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Statistik

quantitativ ausgerichtete wissenschaftliche Disziplin mit umfassenden Anwendungsfeldern sowohl in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften als auch in den Naturwissenschaften und der Technik.
I. Gegenstand: Statistik umfaßt die Methoden zur Beschreibung und Analyse von Massenerscheinungen, d. h. unter gleichen Rahmenbedingungen häufig beobachtbaren Vorgängen, mit Hilfe von Zahlen. Auch Ergebnisse der Anwendung statistischer Methoden (Tabellen, Graphiken) werden Statistik genannt. - Eine statistische Untersuchung ist jeweils auf eine globale Charakterisierung der Elemente einer meist umfangreichen Grundgesamtheit, z. B. der Bevölkerung eines Landes, der Tagesproduktion einer Fertigung, gerichtet. Diese betrifft i. d. R. mehrere statistische Merkmale (statistische Variablen), z. B. Alter, Ausbildungsniveau, Monatseinkommen, Funktionsfähigkeit, Lebensdauer. Wird die Grundgesamtheit vollständig untersucht (Vollerhebung), erstrecken sich die Methoden statistischer Analyse nur auf die Deskription der Befunde, also die Verdichtung von Einzelinformationen zu generellen Aussagen (deskriptive, beschreibende St.). Die statistische Kennzeichnung einer Grundgesamtheit ist auch möglich, wenn diese nur teilweise erfaßt wurde, soweit eine Zufallsstichprobe, also eine durch einen Zufallsvorgang gewonnene Teilgesamtheit, zugrundeliegt. Deskriptive Befunde aus der Zufallsstichprobe werden in diesem Fall zur Punkt- und Intervallschätzung von Kenngrößen, z. B. Mittelwerten, Anteilswerten oder Streuungsmaßen der Grundgesamtheit, sowie zur statistischen Prüfung von Hypothesen über die Grundgesamtheit herangezogen (induktive, inferentielle St., Inferenzstatistik). Statistische Verfahren, die primär zur Beantwortung einer substanzwissenschaftlichen Fragestellung, etwa der Entwicklung eines Preisniveaus oder der Mortalität einer Bevölkerung, dienen, werden als materielle Statistik neben die methodische Statistik gestellt. Innerhalb dieser werden Sektoren wie Bevölkerungs-, Wirtschafts- oder Betriebsstatistik unterschieden. Spezielle Methoden der Deskription und Inferenz gehen in die Ökonometrie ein, deren materieller Teil als empirische Wirtschaftsforschung oder angewandte Ökonometrie bezeichnet wird.
II. Statistische Untersuchungen: Ausgangspunkt ist ein Untersuchungsziel (z. B. Kennzeichnung der Bevölkerungsstruktur eines Landes), das zunächst statistisch präzisiert werden muß. Dies geschieht durch Festlegung der die Struktur kennzeichnenden Untersuchungsvariablen (Merkmale, z. B. Alter, Familienstand, Einkommen, Ausbildungsniveau), die getrennt und verbunden betrachtet werden können. Außerdem hat eine geeignete sachliche, räumliche und zeitliche Abgrenzung der Grundgesamtheit zu erfolgen, über die statistische Aussagen getroffen werden. - Bei der Erhebung, also der Ermittlung der Werte der in das Untersuchungsziel einbezogenen Variablen, stehen die organisatorischen und wirtschaftlichen Probleme in unmittelbarem Zusammenhang mit der Qualität der zu erzielenden Befunde. Bei Verwendung ursprünglich nicht für statistische Zwecke hergestellter Unterlagen, z. B. Steuererklärungen, ist mit hoher Wirtschaftlichkeit der Datengewinnung oft ein nur unvollständiger Zuschnitt auf das Untersuchungsziel zu erreichen (Sekundärstatistik). Auch bei Erhebungen im Sinne der Primärstatistik (schriftlichen, mündlichen Befragungen, Beobachtungen) ist es organisatorisch oft nicht einfach, die Zielgesamtheit exakt einzugrenzen (Nichterfassung; Doppelerfassung; Coverage-Fehler) und die Variablenwerte genau festzustellen (statistische Fehler). - Die bei der Erhebung ermittelten Daten werden im Rahmen der Aufbereitung in Form von Tabellen und graphischen Darstellungen (z. B. Kreisdiagrammen, Stabdiagrammen, Histogrammen) in eine übersichtliche Form übergeführt, wobei heute der Einsatz geeigneter Computerprogramme die Präsentation erleichtert und verfeinert. - Die aufbereiteten Daten werden schließlich der methodisch-statistischen Analyse zugeführt. Im Fall einer Totalerhebung sind allein deskriptive Methoden im Einsatz. Bei Stichprobenerhebungen treten die Probleme der Inferenz, also der Eingrenzung stichprobenbedingter Schätz- und Prüffehler, hinzu. - Eine allgemeine Problematik statistischer Untersuchungen ist die Adäquation. Sie umfaßt die Auswahl der dem Untersuchungsziel möglichst gerecht werdenden Merkmale, die trotz rechtlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Hemmnisse adäquate Abgrenzung der Grundgesamtheit, die Perfektion der Durchführung primärstatistischer Erhebungen einschl. der korrekten Stichprobenauswahl, die Fehlereindämmung bei der Aufbereitung und den Einsatz der dem Untersuchungsziel gerecht werdenden Analysemethoden.
III. Wesentliche Teilbereiche der methodischen St.: Von universeller Anwendungsbedeutung sind die Maße zur Charakterisierung von empirischen Häufigkeitsverteilungen, insbes. Mittelwerte, Streuungsmaße, Konzentrationskoeffizienten und Maße zur Kennzeichnung der Schiefe, die unter deskriptiver und inferentieller Perspektive betrachtet werden können. Eine wesentliche Grundlage der gesamten Inferenzstatistik ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung. In der Stichprobentheorie werden Modelle zur optimalen zufälligen Auswahl von Teilgesamtheiten mit ihren wesentlichen inferentiellen und organisatorischen Implikationen betrachtet. Die Theorie der Schätzfunktionen hat die Eignung von aus Zufallsstichproben gewonnenen Maßgrößen für die Parameterschätzung zum Gegenstand. Bei der Theorie der Hypothesenprüfung (statistische Testverfahren) werden substanzwissenschaftlich entwickelte Hypothesen über Parameter oder Verteilungsfunktionen von Grundgesamtheiten unter Inkaufnahme einer (wenig über 0 gelegenen) Irrtumswahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau) statistisch überprüft. Die statistische Entscheidungstheorie bildet den theoretischen Überbau der Schätzung und Hypothesenprüfung und kann auch als Teil der (allgemeiner angelegten) Entscheidungstheorie aufgefaßt werden. In dieser wird heute den Entscheidungen unter Unsicherheit bei voller oder teilweiser Kenntnis von Wahrscheinlichkeitsverteilungen über der Menge der Zustände der Umwelt, die mittels statistischer Methoden zu bearbeiten sind, besondere Bedeutung beigemessen. Die Analyse des Zusammenhangs mehrerer statistischer Variablen erfolgt in der Regressionsanalyse, bei der die funktionale Form zufallsbedingt gestörter Wirkungszusammenhänge im Vordergrund steht, sowie in der Korrelationsanalyse, bei der die Intensität der statistischen Beziehungen zwischen Variablen betrachtet wird. Von besonderer Bedeutung in der Wirtschaftswissenschaft sind die Methoden der Zeitreihenanalyse, die insbes. für Methoden der Prognose nutzbar gemacht werden. Die dynamische Analyse zahlreicher ökonomischer und demographischer Prozesse erfolgt auf der Grundlage der Theorie stochastischer Prozesse. Im Bereich des Marketing auf statistischer Grundlage werden zahlreiche multivariate Verfahren (Clusteranalyse, Faktorenanalyse, Diskriminanzanalyse, Varianzanalyse) eingesetzt. - Gegenstand der Bevölkerungsstatistik sind die Methoden und Ergebnisse der Erfassung und Prognose von Bevölkerungsbewegungen durch Geburten, Eheschließungen, Sterblichkeit und Wanderungen. - Von erstrangiger Bedeutung in der Wirtschaftsstatistik sind die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), zu denen auch die statistische Problematik makroökonomischer Aggregatgrößen gerechnet werden kann, die Input-Output-Analyse, die Theorie der Indexzahlen, insbesondere Preisindexzahlen, sowie die statistische Analyse wirtschaftlicher Konzentration. - Im Rahmen der Betriebsstatistik stehen Methoden der Verlaufsstatistik, der Stichprobenverfahren im Rechnungswesen, der Arbeitsprozeßanalyse (Multimomentverfahren; Multimoment-Zeitstudien) und der laufenden Kontrolle und Überwachung der Qualität von Fertigungsprozessen und deren Ergebnisse im Vordergrund. - Die praktische Verwendung statistischer Methoden wird durch den Einsatz statistischer Programmpakete wie SPSS oder SAS erleichtert.
IV. Institutionen der amtlichen St.: Für die amtliche Statistik in Deutschland gelten die Prinzipien der fachlichen Zentralisation und der regionalen Dezentralisation. Neben der fachlich verselbständigten Statistik (ausgelöste Statistik) gibt es die Ressortstatistik durch Verwaltungen, falls die statistischen Unterlagen bei Verwaltungsvorgängen anfallen oder falls sich deren Bearbeitung vom Verwaltungsablauf nicht trennen läßt. - Die fachlich verselbständigte Statistik wird vom Statistischen Bundesamt, von den Statistischen Landesämtern und den Statistischen Ämtern und Dienststellen der Gemeinden, insbesondere der Großstädte, durchgeführt. Das Bundesamt, eine selbständige Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Innenministers, hat insbesondere die Aufgabe, Statistiken für Bundeszwecke vorzubereiten und weiterzuentwickeln, auf einheitliche Durchführung der Programme durch die Länder hinzuwirken, die Ergebnisse zusammenzustellen und zu veröffentlichen und Statistiken der EU und internationaler Organisationen darzustellen und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen durchzuführen. Den Landesämtern obliegt der Hauptteil der Durchführungsarbeiten; sie nehmen Einfluß auf die Bundesstatistik über den Statistischen Beirat beim Statistischen Bundesamt. - Die rechtlichen Grundlagen amtlicher statistischer Tätigkeit leiten sich aus Art. 73 Nr. 11 und Art. 83 GG ab. Sie ergeben sich aus dem Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke (BStatG) vom 22.01.1987, aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 20.12.1990 und aus Landesgesetzen, etwa Landesdatenschutzgesetzen. Die Durchführung von Bundesstatistiken muß in der Regel durch ein Bundesgesetz angeordnet werden. Die Vereinheitlichung der amtlichen Statistik der ehemaligen Bundesrepublik und der neuen Länder ist fortgeschritten, aber noch nicht beendet. Der Informationsbedarf richtet sich insbesondere auch auf die noch vorhandenen strukturellen Unterschiede und macht separate Ausweise, etwa in der Preisstatistik, nötig.
V. Quellenwerke amtlicher statistischer Daten: Solche werden vom Statistischen Bundesamt, von den statistischen Ämtern der Bundesländer, von statistischen Ämtern anderer Staaten sowie von internationalen Organisationen (z. B. vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften) veröffentlicht. Vom Statistischen Bundesamt werden insbesondere das Statistische Jahrbuch und Wirtschaft und Statistik (monatlich mit einem Text- und einem Zahlenteil erscheinend) veröffentlicht. Neben diesen zusammenfassenden, also alle Tätigkeitsfelder der amtlichen Statistik abdeckenden Veröffentlichungen, erfolgen in weniger regelmäßiger Abfolge Veröffentlichungen innerhalb von 19 Fachserien, die durch thematische Spezialisierung gekennzeichnet sind.
VI. Ausbildung: Statistik ist Gegenstand oder Bestandteil zahlreicher Studiengänge an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien. 1. Studiengänge: a) Seit etwa zwei Jahrzehnten ist an manchen Universitäten (München; Dortmund) der Studiengang Statistik mit dem Abschluß Diplom-Statistiker eingeführt. Hauptgegenstand dieses Studienganges ist die methodisch-theoretische St.; ein zweiter, in der Regel wählbarer Schwerpunkt ist ein Anwendungsfeld, etwa Wirtschaftswissenschaft, Biologie oder Medizin. - b) Statistik ist ein Kernbestandteil verschiedener wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Studiengänge, etwa der Studiengänge Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftspädagogik, Psychologie und Soziologie, sowie verschiedener naturwissenschaftlicher, technischer und medizinischer Studiengänge. Meist, etwa in den wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen, ist eine Pflicht-Grundausbildung von vier bis zwölf Semesterwochenstunden im Studienplan enthalten. Darüber hinaus kann Statistik (gelegentlich einschl., gelegentlich neben Ökonometrie), etwa in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen, als Vertiefungsgebiet im Hauptstudium und als Wahlpflichtfach in der Diplomprüfung gewählt werden. Ähnliche Regelungen gelten für verschiedene naturwissenschaftliche Studiengänge. Speziell im Studiengang Mathematik ist Statistik v. a. im Hauptstudium als mathematische Statistik einer von verschiedenen möglichen Schwerpunkten. - c) An den betriebswirtschaftlichen Fachbereichen der Fachhochschulen und der Berufsakademien sind i. d. R. ebenfalls Pflicht-Grundausbildungen in Statistik eingeführt. - 2. Studieninhalte: a) Speziell in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen an Universitäten umfaßt die Grundausbildung deskriptive St., Wirtschaftsstatistik, Bevölkerungsstatistik sowie Wahrscheinlichkeitstheorie und die Grundlagen der Inferenzstatistik. - b) Im Hauptstudium werden v. a. die Gebiete Wirtschaftsstatistik, Verlaufs- und Bevölkerungsstatistik, Stichprobenverfahren, Regressions- und Korrelationsanalyse, Schätz- und Testmethoden (jeweils in vertiefter Form), Ökonometrie und angewandte Wirtschaftsforschung, Zeitreihenanalyse, Prognoseverfahren, statistische Entscheidungstheorie, multivariate Analysemethoden, verteilungsfreie Prüfverfahren und stochastische Prozesse vertreten.
Literatur: a) Methodisch ausgerichtete Lehrbücher: Bamberg, G. /Baur, F., Statistik, 9.Aufl., München und Wien 1996; Bleymüller, J. /Gehlert, G. /Gülicher, H., Statistik für Wirtschaftswissenschaftler, 10. Aufl., München 1996; Hartung, J. /Elpelt, B. /Klösener, K.-H., Statistik, 9. Aufl., München und Wien 1993; Hogg, R. V. /Craig, A. T., Introduction to Mathematical Statistics, 5. Aufl., New York 1995; Schaich, E. /Köhle, D. /Schweitzer, W. /Wegner, F., Statistik I, II, 4. bzw. 3. Aufl., München 1993 bzw. 1990; Schaich, E., Schätz- und Testmethoden für Sozialwissenschaftler, 2. Aufl., München 1990; Schlittgen, R., Einführung in die Statistik, 6. Aufl., München und Wien 1996; Stenger, H., Stichproben, Heidelberg und Wien 1986; b) Lehrbücher zur Wirtschaftsstatistik: Bohley, P. /Jans, A. (Hrsg.), Einführung in die Wirtschafts- und Sozialstatistik der Schweiz, Bern und Stuttgart 1990; Esenwein-Rothe, I., Methoden der Wirtschaftsstatistik I und II, Göttingen 1976; v.d. Lippe, P., Wirtschaftsstatistik, 5. Aufl., Stuttgart 1996; Rinne, H., Wirtschafts- und Bevölkerungsstatistik, München und Wien 1995; Schaich, E. /Schweitzer, W., Ausgewählte Methoden der Wirtschaftsstatistik, München 1995; c) Zeitschriften: Allgemeines Statistisches Archiv, Zeitschrift der Deutschen Statistischen Gesellschaft; Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik; Metrika; Statistische Hefte (Statistical Papers); Journal of the American Statistical Association; Journal of Business and Economic Statistics.

 

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