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Finanzentscheidungen

I. Begriff/Problemstellung: Finanzierung wird zuweilen als Beschaffung von finanziellen Mitteln für Investitionszwecke definiert. Diese Definition ist zu eng, weil sie die Mehrzahl der Fragen, die Finanzentscheidungen gerade kompliziert machen, verdeckt. Abgesehen von sehr seltenen Einzelfällen - etwa der GmbH, in der der Geschäftsführer zugleich der einzige Gesellschafter ist, der seine GmbH ausschließlich mit Eigenkapital finanziert - sind auch Personen, die nicht an der Unternehmensführung teilnehmen, Geldgeber (Financiers). Gerade aus der Trennung von Kapitalhingabe und Verfügung über die Entscheidungskompetenzen im Unternehmen resultieren die Probleme, die Finanzentscheidungen interessant und kompliziert machen. - 1. Eigenkapitalgeber, die nicht zugleich an der Geschäftsführung des Unternehmens beteiligt sind (z. B. stille Gesellschafter, außenstehende Gesellschafter in der GmbH, Aktionäre in der AG, Genossen in der Genossenschaft) beauftragen die Unternehmensleitung, in ihrem Interesse die Geschäfte zu führen und verlangen regelmäßige Berichte und Kontrollrechte, um ggf. ihre Rechte wahren zu können. - 2. Fremdkapitalgeber, die Festbetragsansprüche (Zinsen, Tilgungen) haben, fordern Unterlagen zur Überprüfung der Kreditfähigkeit (z. B. § 18 KWG) vor Kreditvergabe, bedingen sich Kontrollrechte während der Kreditlaufzeiten aus (Periodische Jahresabschlüsse, Bilanzbesprechungen), sichern ihre Ansprüche (Kreditsicherheiten) oder vereinbaren Negativklauseln in Form einzuhaltender Bilanzrelationen, Entnahmebegrenzungen oder Kontrahierungsverbote mit anderen Kreditgebern. Diese Vorkehrungen, die z. T. gesetzlich verankert sind (z. B. im HGB, GmbHG, AktG, GenG) bzw. Bestandteile von Kreditverträgen sind, dienen dem Ziel, die aus der Diskrepanz von Anspruch auf Gewinnanteile bzw. Zins und Tilgung und fehlender Entscheidungskompetenz resultierenden Probleme zu überbrücken. - Finanzentscheidungen umfassen deshalb die Gesamtheit der Maßnahmen, die die Gestaltung von Kapitalüberlassungsverträgen mit Eigen- bzw. Fremdkapitalgebern zum Gegenstand haben, mit dem Ziel, Kapitalbedarfe kostengünstig, unter Beachtung von Risikoaspekten, Transaktionskosten und Erfordernissen der Flexibilität zu decken.
II. Systematik der Finanzierungsformen: Es ist üblich, zwischen Außen- und Innenfinanzierung (Außenfinanzierung, Innenfinanzierung) zu unterscheiden: 1. Zur Außenfinanzierung zählt die Zufuhr von Eigenmitteln durch bisherige Eigentümer (Eigenfinanzierung), durch neue Eigentümer (Beteiligungsfinanzierung) sowie die Zufuhr von kurz-, mittel- bzw. langfristigem Fremdkapital durch Gläubiger (Fremdfinanzierung). Auch Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital vermischende Formen der Mittelbeschaffung zählen zur Außenfinanzierung. - 2. Zur Innenfinanzierung zählt die Mittelbindung, die - jedenfalls bei haftungsbeschränkten Rechtsformen - generell durch die Ausschüttungssperrwirkungen des Jahresabschlusses bewirkt wird: Abschreibungen, Zuführungen zu sonstigen Rückstellungen, direkte Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, die zu Pensionsrückstellungen führen (betriebliche Ruhegeldverpflichtungen). Zur Innenfinanzierung zählen weiterhin die Mittel, die im Bilanzsinn ausschüttungsfähig sind, aber auf Beschluß der entscheidenden Gremien (Gesellschafterversammlung, Hauptversammlung) nicht ausgeschüttet werden (Selbstfinanzierung). Zuordnungsprobleme ergeben sich u. U. bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, wenn anteilige Gewinnüberschüsse (aus steuerlichen Überlegungen) in Darlehensansprüche der Mitarbeiter umgewandelt werden.
III. Grundprobleme: 1. Eigenkapital versus Fremdkapital: Eine wichtige Finanzentscheidungen betrifft die Aufteilung der gesamten Finanzmittel in Eigen- und Fremdkapital bzw. die Menge der Financiers in solche, die vertraglich fixierte Festbetragsansprüche und solche, die Restbetragsansprüche halten. Ansprüche, die sich bilanziell in Rückstellungen niederschlagen, werden hier zum Fremdkapital gezählt. Von Zwischenformen der Finanzierung sei zur Vereinfachung abgesehen. - Die Frage der Gestaltung der Kapitalstruktur von Unternehmen hat in der Literatur und (gelegentlich) in der öffentlichen Diskussion große Aufmerksamkeit gefunden: Die Literatur sucht nach Bestimmungsfaktoren einer optimalen Kapitalstruktur; die öffentliche aktuelle Diskussion beschäftigt sich mit der Eigenkapitallücke deutscher insbesondere mittelständischer Unternehmen, unterstellt also, daß die Verschuldungsgrade dieser Unternehmen im Durchschnitt nicht optimal, sondern zu hoch sind. - Seit einem aufsehenerregenden Artikel von Modigliani und Miller 1958 (Modigliani-Miller-Theorem) ist bekannt, daß die Kapitalstruktur von Unternehmen unter bestimmten Bedingungen auch dann nicht von Bedeutung für die Eigentümer ist, wenn diese den Leverage-Effekt, d. h. erhöhte Renditen auf das Eigenkapital, für sich in Anspruch nehmen können. Der Grund für die Bedeutungslosigkeit eines höheren Verschuldungsgrades und einer höheren Eigenkapitalrendite ist simpel: Die höheren Renditen werden nicht kostenlos erzielt; sie sind nur um den Preis eines höheren Risikos zu haben. - Bedeutung gewinnen die die Kapitalstruktur betreffenden Finanzentscheidungen erst dann, wenn Ansprüche von Fremd- bzw. Eigenkapitalgebern steuerlich unterschiedlich behandelt werden, wenn die Beschaffungskosten für Eigen- und Fremdkapital ungleich sind, wenn der Verschuldungsgrad im Vergleich zum Geschäftsrisiko des Unternehmens so hoch ist, daß die Wahrscheinlichkeit für eine nicht vertragskonforme Bedienung der Festbetragsansprüche spürbar ist (Insolvenzrisiko), wenn die von Gläubigern gesetzten Nebenbedingungen die Entscheidungsautonomie des Managements zum Nachteil der Eigentümer einengen. Diesen skizzierten Überlegungen zufolge sollte man erwarten, daß Unternehmen aus steuerlichen Gründen generell teilweise fremdfinanziert sind, daß aber die (aus Bilanzen erkennbaren) Verschuldungsgrade negativ mit der Höhe des Geschäftsrisikos von Unternehmen korreliert sind. - 2. Selbstfinanzierung versus Eigen- bzw. Beteiligungsfinanzierung: Eigenkapital kann auf verschiedenen Wegen beschafft werden: Über die Einbehaltung von Jahresüberschüssen (Selbstfinanzierung), über die Einlage von Mitteln der Alteigentümer (Eigenfinanzierung), über die Einlage von Mitteln von neuen Eigentümern (Beteiligungsfinanzierung). Welche Möglichkeit die bessere ist, hängt ab vom Selbstfinanzierungsspielraum, von steuerlichen Regelungen, von den Kapitalkosten für "neues" Eigenkapital, von Transaktionskosten und den Ausschüttungs(Entnahme)bedürfnissen der Eigentümer. - a) Alternative Selbstfinanzierung und Eigenfinanzierung: Ob das Unternehmen Mittel einbehält oder ausschüttet, hängt bei gegebenem Kapitalbedarf für Investitionen zunächst von steuerlichen Regelungen und sonstigen Transaktionskosten ab. Beträgt die Steuerbelastung bei Einbehaltung z. B. 50%, bei Ausschüttung beim Ausschüttungsempfänger nur 30% und kostet die Wiedereinlage der Mittel 3%, dann lohnt volle Ausschüttung auch dann, wenn das Unternehmen die gesamten Mittel zur Reinvestition benötigt. Der Verbund Unternehmen-Eigentümer minimiert die Steuerbelastung durch Vollausschüttung und Wiedereinlage (Schütt-aus-hol-zurück-Politik). - Bei Aktiengesellschaften könnte diese Politik auf Vorbehalte stoßen, weil sie (trotz erheblicher Bewertungswahlrechte) zu unregelmäßigen Ausschüttungsstrukturen führen kann, die der Markt als Signale falsch deuten könnte (Dividendenpolitik). - b) Alternative Selbstfinanzierung und Beteiligungsfinanzierung: Letztere ist insbes. den Unternehmen erschwert, deren Eigenkapitalanteile nicht an funktionsfähigen Börsen handelbar sind. Die Kosten der Suche potentieller Eigenkapitalgeber, die Verhandlungs- und Bewertungskosten stellen ebenso Hindernisse dar wie der u. U. reduzierte Autonomiebereich der Alteigentümer und die Befürchtung, neue Konfliktpotentiale zu schaffen. Vor diesem Hintergrund sehen die aktuellen Vorschläge, handelbare Genußscheine und ggf. GmbH-Anteile zu schaffen und auf dem sog. zweiten Marktsegment (geregelter Markt) zu handeln, vielversprechend aus. Sie ermöglichten nicht nur einen wesentlich erleichterten Eintritt, sondern auch einen einfachen Austritt aus dem Unternehmen. - Bekanntlich machen emissionsfähige Unternehmen von der Beteiligungsfinanzierung nicht nennenswerten Gebrauch. Nur ein geringer Prozentsatz ihres gesamten Mittelbedarfs wird auf diese Weise gedeckt. Ob dieses Verhalten der Unternehmen Ausfluß rationalen Verhaltens im Interesse der Eigentümer ist, ist ungeklärt.
IV. Ausgewählte Detailprobleme: 1. Gesellschafterdarlehen: Eigentümer haftungsbeschränkter Gesellschaften können zugleich Gläubigerpositionen einnehmen. Dies kann vorteilhaft sein: Es besteht erhebliche Anpassungsfähigkeit in bezug auf die Vertragsbedingungen; die Eigentümer gewinnen Leverage-Ertrag ohne Zunahme des Insolvenzrisikos, weil sie die üblichen Gläubigerreaktionen im Falle nicht erfüllter Festbetragsansprüche gerade nicht in Gang setzen werden. Die Rechtsprechung des BGH und der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 32 a GmbHG haben (überzogene) Vorkehrungen getroffen, damit die Eigentümer-Gläubiger keine Sondervorteile vor Drittgläubigern erlangen. - 2. Finanzierungs-Leasing-Verträge (vgl. auch Leasing): Finanzierungs-Leasing-Verträge sind während einer vertraglich definierten Grundmietzeit unkündbar. Der Leasinggeber finanziert den Leasinggegenstand i. d. R. vor; der Leasingnehmer bezahlt diesen einschl. Kapitalkosten durch Leasingraten. Diese Form der Finanzierung ist verbreitet. Ob sie vorteilhaft ist, hängt von den Vertragsbedingungen und insbes. der problementsprechenden Beachtung der Finanzierungsalternative und der Berücksichtigung aller steuerlich relevanten Regelungen ab. Die von Leasinggesellschaften vorgelegten Muster-Rechnungen, die die Vorteilhaftigkeit von Finanzierungs-Leasing-Verträgen belegen sollen, sind i. d. R. stark vereinfacht und auch deshalb nicht selten angreifbar.


Literatur: Bierich, M./Schmidt, R., Finanzierung deutscher Unternehmen heute, Stuttgart, 1984; Drukarczyk, J., Finanzierungstheorie, 2. Aufl., München 1993; ders., Finanzierung, 7. Aufl., Stuttgart 1996; Gerke, W./Philipp, E., Finanzierung, Stuttgart, Berlin 1985; Perridon, L./Steiner, M., Finanzwirtschaft der Unternehmung, 8. Aufl., München 1995; Schneider, D., Investition, Finanzierung und Besteuerung, 5. Aufl., Wiesbaden 1986; Spremann, K., Finanzierung, München/Wien 1985; Süchting, J., Finanzmanagement, 4. Aufl., Wiesbaden 1984; Swoboda, P., Betriebliche Finanzierung, 3. Aufl., Heidelberg 1994.

 

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