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Handel

I. Begriff: Verschiedene Ausprägungen. - 1. Ausgehend von der Aufgabe, der Tätigkeit wird der gesamte Güteraustausch in einer Volkswirtschaft als Handel im funktionellen Sinn bezeichnet (Handel = Absatz- oder Distributionswirtschaft). Die Frage, welche Institutionen die Handelsfunktionen wahrnehmen, bleibt bei dieser Begriffsabgrenzung unbeantwortet. Neben dieser gesamtwirtschaftlichen ist auch eine einzelwirtschaftliche Interpretation des funktionalen H.-Begriffs möglich: Danach wird als Handel die gesamte beschaffungs- und absatzwirtschaftliche Tätigkeit einer Unternehmung bezeichnet. - 2. Enger als der funktionale ist der institutionale Handelsbegriff: Dieser umfaßt alle Institutionen, die ausschließlich oder überwiegend Handel im funktionellen Sinn betreiben, d. h. die hauptamtlich Waren, an denen mit Ausnahme geringfügiger Veredelungs- und Pflegeleistungen keine grundsätzlichen produktionstechnischen Veränderungen vorgenommen wurden, kollektieren und distribuieren. Neue Aufgaben erwachsen aus der Redistribution von Altwaren und Verpackungen: Sammeln, Sortieren und Zurückführen zur Wiederverwendung, zum Recycling, zur Deponierung, Endlagerung oder Vernichtung. Dazu kommen alle Aufgaben zur Steuerung von Pfandsystemen sowie zur Abführung der Beiträge an das Duale System Deutschland (DSD). - 3. Die exakte Begriffsabgrenzung bereitet manchmal Schwierigkeiten: So beim Handwerkshandel und bei Handelsbetrieben, die eigene Produktionsstätten angegliedert haben oder viele Handelsmarken und No-name-Produkte (No Names) führen. - 4. Beide Begriffsinterpretationen stellen in erster Linie auf den Austausch von Sachgütern (Warenhandel) ab. Andere Gegenstände, wie Dienstleistungen, Immobilien, Geld, Rechte (auf Güter oder Immobilien) sowie Informationen (v. a. in ihrer hochkonzentrierten, gespeicherten Form als Software), die ebenfalls gehandelt werden, bleiben unberücksichtigt. Schließlich werden andere zentrale Tätigkeiten, die Handelsbetriebe mit der Warendistribution und Redistribution stets gleichzeitig erbringen, zu wenig betont (z. B. Markterschließung für Hersteller und Konsumenten, vielfältige Beratung und zusätzlich erbrachte sonstige Dienstleistungen). Weiterhin sind Handelssbetriebe für viele Menschen ein Ort der Kommunikation mit der regionalen Umwelt und der persönlichen Erlebnisse (nicht nur der Konsumerlebnisse). Es ist daher für das Verständnis der Tätigkeit von Handelsbetrieben wichtig, zu beachten, daß sie ihr Warenangebot stets mit weiteren Leistungen kombinieren, um so die Waren ökonomisch konsumreifer zu machen.
II. Kritik: Die Tätigkeit des Handel ist schon seit Jahrhunderten Anlaß für Kritik. Dem Handel wird vorgeworfen, er sei unproduktiv und bereichere sich zu Lasten der Produzenten und Konsumenten, indem er die Waren unnötig verteuere und zu hohe Anteile der Distributionsspanne für sich beanspruche. François Quesney hat in seinem "Tableau économique" (1760) mit der Einordnung des Handel in die "sterile Klasse" den Produktivitätsstreit ausgelöst, dessen Ergebnis u. a. die Entwicklung von verschiedenen Zusammenstellungen der Handelsfunktionen zur Rechtfertigung der Handelstätigkeiten war. Diese Auseinandersetzung lebt heute in der wettbewerbspolitischen Diskussion um die Haupt- und Nebenleistungen im Handel (Sündenregister) und um die Nachfragemacht des Handel (Konzentration) fort.
III. Volkswirtschaftliche Bedeutung: Der Handel war schon immer eine Quelle des Wohlstands für Familien (z. B. Fugger, Welser), aber auch für Städte und Regionen (z. B. Hanse-Städte). Der überregionale Handel bereichert einerseits die Angebotspalette und eröffnet den Kontakt zu fremden Sitten und Gebräuchen. Andererseits ist dieser Warenaustausch stets dann Anlaß für kritische Auseinandersetzungen, wenn die Austauschrelationen nicht als gerecht (z. B. Preise für Rohstoffe der Entwicklungsländer) oder die fremden Einflüsse als eine Gefahr für den Verfall der Sitten im eigenen Land angesehen werden. Dennoch sollte die völkerverbindende Funktion des Handel nicht unterschätzt werden.
IV. Wirtschaftspolitische Maßnahmen: Wegen ihrer Bedeutung für die Entwicklung einer Volkswirtschaft wird die Tätigkeit des Handel in vielfältiger Weise durch Entscheidungen der Binnenhandelspolitik reglementiert. Im Vordergrund stehen der Verbraucherschutz (Verbraucherpolitik) und die Erhaltung einer ausgewogenen Handelsstruktur durch den Schutz des Mittelstandes. Hinzu kommt eine Abstimmung der Standortplanung von Verkaufsflächen des Handel im Rahmen der Infrastrukturpolitik.
V. Reale Erscheinungsformen: Die Formen des Handel sind außerordentlich vielfältig. Ein Grund für diese Vielgestaltigkeit ist der stete Wandel der Funktionsverteilung im Absatzweg einer Ware. Jedes Glied der Absatzkette ist ständig bemüht, die Funktionen auf sich zu konzentrieren, die es besser und kostengünstiger als die anderen Glieder erfüllen kann. Gleichzeitig versuchen alle Kettenglieder zur Steigerung ihrer Gewinne, die Aufgaben, die gem. ihren jeweiligen Zielen zu hohe Kosten verursachen, auf vor- oder nachgelagerte Glieder abzuwälzen. Die konkreten Lösungen dieses Permanentkonflikts sind nicht nur das Ergebnis von gesamtwirtschaftlichen Rationalitätsüberlegungen, sondern auch aktueller Machtauseinandersetzungen im Absatzkanal. Ein weiterer Grund für den steten Wandel im Handel ist die Dynamik der Betriebsformen (Dynamik der Betriebsformen im Handel).
VI. Institutionen: Die Institutionen des Handel können nach einer Vielzahl von Merkmalen gegliedert werden: 1. Nach dem Schwerpunkt der gehandelten Waren: Rohstoffhandel, Produktionsverbindungshandel, Konsumgüterhandel, Altwarenhandel. - 2. Nach der Art der Kunden: Großhandel und Einzelhandel. - 3. Nach der Stufigkeit im Absatzweg: Einstufige Handelsbetriebe (z. B. Fachgeschäft) und mehrstufige Handelsbetriebe (z. B. freiwillige Kette). - 4. Nach dem räumlichen Betätigungsfeld: Einfuhrhandel und Ausfuhrhandel. - 5. Nach der Hauptausrichtung der Tätigkeit: kollektierender Handel (Aufkaufhandel) und distribuierender Handel. - 6. Nach der Unabhängigkeit in der Willensbildung: völlig weisungsgebunden (z. B. der Filialleiter eines Filialunternehmens), teils abhängig (z. B. der Einzelhändler in einer kooperativen Gruppe), völlig unabhängig (z. B. alle nicht kooperierenden Fachgeschäfte). - 7. Nach dem Standort: stationärer Handel und ambulanter Handel. - 8. Nach der Menge der Standorte: Filialunternehmen und Einzelunternehmen. - 9. Nach der Form der Kontaktanbahnung: Handel gem. dem Residenzprinzip, Domizilprinzip und Distanzprinzip. - 10. Nach der Art der Warenpräsentation: Handel nach Katalogen (z. B. Versandhandel) und Handel mit Ladengeschäften, in denen die Ware ausgestellt und von den Kunden mitgenommen werden kann. - 11. Nach der Bedienungsorganisation: Handel mit Fremdbedienung und Handel mit Selbstbedienung. - 12. Nach der Sortimentsbreite: Sortimentsgroßhandel und Spezialgroßhandel. - 13. Nach der Form der Warenzustellung: Zustellgroßhandel und Cash-und-Carry-Großhandel (CC). - 14. Nach dem Preisniveau: Discounthandel und Handel mit Luxusgütern. - 15. Nach der vorherrschenden Marketingstrategie: Versorgungshandel und Erlebnishandel. - 16. Nach der Art der Gegenwerte: Kaufhandel und Tauschhandel.
VII. Handelsmanagement: Das Management jeder Institution des Handel formuliert zur Erfüllung der zu übernehmenden Funktionen Ziele, die es durch geeigneten Einsatz des unternehmenspolitischen Instrumentariums zu erfüllen gilt. Dies ist Aufgabe des Handelsmanagements (vgl. im einzelnen dort).
VIII. Ausbildung: Der Handel ist Gegenstand von Ausbildungsgängen, z. B. zum (zur) Verkäufer(in), zum Einzelhandelskaufmann, zum Groß- und Außenhandelskaufmann und zum Handelsfachwirt. Neuerdings bieten Berufsakademien weiterführende Ausbildungsgänge an, die mit dem Betriebswirt - Handel (BA) abschließen. Auch an Universitäten und Fachhochschulen kann Handelsbetriebslehre ein Teil der Ausbildung sein.
IX. Quantitative Bedeutung: Die wirtschaftlichen Größenordnungen des Handel sowie die Anzahl der Institutionen, gegliedert nach deren Haupttätigkeitsfeldern, werden laufend bzw. periodisch mit einer Reihe von statistischen Erhebungen erforscht, z. B. der Handelsstatistik und dem Handelszensus.


Literatur: Barth, K., Betriebswirtschaftslehre des Handels, 2. Aufl., 1993; Berekoven, L., Erfolgreiches Einzelhandelsmarketing, 2. Aufl. 1995; Dichtl, E., Grundzüge der Binnenhandelspolitik, 1979; Falk, W., Handelsbetriebslehre, 11. Aufl., 1992; Gümbel, R., Handel, Markt und Ökonomik, 1985; Hansen, U., Absatz- und Beschaffungsmarketing des Einzelhandels, 2. Aufl., 1990; Katalog, E., Begriffsdefinitionen aus Handels- und Absatzwirtschaft, 4. Ausg., 1995; Kysela, K. D., Großhandelsmarketing, 1994; Lerchenmüller, M., Handelsbetriebslehre, 1991; Nieschlag, R./Kuhn, G., Binnenhandel und Binnenhandelspolitik, 3. Aufl., 1980; Müller-Hagedorn, L., Handelsmarketing, 2. Aufl., 1993; Oehme, W., Handels-Marketing, 2. Aufl., 1992; ders. Handelsmanagement, 1992; Pepels, W., Handels-Marketing und Distributionspolitik, 1995; Schenk, Handel O., Marktwirtschaftslehre des Handels, 1991; ders. Handelspsychologie, 1995; Tietz, B., Der Handelsbetrieb, 1985; Tietz, B., Binnenhandelspolitik, 1986; Treis, B., Institutionen- und Funktionslehre des Handels, 1994; ders., Handelsmanagement, 1995, ders.; Handelsmarketing, 1995; Trommsdorff, V. (Hrsg.), Handelsforschung, Jahrbücher der Forschungsstelle für den Handel, (FfH) e. V., ab 1986.

 

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