zur Lösung eines bestimmten Problems der leistungsfähigste ist, wird in "postmodernen" Ansätzen der Organisationstheorie (Weik) der Schluß gezogen, daß Erkenntnis nur durch Vielfalt erreicht werden kann. Das jeweils interessierende Phänomen sollte daher mit möglichst vielen Ansätzen aus möglichst vielen Perspektiven analysiert werden. (3) Eine umfassende Integration der verschiedenen Ansätze zur einer allgemeinen T.d.U. ist bislang noch nicht gelungen. Große Forschritte haben sich jedoch insbes. auf dem Feld der ökonomischen Ansätze zu einer T.d.U. eingestellt. Erleichtert durch das Vorherrschen weniger klarer Annahmen können insbes. die Property-Rights-, die Prinzipal-Agent- und die Transaktionskosten-Theorie zueinander anschlußfähig gemacht werden (Picot, Milgrom/Roberts, Brickley/Smith/Zimmermann). (4) Eine wichtige Aufgabe besteht in der empirischen Überprüfung und Fundierung der theoretischen Ansätze. Auf diese Weise kann kritisch hinterfragt werden, inwieweit das vorliegende theoretische Instrumentarium die Entwicklung praxisrelevanter Erklärungen und Handlungsempfehlungen ermöglicht. - Vgl. auch Betriebswirtschaftslehre als Theorie der Unternehmung, volkswirtschaftliche Theorie der Unternehmung, neoklassische Theorien der Unternehmung, mikroökonomische Theorie der Unternehmung, Manager-Theorie der Unternehmung, Governance-Structure-Theorie der Unternehmung, Verhaltens-Theorie der Unternehmung, Teamtheorie der Unternehmung, Theorie der arbeitergeleiteten Unternehmung, Theorie der multinationalen Unternehmung, Wachstums-Theorie der Unternehmung von Penrose, Prinzipal-Agent-Theorie der Unternehmung, Transaktionskosten-Theorie der Unternehmung.
Literatur: Akerlof, G. A., The Market for 'Lemmons'. Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, 84. Jg., 1970, S. 488-500; Alchian, A. A./Demsetz, H., Production, Information Costs and Economic Organization, in: American Economic Review, Vol. 62, 1972, S. 777-795; Alchian, A. A./Woodward, S., Reflections on the Theory of the Firm, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 143. Jg., 1987, S. 110-136; Barnard, C. I., The Functions of the Executive, Cambridge 1938; Baumol, W. J., Business Behavior, Value and Growth, New York 1959; Berle, A. A./Means, C. G., The Modern Corporation and Private Property, New York 1932; Brickley, J. A./Smith, C. W./Zimmermann, J. L., Organizational Architecture. A Managerial Economics Approach, New York 1996; Campbell, D. T., Variation and Selective Retention in Socio-Cultural Evolution, in: General Systems, 14. Jg., 1969, S. 69-85; Chamberlin, E. H., The Theory of Monopolistic Competition, Cambridge 1933; Coase, R. H., The Nature of the Firm, in: Economica, Vol. 4, 1937, S.386-405; Cohen; M.D./March, J. G./Olsen, J. P., A Garbadge Can Model of Organizational Choice, in: Administrative Science Quarterly, Vol. 17, 1972, S. 1-25; Cournot, A., Recherches sur les Principes de la Theorie des Richesses, Paris 1938; Cyert, R. M./March, J. G., A Behavioral Theory of the Firm, Englewood Cliffs 1963; Demsetz, H., Toward a Theory of Property Rights, in: American Economic Review, Vol. 57, 1967, S. 347-359; Fama, E. F., Agency Problems and the Theory of the Firm, in: Journal of Political Economy, Vol. 88, 1980, S. 288-307; Giddens, A., The Constitution of Society. Outline of the Theory of Structuration, Cambridge 1984; Hannan, M. T./Freeman, J., Organizational Ecology, Cambridge 1989; Hart, O., Firms, Contracts, and Financial Structure, Oxford 1995; Heinen, E., Grundfragen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre, München 1976; Jensen, M. C./Meckling, W. H., Theory of the Firm. Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Strucure, in: Journal of Financial Economics, 3. Jg., 1976, S. 305-360; Kaulmann, T., Property Rights und Unternehmenstheorie. Stand und Weiterentwicklung der empirischen Forschung, München 1987; Kirsch, W., Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität, München 1992; Kirzner, I., Competition and Entrepreneurship, Chicago 1973; Knight, F. H., Risk, Uncertainty and Profit, Chicago 1921; Lazear, E., Personnel Economics, Cambridge/London 1995; Luhmann, N., Organisation, in: Küpper, W./Ortmann, G., Mikropolitik. Rationalität, Macht und Spiele in Organisationen, Opladen 1988, S. 165-186; Mailk, F./Probst, G. J. B., Evolutionäres Management, in: Die Unternehmung, 35. Jg, 1981, S. 121-140; March, J. G./Simon, H. A., Organizations, New York/London 1958; Marris, R., The Economic Theory of "Managerial" Capitalism, London 1964; Maturana, H./Varela, F., Autopoietische Systeme. Eine Bestimmung der lebendigen Organisation, in: Maturana, F. (Hrsg.): Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, Braunschweig et al. 1982, S. 170-235; Mc Kelvey, B./Aldrich, H. E., Populations, Natural Selection, and Applied Organizational Science, in: Adminstrative Science Quarterly, 28. Jg., 1985, S. 278-283; Milgrom, P./Roberts, J., Economics, Organization and Management, Englewood Cliffs 1992; Nelson, R. R., Recent Evolutionary Theorizing about Economic Change, in: Journal of Economic Literature, Vol. 33, 1995, S. 48-90; Nelson, R. R./Winter, S. G., An Evolutionary Theory of Economic Change, Cambridge/Ma. 1982; Neuberger, O., Mikropolitik. Der alltägliche Aufbau und Einsatz von Macht in Organisationen, Stuttgart 1995; Picot, A., Transaktionskostenansatz der Organisationstheorie: Stand der Diskussion und Aussagewert, in: Die Betriebswirtschaft, 42. Jg., 1982, S. 267-284; Picot, A., Ein neuer Ansatz zur Gestaltung der Leistungstiefe, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 43. Jg., 1991, S. 336-359; Picot, A., Ökonomische Theorien der Organisation. Ein Überblick über neuere Ansätze und deren betriebswirtschaftliches Anwendungspotential, in: Ordelheide, D./Rudolph, B./Büsselmann, E. (Hrsg.), Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorien, Stuttgart 1991, S. 143-170; Picot, A./Schlicht, E., Firms, Markets, and Contracts, Berlin 1996; Probst, G. J. B., Selbst-Organisation. Ordnungsprozesse in sozialen Systemen, Berlin und Hamburg 1987; Robinson, J., The Economics of Imperfect Competition, London 1969; Schumpeter, J. A., Capitalism, Socialism, and Democracy, London 1942; Stackelberg, H. v., Marktform und Gleichgewicht, Wien/Berlin 1934; Weik, E., Postmoderne Ansätze in der Organisationstheorie, in: Die Betriebswirtschaft, 56. Jg., 1996, S. 379-397; Williamson, O. E., The Economics of Discretionary Behavior: Managerial Objectives in a Theory of the Firm, Englewood Cliffs, N. J. 1964; Williamson, O. E., The Economic Institutions of Capitalism, New York 1985; Wolff, B., Organisation durch Verträge, Wiesbaden 1995.

 

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