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Stadt
1. Begriff: Im Gegensatz zum Land bzw. ländlichen Raum größere, verdichtete Siedlung mit spezifischen Funktionen in der räumlichen Arbeitsteilung und politischen Herrschaft, abhängig von der gesellschaftlichen Organisation und Produktionsform. - Begriffsdefinitionen: Einen allgemeinen, alle Epochen und Regionen umfassenden Begriff der Stadt gibt es nicht. Die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen definieren die moderne, kapitalistische Stadt über partielle, teils rein morphologische Merkmale: a) Der geographische Stadtbegriff beinhaltet eine gewisse Größe und bauliche Geschlossenheit der Siedlung, hohe Wohn- und Arbeitsstättendichte, Dominanz der nicht-agrarischen Ökonomie und ein Mindestmaß an Zentralität. b) In der Soziologie wird die Stadt vielfach über die städtische Lebens- und Organisationsform als Folge der Größe, Heterogenität und Dichte der Bevölkerung definiert. c) Ökonomisch zeichnet sich die Stadt durch Standortvorteile in bezug auf die Einsparung interner und externer Kosten für die Betriebe aus. d) Die Definition der Stadt über ein besonderes Stadtrecht hat lediglich historische Bedeutung; die Führung des Stadttitels hat in Deutschland keine materiell-rechtliche Relevanz mehr, die besondere Rechtsstellung kreisfreier Stadt bezieht sich nur auf die Zuordnung gewisser Verwaltungsfunktionen der Gemeindeverbände zu einzelnen Gemeinden. e) Statistisch wird der Stadtbegriff in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich festgelegt; als städtische Siedlungen gelten z. B. in der Bundesrep. D. laut amtlicher Statistik Gemeinden mit 2000 und mehr Einwohnern (Landstadt 2000-5000 Einwohner, Kleinstadt > 5000-20 000 Einwohner, Mittelstadt > 20 000-100 000 Einwohner, Großstadt > 100 000 Einwohner), in Dänemark geschlossene Siedlungen mit mindestens 200 Einwohnern, in Italien Gemeinden ab 20 000 Einwohnern. - 2. Entwicklung: Historisch entstanden sind Stadt mit dem Übergang von der Urgesellschaft zu ersten Formen arbeitsteilig organisierter Gesellschaften. In den verschiedensten Kulturen entstehen unabhängig voneinander stadtähnliche Siedlungen als Herrschaftssitze und Kultstätten, die mit der Intensivierung der Arbeitsteilung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher (handwerklicher) Produktion und mit der Entwicklung des Handels eine zunehmende innere Differenzierung erfahren. In den antiken wie auch den orientalischen, rentenkapitalistischen Gesellschaften ist die ökonomische Basis der Stadt die Aneignung des Mehrprodukts der landwirtschaftlichen Produzenten durch die städtische Oberschicht. Die Stadtentwicklung des europäischen Mittelalters beruht dagegen v. a. auf der Marktfunktion. Handel und Handwerk trennen sich nicht nur organisatorisch, sondern auch räumlich von der agraren Produktion ab und bilden die Existenzgrundlage der zumeist mit besonderen Rechten versehenen Bürgerstadt. Mit der Dynamik und Spezialisierung des bodenunabhängigen Gewerbes und dem Aufschwung des Geldwesens und Kapitalverkehrs im Handel wird die ständisch geordnete Stadt zum Standort bedeutender Produktionsstätten und mobilen Kapitals der Fernhandelsgilden. In der industriell-kapitalistischen Produktionsweise ist die Stadt das Resultat einer Summe von einzelbetrieblichen Standortentscheidungen. Die Konkurrenz um die bestmögliche Kapitalverwertung erzwingt die Nutzung von Standortvorteilen, v. a. von internen Kostenersparnissen aufgrund von Größeneffekten und von externen Lokalisations- und Urbanisationsersparnissen (Agglomerationseffekte). Unter den Bedingungen der Mobilität des Kapitals und des freien Lohnarbeiters sowie des Privateigentums an Grund und Boden resultiert daraus eine räumliche Konzentration von Wirtschaft und Bevölkerung bei gleichzeitiger relativer und teils absoluter Entleerung des Landes (Stadt-Land-Gegensatz), so daß es mit dem Beginn der fabrikmäßigen, industriellen Produktion zu einem raschen und starken Verstädterungsprozeß und zur Entstehung großer Agglomerationen kommt. Die aus der einzelbetrieblichen Standortlogik folgende räumliche Ballung der Produktionsstätten löst die Zuwanderung von Arbeitskräften, den Ausbau von Infrastruktur und die Ansiedlung weiterer Betriebe aus und führt so zu kumulativen Agglomerationsprozessen, die in dysfunktionale Entwicklungen für bestimmte Branchen oder Arbeitskräfte umschlagen (negative externe Kosten) und eine räumliche Reorganisation in Form von Dekonzentration oder Verlagerung auslösen können. Ebenso können technologische Innovationen in der Produktion und in der Infrastruktur oder Veränderungen in der sektoralen Wirtschaftsstruktur und in den regionalen Märkten die Entwertung bestehender und die Schaffung neuer städtischer Standorte bedingen, so daß die permanente Umstrukturierung des Städtesystems wie der inneren Stadtstruktur die Folge ist. Stadtentwicklung ist die Verlaufsform der Konkurrenz der Kapitale und ihrer Steuerung durch den Staat. Mit der Urbanisierung gehen einher ein permanenter Entleerungsprozeß und eine wachsende strukturelle Einseitigkeit in den ländlichen Gebieten, wobei die regionale Ungleichentwicklung zwischen ("fortschrittlicher") Stadt und ("rückständigem") Land (regionale Disparitäten) in den entwickelten Volkswirtschaften durch ein Stadt-Land-Kontinuum vielfach verdeckt wird. - 3. Typologie: Zur Beschreibung der raumdynamischen Stadtentwicklungsprozesse verwendet die Stadtforschung funktionelle Stadtklassifikationen, die aufgrund sozialstatistischer, wirtschaftlicher oder politisch-administrativer Merkmale in Typen wie z. B. Industrie-, Messe-, Fremdenverkehrs-, Universitäts-, Hafen-, Haupt- oder Weltstadt unterscheiden. Mit den verschiedenen dominanten Funktionen verbinden sich sowohl unterschiedliche Typen von Verflechtungs- und Hinterlandsgebieten (z. B. Einzugsbereiche der zentralen Orte) wie auch differente innere Stadtstrukturen der sozioökonomischen Struktur, der sozialräumlichen Gliederung (Sozialökologie, Segregation) und der Flächennutzung (Stadtstrukturmodelle).
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