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Investitionsgüter-Marketing

Investitionsgüter-Marketing Begriff: Das I.-M. ist ein Gebiet des Marketing, so daß viele Überlegungen dazu im Grundsatz auch für das I.-M. gelten. Dennoch unterscheidet sich I.-M. wesentlich vom Konsumgüter-Marketing: Konzeption und Darstellung der Lehre des I.-M. sind insoweit problematisch, als es zum einen um Marketing für außerordentlich heterogene Leistungen geht (z. B. Rohstoffe, Energie, Teile und Aggregate unterschiedlicher Komplexität sowie hochkomplexe Systeme) und zum anderen auch sehr unterschiedliche Käuferkreise wie Klein-, Mittel- und Großunternehmen, Verbände, Behörden, Regierungen etc. als Abnehmer in Frage kommen. - Die Abgrenzung des Faches hängt sehr eng mit dem Begriff Investitionsgut zusammen. Im wesentlichen wird dabei nach Art der Güter, Institutionen und Kaufprozesse differenziert: a) Von einem eher gütertypologischen Standpunkt her können Investionsgüter als Produktionsfaktoren und zwar i. w. S. als Potentialfaktoren und Repetierfaktoren und i. e. S. als Potentialfaktoren (z. B. Maschinen, Anlagen) beschrieben werden. b) Unter institutionellen Aspekten können Investitionsgüter als Wirtschaftsgüter bezeichnet werden, deren Absatz nicht an Konsumenten, sondern an privatwirtschaftliche und öffentlich-rechtliche Organisationen erfolgt. c) Aus prozessualer Sicht interessieren besonders die Strukturen der Entscheidungsprozesse in den beschaffenden sowie die Vermarktungsprozesse der absetzenden Organisationen; es gilt hierbei die Arten der Entscheidungsprozesse zu differenzieren (z. B. Erstkauf, modifizierter Wiederholungskauf, reiner Wiederholungskauf), um auf dieser Basis Marketingkonzepte für Investitionsgüter entwickeln zu können.
IInvestitionsgüter-Marketing Erkenntnisgewinnung über Kaufverhaltensmodelle: 1. Charakterisierung organisationaler Beschaffungsprozesse: a) Sie sind meist mehr oder weniger langwierige Entscheidungsprozesse, deren Strukturen von der Komplexität und Neuartigkeit der Problemlösung, des damit verbundenen organisationalen Wandels sowie vom relativen Wert des Investitionsobjekts, aber auch von anderen Einflußfaktoren (z. B. rechtlicher Status und Größe der beschaffenden Organisation, Beschaffungsusancen) beeinflußt werden. b) Außerdem sind an der Beschaffungsentscheidung i. d. R. mehrere Personen aus verschiedenen Bereichen der Organisation mit durchaus unterschiedlichem Rollenverständnis beteiligt. Z. B. unterscheiden Webster/Wind in ihrem theoretischen Konstrukt Buying-Center die Rollen "user" (Verwender), "buyer" (Einkäufer), "influencer" (Beeinflusser), "decider" (Entscheider) und "gatekeeper" (Personen, die Informationen filtern); Kotler führt statt der Rolle "gatekeeper" die Rolle "initiator" (Anreger) ein, und Witte differenziert zwischen den Rollen Machtpromotor und Fachpromotor. Beziehungspromotoren und Prozeßpromotoren und Opponenten bilden weitere Betrachtungsschwerpunkte. c) Bei komplexeren Kaufprozessen (z. B. Systemkauf) können darüber hinaus sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Anbieterseite mehrere Organisationen (z. B. auch Consulting Engineers) beteiligt sein. Da hier beide Marktseiten, nicht nur für die Aushandlung der Transaktionsbedingungen, sondern meist auch für die Konkretisierung der Leistung selbst interagieren müssen - was z. B. bei der Beschaffung schlüsselfertiger Anlagen besonders deutlich wird - liegen hier außerordentlich komplexe Kaufprozesse vor, die es zu erforschen gilt. - 2. Kaufverhaltensmodelle: Im Investitionsgüter-Marketing M. wird das organisationale Kaufverhalten mit Hilfe monoorganisationaler Partial- oder Totalmodelle (Systemmodelle) oder aber zunehmend mit Hilfe multiorganisationaler Kaufverhaltensansätze (Interaktionsmodelle) zu beschreiben und zu erklären versucht. Der Weg über die Kaufverhaltensmodelle ist erforderlich, da sie zum einen die Entscheidungstrukturen (Strukturmodelle) und zum anderen den Ablauf des Entscheidungsprozesses (Phasenmodelle) offenlegen und die Eingriffsmöglichkeiten für die Marketing-Instrumente der Anbieter aufzeigen: a) Bei Strukturmodellen steht die Analyse der Einflußfaktoren des Kaufverhaltens im Vordergrund des Interesses. Hierbei werden Variablen aus den Bereichen Umwelt, Organisation, Gruppe und Individuum im Sinne eines neo-behaviouristischen SOR-Paradigmas (SOR-Konzept) kombiniert und strukturiert. Dabei differenzieren z. B. Webster/Wind in ihrem Kaufverhaltensmodell diese Variablengruppen zusätzlich in aufgabenbezogene und nicht aufgabenbezogene Variablen (task/nontask variables). Bei den Interaktionsansätzen werden die Beziehungen zu den Interaktionspartnern in die Analyse einbezogen; in Anbetracht der hierdurch entstehenden sehr hohen Komplexität versucht man vorerst mit vereinfachten Strukturen zu arbeiten. b) Ablauf- oder Phasenmodelle der Kaufentscheidung fassen funktionsgleiche Tatbestände systematisch zu einem idealen Phasenablauf (Entscheidungsprozeß) zusammen oder versuchen das reale Ablaufgeschehen in zeitlicher Hinsicht zu gruppieren, um auch hier wiederum Marketingstrategien auf die in den einzelnen Phasen auftretenden Anforderungen in sachlicher und personeller Hinsicht abstimmen zu können. Struktur- und Phasenmodelle ergänzen sich so. c) Bei internationaler Unternehmungstätigkeit müssen darüber hinaus kultur- und mentalitätsbedingte Besonderheiten, die das Verhandlungs- und Entscheidungsverhalten der potentiellen Käuferorganisation mehr oder weniger stark prägen, berücksichtigt werden.
IIInvestitionsgüter-Marketing Marketingkonzept des I.-M.: Im Investitionsgüterbereich (insbes. im Maschinen- und Anlagenbau) kann i. d. R. der Inlandsmarkt allein die Auslastung wirtschaftlich konkurrenzfähiger Kapazitäten in volumen- und zeitmäßiger Hinsicht nicht sicherstellen. Gründe hierfür liegen u. a. im meist sehr hohen Spezialisierungsgrad des Investitionsgütersektors sowie damit zusammenhängend im jeweiligen Nachfragevolumen und dem zeitlichen Bedarfsanfall des heimischen Marktes sowie im steigenden Druck der internationalen Konkurrenz. Investitionsgüter-Marketing M. ist daher i. a. internationales Marketing. Dabei wird der Anbieter investiver Leistungen ausgehend von einer Analyse seines technischen und wirtschaftlichen Potentials, seiner Ressourcen, seines technischen Know-hows sowie der potentiellen Kundengruppen und Märkte solche Problembereiche als Geschäftsfelder auswählen, für die er technisch und wirtschaftlich wettbewerbsfähige Lösungen auf den Markt bringen kann. Dabei handelt es sich meist um Produkte (Produkt-Marketing; Produktmanagementorganisation) oder Produktverbunde (Systemgeschäft), die mit entsprechenden Softwareleistungen (z. B. Projektierung, Service, Beratung, Schulung) angeboten werden. Da die Probleme von Nachfragern in verschiedenen Ländern häufig unterschiedlich strukturiert sind, muß unter wettbewerbsstrategischen Gesichtspunkten geklärt werden, inwieweit die Problemlösungen für die jeweiligen Ländermärkte bzw. -gruppen eine Differenzierung erfordern. Dabei hat die Unternehmung, die ausgewählten Kundensegmenten in selektierten Ländermärkten (Marktselektion) problemadäquate Technologien und Leistungen (Hard- und Software) unter Beachtung von Wettbewerbsstrukturen und -strategien anbietet, mit Hilfe eines strategischen Marketingkonzepts zwei Spannungsfelder des Investitionsgüter-Marketing M. zu überbrücken: a) Das äußere Spannungsfeld besteht zwischen den Unternehmungsbedingungen (z. B. Zielen, Ressourcenpotentialen, Unternehmungskultur) und den technischen sowie ökonomischen Anforderungen heterogener Branchen und Länder unter Beachtung der jeweiligen Mentalitäten dieser Märkte. Die Problembewältigung erfolgt durch den Einsatz gezielter Instrumentalkombinationen (marketingpolitische Instrumente). - b) Das innere Spannungsfeld besteht zwischen technischem und ökonomischem Denken in der Unternehmung, insbes. zwischen Forschung und Entwicklung (F & E) und Marketing. Es bedarf eines bewußten Schnittstellenmanagements sowohl im Sinne der strategischen Unternehmungspolitik (strategisches Management) als auch hinsichtlich der operativen Entscheidungen in diesen Bereichen. Hier bestehen häufig Disharmonien, verursacht durch Persönlichkeitsunterschiede von F & E- und Marketing-Personal, verbunden mit Differenzen in ihren Zielstrukturen, Unterschieden in den Anreizsystemen sowie Organisationsproblemen etc., die es durch entsprechende Maßnahmen aufzulösen oder abzuschwächen gilt. Anzusetzen ist hierbei zum einen an der personalen Ebene, indem Maßnahmen zur Steigerung der sozialen Fähigkeiten der Organisationsteilnehmer - der "interpersonalen Kompetenz" - ergriffen werden; zum anderen können auf der organisationalen Ebene eine Reihe sog. Verbindungseinrichtungen (z. B. Task Forces, Teams, Projektmanagement) zur Koordination von F & E und I.-M. beitragen. Auch die Planungs- und Kontrollsysteme sind für dieses Koordinationsvorhaben von Bedeutung. Eine zentrale Rolle kann hierbei ein entsprechend ausgestaltetes Controllingkonzept (Controlling, Marketing-Controlling) übernehmen.
IV. Instrumente: Wie beim Marketing für Konsumgüter stehen auch dem Investitionsgüter-Marketing M. mit Leistungspolitik (Produkt- und Programmpolitik), Kommunikationspolitik, Distributionspolitik und Kontrahierungspolitik vier Instrumentalbereiche zur Verfügung (marketingpolitische Instrumente). Allerdings weichen Gewichtung und inhaltliche Ausgestaltung sehr wesentlich vom Konsumgüter-Marketing ab. - 1. Die Leistungspolitik ist im I.-M. von zentraler Bedeutung. Mit steigender Komplexität der Produkte und steigendem Technologieniveau gewinnt sie an Dominanz gegenüber den anderen Marketing-Instrumenten. Wichtige Entscheidungsbereiche sind hier Grad der Individualisierung oder Standardisierung, Spezialisierungsgrad der Produkte, Produktqualität und Integrierbarkeit in bestehende, zunehmend computergesteuerte Fertigungssysteme sowie Anteil der Softwareleistungen an der angebotenen Problemlösung. - 2. In der Kommunikationspolitik spielt die kommunikative Seite des persönlichen Verkaufs eine dominierende Rolle, da ein Verkauf der meist komplexen und in hohem Maße beratungs- und erklärungsbedürftigen Investitionsgüter des persönlichen Verkaufsgesprächs und personengebundener Verhandlungen bedarf. Der persönliche Verkauf wird hierbei durch das Instrument der Verkaufsförderung mit Sachmitteln (z. B. Prospekten, Katalogen, Verkaufshandbüchern, Wirtschaftlichkeitsrechnungen, Referenzlisten, Tonbildschauen, Werbegeschenken) oder mit mehr personell betonten Maßnahmen (z. B. Schulung, Training, Betriebsbesichtigungen, Messen, Ausstellungen, Fachtagungen) direkt oder indirekt unterstützt. Gegenüber dem Konsumgüter-Marketing haben Verkaufsförderung und Direktwerbung als eines ihrer Instrumente eine wesentlich bedeutsamere Position als die mediengestützte Werbung. Werbung, auch die in Fachzeitschriften, und Public Relations (PR) (Öffentlichkeitsarbeit) sind im Investitionsgüter-Marketing M. mehr als flankierende Maßnahmen der Kommunikationspolitik zu sehen. - 3. Im Rahmen der Distributionspolitik sind durch die Komplexität, Beratungs- und Verhandlungsbedürftigkeit der Hard- und Software-Kombinationen direkte Formen des Vertriebs (direkter Vertrieb) (z. B. über Vertriebsingenieure oder Mitglieder der Geschäftsleitung) dominant. Aber auch Formen des indirekten Vertriebs, über unterschiedliche Absatzmittler (z. B. Handelsvertretungen oder Produktionsverbindungshandel), sind - speziell beim internationalen Investitionsgüter-Marketing M. - von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Auf internationaler Ebene sind, ausgehend vom strategischen Konzept, dem Ressourcenpotential und den Marktzutrittsbedingungen die Markteintrittsstrategien, z. B. indirekter oder direkter Export, Servicestützpunkte, Lizenzabkommen, Montagebetriebe, Joint Ventures oder Verkaufs- und Produktionstochtergesellschaften, festzulegen. Logistische Fragen haben hier eher operativen Charakter. - 4. Von Bedeutung ist auch die Kontrahierungspolitik, die Fragen der Vertragsgestaltung, insbes. alle Leistungspflichten von Verkäufer und Käufer, sowie die rechtlichen Grundlagen und Begrenzungen des Vertragswerks zum Gegenstand hat. Neben der Preis- und Rabattpolitik sind hier Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Finanzierungsfragen, Gegengeschäftsvereinbarungen, Gewährleistungsfragen etc. geregelt. Dabei sind Preishöhe und Preisgestaltung bei hochkomplexen Produkten und Systemen zwar nicht unbedeutend, aber kein dominierendes Marketing-Instrument, zumal preispolitische Entscheidungen nur auf der Grundlage der anderen Vertragsbestandteile sinnvoll festgelegt werden können. - Informationsgrundlagen: Auch im Investitionsgüter-Marketing M. werden Markt- und Technologie-Informationen zunehmend zu einem Erfolgsfaktor der Unternehmung, denn Informationen lassen sich häufig in Wettbewerbsvorsprünge umsetzen. Allerdings steht gegenüber dem Konsumgüter-Marketing die Sekundärmarktforschung stärker im Vordergrund; doch kann auch ein Investitionsgüter-Hersteller auf Primärinformationen nicht verzichten (Marktforschung). Daher wird die systematische Gewinnung und Aufbereitung von Marktinformationen durch den Außendienst (Verkaufsingenieure, Servicepersonal etc.) zu einer immer dringenderen Notwendigkeit. Im internationalen Geschäft erweitern sich - z. B. infolge unterschiedlicher sozio-kultureller und rechtlicher Bedingungen in den verschiedenen Märkten - die Informationsfelder erheblich.
V. Organisation: Das Investitionsgüter-Marketing M.-Management wird durch ein mengen- und wertbezogenes Planungs- und Kontrollsystem (Controllingsystem) und eine auf die Gegebenheiten der Unternehmung und ihrer Betätigungsfelder zugeschnittene Marketingorganisation unterstützt. Im internationalen Investitionsgüter-Marketing M. sind dabei die Grenzen zum internationalen Management fließend, da aufgrund der Markteintrittsbedingungen vieler Märkte und der strategischen Erfordernisse z. T. umfangreiche Direktinvestitionen notwendig werden, die nicht aus funktionaler Marketingsicht allein durchgeführt werden können.


Literatur: Backhaus, K., Investitionsgütermarketing, 4. Aufl., München 1995; Corey, R. E., Industrial Marketing: Cases And Concepts, 4. Aufl., Englewood Clifts 1991; Engelhardt, W. H./Günter, B., Investitionsgütermarketing, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1981; Hutt, M. D./Speh, T. W., Industrial Marketing Management, 2. Aufl., Chicago 1985; Kirsch, W./Kutschker, M., Das Marketing von Investitionsgütern, Wiesbaden 1978; Schneider, D. J. G., Zur Auswahl strategisch interessanter Märkte - Ein Projektbericht, in: Strategische Planung, Bd. 2, 1986, Heft 3, S. 193 ff.; Schneider, D. J. G./Müller, R. U., Datenbankgestützte Marktselektion, Stuttgart 1989; Schneider, D. J. G., Ansatzpunkte für ein internationales Marketingkonzept, in: Der Markt, 23. Jg., 1984, Heft 3, S. 69 ff.; Strothmann, K.-H., Investitionsgütermarketing, München 1979; Webster, F. E. jr., Industrial Marketing Strategy, New York 1992; Webster, F. E./Wind, Y., Organizational Buying Behavior, Englewood Cliffs, N. Y. 1972.

 

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