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Direct Marketing
Direktmarketing.
I. Begriffsbestimmungen: Es ist zu unterscheiden zwischen Direktwerbung und Direct Marketing M., wobei einhellige Übereinstimmung besteht, daß die Direktwerbung Teil des Direct Marketing M. ist. - 1. Direktwerbung (vgl. auch dort) umfaßt alle Werbemaßnahmen, die den Empfänger gezielt ansprechen, indem sie ihm die Werbebotschaft in Form eines selbständigen Werbemittels direkt und nicht mit Hilfe eines anderen Mediums übermitteln. Selbständige Werbemittel, die i. d. R. per Post zugestellt werden (Direct Mailing), sind Werbebrief, Prospekt, Katalog, Reaktionskarte und Versandhülle. Erweitert man den Begriff um Aktivitäten, die der Herstellung eines direkten Kontaktes dienen, handelt es sich um Direct-Response-Maßnahmen (z. B. Streuung von Couponanzeigen). - 2. Direct Marketing M. geht noch einen Schritt weiter und ergänzt die Kommunikation um die Distribution auf direktem Wege: Direct Marketing M. umfaßt alle marktgerichteten Aktivitäten, die sich einstufiger (direkter) Kommunikation und/oder des Direktvertriebs bzw. des Versandhandels bedienen, um Zielgruppen in individueller Einzelansprache gezielt zu erreichen, und umfaßt ferner solche Aktivitäten, die sich mehrstufiger Kommunikation bedienen, um einen direkten, individuellen Kontakt herzustellen.
II. Ziele und Funktionen: 1. Einer der Gründe für die zunehmende Verbreitung von Direct Marketing M.-Maßnahmen ist die Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten. Häufig werden die Freiheit in der Gestaltung der Kommunikationsaussage, der betreffenden Medien und der vielfach nachgewiesene hohe Aufmerksamkeitswert, der durch die angestrebte Kongruenz von Angebotsausprägung und Interesse der Zielgruppe ex definitione naheliegt, als wichtigste Funktion genannt (vgl. Gerardi 1974). Dies gilt insbes. für Maßnahmen der Direktwerbung, die häufig für den Verkauf von bzw. die Auslösung des Interesses an erklärungsbedürftigen Produkten eingesetzt wird. Für das erweiterte Funktionenspektrum des Direct Marketing M. muß an erster Stelle die Identifizierung des Konsumenteninteresses in direkter Kommunikation genannt werden. - 2. In der Literatur gibt es viele Ansätze zur Auflistung von Zielsetzungen des Direct Marketing M. (vgl. z. B. Hodgson 1974, S. 72 ff.). Hier sollen exemplarisch nur die wesentlichen Ziele und Funktionen dargestellt werden, die vielfach kaum oder nur eingeschränkt von anderen Methoden des Marketing gelöst werden können: Gewinnung bzw. Rückgewinnung von Interessenten, Kunden, Absatzmittlern, Spendern; Direktverkauf; Flankierung von Außendienst und übrigem Medieneinsatz (Vor-, Nachschaltung, begleitende Maßnahmen, Synergismus; Kundenbetreuung (Nachkaufbetreuung), Dialogfunktion, Kundenbindung; Unterstützung des Handels; Informationsvermittlung, Muster- bzw. Probenverteilung; Rekrutierung; Gewinnung von Marktinformationen (Marktforschung) und Kunden-/Interessenten-Strukturinformationen; Einladung zu Veranstaltungen (Messen, Seminaren, Verkaufsveranstaltungen).
III. Wirtschaftliche Bedeutung: 1. Aufwendungen: Ungefähr ein Drittel der Gesamtaufwendungen für kommunikative Aktivitäten der deutschen Wirtschaft muß dem Direct Marketing M. zugerechnet werden (im Jahr 1995 werden diese vom Deutschen Direct Marketing Verband e. V. auf ca. 23 Mrd. DM geschätzt). Während in den USA bereits seit Beginn der 60er Jahre die Bedeutung dieses Dienstleistungsbereichs der Wirtschaft offenkundig wurde, gilt dies für den europäischen Wirtschaftsraum seit Ende der 70er Jahre. Nachdem sich die Werbeagenturen auf die betreffenden Anforderungen der auftraggebenden Unternehmen eingerichtet haben, entstand spätestens seit Anfang der 80er Jahre ein regelrechter Anwendungsboom. - 2. Unterstützt wurde dieser Trend durch eine rapide Entwicklung der technischen Voraussetzungen, vor allem in der individuell nutzbaren EDV-gestützten Drucktechnologie (Laser-/Ink-Jet-Print) und in der datenbankorientierten elektronischen Datenverarbeitung (verbunden mit einem Trend von zentralorganisierten Main-Frame-Anlagen (Großrechner) hin zu dezentral installierten Personalcomputern). Vor allem die Personalcomputer trugen erheblich zu einer verbreiteten Ansprache spezialisierter Zielgruppen durch Klein- und Mittelbetriebe bei. Das Wachstum des Direct Marketing M. ist jedoch nicht nur quantitativ zu werten. So ist z. B. die Zahl der per Post gestreuten Werbemittel, die dem Direct Marketing M. zugerechnet werden müssen, nicht im gleichen Maße gestiegen wie die Aufwendungen. Dies weist auf einen zunehmenden qualitativen Einsatz hin, d. h. durch Möglichkeiten ständig verbesserter Zielgruppenselektion sank die Zahl der Aussendungen, während die Qualität und der Wert eines jeden einzelnen Kommunikationsaktes stiegen. Generell gilt, daß der Zuwachs von Branchen kommt, die das Direct Marketing M. erst in jüngster Zeit entdeckt haben. Direct Marketing M. hat in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen, in Dienstleistungsbetrieben wie in den produzierenden Unternehmen bzw. im Handel. Die Chance des D.M. über Kundenbindungssysteme bzw. "Clubsysteme" den Kundenkontakt zu qualifizieren und über den Betreuungsaspekt zu festigen, führt zu völlig neuen Marketingansätzen (z. B. customer value, life time value) und Organisationsformen (z. B. call center). - 3. Es gilt die Prognose, daß der Zielgruppenmanager bald gefragter sein wird als der Produktmanager; entsprechende Personalrekrutierungskampagnen wurden bereits von namhaften Unternehmen in der überregionalen Presse durchgeführt.
IV. Direct Marketing M. in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen: 1. Die häufigste Anwendung von Direct Marketing M. kann in folgenden Branchen festgestellt werden: a) konventionelle Einsatzbereiche: Produktions- und Investitionsgüterindustrie (einschl. Pharmaindustrie); Versandhandel; Verlage; b) neue Einsatzbereiche: Einzelhandel; Finanzdienstleistungen; Touristik; Konsumgüterindustrie; Institutionen. Wie bereits festgestellt, eignen sich Methoden und Instrumente des Direct Marketing M. aufgrund der Dialogfähigkeit und aufgrund der relativ unbeschränkten Gestaltungsbreite v. a. für die Vermarktung erklärungsbedürftiger Produkte. Der konventionelle Einsatz mit großem Anteil am Gesamtaufwand betrifft dementsprechend die Produktions- und Investitionsgüterindustrie. In diesen Industriezweigen herrschen aufgrund der speziellen Produktanwendung i. d. R. vergleichsweise kleine Auflagen vor. Als Marketingproblem erweist sich hier die Ermittlung des relevanten Einkaufsentscheiders. Dies führt zu meist zweistufigen Direct Marketing M.-Aktivitäten, deren erste Stufe nur der Identifizierung des adäquaten Personenkreises gilt. Im industriellen Bereich werden Maßnahmen des Direct Marketing M. häufig zur Verkaufsförderung und zur Unterstützung des Außendienstes angewandt. I. d. R. gelten die Aktionen der Gewinnung von Interessenten (Leads/Leadsgenerierung), um dem Außendienst vergebliche Einsätze zu ersparen. Als aktueller Trend gilt in diesem Wirtschaftsbereich der Einsatz von Katalogen zur Auslotung von Direktbestellmöglichkeiten per Post (Brief, Telefon, Fax, online-Kommunikation), was bislang traditionell dem Versandhandel vorbehalten war. - Der zweite "klassische" Anwendungsbereich ist der Versandhandel, in dem seit jeher Medien der schriftlichen und mündlichen Direktkommunikation (Direct Mail, Katalog, Telefonverkauf, inzwischen per CD-ROm bzw. via online-Kommunikation) den Verkäufer ersetzten. Während offensichtlich ein Rückgang alteingeführter Spezialversandhäuser oder deren Übernahme durch Sortimentsversender als aktueller Trend festzustellen ist, sind die Angebote der Allroundversender nicht zuletzt durch Einstieg in Spezialbereiche, durch Sonderkataloge, durch Auslotung des spezifischen Bedarfs homogen strukturierter Zielgruppen und durch Special-Interest-Charakter geprägt. Als weitere Besonderheit ist hier die Rekrutierung von Sammelbestellern mittels des Direct Marketing M. zu erwähnen. - Auch das Marketing der Verlage ist eher der Gruppe der traditionellen Direct Marketing M.-Anwender zuzuordnen. Hier ist die Vermarktung von Abonnements, also die Abonnentengewinnung, Hauptzielsetzung. Die Einführungskampagnen von Zeitschriften per Direct Marketing M. (GEO, Impulse) sind prägnante Beispiele. In dieser Branche ist der Einsatz von "negative options" üblich, d. h. der Interessent, der ein Probeabonnement bestellt, kann eine automatische Verlängerung der Belieferung nur durch aktive Abbestellung stornieren. Auch Buch- und Musik- und Tonträger-Angebote zählen zu dieser Belieferungsform. - Zur zweiten Gruppe von Branchen, die erst in jüngerer Zeit die Chancen des Direct Marketing M. erkannt haben, zählt der Einzelhandel. Es sind die trendorientierten Händler bzw. Handelsunternehmen, die ihren Kunden die Wahl der Einkaufsart (Ladenlokal, per Mailing, Fax, Telefon oder online) überlassen und sich damit auch neue Käuferschichten erschließen und alte halten. Zum Teil übernehmen heute die Produktlieferanten die produktbezogenen Werbekosten oder stellen die Werbemittel auf ihre Kosten zur Verfügung. Im Einzelhandel dient das Direct Marketing M. auch als Instrument der Kundenpflege und -bindung (wie in der Konsumgüterindustrie). Nirgendwo könnten besser als im Einzelhandel die Interessenarten des Konsumenten in direkter Kommunikation ausgelotet und in eine selektionsfähige Database als Information eingebracht werden. - Ebenfalls stark wachsend ist der Anteil der Finanzdienstleistungsunternehmen an den Gesamtaufwendungen der Wirtschaft für Direct Marketing M. Während Versicherungsunternehmen bereits seit längerem bestimmte Arten von Versicherungen (z. B. Unfallversicherungen, Krankenversicherungen) bewerben oder auch im Cross Selling neue Sparten den Bestandskunden anbieten, sind Banken erst in jüngerer Zeit zu den Anwendern des Direct Marketing M. gestoßen und nutzen v. a. zielgruppengerechte Angebote z. B. an bestimmte Alterssegmente ("Auszubildende"). - Bekannt geworden sind auch sog. Store-Traffic-Kampagnen, die dazu dienen, die Frequenzen einzelner Zweigniederlassungen zu erhöhen. Bei bestehendem harten Wettbewerb sind im Bereich der Finanzdienstleistungen Direct Marketing M.-Kampagnen für Bausparkassen und Kreditkartenorganisationen üblich. Aufgrund der vielen individuellen Kundendaten entstanden in diesen Bereichen segmentspezifische Konzepte (z. B. "Golden Card"). Der hier produktspezifisch notwendige Rückgriff auf personenbezogene Daten, z. B. Alter, fordert im Medienansatz zunehmend interaktive Medien, die Abfragen dieser Zielpersonenmerkmale und anschließend individuelle Angebote ermöglichen. - Während die Markenartikel- bzw. Konsumgüterindustrie bereits seit geraumer Zeit Direct Marketing M.-Aktionen realisiert, v. a. als Antwort auf zunehmende gesetzliche Restriktionen (Werbeverbote für Genußmittel in bestimmten Medien), aber zu Zwecken der Kundenbindung auch für Markteinführungskampagnen, bedient sich die Touristikindustrie überraschenderweise erst seit jüngster Zeit des Direct Marketing M. Es wurde erst relativ spät erkannt, daß bei der Buchung von Reisezielen qualitative Daten der Kunden für eine segmentierfähige Database anfallen. Diese Erkenntnis nutzen auch die Fluggesellschaften und setzen als Direct Marketing M.-Medium Plastikkarten ("Frequent-Traveller-Cards") zur Ausgestaltung von Bonus-Systemen ein, die unter Rückgriff auf unternehmensinterne Datawarehouses eine permanente Optimierung von Zielgruppenangeboten ermöglichen. Klassische Anwendungsbeispiele für Database-Management im Direct Marketing M. bieten auch die Kraftfahrzeug- und die Pharmaindustrie. Durch sog. KKP's (Kunden-Kontakt-Programme) und Kundenclubs in der erstgenannten Branche, als Arzt-Informationssysteme in der pharmazeutischen Industrie, werden Database-Informationen für gezielte Kommunikation genutzt. - Als jüngste Anwendungsbereiche sind nichtkommerzielle Institutionen und Organisationen zu nennen, die Direct Marketing M. erfolgreich für die Verbreitung von Ideen (Parteien/Wahlwerbung) oder das Spendenmarketing einsetzen (Fund-Raising). - 2. Auf eine inzwischen marktübliche Unterscheidung sei abschließend hingewiesen: Man geht heute von zwei unterschiedlichen Märkten im Direct Marketing M. aus, die sich nicht nur durch die Zielgruppen, sondern auch durch die angewandten Methoden erheblich unterscheiden: der Consumer-Markt und der Business-to-Business-Markt. Grundlage der Unterschiede sind im wesentlichen die Merkmale der Zielgruppen. Während bei der Vermarktung an Endverbraucher Individualinformationen von Einzelpersonen entscheidend sind, sind beim Verkauf an Handel und Industrie ergänzende Kriterien über das jeweilige Unternehmen relevant.
V. Medien des Direct Marketing M.: Im Vergleich zu anderen Medien muß der Einsatz derjenigen des Direct Marketing M. als relativ kompliziert und fehleranfällig in der Produktion gelten. Nicht zuletzt setzen Segmentierungsverfahren ein großes methodisches Know-how und die Berücksichtigung sich häufig verändernder Postbestimmungen bzw. Gesetze (z. B. Datenschutz), also profundes Fachwissen, voraus. Dieses führt zu einem großen Mangel an kompetenten Fachleuten im Markt, zumal die Ausbildungssituation in der Vergangenheit als unzureichend bezeichnet werden mußte und erst in jüngster Zeit Anzeichen einer Verbesserung erkennbar sind. - Die Medien des Direct Marketing M. können die sog. klassischen Massenmedien nicht ersetzen, weil die Kontaktkosten vergleichsweise sehr hoch sind. Die Selektionsmöglichkeiten und der mehrfach genannte hohe Aufmerksamkeitswert haben die diesbezüglichen Medien bei vielen Unternehmen jedoch zu unverzichtbaren Informationsquellen werden lassen. Diese Medien sind häufig trotz höherer Kontaktkosten den Medien der Massenkommunikation aufgrund der Selektivität überlegen. Viele Einsatzbeispiele bezeugen, daß bei bestimmten Voraussetzungen (i. d. R. abgrenzbare homogene Zielgruppen, Beispiel: Facharzt) kein anderer Medienbereich die gleiche Aufgabe so effizient lösen kann. Der Synergismuseffekt beim Einsatz der Medien des Direct Marketing M. als Vor-/Nachschalt- oder Begleitmaßnahme ist zwar theoretisch nachweisbar, hat aber in der Praxis in der Zuordnung der Wirksamkeitskriterien und des Ausmaßes noch keinen nennenswerten Stellenwert erlangen können (flankierender Medieneinsatz). - Gerade in bezug auf die Wirtschaftlichkeit sind die Vorzüge Testfähigkeit und eindeutige Erfolgskontrolle als wichtigste Merkmale des Direct Marketing M. zu nennen. Aufgrund dieser Eigenschaften bietet sich z. B. durch Einsatz von Direct Mail über Stichproben die Chance der gezielten Optimierung in bezug auf sechs Einflußfaktoren des Erfolges der Marketingkommunikation (Testfaktoren): (1) Angebot (Produkt/Dienstleistung): z. B. seine Bezeichnung, sein Design und seine Eignung für den Direktverkauf; (2) Angebotsform: z. B. Zahlungsbedingungen, Vergütungsarten, Rücknahmegarantien, Lieferung zur Ansicht und Zugabeeffekte; (3) Preis; (4) Zielgruppe(n): hier können zwei Kriterien getestet werden: einmal die Merkmale der Zielgruppe, also ihre Selektion im engeren Sinne, zum zweiten die fremdbezogenen Adressenkollektionen verschiedener Lieferanten; (5) Werbemittel: z. B. Größe, Anzahl der Teile, Farbigkeit, Gewicht, Gestaltungsmerkmale wie Text, Graphik, Fotos etc., Textlänge und Personalisierung; (6) Streuzeitpunkt: z. B. Jahreszeiten, Festtage, Wetterlagen, politische und konjunkturelle Bedingungen, Saisons und Großveranstaltungen können Einflüsse auf den Erfolg ausüben; aufgrund der eingeschränkten Steuerbarkeit einiger dieser zeitlichen Einflußfaktoren ist der Streuzeitpunkt nicht im gleichen Bedingungsrahmen wiederholbar. Dennoch gibt es empirische Erfahrungswerte für günstige Schalt- bzw. Streutermine je nach Angebotskategorie (z. B. häufig genannt: Spendenkampagnen im November/Dezember). Nach Schaltung bzw. Streuung der Medien erfolgen im positiven Fall der Eingang der Bestellungen, Interessebekundungen oder die Teilnahme an Promotionaktionen; dieser Rücklauf ist für die Testauswertung meßbar und im zeitlichen Verlauf kumuliert zu registrieren. Es ergibt sich in den meisten Fällen eine typische Rücklaufkurve. Wenn keine ungewöhnlichen äußeren Einflußfaktoren (z. B. krisenhafte politische Ereignisse) eingetreten sind, kann vielfach (Ausnahmen bestätigen die Regel!) davon ausgegangen werden, daß der sog. "Halbzeitwert" bis zum Beginn der zweiten Rücklaufwoche erreicht werden sollte (ca. 50 Prozent der gesamten Rücklaufmenge). Dies erlaubt eine relativ zuverlässige Hochrechnung auf den zu erwartenden Endstand des Marketingkommunikationserfolgs (natürlich ohne Gewähr des Verfassers).
VI. Zielgruppe(n): 1. Arten von Zielgruppenquellen: Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Direct Marketing M. - das Zustandekommen eines Dialoges bzw. Response - ist die Auseinandersetzung mit der Zielgruppe für das jeweilige Angebot. Diesem Abschnitt sei eine Systematik (vgl. Tabelle "Direct Marketing - Zielgruppenquellen") vorangestellt, die eine strukturelle Übersicht über die Vielfalt dieses Themas vermittelt. - 2. Merkmale zur Zielgruppenauswahl: Vor der Auseinandersetzung mit der Behandlung der Adreßinformationen soll eine Darstellung aller Merkmalarten (Kriterien) von Zielgruppen erfolgen (vgl. Tabelle "Direct Marketing - Zielgruppenmerkmale"). - 3. Database-Management: a) Bedeutung: In den letzten Jahren gewann die Methode des Database-Managements sehr an Bedeutung. Die Historie der Kunden- bzw. Interessenten-Lieferanten-Beziehung wird zur Grundlage des Direct Marketing M.-Erfolges. Im Gegensatz zur traditionellen Kunden-/Interessentendatei auf Karteikarten erfolgt die Nutzung, Auswahl und Auswertung komplexer Daten hierbei mit Hilfe eines EDV-gestützten Online-Systems, das tagesaktuelle Veränderungen berücksichtigen läßt und selbst bei einer Vielzahl von Adressatenmerkmalen (Datawarehouse) eine kombinierte Auswertung aller Variablen zuläßt, häufig unter Anwendung multivariater Statistikmethoden, die zweckmäßig nur unter Einsatz des Computers möglich sind. Vor Anwendung des Database-Managements liegt i. d. R. im positiven Fall eine Fülle ungenutzter Informationen über Kunden bzw. Interessenten vor, im negativen Fall müssen diese Informationen erst noch gewonnen werden. - b) Ziel ist in jedem Fall eine zielgruppengerechte Ansprache, eine Steigerung der Umwandlungsquoten, eine Auflagen- und damit verbundene Kostensenkung, eine Optimierung der Auftragsabwicklung. Vor Start eines Database-Managements hat die Festlegung der absatzentscheidenden Adressatenmerkmale zu erfolgen, es schließen sich Gewinnung dieser Informationen, Auswertung und Verarbeitung und letztlich Nutzung dieser Informationen an. Es ist verständlich, daß jedes Angebot, jede Branche eigene Zielgruppenmerkmale für den Absatzerfolg benötigt, insbes. gibt es erhebliche Unterschiede zwischen dem Business-to-Business-Markt und dem Consumer-Markt. - 4. Zielgruppenauswahl durch eine mikrogeographische Segmentierung: a) Als aktuellster Ansatz für die Auswahl von Zielgruppen muß die mikrogeographische Marktsegmentierung (vgl. auch dort) gelten, deren Ergebnisse zudem noch einen beachtenswerten Einfluß auf die Gestaltung der Marketingkommunikation auszulösen vermögen, denn Ziel der Marktsegmentierung ist nicht nur das Auffinden homogener Teilmärkte im Gesamtmarkt, sondern auch die Bearbeitung ausgewählter Marktsegmente mit geeigneten produkt-, kommunikations-, preis- und distributionspolitischen Maßnahmen (vgl. Böhler 1977 und Freter 1983). - Zwei Anforderungen muß die Marktsegmentierung erfüllen: (1) Die Konsumenten eines Segmentes sollen auf Marktinformationsimpulse ähnlicher reagieren als Konsumenten in unterschiedlichen (anderen) Segmenten. (2) Zur Vermeidung von Streuverlusten müssen die Segmente gezielt erreichbar sein. Dies ist häufig bei konventionellen Typologien nicht der Fall. - Vorgehensweise: Vor Einführung des mikrogeographischen Ansatzes ging man folgendermaßen vor: Man bediente sich für die unterschiedliche Ansprache von Zielgruppen (vgl. Böhler 1977): (1) soziodemographischer Merkmale, die jedoch aufgrund empirischer Erkenntnisse nur schwach ausgeprägte Zusammenhänge mit dem Kaufverhalten erkennen lassen; (2) herkömmlicher geographischer Einteilungen von Zielgruppen (Postleitzonen, -gebiete, Nielsengebiete, Wohnortgrößen etc.), deren Einheiten aber i. d. R. zu viele unterschiedliche Verhaltensweisen der so abgegrenzten Konsumenten enthalten; (3) psychologischer Merkmale, d. h. sowohl Einstellungen als auch Persönlichkeitsmerkmale, die man in Form von Lebensstilen zu bündeln versuchte; ein Ansatz, der zwar für die Gestaltung der Marketingkommunikation Bedeutung erlangte, aber die Erreichbarkeit dementsprechender Zielgruppen nicht gewährleistete; (4) Kaufverhaltens- und Besitzstandsdaten der Vergangenheit, wobei entweder eine gewisse Markentreue oder Produktaffinität bei der Konsumneigung unterstellt wurde (vgl. Böhler/Dallmer/Stölzel 1980). - b) Anders der nun markterprobte mikrogeographische Zielgruppendefinitionsansatz; er basiert auf der Erkenntnis: "Je kleiner man das regionale Gebiet wählt, desto mehr entmischt sich die Bevölkerungsstruktur, desto deutlicher gilt der Grundsatz, gleich und gleich gesellt sich gern, und desto stärker kristallisieren sich Konsumenten mit ähnlicher demographischer Struktur, ähnlicher Lebensphase und letztlich ähnlichem Lebensstil heraus" (Martin 1988) und sind zusätzlich operational erreichbar, z. B. über Direct Mail. Ideal wären die Identifikation und Ansprachemöglichkeit eines einzelnen Haushalts, was aus verständlichen Gründen nicht durchführbar ist. Grundlage der mikrogeographischen Segmentierung ist die Aggregation homogener Wohngebietstypen unterhalb des Stadt- bzw. Stadtviertelniveaus. - 5. Verfahren der Überprüfung und Bewertung von Adressen: Die Überprüfung und Bewertung von Adressen gewinnen zunehmend an Bedeutung, da qualitative Aspekte nicht zuletzt Auswirkungen auf die Kosten von Direct Marketing M.-Maßnahmen haben. Es gibt drei Anlässe für die Überprüfung und Bewertung von Adressen: (1) die postalische Zustellbarkeit, letztlich die Aktualitätsprüfung; (2) die Eignung, eine Adresse in eine Streuung einzubeziehen (hier ist nicht die Definition der Zielgruppe, sondern die Bonität des einzelnen Adressaten, der zur ausgewählten Zielgruppe gehört, für ein Angebot gemeint; (3) die Feinauswahl von Adressaten aus einer ausgewählten Zielgruppe. - Es sollte als bekannt vorausgesetzt werden, daß Unzustellbarkeitsquoten von Adreßstämmen, die durchaus 25 Prozent pro Jahr erreichen können, ein Ergebnis der zunehmenden Mobilität unserer Gesellschaft sind. Gemäß amtlicher Statistik kann man davon ausgehen, daß ca. 20 Prozent der Haushalte pro Jahr umziehen, ein Prozent der Bevölkerung heiratet (verbunden mit Namensänderungen) und die Sterbequote 1,6 Prozent beträgt. Auch bei Geschäftsadressen gibt es eine z. T. beachtliche Veränderungsquote, bedingt durch Fusionen, Geschäftsübernahmen und Insolvenzen. Die entsprechende Statistik wird regelmäßig veröffentlicht. Bei bestimmten Berufsarten gibt es eine signifikant größere Job-Rotation, also auch Adreßveränderungen, als bei anderen. - a) Eine der Überprüfungsmöglichkeiten der Zustellbarkeit einer Aussendung ist die Anschriftenprüfung der Post, wobei sich die Prüfung nur auf Anschrift und Vornamen, nicht jedoch auf zusätzliche Daten erstreckt. Aus den Ansprüchen des Marktes entstand eine neue Dienstleistung der "Streueignungsprüfung" von Adreßlisten (z. B. das "Adresse-Plus-System"). Hierbei werden mittels Computerabgleichverfahren zu überprüfende Adreßlisten gegen Sammeldatenbestände ungültiger Adressen, werbeungeeigneter Adressen, zahlungsunfähiger Adressaten sowie von Adressaten, die ausdrücklich keine Werbezusendungen erhalten wollen ("Robinsons"), abgeglichen und "gewaschen". Durch die Bereinigung mit diesem Überprüfungssystem werden nicht unbeträchtliche Kosten eingespart (Werbemittel, Porto, Forderungseinzug, Rechtsverfolgung) und die Wirtschaftlichkeit einer Kampagne erhöht. - b) Die Überprüfung der Kreditfähigkeit und der Verhaltenswahrscheinlichkeit (Entwicklung von Scoringcards je Zielperson/-haushalt) betrifft schon den dritten Ansatz, die Feinauswahl von Adressaten. Sie ist auch ein Bestandteil des Database-Managements. Im Laufe der Adreßhistorie wird die Kundenadresse um Kreditkriterien angereichert, die z. T. künstlich gebildet werden können durch empirische Erfahrungen wie z. B. Alter, Familienstand, Zahl der Unterhaltsberechtigten, Anzahl der Jahre unter der gleichen Adresse, bisheriges Zahlungsverhalten, Bankverbindung, Selbstauskünfte etc. Jedem Kriterium wird ein Punktwert (Scoring-System) zugeordnet. Durch Addition von Punktwerten pro Adressat können Kreditverkaufsschwellen erreicht werden, ab deren Erreichen die betreffenden Adressaten in Aussendungen einbezogen werden. Auch die beiden folgenden (historischen) Bewertungsverfahren zur Feinauswahl von Adressaten basieren auf der Scoring-Methode: Das bekannteste Adressengewichtungsverfahren - in den USA entwickelt - ist die RFMR-Methode, wobei die Abkürzung steht für: Recency (Wie lange ist es her, seit der Kunde letztmalig kaufte?), Frequency (Wie häufig kaufte der Kunde im Meßzeitraum?) und Monetary Ratio (Wie groß war der Umsatzwert?). Alle Daten werden gewichtet und zu einem Punktestand aggregiert (ein Beispiel wird in Dallmer/Thedens 1981, S. 290f. dargestellt). Ab einem festzulegenden Kontostand wird der Adressat in Mailing-Aktionen einbezogen. Eine logische Weiterentwicklung ist der sog. Mail-Order- oder Kontaktstärke-Index: Je nach Neuzugang, Werbeansprache, Bestell- oder Remissionsaktivität des Adressaten werden wiederum Kennziffern verteilt, um den "harten Kern des eigenen Adreßbestandes" zu ermitteln.
VII. Entwicklungstendenzen: Durch technologische Entwicklungen der Kommunikationsmöglichkeiten eröffnen sich neue Chancen des Dialogs zwischen anbietenden Unternehmen und potentiellen Kunden. Während das Telefonmarketing sich inzwischen im Direct Marketing M. etabliert hat, erfuhr es durch computergestützte Abwicklung bereits eine Erweiterung (call center). Dies gilt auch für den Einsatz des Telefax als Bestandteil der Bestellabwicklung. - Als neueste Entwiclung des Direct Marketing M. gilt die Eroberung der Online-Kommunikation (Internet-Netz, T-Online, aber auch propritäre Netze wie z. B. AOL Bertelsmann) für Zwecke der Direktvermarktung. Die technologische Entwicklung und die inzwischen relevante Verbreitung der Hardware (Modems), aber auch das Anwendungsverhalten der Zielgruppen haben dazu die Maßstäbe gesetzt. Die Anzahl der Internet-Nutzer weltweit ist nicht meßbar. Schätzungen bewegen sich zwischen 20 und 40 Mio. Haushalte. Der größte deutsche Dienst hat 1995 die 1-Millionen-Grenze bei den Teilnehmern überschritten. Aktuell sollen nach Analysen die Internet-Umsätze bis zum Jahr 2000 allein in Europa auf mehr als 3 Mrd. Dollar steigen, etwa 800 Mio. Dollar sollen davon nach den Prognosen auf den deutschen Markt entfallen. Die Anwendung als Direct-Marketing-Methode verlangt neue (added value) medienrelevante Gestaltungsformen: Aktualitätsbezug, Nutzenaspekte für den Verbraucher, Instant-Service-Leistungen, "Remote"-Diagnostik, Statistikfunktionen einschl. Nutzungsintensitätsangaben, Profilresearch-Leistungen. - Durch die Umkehrung der Kommunikationsrichtung erhält der Konsument erstmals in uneingeschränkter Weise die Chance, sich das Unternehmen mit dem Angebot auszusuchen, das seinem Bedarf entspricht (ohne durch Medienzugangsbarrieren behindert zu sein) und das für ihn maßgeschneidert in real time zusammengestellt wird. - SEARS, einer der großen US-Einzelhandelskonzerne, arbeitet bereits erfolgreich mit einem besonderen System des "TV-Shopping", bei dem ein Moderator in einer Werbe-TV-Sendung Waren, die von Zuschauern über eine gebührenfreie Telefonnummer gekauft und über deren Kreditkarte abgerechnet werden können, anbietet und vorführt. Ebenfalls setzen europäische Handelshäuser verstärkt auf spezialisierten TV-Medieneinsatz mit direkter Bestellmöglichkeit für den Konsumenten (DRTV, call center, "H.O.T."). - Als weitere Entwicklungstendenz im Direct Marketing M. gilt das zunehmende Angebot - und verzögert - die zunehmende Nutzung von Online-Datenbanken, mit denen z. B. Führungskräfte der Wirtschaft nach vielfältigen Kriterien selektiert werden können, und zwar vom und im Unternehmen selbst, das eine Aktion plant. - Zunehmen wird auch der Trend der Kommunikationsmöglichkeit über lokale Medien, sei es über Ortsteilzeitungen oder über lokale Rundfunk- bzw. TV-Sender. Hier wird ein Phänomen deutlich: Klassische Massenkommunikationsmedien entwickeln sich zunehmend zu Direct Marketing M.-Medien, während klassische Direct Marketing M.-Medien aufgrund der Technik als Massenmedien eingesetzt werden können (Beispiel: Computerwerbemittel). - Damit verbunden ist auch eine vielfach festgestellte Entwicklungstendenz: die Forderung nach und Verwirklichung von integrierten Marketingkonzepten, in denen je nach Aufgabenstellung die Budgetanteile von direkter und indirekter Marketingkommunikation verteilt, aber immer kombiniert eingesetzt werden. Die Grenzen zwischen beiden Kommunikationsformen werden zunehmend verwischen; beide Arten werden der jeweils anderen Kommunikationsaufgabe zuarbeiten und nicht - wie in der Vergangenheit oder gar Gegenwart - sich gegenseitig substituieren. Die Marketingmanager werden zunehmend akzeptieren, daß jedes Kommunikationsmedium für bestimmte Problemlösungen besonders geeignet ist. - Leider muß festgestellt werden, daß nicht zuletzt wegen des hohen Impacts und immer noch zu großer Fehlstreuungen, aber auch aufgrund von Einflüssen der Medienkonkurrenz, Forderungen nach Beschränkungen oder gar Verboten von Telefonmarketing, Direktwerbung und Speicherung von persönlichen Daten laut werden. Bei ausgewogener Betrachtung, die sich die Rechtsprechung und der Gesetzgeber zu eigen gemacht haben, ist eine funktionierende Volkswirtschaft ohne direkte Marketingkommunikation nicht denkbar. Mißbräuche sind durch entsprechende Gesetze (z. B. der Datenschutzgesetzgebung) eingedämmt bzw. verhindert worden. Wie sehr der Konsument Informationen über die hier behandelten Kommunikationswege wünscht, zeigt das amerikanische Beispiel, wo neben einer sog. Robinson-Adreßliste (jeder Bürger kann sich in diese Liste aufnehmen lassen, wenn er keine Direktwerbung zu erhalten wünscht) eine Positivliste ins Leben gerufen wurde, die Namen und Daten (z. B. Interessensgebiete) von Konsumenten enthält, die gern Direct-Mail erhalten möchten. Der Umfang der "Positivliste" soll den der "Negativliste" bei weitem übertreffen. Es ist denkbar, daß diese Institution auch in Europa eingeführt wird. - Zu erkennen sind bereits jetzt Internationalisierungstendenzen des Direct Marketing M. Amerikanische Unternehmen nutzen diese Methode, um ihre Produkte in Europa risikoarm einzuführen. Umgekehrt bietet Direct Marketing M. auch für europäische Unternehmen Chancen, über die Grenzen des eigenen Landes hinweg zu verkaufen.
Literatur: Böhler, H., Methoden und Modelle der Marktsegmentierung, Stuttgart 1977; Böhler, H./Dallmer, H./Stölzel, A., Zielgruppenbestimmung und Adreßlistenauswahl für die direkte Marketing-Kommunikation, in: Die Betriebswirtschaft, 1980 (40. Jg), Heft 3, S. 415-422; Dallmer, H., Erfolgsbedingungen der Kommunikation im Direct-Marketing, Wiesbaden 1979; Dallmer, H. (Hrsg.), Handbuch Direct Marketing, 6. Aufl., Wiesbaden 1991; Freter, H., Marktsegmentierung, Stuttgart 1983; Gerardi, A., Stichwort Direktwerbung, in: Marketing-Enzyklopädie, München 1974; Hodgson, R., Direct-Mail and Mail-Order Handbook, Chicago 1974; Martin, M., Parole: All business is regional, in: Horizont-Report, 1988, o. S. (gekürzte Fassung des Beitrages "Direct-Marketing" aus: Handbuch des Marketing, hrsg. von Manfred Bruhn, München 1989.)
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