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Wettbewerbstheorie

Die Wettbewerbstheorie hat die Aufgabe, Ursache-Wirkungszusammenhänge von wettbewerblichen Marktprozessen zu erklären und damit die wissenschaftliche Grundlage für staatliche Wettbewerbspolitik zu schaffen.
I. Die Begriffe Wettbewerb und wettbewerbspolitisches Leitbild: 1. Allgemein: Unter Wettbewerb ist das Streben von zwei oder mehr Personen bzw. Gruppen nach einem Ziel zu verstehen, wobei der höhere Zielerreichungsgrad des einen i. d. R. einen geringeren Zielerreichungsgrad des(r) anderen bedingt (z. B. sportlicher, kultureller oder wirtschaftlicher Wettkampf). - 2. Wirtschaftlich: Überträgt man diese sehr allgemein gefaßte Wettbewerbsvorstellung auf das Wirtschaftsleben, so ist Wettbewerb begrifflich durch folgende Merkmale charakterisiert: (1) Existenz von Märkten mit (2) mindestens zwei Anbietern oder Nachfragern, (3) die sich antagonistisch (im Gegensatz zu kooperativ) verhalten, d. h. durch Einsatz eines oder mehrerer Aktionsparameter ihren Zielerreichungsgrad zu Lasten anderer Wirtschaftssubjekte verbessern wollen; (4) damit ist eine Komplementarität von Anreiz- und Ordnungsfunktion gegeben, die im sog. sozialistischen Wettbewerb (sozialistische Marktwirtschaft) fehlt. - 3. Um den so skizzierten Wettbewerb inhaltlich auszufüllen, sind in der Literatur verschiedene wettbewerbspolitische Leitbilder bzw. Konzeptionen entwickelt worden, worunter ein geschlossener und in sich widerspruchsfreier Zusammenhang von wettbewerbspolitischen Zielen sowie zielkonformen Instrumenten und Trägern der Wettbewerbspolitik zu verstehen ist.
II. Entwicklung der Wettbewerbstheorie von der Klassik bis heute: 1. Klassische W.: Adam Smith und die klassische Schule der Nationalökonomie (klassische Lehre) haben das Wettbewerbssystem vorwiegend zum Angriff gegen die feudal-merkantilistischen Fesseln (Merkantilismus) der Wirtschaftsfreiheit benutzt. Die Bevormundung des einzelnen Bürgers durch die Wirtschaftspolitik des Merkantilismus wird abgelehnt und stattdessen die Gewährleistung der Handlungsfreiheit von Unternehmen und Haushalten gefordert. - Das klassische System läßt sich charakterisieren als die Freiheit zum Wettbewerb unter Konkurrenten, d. h. Freiheit für vorstoßende und nachahmende Wettbewerbshandlungen, sowie Freiheit der Konsumenten, unter den von der Marktgegenseite gebotenen Alternativen zu wählen. Wettbewerb im Sinne der Klassik ist ein dynamischer Prozeß aus Aktion und Reaktion, der jedem Marktteilnehmer einen begrenzten Freiheitsbereich gibt. Das Ausnutzen der Wettbewerbsfreiheit unter Verfolgung des Eigeninteresses führt über den Marktmechanismus dazu, daß jedes Wirtschaftssubjekt das erhält, was ihm nach seiner Leistung für den Markt zusteht. Durch dieses freie Spiel der Kräfte entsteht wie durch eine invisible hand eine allgemeine Harmonie der Interessen, die durch den Eingriff des Staates nur gestört werden kann. Das klassische Wettbewerbskonzept läßt sich daher als Koordinationsprozeß ohne staatliche Lenkung verstehen, d. h. als ein System nicht-autoritärer sozialer Kontrolle mit finanziellen Sanktionen. - Die von Adam Smith analysierten wettbewerbsbeschränkende Strategien beziehen sich vorrangig auf die merkantilistische Wirtschaftspolitik, wobei Marktzutrittsschranken, die durch das Zunftwesen begründet und durch Gesetze abgesichert sind, im Vordergrund stehen (z. B. die Begrenzung der Zahl der Lehrlinge in einem Gewerbe sowie die Bestimmungen für den Marktzutritt und Marktaustritt in Handwerksberufen). - Das Wettbewerbskonzept der Klassik ist jedoch nicht - wie oft fälschlich behauptet wird - gleichzusetzen mit einer Politik des "laissez-faire, laissez-passer" (Laissez-faire-Prinzip), vielmehr ist die von Adam Smith geforderte wettbewerbliche Legitimation des Privateigentums an den Produktionsmitteln gekoppelt mit der klaren Forderung nach Schaffung und Sicherung einer Rechtsordnung als Rahmen wettbewerblicher Prozesse. So hat Adam Smith bereits die Wohlfahrtsverluste von Preisabsprachen und dauerhaften Monopolstellungen klar erkannt und in seinem 1776 erschienenen Hauptwerk kritisiert. - 2. Neoklassik: Die von Smith behauptete Harmonie der Interessen hat in der Folgezeit zu dem Versuch geführt, die Bedingungen für die totale Übereinstimmung von Einzel- und Gesamtinteressen herauszuarbeiten. Ergebnis dieser Bemühungen war das Gleichgewichtsmodell der vollständigen (synonym: vollkommenen) Konkurrenz: Die dynamische Wettbewerbsanalyse der Klassik wird durch eine stark mathematisch orientierte statische Betrachtungsweise ersetzt, bei der die klassische Wettbewerbstheorie auf eine Analyse von preistheoretischen Gleichgewichtszuständen (Preistheorie) reduziert wird. Aus einer Vielzahl (von mehr oder minder unrealistischen) Annahmen über die Marktstruktur und das Marktverhalten werden die Schlußfolgerungen im Hinblick auf Gleichgewichtspreise und Gleichgewichtsmengen abgeleitet. Der Wettbewerbsprozeß, der zu diesen pareto-optimalen Gleichgewichten führt (Pareto-Optimum), wird durch die Dominanz der statischen Betrachtung vernachlässigt. - 3. Die Theorie des unvollkommenen bzw. monopolistischen Wettbewerbs (Sraffa, Robinson, Chamberlin) hat in den zwanziger und dreißiger Jahren versucht, die bisher vertretene Dichotomie zwischen reinem Monopol und vollkommener Konkurrenz zu überwinden (monopolistische Konkurrenz). Im Mittelpunkt der Bemühungen standen die Berücksichtigung heterogener Güter, das Oligopolproblem (Oligopol) und die Ergänzung des Preiswettbewerbs durch Formen des Nicht-Preiswettbewerbs (z. B. Werbung). - Das Konzept des unvollkommenen oder monopolistischen Wettbewerbs ist als eine dritte Kategorie zwischen den beiden Grenzfällen der vollständigen Konkurrenz und des Monopols zu sehen. Abweichungen von den Bedingungen der vollständigen Konkurrenz werden als Unvollkommenheitsfaktoren (market imperfections) oder Monopolelemente (monopolistic elements) angesehen. Mit dieser erweiterten Analyse beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß die vollständige Konkurrenz niemals realisiert werden kann. Gleichwohl blieb diese bis Anfang der sechziger Jahre Leitbild der Wirtschaftspolitik; Ziel der Wettbewerbspolitik war es, Anzahl und Ausmaß der Marktunvollkommenheiten zu minimieren. Je geringer die Marktunvollkommenheiten (im Sinne einer Abweichung von den Modellbedingungen), desto mehr glaubte man, sich dem wohlfahrtsökonomischen Ideal zu nähern. - 4. workable bzw. effective competition: - a) Die Entwicklung zu einer modernen Wettbewerbstheorie wird eingeleitet durch den Aufsatz von John Maurice Clark "Towards A Concept of Workable Competition" (1940). Mit seiner sogenannten Gegengiftthese, wonach auf einem Markt vorhandene Unvollkommenheiten durch das Vorliegen anderer Unvollkommenheiten geheilt werden können, bahnt sich der entscheidende Wandel in der wettbewerbspolitischen Beurteilung von Marktunvollkommenheiten an. So kann z. B. die eine Marktunvollkommenheit einer zu geringen Zahl von Anbietern im Oligopol durch die andere Unvollkommenheit einer beschränkten Markttransparenz oder einer Produktheterogenität im Hinblick auf die Wettbewerbsbedingungen ausgeglichen werden, da die anderen Unvollkommenheiten die preispolitische Interdependenz im Oligopol mindern und damit erfolgreiche Wettbewerbshandlungen möglich werden (Preismeldestellen - open price systems). - b) Die weitere Entwicklung der Wettbewerbstheorie ist stark durch die Schumpeterschen Thesen zur "Konkurrenz der neuen Ware, der neuen Technik, der neuen Versorgungsquelle, des neuen Organisationstyps" sowie durch die industrieökonomische Forschung in den USA (Industrieökonomik) beeinflußt worden. In seinem Buch "Competition as a Dynamic Process" (1961) versucht Clark, die Schumpetersche Theorie der Innovationen in die allgemeine Wettbewerbstheorie zu integrieren. Danach sind Pioniergewinne aufgrund einer temporären Vorzugsstellung sowohl Folge als auch Voraussetzung für den Wettbewerb; sie sollen nicht sofort wieder abgebaut werden, sondern allmählich verschwinden, was für den initiativ handelnden Unternehmer eine reaktionsfreie Zeit voraussetzt, um dem Unternehmen einen Anreiz zur Innovation zu geben. - Die Geschwindigkeit, mit der Vorsprungsgewinne jeglicher Art aufgezehrt werden, kann als Ansatzpunkt für die Bestimmung der Intensität des Wettbewerbs benutzt werden. Nach Clark bemißt sich daher die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs danach, inwieweit vorgegebene (gesamtwirtschaftliche) Ziele im Sinne sinkender Preise, verbesserter Qualitäten und rationeller Produktionsverfahren realisiert werden. - Zentrales Problem der Theorie des wirksamen Wettbewerbs (auch: funktionsfähiger Wettbewerb, effective oder workable competition) ist es, die wettbewerbspolitisch wünschenswerten von den unerwünschten Marktunvollkommenheiten zu unterscheiden, um damit zu Konstellationen von Unvollkommenheitsfaktoren zu kommen, die als notwendige und/oder hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit des Wettbewerbs anzusehen sind. Wenngleich die Vorstellung des Wettbewerbs als eines dynamischen Prozesses i. S. v. Schumpeter mit einer Folge von Vorstoß- und Verfolgungsphasen grundsätzlich allgemein akzeptiert ist, so wird die Frage der Marktunvollkommenheiten als wettbewerbspolitischer Ansatzpunkt sehr unterschiedlich gesehen, was zur Entwicklung unterschiedlicher wettbewerbspolitischer Leitbilder geführt hat.
III. Leitbilder der Wettbewerbspolitik: 1. Ordoliberalismus der Freiburger Schule, Leitbild der vollständigen Konkurrenz: Der Ordoliberalismus der sog. Freiburger Schule (Walter Eucken, Franz Böhm, Müller-Armack u. a.) kann als eine Art dritter Weg zwischen einer vermachteten Laissez-faire-Wirtschaft und einer zentral geplanten Verwaltungswirtschaft verstanden werden. Wettbewerb wird dabei als ein Entmachtungsinstrument verstanden, was die Marktform der vollkommenen Konkurrenz voraussetzt. In dieser ist der Marktpreis ein gegebenes Datum für die Wirtschaftssubjekte, das von ihnen nicht beeinflußt werden kann (Mengenanpasser). - Konstituierende und regulierende Prinzipien: Der Ordoliberalismus fordert einen starken Staat, der die Rahmenbedingungen i. S. v. Spielregeln einer Wettbewerbswirtschaft setzen muß; denn die Ordnungspolitik des sogenannten Altliberalismus habe gezeigt, daß eine unbegrenzte Vertragsfreiheit der Wirtschaftssubjekte zu einer wachsenden Monopolisierung führe, d.h. zu einer Vergrößerung des Freiheitsspielraums für nur wenige Wirtschaftssubjekte. Zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung postuliert Eucken sieben sog. konstituierende und drei regulierende Prinzipien. Die sieben konstituierenden Prinzipien sind: (1) Preissystem der vollständigen Konkurrenz; (2) Schaffung einer die Geldwertstabilität sichernden Währungsverfassung; (3) Privateigentum an den Produktionsmitteln; (4) Gewährleistung der Vertragsfreiheit; (5) volle Haftung der Marktteilnehmer; (6) freier Zugang zu den Märkten (Gewerbefreiheit) und (7) Konstanz der Wirtschaftspolitik. Diese sieben konstituierenden Prinzipien werden durch drei regulierende Prinzipien ergänzt: (1) Aktive Monopol- und Oligopolpolitik; (2) Einkommens- und Konjunkturpolitik, die bestimmte Funktionsschwächen der Marktwirtschaft korrigieren soll, und (3) Sozialpolitik. - Das Leitbild der vollständigen Konkurrenz soll gesichert werden durch ein striktes Kartellverbot, eine präventive Fusionskontrolle sowie eine staatliche Strukturpolitik und die Entflechtung von Monopolen im Hinblick auf die Erhaltung bzw. Überführung von Märkten in die Marktform der vollständigen Konkurrenz. Vermeidbare (natürliche) Monopole (natürliches Monopol) sollen nach Eucken nicht verstaatlicht, sondern einer Mißbrauchsaufsicht durch ein staatliches Monopolamt unterstellt werden (sog. "als-ob-Konkurrenz"), wodurch ein Marktergebnis wie bei vollständiger Konkurrenz realisiert werden soll (Kartellrecht). - 2. Konzept des weiten Oligopols, Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs: Das von Kantzenbach entwickelte Konzept eines funktionsfähigen Wettbewerbs geht von den Aufgaben (Zielfunktionen) des Wettbewerbs aus, die dieser zu erfüllen hat: (1) Auf den Faktormärkten soll der Wettbewerb die funktionelle Einkommensverteilung nach der Marktleistung steuern (leistungsgerechte Einkommensverteilung), wodurch eine Ausbeutung aufgrund von Marktmacht (Macht) verhindert wird. (2) Der Wettbewerb soll die Zusammensetzung des laufenden Angebots an Waren und Dienstleistungen gem. den Käuferpräferenzen (Konsumentensouveränität) steuern, wodurch sich bei gegebener Einkommensverteilung und gegebenem Produktionsvolumen eine optimale Befriedigung der individuellen Bedürfnisse ergibt. (3) Der Wettbewerb soll die Produktionsfaktoren in ihre produktivsten Einsatzmöglichkeiten (optimale Faktorallokation) lenken. Dadurch werden bei gegebenem Stand der Produktionstechnik die Gesamtkosten gegebener Produktionsvolumina gesenkt bzw. der Output bei gegebenen Faktoreinsatzmengen gesteigert. (4) Der Wettbewerb soll die laufende flexible Anpassung von Produkten und Produktionskapazitäten an außenwirtschaftliche Daten, insbes. an die sich ständig ändernde Nachfragestruktur und Produktionstechnik (Anpassungsflexibilität) ermöglichen. Dadurch wird das Ausmaß von Fehlinvestitionen verringert, die durch Strukturwandlungen hervorgerufenen volkswirtschaftlichen Kosten werden gesenkt. (5) Der Wettbewerb soll die Entstehung, Einsatz und Verbreitung des technischen Fortschritts in Gestalt neuer Produkte und Produktionsmethoden (technischer Fortschritt durch Produkt- und Prozeßinnovation) beschleunigen. - Folgerungen: Nach Kantzenbach ist ein Wettbewerb dann funktionsfähig, wenn er die fünf - qua Werturteil - vorgegebenen ökonomischen Zielfunktionen bestmöglich erfüllt. Das ist seines Erachtens im Bereich weiter Oligopole mit optimaler Interdependenz, d. h. mit mäßiger Produktheterogenität und begrenzter Transparenz der Fall, da in dieser Marktform Gewinnchancen, Existenzrisiken und Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen besonders günstig kombiniert seien. Dagegen sei das enge Oligopol durch eine überoptimale Interdependenz gekennzeichnet, die entweder zu funktionslosen Oligopolkämpfen oder zu einer faktischen Beschränkung des Wettbewerbs durch spontan-solidarisches Parallelverhalten führen. Das Polypol sei durch eine unteroptimale Interdependenz charakterisiert, die mangels ausreichender Selbstfinanzierungsmöglichkeiten, geringer absoluter Unternehmensgrößen und traditioneller Verhaltensweisen nicht die im Hinblick auf strukturelle Anpassung und technischen Fortschritt notwendigen Investitionen erlaube; im Polypol herrsche daher ruinöser Wettbewerb. - Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Im Hinblick auf das Leitbild des weiten Oligopols sollten enge Oligopole nach Möglichkeit entflochten und Polypole mit unteroptimaler Interdependenz durch eine Legalisierung von Kartellen und Förderung von Zusammenschlüssen in weite Oligopole überführt werden. - 3. Konzept des freien Wettbewerbs der sog. Neuklassik: Hoppmann knüpft mit seinem als neuklassisch bezeichneten Wettbewerbskonzept an die klassische Wettbewerbstheorie (vgl. oben) an. Er unterscheidet zwei Zielkomplexe der Wettbewerbspolitik: (1) Sicherung der Wettbewerbsfreiheit i. S. der Abwesenheit von Zwang durch Dritte (sog. Entschließungsfreiheit) und der Abwesenheit von Beschränkungen des Tauschverkehrs durch Marktteilnehmer (sog. Handlungsfreiheit); (2) ökonomische Vorteilhaftigkeit des Wettbewerbsprozesses im Hinblick auf niedrigere Preise, bessere Qualitäten oder Einführung des technischen Fortschritts. - Wettbewerbsfreiheit wird als notwendige, jedoch nicht als hinreichende Bedingung für gute Marktergebnisse angesehen; vielmehr müsse ein entsprechender Wettbewerbsgeist (spirit of competition) hinzukommen, damit Wettbewerbsfreiheit zu ökonomischer Vorteilhaftigkeit führe. Bei Wettbewerbsfreiheit führe der Marktmechanismus aufgrund ökonomischer Anreize und Sanktionen zu einer Koordination der Pläne und Handlungen der Wirtschaftsobjekte, die für alle Marktteilnehmer vorteilhaft sei (sog. systemtheoretischer Ansatz). - Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Die Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Marktteilnehmer soll durch das Verbot bestimmter Verhaltensweisen (z. B. Monopolisierung, Diskriminierung, Behinderung oder Fusionen) geschützt werden, wobei die von der Wettbewerbspolitik zu setzenden per-se-Regeln folgendermaßen ausgestaltet sein sollen: (1) Den Wirtschaftsobjekten darf kein positiv definiertes Verhalten vorgeschrieben werden, vielmehr dürfen Verhaltensweisen nur negativ durch Verbot ausgeschlossen werden. (2) Dieses Verbot muß allgemein-abstrakt erfolgen. (3) Die Wettbewerbsregeln müssen für alle Wirtschaftsobjekte gleichermaßen gelten. - 4. Das Konzept der sog. Chicago School of Antitrust Analysis: Die Chicago School, die in der Vergangenheit nur mit dem Monetarismus (Milton Friedman u. a.) identifiziert worden ist, hat in den 70er Jahren auch ein wettbewerbspolitisches Konzept entwickelt. Das wettbewerbspolitische Konzept dieser Schule (Bork, Demsetz, Director, Posner, Stigler u. a.) ist während der 80er Jahre unter Präsident Reagan zum Leitbild der US-Antitrustpolitik geworden. - Elemente: Die Chicago School versteht das Marktgeschehen als ein freies Spiel der Kräfte ohne staatliche Eingriffe, in welchem die Gesündesten und Besten überleben (survival of the fittest - sog. Sozialdarwinismus); dabei soll der Einfluß des Staates auf die Setzung weniger Rahmenbedingungen beschränkt werden. Das Ziel der Antitrustpolitik besteht nach der Auffassung dieser Schule allein in einer Maximierung der Konsumentenwohlfahrt. Die Aufgabe der Wettbewerbspolitik müsse daher in der Aufrechterhaltung von Marktmechanismen bestehen, die ein Maximum an Konsumentenwohlfahrt i. S. einer optimalen Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen gewährleisten. Für die Antitrustbehörden sollen daher nur zwei Effizienzkriterien für die Beurteilung von Wettbewerbspraktiken ausschlaggebend sein: (1) Die allokative Effizienz (i. S. einer volkswirtschaftlich optimalen Allokation der Ressourcen, d. h. Angebot der Wettbewerbsmenge zum Wettbewerbspreis gem. Grenzkosten- = Preis-Regel im Gegensatz zum Cournot Fall (Preistheorie)) und (2) die produktive Effizienz (i. S. einer effizienten Ressourcenverwendung in den einzelnen Unternehmen z. B. durch Ausnutzen von economies of scale oder transaction-cost efficiencies). Um festzustellen, wann diese beiden Effizienzkriterien gewährleistet bzw. gefährdet sind, wollen die Vertreter der Chicago School die neo-klassische Preistheorie heranziehen, wobei vollkommene Konkurrenz und Monopol als Referenzsituationen dienen. Die Steigerung der betrieblichen Effizienz wird damit zum ausschließlichen Ziel der Antitrustpolitik; die anderen Wettbewerbsfunktionen (z. B. leistungsgerechte Einkommensverteilung, Konsumentensouveränität oder technischer Fortschritt) werden aus der Analyse ausgeklammert bzw. nicht berücksichtigt. - Wettbewerbspolitische Empfehlungen: Da die Chicago School auf die langfristige Wirkung des Marktmechanismus (Fehlen von privaten Marktzutrittsschranken und extrem langfristiger Zeithorizont) vertraut und zudem jeglichen staatlichen Eingriffen ablehnend gegenübersteht, nimmt sie grundsätzlich eine skeptische Haltung im Hinblick auf staatliche Aktivitäten im Bereich des Wettbewerbs ein. Sie kommt daher zu folgenden Empfehlungen: (1) Fusionen werden im allgemeinen nicht als wettbewerbsgefährdend angesehen, da sie in erster Linie der Ausschöpfung von economies of scale oder transaction-cost economies, der Vermögenskonzentration in den Händen überlegener Unternehmen sowie der Bestrafung eines ineffizienten oder schlechten Managements dienen; externes Wachstum (Konzentration) sei insofern grundsätzlich Ausdruck von produktiver Effizienz. Eine Fusionskontrolle solle daher in den USA nur noch im Falle horizontaler Zusammenschlüsse bei sehr hohen Marktanteilen stattfinden. Im Falle vertikaler Fusionen käme es nicht zu direkten Marktanteilszuwächsen und damit einer möglichen Verschlechterung der Marktversorgung; nur im Falle ausgeprägter Marktschließungseffekte sei daher eine Fusionskontrolle geboten. Konglomerate Fusionen stellen nach Auffassung der Chicago School ein non-problem dar. (2) Wettbewerbswidriges Verhalten wird dagegen kritischer gesehen als strukturbedingte Konzentration. So wird für horizontale Absprachen ein striktes per-se-Verbot gefordert, während vertikale Absprachen als Erhöhung der produktiven Effizienz des handelnden Unternehmens und damit der Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt als Ganzes gesehen werden.
IV. Aufbau und Inhalt des Konzepts eines wirksamen Wettbewerbs: Der für den Wettbewerbsprozeß relevante Markt ist in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abzugrenzen (Marktabgrenzung), da für den Preisbildungs- und Wettbewerbsprozeß der Markt relevant ist, auf dem Wettbewerb stattfindet. Wettbewerbspolitik stützt sich im allgemeinen auf das von Helmut Arndt und Lawrence Abbott entwickelte Bedarfsmarktkonzept, das alle Güter in die Analyse einbezieht, die im Hinblick auf den Verwendungszweck dazu geeignet sind, einen bestimmten Bedarf zu befriedigen. - 1. Formaler Aufbau: Das Konzept eines wirksamen Wettbewerbs wird in seinem formalen Aufbau durch Merkmale der Marktstruktur (market structure), des Marktverhaltens (market conduct oder behaviour) und des Marktergebnisses (market result oder performance) beschrieben. Eine solche Einteilung entspricht auch der Richtung des Kausalprozesses: Structure und conduct sind die Ursachen, das Marktergebnis ist die Wirkung; allerdings besteht im dynamischen Prozeß eine zirkuläre Verknüpfung der drei Merkmale, d. h., eine schlechte Performance in Gestalt überhöhter Gewinne beeinflußt z. B. die Marktstruktur durch Anlocken von Newcomern. - a) Unter Marktstruktur werden alle Faktoren verstanden, die einen Einfluß auf den Wettbewerb und das Preisverhalten am Markt ausüben und relativ konstant sind (z. B. die Zahl der Anbieter und Nachfrager sowie ihrer Marktanteile, die im Rahmen der relevanten Marktabgrenzung ermittelt werden; der Grad der Produkthomogenität und der Markttransparenz; die Höhe der Marktschranken; die Marktphase und der Unternehmertypus). - b) Marktverhalten umfaßt all diejenigen Aspekte, die Ausdruck von unternehmerischen Entscheidungen und damit - im Gegensatz zu Marktstrukturfaktoren - kurzfristig veränderbar sind. Im Rahmen des Marktverhaltenstestes ist daher zu untersuchen, wie häufig und zu welchen Zeitpunkten die verschiedenen Aktionsparameter (Preise, Rabatte und Konditionen, Menge, Qualität, Service und Werbung) beim Kampf um Marktanteile im Zeitablauf eingesetzt worden sind; entscheidend ist dabei, ob die einzelnen Aktionsparameter zu verschiedenen Zeitpunkten individuell oder kollektiv aufgrund von Gruppendisziplin oder Preis- bzw. Marktführerschaft eingesetzt worden sind. - c) Marktergebnisse können mit Hilfe von quantitativen Größen, die den eingesetzten Wettbewerbsparametern entsprechen, analysiert werden, z. B. die Höhe der Preise und Gewinne, die Qualitäten, den Output, die Produktions- und Verkaufskosten, den technischen Fortschritt. Zum Aufbau des Konzepts: Vgl. Abbildung "Formaler Aufbau des Konzepts eines wirksamen Wettbewerbs".
- Für die Frage, an welche Normen die Wettbewerbspolitik anknüpfen soll, ist der Zusammenhang von Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis von großer Bedeutung, worauf bei der Darstellung industrieökonomischer Zusammenhänge eingegangen werden soll (s. u.). - 2. Inhalt und Funktionsweise des Konzepts eines wirksamen Wettbewerbs: a) Charakterisierung des Wettbewerbsprozesses: Wettbewerb wird im Sinne eines dynamischen Prozesses verstanden, der durch eine Abfolge von Vorstoß- und Verfolgungsphasen gekennzeichnet ist, wobei Marktunvollkommenheiten Ergebnis initiativer Wettbewerbshandlungen und zugleich wieder Voraussetzung für imitatorische Wettbewerbshandlungen sind. Ein derartig charakterisierter dynamischer Wettbewerbsprozeß ist als anonymer Kontroll- und Steuerungsmechanismus mit finanziellen Sanktionen zu verstehen, bei welchem Vorsprungsgewinne jeglicher Art dann aufgezehrt werden, wenn keine unangemessene Marktmacht besteht. Die Intensität des Wettbewerbs ist dabei um so stärker, je schneller die Vorsprungsgewinne aufgezehrt werden. Maßgeblich für das Verständnis des Wettbewerbs als dynamischer Prozeß ist der durch den Wettbewerb ausgeübte, von den Beteiligten unkontrollierte Druck auf Preise und Kosten und damit auf die Gewinne, der durch das Gewinn- und Erfolgsstreben der Wirtschaftssubjekte ausgelöst wird. Dieser Wettbewerbsdruck führt zu einer tendenziellen Realisierung des vorgegebenen Zielkatalogs à la Kantzenbach (vgl. oben), indem er die Wirtschaftssubjekte zu einem ökonomisch-rationalen Verhalten zwingt, welches auf die Verwirklichung der kostengünstigsten Kombination der Produktionsfaktoren (optimale Faktorallokation), auf die flexible Anpassung von Produkten und Produktionskapazitäten an sich ändernde Daten wie z. B. die Produktionstechnologie oder Verbraucherpräferenzen (Anpassungsflexibilität) sowie auf die Entwicklung neuer Produkte und/oder Produktions- und Absatzmethoden (technischer Fortschritt) zielt. Die dabei im Wettbewerbsprozeß aufgrund temporärer Vorzugsstellungen entstehenden Pioniergewinne sollen nur allmählich abgebaut werden: so setzt z. B. der technische Fortschritt ein gewisses (time) lag voraus, um die Innovation wirtschaftlich lohnend zu machen. - b) Tatsächlicher Wettbewerb durch Einsatz verschiedener Aktionsparameter: Wettbewerb tritt als Preiswettbewerb oder als Nicht-Preiswettbewerb mit den Aktionsparametern Qualität, Service oder Werbung auf (näheres: s. dort). Zu dem tatsächlichen Wettbewerb tritt der potentielle Wettbewerb mit Newcomern, sofern die Marktzutrittsschranken nicht zu hoch sind. Langfristig gewinnt neben dem tatsächlichen und potentiellen Wettbewerb der Substitutionswettbewerb an Bedeutung, der den Unternehmen beim Einsatz ihrer Aktionsparameter gewisse Grenzen setzt. Die Tabelle "Übersicht über typische Zusammenhänge zwischen Marktphase und Unternehmertypus, Marktform und Marktzutrittsschranken, Aktionsparametern, Gewinnraten und wettbewerbspolitische Maßnahmen" gibt einen Überblick.
- c) Die Wirksamkeit der verschiedenen Wettbewerbsformen hat Zohlnhöfer anhand des durch sie hervorgerufenen Preisdruckes charakterisiert. Danach bewirken unabhängige Anbieter weitgehend homogener Güter den stärksten Preisdruck. Der Substitutions- und in der Regel auch der potentielle Wettbewerb sind nur sehr langfristig wirksam, wenngleich sie im konkreten Einzelfall die unternehmerische Preispolitik erheblich beschränken können. Insofern kommt diesen beiden Wettbewerbsformen als Determinanten des einen funktionsfähigen Wettbewerb kennzeichnenden Preisdruckes nur zweitrangige Bedeutung zu. - 3. Industrieökonomische Zusammenhänge zwischen der Unternehmensgröße (Konzentration) und wirtschaftlicher Effizienz i. w. S.: Die industrial organization school versucht, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im Wettbewerbsprozeß empirisch zu analysieren und damit die Frage eventueller Zielkonflikte zwischen der Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs, definiert durch eine Kombination von Marktstruktur- und Marktverhaltensnormen, und einer Realisierung der Zielfunktionen zu beantworten. Das Ergebnis der empirischen Untersuchungen zur Frage des Zusammenhanges von Marktstruktur und Marktergebnis geht dahin, daß der individuelle Marktanteil eines Unternehmens die wichtigste Einflußgröße für das Marktergebnis ist; darüber hinaus wirken die Investitionsintensität, die industrielle Wachstumsrate, die Position im Produktlebenszyklus und die Werbeaufwendungen im Verhältnis zur Umsatzrelation auf das Marktergebnis ein. Dabei übt die Kombination von individuellem Marktanteil und Produktheterogeniät offenbar den entscheidenden Einfluß auf das Marktergebnis aus. - Ein derartiger Zielkonflikt wird z. B. im Rahmen der sog. Neo-Schumpeter-Hypothesen behauptet, wonach technischer Fortschritt und damit wirtschaftliches Wachstum eine hohe relative und absolute Unternehmenskonzentration voraussetze. Darüber hinaus können Zielkonflikte in der Aufrechterhaltung einer kompetitiven Marktstruktur und einer Effizienzsteigerung i. w. S. im Hinblick auf die Realisierung von economies of scale, transaction-cost economies oder economies of scope auftreten. Auch im Hinblick auf die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist ein Zielkonflikt denkbar. - Die empirischen Untersuchungen, die insbes. in den Vereinigten Staaten, in den letzten Jahren aber auch zunehmend in Westeuropa, vorgenommen worden sind, erlauben jedoch keine generelle Schlußfolgerung. Die empirischen Studien zeigen vielmehr, daß derartige Zielkonflikte im Einzelfall bestehen können, aber keinesfalls generell vorliegen. Im Hinblick auf den technischen Fortschritt sind die technologischen Unterschiede von Branche zu Branche zu groß, als daß die Aufstellung genereller Hypothesen möglich wäre. - Das wettbewerbspolitische Resümee dieser Untersuchungen ist darin zu sehen, daß grundsätzlich von der Überlegenheit des Marktmechanismus auch im Hinblick auf die Realisierung des technischen Fortschritts und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auszugehen ist; wenn im Einzelfall ein Zielkonflikt seitens der Unternehmen geltend gemacht wird, fällt diesen die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Zielkonflikts zu (Kartellrecht, Wettbewerbspolitik).
Literatur: Cox, H., Jens, U., Markert, K. (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbs, München 1981; Schmalensee, R., Willig, R.D. (Hrsg.), Handbook of Industrial Organization, Amsterdam u. a. 1989; Schmidt, I., Wettbewerbspolitik und Kartellrecht: Eine Einführung, 5. Aufl., Stuttgart u. a. 1996; Schmidt, I./Rittaler, J. B., Marktphasen und Wettbewerb, in: WiSt 16 (1987), S. 597-602; Smith, A., An Inquiry Into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Chicago u. a. 1952; Zohlnhöfer, W., Wettbewerbspolitik im Oligopol: Erfahrungen der amerikanischen Antitrustpolitik, Basel, Tübingen 1968.

 

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