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Prinzipal-Agent-Modelle
1. Abgrenzung: Treten Prinzipal und Agent einmal in Beziehung, liegt ein statisches P.-A.-M. vor. Die Analyse langfristiger Prinzipal-Agent-Beziehungen ist Gegenstand dynamischer P.-A.-M. (Agency-Theorie). Inhalt der folgenden Abhandlung sind einmalige Beziehungen zwischen einem Prinzipal und einem Agenten. - 2. Darstellung: a) Vorgelegt sei das Entscheidungsproblem eines Prinzipals (z. B. eines Firmeninhabers), dessen Bruttogewinn Zufallseinflüssen unterliegt. Die Verteilungsfunktion F (G | a) (mit der Dichtefunktion f (G | a)) des Bruttogewinns hänge ab von einer Aktion a (etwa der Arbeitsanstrengung) des Agenten, die der Prinzipal nicht beobachten kann. Es handelt sich somit um ein P.-A.-M. mit versteckter Aktion. Durch die Wahl einer zulässigen Aktion a entstehen dem Agenten persönliche Kosten in Höhe von K (a), wobei mit steigendem a sowohl die Kosten als auch die Grenzkosten des Agenten zunehmen. Zugleich gelte F (G | a)/ a < 0, d. h. die Wahrscheinlichkeit eines höheren Bruttogewinns nimmt auf dem relevanten Bereich zu, wenn a steigt. Der Agent legt durch seine Aktionswahl im Ergebnis die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Bruttogewinns fest und nimmt auf diesem Weg Einfluß auf die Wohlfahrt des Prinzipals. Umgekehrt ist die Höhe des Bruttogewinns als Indikator (Signal) für die Aktion des Agenten verwendbar. Der Prinzipal kann demnach die Aktionswahl des Agenten durch die geeignete Festlegung eines Kompensationsschemas (compensation scheme) t (G) indirekt steuern, wobei t (G) die Höhe der Entlohnung des Agenten in Abhängigkeit vom tatsächlich realisierten und gemeinsam beobachteten Bruttogewinn bestimmt. Man bezeichnet das Kompensationsschema t (G) daher auch als Anreizschema (incentive scheme) oder Anreizvertrag. - b) Ziel des Prinzipals ist es, den mathematischen Erwartungswert des Nettogewinns
zu maximieren. Dabei unterliegt er zweierlei Beschränkungen. Zum ersten darf der Erwartungsnutzen des Agenten einen exogen gegebenen Reservationsnutzen (reservation utility) U nicht unterschreiten, damit der Agent den Anreizvertrag t (G) freiwillig akzeptiert. Bildet man die Präferenzen des Agenten über Geldbeträge durch eine von Neumann-Morgenstern Nutzenfunktion u ( · ) ab, so ergibt sich die Forderung
Gleichung (PC) wird als Partizipationsbeschränkung (participation constraint, individual rationality constraint) bezeichnet. Zum zweiten gilt es zu beachten, daß der Prinzipal die Aktionswahl des Agenten nicht beobachten und demzufolge auch nicht direkt steuern kann. Eine bestimmte Aktion a* des Agenten kann daher nur dann herbeigeführt werden, wenn sie im Interesse des Agenten liegt, also seinen Erwartungsnutzen maximiert. Dies ist der Fall, wenn
für alle durchführbaren Aktionen a erfüllt ist. Die Forderung (IC) wird Anreizverträglichkeitsbeschränkung (incentive compatibility constraint) genannt. - 3. Lösung: Als Lösung des P.-A.-M. bezeichnet man einen Anreizvertrag t (G) zusammen mit einer Aktionswahl a* des Agenten derart, daß die Zielfunktion (1) des Prinzipals unter Einhaltung der Beschränkung (IC) und (PC) maximiert wird. Ist der Agent risikoneutral (u ( · )) ist also eine lineare Funktion), so hat ein optimaler Anreizvertrag die Form t (G) = G – z, wobei z eine Konstante bezeichnet, die so festzulegen ist, daß die Beschränkung (PC) bei der Aktionswahl a* als Gleichung erfüllt wird. Der Agent wird im Ergebnis zum Empfänger des residualen Gewinneinkommens (residual claimant) und wählt infolgedessen jene Aktion a*, die der Prinzipal bei gleichem Informationsstand ebenfalls wählen würde. Die Agency-Kosten bei Risikoneutralität des Agenten betragen daher null. Ist der Agent dagegen risikoscheu (u ( · )) ist also streng konkav), so ist eine Übertragung des gesamten Gewinneinkommensrisikos auf den Agenten in aller Regel nicht optimal. Für eine gegebene Aktionswahl läge es in diesem Fall im Gewinninteresse des risikoneutralen Prinzipals, den Agenten durch eine erfolgsunabhängige Entlohnung t (G) = t vollständig gegen Einkommensrisiken zu versichern. Aus (IC) folgt allerdings, daß der Agent in diesem Fall die kleinste mögliche Aktion wählt. Eine Absicherung des risikoscheuen Agenten gegen Einkommensrisiken bedeutet somit unweigerlich, daß keinerlei Aktionsanreize bereitgestellt werden. Es wird ein fundamentaler Konflikt zwischen Versicherung und Anreizen (tradeoff between insurance and incentives) deutlich, der dem Agency-Problem zugrundeliegt. Eine Lösung des P.-A.-M. bei Risikoscheu des Agenten stellt demzufolge einen second-best optimalen Kompromiß zwischen einer möglichst umfassenden Versicherung des Agenten und der Bereitstellung von Aktionsanreizen dar (first-order-approach). - 4. Der first-order-approach: a) Begriff: Verfahren, das bei der Ermittlung einer Lösung für ein P.-A.-M. mit kontinuierlicher Aktion des Agenten verwendet wird. - b) Inhalt: Beim first-order-approach wird die Anreizverträglichkeitsbeschränkung (IC) des P.-A.-M. durch die Bedingung erster Ordnung für eine den Erwartungsnutzen des Agenten maximierende Aktionswahl (ICFO) ersetzt:
Dieses Vorgehen setzt allerdings voraus, daß eine Aktionswahl des Agenten, die Lösung der Bedingung (ICFO) ist, zugleich auch der globalen Bedingung (IC) genügt. Nur in diesem Fall ist sichergestellt, daß der Agent ein globales Erwartungsnutzenmaximum erreicht. - c) Validität: Werden den Beschränkungen (PC) und (ICFO) die Lagrange-Multiplikatoren bzw. zugeordnet, so ergibt sich die folgende Bedingung erster Ordnung für ein optimales Anreizschema:
Der Ausdruck fa (G | a)/ f (G | a) bezeichnet das kontinuierliche Gegenstück der likelihood ratio. In der Statistik wird die likelihood ratio (das Verhältnis zweier Wahrscheinlichkeitsdichten) verwendet, um Auskunft über die Frage zu geben, durch welchen unbekannten Parameter einer Wahrscheinlichkeitsverteilung eine gegebene Stichprobe vermutlich charakterisiert ist. Im vorliegenden Zusammenhang erlaubt der Wert der likelihood ratio für einen gegebenen Gewinn G einen Rückschluß auf die zugrundeliegende Aktionswahl a. Die monotone likelihood ratio property (MLRP) besagt dann, daß die likelihood ratio eine monoton steigende Funktion der Variablen G ist, ein höherer Gewinn also eher auf eine höhere als auf eine geringere Anstrengung a hinweist. Die convexity of distribution function condition (CDFC) fordert, daß die Verteilungsfunktion F (G | a) eine konvexe Funktion der Variablen a ist. Sind MLRP und CDFC erfüllt, so kann gezeigt werden, daß der Erwartungsnutzen des Agenten für jedes Anreizschema eine konkave Funktion der Aktion a ist. In diesem Fall ist sichergestellt, daß der first-order-approach bei der Ermittlung einer Lösung des P.-A.-M. angewendet werden darf. I. a muß jedoch für jeden Einzelfall nachgewiesen werden, daß der first-order-approach tatsächlich die gesuchte Lösung liefert. - 5. Das sufficient statistic result: a) Begriff: Beim sufficient statistic result handelt es sich um eine Kernaussage der Prinzipal-Agent-Theorie. Es besagt, daß ein optimaler Anreizvertrag von allen verfügbaren Variablen (Signalen) abhängen sollte, die relevante Informationen über die Aktionswahl des Agenten enthalten. - b) Inhalt: Im Rückgriff auf Gleichung (2) soll der wesentliche Gedanke kurz dargelegt werden. Zu diesem Zweck sei unterstellt, es werde neben G ein weiteres Signal s beobachtet und der Anreizvertrag konditioniere auf G und s. Dann ergibt sich die modifizierte Bedingung erster Ordnung für ein optimales Anreizschema:
wobei f (G, s | a) die gemeinsame Dichte der Zufallsvariablen u. bezeichnet. Kann die likelihood ratio fa/f in Gleichung (2´) für alle zulässigen Werte G, s, a in der Form h (G | a) geschrieben werden, so heißt G sufficient statistic für G, s bzgl. a, d. h. G enthält bereits sämtliche relevanten Informationen über a; s wird demzufolge uninformatives Signal genannt. Anderenfalls bezeichnet man s als informatives Signal. Für die Struktur eines optimalen Vertrages ergibt sich in diesem Zusammenhang folgende Konsequenz: Ist G eine sufficient statistic (s also uninformativ), so genügt ein Anreizvertrag bereits der Optimalitätsbedingung (2´), wenn nur auf G konditioniert wird. Hat G dagegen nicht die sufficient statistic Eigenschaft (s ist informativ) für alle Werte von a, so stellen sich Prinzipal und Agent mit einem Vertrag, der auf beide Signale G und s konditioniert, besser als mit einem Vertrag, in dem nur auf G konditioniert wird. - 6. Das LEN-Modell: a) Begriff: P.-A.-M., das den folgenden Annahmen genügt: der betrachtete Anreizvertrag ist linear (L); die Nutzenfunktionen von Prinzipal und Agent sind exponentiell (E); der Zufallseinfluß ist normalverteilt (N). - b) Motivation: Ein Hauptkritikpunkt am statischen P.-A.-M. zielt auf die mangelnde Robustheit ab. Kleine Annahmenänderungen (insbes. bzgl. der zugrundeliegenden Verteilung der Zufallseinflüsse) haben gewöhnlich zur Folge, daß sich die Struktur eines optimalen Anreizvertrages ändert. Die Komplexität theoretisch optimaler Anreizverträge steht im Gegensatz zur weiten Verbreitung vergleichsweise einfacher (insbes. linearer) Verträge in der Realität. Diese Kritik hat zur Entwicklung des LEN-Modelles geführt, das in der Literatur nicht zuletzt wegen seiner einfachen Handhabung und Interpretierbarkeit eine gewisse Bedeutung erlangt hat. - c) Begründung: In Abänderung des P.-A.-M. sei der Bruttogewinn durch die Beziehung = a + bestimmt und die Nutzenfunktion des Agenten exponentiell (u = –exp{–r [t (G) – K (a)]}) mit konstantem Risikoaversionsparameter r (der Prinzipal sei unverändert risikoneutral). Dann kann (im Rahmen einer dynamischen Erweiterung des statischen Modelles) gezeigt werden, daß ein linearer Anreizvertrag der Form t (G) = + G optimal ist. Diese Begründung linearer Verträge (und des LEN-Modelles) geht auf Holmstrom und Milgrom (1987) zurück. - d) Das Prinzip der Anreizintensität (incentive intensity principle): Hat der normalverteilte Zufallseinfluß den Erwartungswert Null und die Varianz 2, dann liefert das oben beschriebende LEN-Modell folgende Bestimmungsgleichungen für die Aktion des Agenten und den Steigungsparameter (den Gewinnbeteiligungssatz) b eines optimalen Anreizvertrages:
Gleichung (4) hat eine sehr einfache und intuitive Interpretation. Die Anreizintensität wird positiv beeinflußt von drei Determinanten: der Risikotoleranz des Agenten (gemessen durch den Kehrwert des Koeffizienten der absoluten Risikoaversion r); der Präzision des Signals G (gemessen durch den Kehrwert der Varianz des normalverteilten Signals 2); der Anreizsensitivität des Agenten (das ist die Sensitivität, mit der die Aktionswahl des Agenten auf eine Erhöhung der Anreizintensität reagiert, gemessen durch da/d = 1/K´´). Diese Zusammenhänge werden in der Literatur als incentive intensity principle bezeichnet. - e) Erweiterungen: Das LEN-Modell wird nicht zuletzt wegen seiner einfachen Struktur als Werkzeug zur Analyse komplexerer Probleme eingesetzt. Berücksichtigt man z. B., daß ein Agent typischerweise mehr als nur eine Aufgabe zur gleichen Zeit erledigt, so stellt sich heraus, daß Anreizintensitäten für die verschiedenen Aufgaben simultan bestimmt werden sollten. Eine isolierte Analyse von Teilen des gesamten Aufgabenspektrums birgt die Gefahr, daß sich fundamentale Abweichungen der Ergebnisse von den Resultaten ergeben, zu denen man bei einer Analyse des gesamten Aufgabenspektrums gelangt wäre. Das Prinzip der übereinstimmenden Entlohnung macht dies deutlich. - 7. Das Prinzip der übereinstimmenden Entlohnung (equal compensation principle). a) Inhalt: Vorgelegt sei folgende Modifikation des LEN-Modelles: es bezeichne ai die Zeit, die ein Agent für Aufgabe i aufwendet (i = 1, 2), i = ai+i den zugehörigen Bruttogewinn und i die zugehörige Anreizintensität. Wendet der Agent Zeit für beide Aufgaben auf und hängen seine persönlichen Kosten lediglich vom gesamten Zeitaufwand für beide Aufgaben ab, dann ist die Bestimmungsgleichung (3) für die optimale Aktionswahl wie folgt zu modifizieren:
für i = 1, 2. Folglich müssen die Anreizintensitäten für beide Aufgaben stets übereinstimmen, wenn sich der Agent beiden Aufgaben widmen soll. Dieser Zusammenhang wird als Prinzip der übereinstimmenden Entlohnung bezeichnet. - b) Ausblick: Das Prinzip der übereinstimmenden Entlohnung beruht auf speziellen Annahmen, weist aber auf folgende Agency-theoretische Erkenntnisse allgemeinerer Art hin. (1) Ist eine Leistungsmessung für eine Aufgabe aus dem gesamten Aufgabenbereich nicht möglich, so hat dies i. a. Auswirkungen auf die Zweckmäßigkeit einer Leistungsmessung für alle anderen Aufgaben. Insbes. ist es i. a. unzulässig, das incentive intensity principle lediglich auf Teile des Aufgabenbereichs anzuwenden. (2) Ein Verzicht auf die Bereitstellung jeglicher Anreize kann selbst dann optimal sein, wenn eine Messung der Leistung (partiell) möglich ist. (3) Das Verhalten eines Agenten hängt neben monetären Anreizen von der Gestaltung des Aufgabenumfeldes ab. Dem Prinzipal stehen daher i. a. zahlreiche Instrumente zur Verfügung, um das Verhalten des Agenten indirekt zu steuern.
Literatur: Bamberg, G./Spreemann, K., Agency theory, information, and incentives, Springer, 1989; Grossman, S./Hart, O., An analysis of the principal-agent problem, Econometrica, 51, 1983, S. 7-45; Hart, O./Holmstrom, B., The theory of contracts, S. 71-155, in: Bewley, T. (Hrsg.), Advances in economic theory, Cambridge University Press, 1987; Holmstrom, B., Moral hazard and observability, Bell Journal of Economics, 10, 1979, S. 74-91; Holmstrom, B./Milgrom, P., Aggregation and linearity in the provision of intertemporal incentives, Econometrica, 55, 1987, S. 303-328; Holmstrom, B./Milgrom, P., Regulating trade among agents, Journal of Institutional and Theoretical Economics, 146, 1990, S. 85-105; Holmstrom, B./Milgrom, P., Multi-task principal agent analyses, Journal of Law, Economics, and Organization, 7, 1991, S. 24-52; Milgrom, P./Roberts, J., Economics, organization and management, Prentice Hall, 1992; Rogerson, W., The first-order approach to principal-agent problems, Econometrica, 53, 1985, S. 1357-1368; Sappington, D., Incentives in principal-agent relationships, Journal of Economic Perspectives, 5, 1991, S. 45-66.
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