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Produktionstechnik

I. Begriff/Abgrenzung: Der ingenieurwissenschaftliche Begriff der Produktionstechnik umschreibt die Transformation wissenschaftlicher Erkenntnisse in Verfahren und Prozesse, die vom Menschen technologisch beherrschbar sind, sowie in wirtschaftlich nutzbare Produktionssysteme. Das Gebiet der Produktionstechnik läßt sich in bezug auf die Sachleistungsart, die mit den Verfahren und Produktionssystemen erbracht werden sollen, in verschiedene Teilgebiete untergliedern. Hiernach umfaßt die Produktionstechnik die Energie-, Verfahrens- und Fertigungstechnik als Haupttechniken, die durch Hilfstechniken wie die Fördertechnik und die Informationstechnik ergänzt werden, wobei die Informationstechnik bereits heute und in Zukunft durch ihre Integrationsfunktion zunehmend eine Schlüsselfunktion einnimmt (CIM). Diese technologieorientierte Gliederung der Produktionsverfahren muß unterschieden werden von der betriebswirtschaftlich orientierten Bildung der Produktionstypen. Die Produktion steht in beiden Fällen im Mittelpunkt der Betrachtung, wobei sich die Produktionstechnik mit den Produktionsprozessen aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht befaßt. Die betriebswirtschaftlich orientierte Bildung von Produktionstypen ist eine bedeutende Basis für den Aufbau einer Industriebetriebslehre, denn die komplexen Produktionsprozesse als reale Erscheinungen werden gedanklich durchdrungen und im Hinblick auf ihre wesentlichen Grundmuster geordnet.
II. Charakterisierung der Haupttechniken: 1. Energietechnik: Die Erzeugung, Wandlung und Übertragung von Nutzenergie sind Gegenstände der Energietechnik. Die Nutzenergie gliedert sich in Wärmeenergie für Raumheizung und Warmwasser, in Energie zur Durchführung industrieller Produktionsprozesse (z. B. Hochtemperaturwärme) sowie in die Antriebs- und Lichtenergie. Die Sachleistungsart, die die Energietechnik innerhalb der Produktionstechnik abgrenzt, ist die Energie als Produkt. Alle Techniken, bei denen die Energie das Produkt repräsentiert, zählen somit zur Energietechnik. Die Produktion von Nutzenergie ist i. d. R. durch einen mehrphasigen Transformationsprozeß (Energieumwandlungsprozeß) gekennzeichnet. Hierbei werden primäre Energieformen (z. B. Strömungsenergie des Wassers) in sekundäre Energieformen (z. B. elektrische Energie) umgewandelt. - 2. Verfahrenstechnik: Alle Techniken, die der Produktion von Fließgütern dienen, werden unter dem Begriff Verfahrenstechnik zusammengefaßt. Fließgüter sind makrogeometrisch nicht definierte Güter, wie Schüttgüter, Flüssigkeiten und Gase. Die Produktion solcher Güter erfolgt i. d. R. in drei Stufen: (1) Gewinnung von Rohstoffen (z. B. Eisenerz); (2) Produktion von Zwischenprodukten (z. B. Roheisen); (3) Produktion von Endprodukten (z. B. Edelstahl). Innerhalb dieser drei Stufen kann man grundsätzlich die Verfahren der Stoffumwandlung und der Stoffaufbereitung unterscheiden: a) Die Verfahren der Stoffumwandlung basieren auf chemischen sowie chemisch-physikalischen Prozessen und umfassen die analytische Stoffumwandlung (z. B. Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse), die synthetische Stoffumwandlung (z. B. Benzin-Synthese), die analytisch-synthetische Stoffumwandlung (z. B. Roheisenerzeugung) sowie die Stoffreformierung (Molekülstrukturveränderung). b) Die Verfahren der Stoffaufbereitung basieren auf physikalischen Prozessen und umfassen die Separation (z. B. Sortieren, Destillieren), die Mischung (z. B. Legieren) und die Strukturierung von Stoffen (z. B. Zerkleinern). Die Produktionsprozesse im Rahmen der Verfahrenstechnik laufen unter bestimmten physikalischen Bedingungen ab (Druck, Temperatur), deren Erzeugung Aufgabe von Hilfstechniken, wie z. B. der Vakuumtechnik oder Kältetechnik ist. - 3. Fertigungstechnik: Techniken, die der Produktion von geometrisch definierten festen Körpern (Stückgütern) dienen, werden unter dem Begriff der Fertigungstechnik subsummiert. Nach DIN 8580 werden sechs Hauptgruppen der Fertigungstechnik unterschieden: (1) Urformen: Die Urformverfahren bewirken die Formschaffung bestimmter Körper; aus einem formlosen Stoff wird z. B. durch Gießen oder Sintern ein Einzelteil mit komplexer Geometrie geschaffen. (2) Umformen: Die Umformtechniken verändern die Form des Ausgangskörpers, wobei der Zusammenhalt beibehalten wird, z. B. Fließpressen, Stauchen und Abkanten. (3) Trennen: Auch beim Trennen wird die Form des Ausgangskörpers verändert, wobei jedoch der Zusammenhalt vermindert wird, z. B. Drehen, Schleifen und Abschrauben. (4) Fügen: Fügeverfahren, z. B. Schweißen, Löten und Kleben, vermehren den Zusammenhalt und führen zu einer Formveränderung des Ausgangskörpers. (5) Beschichten: Unter Beschichten wird das Aufbringen einer fest haftenden Schicht auf ein Werkstück verstanden. Damit können verschiedene Grundmaterialien, z. B. Metall, Kunststoff und Papier, veredelt (Veredelung) werden. Beschichtungsverfahren sind z. B. Streichen und Galvanisieren. (6) Stoffeigenschaftsändern: Die Änderung der Stoffeigenschaft kann einmal durch Umlagern von Stoffteilchen (z. B. Magnetisieren, Härten) erfolgen, wobei der Zusammenhalt beibehalten bleibt. Des weiteren kann die Stoffeigenschaft auch durch Aussondern von Stoffteilchen geändert werden (z. B. Entkohlen). Der Zusammenhalt wird dabei vermindert. Vermehrt wird der Zusammenhalt durch das Einbringen von Stoffteilchen (z. B. Nitrieren, Aluminieren).
III. Entwicklungstendenzen: 1. Die Entwicklung in der Energietechnik ist zum einen dadurch gekennzeichnet, daß eine Substitution nicht regenerativer Primärenergieträger (z. B. fossile Brennstoffe) durch regenerative Primärenergieträger (z. B. Träger von Sonnenenergie) angestrebt wird. Auch die verstärkte Nutzung von Primärenergieträgern mit praktisch unbegrenzten Vorräten (z. B. Wasserstoff) ist Gegenstand der Forschung. Andererseits strebt man eine Steigerung des Nutzungsgrades der eingesetzten Primärenergie an (z. B. Supraleitertechnik). - 2. In der Verfahrenstechnik wird eine verbesserte Ausbeute bei der Kuppelproduktion (technologisch verbundene Produktion), eine Optimierung des Energieeinsatzes sowie eine zunehmende Anlagenautomatisierung angestrebt. Darüber hinaus wird versucht, Substitutionsprodukte für knappe Stoffe zu entwickeln. - 3. Die Automatisierung von Fertigungs- und Montageprozessen bildet das zentrale Bestreben der Entwicklung in der Fertigungstechnik. - 4. Die konsequente Integration von Produktionsstufen und -bereichen zu Prozeßketten bei verstärkter informationstechnischer Unterstützung kann als übergreifende Entwicklung genannt werden.


Literatur: Czichos, H. (Hrsg.), Hütte - Grundlagen der Ingenieurwissenschaften, 29. Aufl., Berlin u. a. 1989; Dolezalek, C. M., Quellen der Produktion. Ein Versuch zur Klärung der Begriffe, in: Werkstattechnik, 50. Jg. 1960, S. 244-246; ders., Zur Automatisierung in der industriellen Produktionstechnik, in: Werkstattstechnik, 53. Jg. 1963, S. 101-103; Eckstein, F., Entwicklungstrends in der Produktionstechnik bis zum Jahr 2000, in: REFA- Nachrichten, 44. Jg. 1991, S. 4-14; Evans, L., Fortschritte der Produktionstechnik: Voraussage bis 1988, in: Werkstatt und Betrieb, 108. Jg. 1975, S. 441-447; Eversheim, W., Produktionstechnik und -verfahren, in: Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, Hrsg. W. Kern, H. Schröder, J. Weber, 2. Aufl., Stuttgart 1996, Sp. 1534 ff.; Eversheim, W./Schuh, G. (Hrsg.), Hütte - Produktion und Management (Betriebshütte), Teil I u. II, 7. Aufl., Berlin u. a. 1996; Hahn, D./Laßmann, G., Produktionswirtschaft - Controlling industrieller Produktion, Bd. 1, 2. Aufl. Heidelberg 1990; Hoitsch, H.-J., Produktionswirtschaft, Grundlagen einer industriellen Betriebswirtschaftslehre, München 1985; Lange. K. (Hrsg.), Kleines Handbuch der modernen Fertigungstechnik, Essen 1976; Opitz, H., Produktionstechnik, Voraussetzung des technischen Fortschritts, in: Werkstattstechnik, 60. Jg. 1970, S. 325-334; Spur, G., CIM - Die informationstechnische Herausforderung an die Produktionstechnik, in: Vorträge anläßlich des produktionstechnischen Kolloquiums, 1986, Veranstalter: Frauenhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik, Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der technischen Universität Berlin, S. 5-19; ders., Die Genauigkeit von Maschinen - Eine Konstruktionslehre, München, Wien 1996; Spur, G./Stöferle, Th. (Hrsg.), Handbuch der Fertigungstechnik, Bd. 1 - Urformen, München, Wien 1981, Bd. 2/1 - Umformen und Zerteilen, München, Wien 1983, Bd. 2/2 - Umformen und Zerteilen, München, Wien 1984, Bd. 2/3 - Umformen und Zerteilen, München, Wien 1985, Bd. 3/1 - Spanen, München, Wien 1979, Bd. 3/2 - Spanen, München, Wien 1980, Bd. 4 - Abtragen, Beschichten und Montieren, München, Wien 1987, Bd. 5 - Fügen, Handhaben und Montieren, München, Wien 1986, Bd. 6 - Fabrikbetrieb, München, Wien 1994; Warnecke, H. J., Einflüsse und Tendenzen in der Produktionstechnik, in: Werkstattstechnik, 61 Jg. 1971, S. 667-671; Weber, H.-J., Produktionstechnik und -verfahren, in: Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, Hrsg. W. Kern, Stuttgart 1979, Sp. 1604-1619.

 

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