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Gleichbehandlung
I. Allgemein: Arbeitsrechtlicher Grundsatz für die Behandlung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber. Eine Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) und ein Gebot der Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit. Der Arbeitgeber muß bei Maßnahmen und Entscheidungen, die betriebsbezogen sind, d. h. über einzelne Arbeitsverhältnisse hinausreichen, den Grundsatz beachten, daß das, was sachlich gleich ist, gleichbehandelt werden muß; eine willkürliche Differenzierung ist verboten. Von Bedeutung v. a. bei der Gewährung zusätzlicher freiwilliger Leistungen (Gratifikationen, Ruhegelder u. a. Sozialleistungen). Benachteiligte Arbeitnehmer können die ihnen unzulässig vorenthaltene Leistung verlangen. Darüber, daß unsachliche Differenzierungen im Betrieb unterbleiben, haben nach § 75 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zu wachen. - Anders: Gleichberechtigung.
II. Gleichbehandlung der Geschlechter: 1. Rechtsgrundlagen: Art. 119 EG-Vertrag schreibt als unmittelbar geltendes Recht vor, daß Männer und Frauen bei gleicher Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. In §§ 611 a, 611 b, 612 III BGB ist jegliche Ungleichbehandlung allein wegen des Geschlechts bei allen Maßnahmen und Vereinbarungen hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses verboten, insbes. bei der Ausschreibung von Arbeitsplätzen, Einstellung, beruflichem Aufstieg, Kündigung und Vergütung. Im Frauenförderungsgesetz vom 24. 6. 1994 (BGBl I 1406, 2103) sind Fördermaßnahmen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung in der Bundesverwaltung und den Bundesgerichten vorgesehen. Entsprechende Gesetze gibt es in den meisten Bundesländern für ihre Verwaltungen und Gerichte. - Verboten ist nach diesen Vorschriften die Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts und zwar sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer ausdrücklich wegen seines Geschlechts oder mit einer geschlechtsneutralen Formulierung, die sich praktisch nur auf ein Geschlecht beziehen kann, schlechter gestellt wird als ein Angehöriger des anderen Geschlechts. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn die Regelung oder Maßnahme geschlechtsneutral ausgestaltet ist, von ihr aber Männer und Frauen ungleich betroffen und die nachteilige Wirkung auf dem Geschlecht oder der traditionellen Rollenverteilung unter den Geschlechtern beruht (z. B. Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten von der betrieblichen Altersversorgung). - Eine Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt nicht vor, wenn nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dafür genügt aber noch nicht, daß eine Regelung sich als wirtschaftlich vorteilhaft erweist, wenn sie typischerweise in der Mehrzahl Frauen trifft. - Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist erlaubt, wenn die Arbeitsleistung wegen der Art der Tätigkeit nicht von einem Angehörigen des anderen Geschlechts erbracht werden kann (z. B. Mannequin, Tänzerin). - 2. Auswirkungen: a) Verstößt ein Arbeitgeber bei der Einstellung gegen das Benachteiligungsverbot, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld in Höhe von höchstens drei Monatsverdiensten verlangen. Der Anspruch muß innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung der Bewerber schriftlich geltend gemacht werden (§ 611 a II, IV BGB). Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht (§ 611 a III BGB). Die gleichen Regeln gelten bei einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung beim beruflichen Aufstieg (§ 611 a V BGB). Wenn der Arbeitnehmer im Streitfall Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, daß nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist (§ 611 a I BGB). - b) Vereinbarungen und rechtsgeschäftliche Maßnahmen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nichtig, allerdings nur die den Arbeitnehmer benachteiligende Abrede, nicht der gesamte Vertrag. Ist durch die Diskriminierung ein Schaden entstanden, besteht Anspruch auf Schadensersatz und Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen. Insbes. sind auch Kündigungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, nichtig. - c) Die Gleichbehandlung gebietet auch Lohngleichheit für Männer und Frauen. Die Geschlechtszugehörigkeit darf keinen Unterschied der Entgeltbemessung begründen. Eine Verletzung des Lohngleichheitsgebotes liegt schon dann vor, wenn eine Vergütungsregelung zwar nicht zwischen Frauen und Männern unterscheidet, aber Kriterien festlegt, die typischerweise mehr Frauen als Männer oder umgekehrt erfüllen, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist darzulegen, daß die Differenzierung auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Das ist nur dann der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dient, für die Erreichung der unternehmerischen Ziele geeignet und nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist. Zum Entgelt zählt jede Vergütung z. B. auch Zulagen, vermögenswirksame Leistungen und vor allem auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bei der betrieblichen Altersversorgung liegt ein Verstoß gegen das Lohngleichheitsgebot vor, wenn die Versorgungsordnung für Frauen ein geringeres Eintrittsalter als für Männer verlangt, wenn durch Anknüpfung an die Altersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung ein Mann nach seiner Entlassung später Anspruch auf Betriebsrente hat als eine Frau in der gleichen Lage und wenn nur Witwen nicht aber Witwer eines Betriebsrentners Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung haben. Der Ausschluß von Teilzeitbeschäftigten kann dem Lohngleichheitsgebot widersprechen, wenn im fraglichen Bereich Teilzeitarbeit überwiegend von Frauen geleistet wird. Das gilt sowohl beim gänzlichen Ausschluß von der Altersversorgung wie auch bei Wartezeiten, die nur oder überwiegend Vollzeitbeschäftigte erfüllen können. Ein Verstoß kann vorliegen, wenn für einen höheren Lohn zwar an neutrale Kriterien (z. B. körperlich schwerer Tätigkeit) angeknüpft wird, aber die als schwer definierte Tätigkeit, für die Männer höher entlohnt werden, in Wirklichkeit nicht schwer ist. Bei Verstößen gegen das Lohngleichheitsgebot haben die diskriminierten Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den bevorzugten Arbeitnehmern, d. h. Anspruch auf die (höhere) Altersversorgung oder die höhere Entlohnung. - d) Frauenförderung durch Quotenregelungen zugunsten von Frauen begegnet Bedenken im Hinblick auf eine umgekehrte Geschlechtsdiskriminierung. Der Europäische Gerichtshof hat eine Regelung im Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau im öffentlichen Dienst des Landes Bremen für unvereinbar mit dem EG-Recht über die Gleichbehandlung der Geschlechter beurteilt (EuGH vom 17. 10. 1995-C-450/93). Nach diesem Gesetz sollten bei Einstellung und Beförderung Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber vorrangig berücksichtigt werden, wenn Frauen in dem Bereich unterrepräsentiert sind. Maßnahmen zur Frauenförderung, die nicht am Ergebnis d. h. der gleichen Repräsentation, sondern an der Herstellung und Verbesserung gleicher Chancen ansetzen, z. B. durch Beseitigung frauenspezifischer Hindernisse für Aus- und Fortbildung sowie Qualifikation, sind dagegen unstreitig zulässig.
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