Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

strategisches Management

strategische Unternehmensführung.
I. strategisches Management M. und Unternehmensführung: 1. Rekonstruiert man das Entscheidungsverhalten von Führungskräften, so lassen sich (explizit formuliert oder nur formiert) Ziele, Grundsätze und Strategien erkennen, die dieses Verhalten prägen und lenken. Also wird auch jede Organisation strategisch geführt. Jeder Unternehmer/Manager setzt sich demnach zumindest intuitiv mit der Steuerung seiner Erfolgspotentiale auseinander. Dafür muß kein spezielles Managementsystem institutionalisiert sein. Kirsch spricht hier von einer strategischen Unternehmensführung, in deren Mittelpunkt die Gestaltung des Zusammenspiels der Erfolgspotentiale einer Organisation in ihrem Umfeld steht. - Dementsprechend kann man vereinfachend die Entwicklung der Unternehmensführung in vier geschichtliche Epochen einteilen (Gälweiler): Die Steuerung des Unternehmens über die Liquidität (Einnahmen/Ausgaben), über den bilanziellen Erfolg (Aufwand/Ertrag), über die bestehenden Erfolgspotentiale (Erfahrungskurve etc.) und zuletzt über neue Erfolgspotentiale (strategische Suchfeldanalysen). - 2. Seit Anfang der 70er Jahre richtet sich ein zunehmendes Forschungsinteresse auf die Entwicklung von Managementsystemen zur Unterstützung bzw. Rationalisierung von Führungsentscheidungen. Es wurde eine Art "Philosophie" dazu entwickelt, was unter einer "rationalen" oder "richtigen" strategischen Unternehmensführung zu verstehen ist. - Besondere Bedeutung kommt dabei der Führungsphilosophie eines st. M. zu, d. h. der Gesamtheit von Ideen, Regeln, Theorien, Prinzipien, Hypothesen etc. (also den Strategien), die Vorstellungen dazu formulieren, wie Führungskräfte ihre strategischen Entscheidungen treffen sollten. Diese Führungsphilosophie liegt der Gestaltung eines strategischen Managementsystems zugrunde. Man versucht, sie über bestimmte Instrumente (z. B. die Portfolio-Analyse) in der Organisation zu verwirklichen. Demgegenüber haben die bisherigen Konzeptionen eines st. M. ihren Schwerpunkt deutlich bei den Planungs- und Kontrollsystemen.
II. Entwicklungsgeschichte: 1. Der Anfang der strategischen Planung datiert auf die Mitte der 50er Jahre. Ursache waren v. a. negative Erfahrungen mit bestehenden langfristigen Planungssystemen, die durch ein immer komplexer und turbulenter werdendes Umfeld verursacht und verstärkt wurden. Daraus resultierte eine Veränderung der Planungsmentalität: Die Zukunft wurde als weniger generell planbar angesehen; es reicht auch nicht aus, Vergangenheitsstrukturen in die Zukunft zu extrapolieren: man kann sich aber durch Planung auf alternativ mögliche Zukünfte vorbereiten. Ziel der strategischen Planung wurde deshalb die Suche nach Strategien, die vor dem Hintergrund der aus dem Umfeld zu erwartenden Gelegenheiten und Gefahren die Stärken des Unternehmens im Wettbewerb ausnützen und seine Schwächen möglichst weit umgehen oder abmildern sollen (Denken in Erfolgspotentialen). - 2. Innerhalb dieser strategischen Planung werden erforderliche Anpassungen im Unternehmen über eine Änderung der Produkt-Markt-Strategien und im Sinne einer ökonomischen Überlebenssicherung der Organisation getroffen. Dieser Ansatz erwies sich bald als zu eng. So proklamierte Ansoff 1976 ein strategisches Management mit folgenden Grundgedanken: a) In Zeiten schnellen Wandels muß die von Chandler formulierte Abfolge "structure follows strategy" im Sinne der obigen reinen Anpassungsstrategie als zu einseitig betrachtet werden. So kann auch eine Änderung der internen Konfiguration der Anpassung der strategischen Stoßrichtung vorausgehen. Vielleicht werden erst durch eine solche Strukturveränderung die Potentiale aufgebaut, die neue strategische Optionen ermöglichen. Ein st. M. begnügt sich dann nicht mehr mit der Allokation von Mitteln zur Erreichung gegebener Ziele oder dem Streben nach Überleben; es bezieht die Strukturen und Ziele systematisch in eine Planung mit ein. b) Ein st. M. muß neben den Planungsaktivitäten auch vermehrt der Strategienimplementierung und organisatorischen Integration Rechnung tragen. c) Ein st. M. muß neben technologischen, ökonomischen und informationellen Variablen auch soziale und politische Variablen ins Kalkül miteinbeziehen. - 3. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, mußten neue Konzepte und Instrumente entwickelt werden: a) Typisch für die 70er Jahre waren hier die Gap-Analyse oder die Portfolio-Analyse. Diese Konzepte verloren allerdings Anfang der 80er Jahre wegen der Stagnationsproblematik an Bedeutung. Sie wurden nun ergänzt um Rationalisierungskonzepte (z. B. Gemeinkostenwertanalyse), Innovationskonzepte (z. B. strategische Suchfeldanalyse) oder Wettbewerbskonzepte. b) Während die klassischen Instrumente eines st. M. die Konkurrenz zwar als Bezugspunkt einer relativierenden Betrachtung der eigenen Wettbewerbsposition in ihren Ansatz mit einbeziehen, stellt Porter ein Konzept vor, das (basierend auf den Erkenntnissen der Industrieökonomik) die Wettbewerbsstrategien der Unternehmen einer Branche und die dort erlangbaren Wettbewerbsvorteile in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. - 4. Zusammenfassend beurteilt ist der Umstand, daß es heute ein st. M. gibt, nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es gelang, eine Reihe recht unterschiedlicher Managementideen in einem umfassenden Vorstellungsinhalt zu integrieren. Diese Managementideen sind oft aus den Schwachstellen früherer Konzepte heraus entstanden und haben sich angesichts der neuen Herausforderungen bewährt.
III. Begriff und Wesensmerkmale: 1. Grundsätzliches: Da es sich bei einem st. M. um eine Führungsphilosophie handelt, streuen auch die Meinungen dazu, was ein st. M. ist, sehr breit. Tendenziell sind die Ansätze eines st. M. organisationstheoretisch dadurch gekennzeichnet, daß die einzelne Organisation als Untersuchungsebene gewählt wird und daß mit der Betonung einer rationalen Planung die Machbarkeit strategischer Veränderungen relativ hoch eingeschätzt wird. - 2. Neuere Ansätze, die sich teilweise auch einem "evolutionären Management" (Kirsch, Malik) zurechnen, versuchen jedoch eine Neupositionierung: Hinsichtlich der Wahl der Untersuchungsebene wird davon ausgegangen, daß sich ein Unternehmen in Koevolution (Jantsch) mit seinem Umfeld weiterentwickelt. Da es bei Führungsaktivitäten Grenzen in der Rationalisierung der zugrunde liegenden Erkenntnis-, Konsens- und Machtprozesse gibt, ist diese Entwicklung nur eingeschränkt durch eine konzeptionelle Gesamtsicht der Unternehmenspolitik steuerbar. Darüber hinausgehend ist ein Unternehmen aber fähig, als zielbewußtes System (Ackoff und Emery) nach bestimmten Idealen zu streben. Bei Kirsch ist diese Leitidee z. B. der Fortschritt im Sinne seiner fortschrittsfähigen Organisation bezogen auf die Verfassung eines gesamten organisatorischen Feldes (z. B. die Unternehmen einer Branche). - Der Begriff des st. M. ist also eng mit dem verbunden, was Ansoff als "geplantes Lernen" oder Kirsch als "geplante Evolution" bezeichnen: Eine Synthese aus "adaptivem Lernen" (Inkrementalismus von Lindblom) und einer synoptischen Planungsrationalität. Nicht-revolutionäre, überschaubare Schritte, die durch eine konzeptionelle Gesamtsicht gesteuert werden, kennzeichnen also das Vorgehen. Diese Gesamtsicht ist selbst wieder Gegenstand einer ständigen kritischen Überprüfung und unterliegt auch dem Korrektiv des Einflusses neuer Ideen, Werte, Visionen, Trends etc. - 3. Werden letztere nicht rechtzeitig wahrgenommen, führt dies zu strategischen Überraschungen. Die Manövrierfähigkeit des Unternehmens ist dann beim Ergreifen von Reaktionsmaßnahmen bereits erheblich eingeschränkt. Ansoff fordert deshalb, nach "schwachen Signalen" zu solchen zukünftigen Entwicklungen und Ereignissen Ausschau zu halten, um die Manövrierfähigkeit des Unternehmens zu vergrößern. Man spricht dabei auch von einer strategischen Frühaufklärung. Durch sie sollen gegenüber der Konkurrenz Zeitvorteile gewonnen werden. - strategisches Management M. ist demnach die Steuerung und Koordination der langfristigen Evolution des Unternehmens und seiner Aufgabenumwelten. Diese Steuerung und Koordination erfolgt über eine konzeptionelle Gesamtsicht der Unternehmenspolitik, deren Weiterentwicklung durch die Sinnorientierung des Unternehmens geprägt ist. - 4. Die Kennzeichnung des st. M. durch die Konzeption der geplanten Evolution schließt nicht aus, daß es auch den Charakter eines Krisenmanagements annehmen kann. Krisen liegen vor, wenn sich Veränderungen des sozio-ökonomischen Feldes zu dramatischen Störungen zuspitzen, die die Existenz oder zumindest zentrale Grundsätze und Werte des Unternehmens in Frage stellen. a) Strategisches Krisenmanagement in weiterem Sinne kann dabei alle Merkmale der geplanten Evolution aufweisen, wobei diese dramatische Zuspitzung sich unter Umständen in einem tiefgreifenden Wandel der konzeptionellen Gesamtsicht niederschlägt. b) Strategisches Krisenmanagement im engeren Sinne liegt dagegen vor, wenn diese dramatischen Störungen völlig überraschend auftreten und gegebenenfalls unter extremem Zeitdruck strategische Reaktionen notwendig machen, die unter dem nahezu ausschließlichen Diktat dieser Störungen stehen. - 5. Neuester Stand: a) In den letzten Jahren hat das st. M. eine Vielfalt von Spezifizierungen auf die verschiedensten Anwendungsbereiche erfahren. So waren z. B. Untersuchungsgegenstand: bestimmte Wirtschaftsbereiche, z. B. der Handel; bestimmte Funktionsbereiche, z. B. strategisches Marketing; bestimmte Unternehmensbereiche, z. B. strategische Suchfeldanalysen im Produkt/Marktbereich, strategisches Technologiemanagement im Bereich der Ressourcen, st. M. der Informationsverarbeitung im Bereich der Systeme und die Diskussion über eine Wirtschaftsethik oder auch Unternehmensethik im Bereich des unternehmenspolitischen Standorts; bestimmte Problembereiche, z. B. Innovationsmanagement, st. M. in gesättigten Märkten und Internationalisierungsstrategien. b) Diese Vielfalt weist auch darauf hin, daß in den 80er Jahren "Strategie" und "strategisch" zu Modewörtern wurden und damit nicht selten relativ unscharf definiert oder gar deplaziert Verwendung fanden.
IV. Aufgabenspektrum: 1. Überblick: Die Abbildung 1 gibt ein Modell für den Handlungsraum eines st. M. wieder. Dessen Kern wird durch eine Reihe unterstützender Systeme ergänzt. Er selbst umfaßt die Phasen Exploration, Analyse, Planung und Steuerung, die sich auf verschiedene Potentialbereiche beziehen und vom Ergebnis her in die unternehmenspolitische Rahmenplanung sowie die strategische Programmplanung Eingang finden (Abbildung 2 ). - 2. Organisationsstruktur: a) Interne Organisation: (1) Generell ist jede Organisation in operative Organisationseinheiten geordnet: Funktionalbereiche (z. B. Finanzen oder F&E), Produktlinienbereiche, Regionalbereiche, Projekte etc. Gibt es für diese Bereiche Planungssysteme, so spricht man von einer Bereichsplanung, Projektplanung etc. (2) Vielfach ist es unter strategischen Gesichtspunkten zweckmäßig, eine die operative Organisationsstruktur überlagernde strategische zu bilden: Es werden strategische Geschäftsfelder abgegrenzt. Die für sie zu schreibenden Pläne sind die strategischen Programme; heute meist noch auf der Basis der Portfolio-Analyse. (3) Damit diese Programme umgesetzt werden, sind Pläne zu entwickeln, die die strategischen Programme mit den Plänen der operativen Organisationseinheiten verknüpfen: die operativen Programme. Sie beinhalten Maßnahmen zu den Strategien der Geschäftsfelder, dekomponiert auf die operativen Organisationseinheiten, sowie den kurzfristigen Planungskalender (z. B. Jahre). b) Auch auf der Ebene des Gesamtunternehmens besteht ein Rationalisierungsbedarf der Unternehmensführung. Hier geht es in der unternehmenspolitischen Rahmenplanung um die Entwicklung der Unternehmensgrundsätze als allgemeine Ziel- und Leitvorstellungen der Führungsmannschaft eines Unternehmens. Diese stellen dann die grundlegenden Maximen für die nachgelagerten Planungsstufen dar. Plandokument könnte hier das "Unternehmensleitbild" oder die "Grundstrategie" sein. Sie sind Teile eines "Rahmenkonzepts". - 3. Aufgabenbereiche: Die Planinhalte der strategischen Programmplanung beziehen sich vornehmlich auf den Bereich der Produkte und Märkte. Jedoch zeigt z. B. das wachsende Interesse an einem "Technologiemanagement" und an einem "Management Development" die zunehmende Bedeutung der Ressourcen als Unternehmenspotential. Ein dritter Bereich betrifft die Führungssysteme der Organisation (z. B. SM-Systeme) und letztendlich ist noch - im engeren und weiteren Sinn - der Standort des Unternehmens in seinem Umfeld zu nennen. - 4. Aufgabenstruktur: Die Unterscheidung in vier Phasen eines st. M. darf nicht dahingehend mißverstanden werden, daß innerhalb der einzelnen Phasen jeweils nur eine Klasse von Aktivitäten anzutreffen ist. Auch z. B. im Rahmen der eigentlichen Phase strategische Planung, die sich mit dem Entwurf, der Bewertung und Auswahl von Zielen, Grundsätzen, Strategien etc. befaßt, fallen z. B. Explorationen und Analysen an. Innerhalb der strategischen Exploration werden relativ ungerichtete, tendenziell zweckfreie und auch wenig vorstrukturierte Untersuchungen durchgeführt. Dagegen sind strategische Analysen dadurch gekennzeichnet, daß bereits ein Design der Datenerhebung und -auswertung existiert. Die Umsetzung der erarbeiteten Programme und des Rahmenkonzepts erfordern dann noch eine strategisch orientierte Steuerung und Regelung der nachgelagerten operativen Planungen und ad-hoc-Entscheidungen der operativen Führung. Dabei ist stets auch die Möglichkeit einer Revision dieser Maximen einzubeziehen, wenn sich aufgrund strategischer Kontrolle die ursprünglichen Planmaßnahmen als unrealistisch erweisen. Dies ist der Kern der "strategischen Steuerung".
V. Anwendungsstand: 1. Trotz relativ unterschiedlicher empirischer Untersuchungsergebnisse über die Durchsetzung eines st. M. in der Unternehmenspraxis lassen sich einige Tendenzaussagen machen: 1. Etwa ein Viertel der Unternehmen über 500 Mitarbeiter in der Bundesrep. D. verfügen über eine strategische Planung im weiteren Sinn; dieser Anteil steigt bei Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern auf etwa die Hälfte an. - 2. Das Niveau der bereits in den 70er Jahren eingeführten strategischen Planungssysteme dürfte sich i. d. R. verbessert haben. Ein besonders fortschrittliches strategisches Managementsystem ist nur bei 5% der Unternehmen anzutreffen. Die Bedingungen für eine weitere Verbreitung der Konzeption sind günstig. - 3. Vom Anwendungsstand sind nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Fähigkeiten zur Verwirklichung eines st. M. zu ziehen, da über die "Breite" der Institutionalisierung eines strategischen Managementsystems vor dem Hintergrund der strategischen Herausforderungen des Geschäftsfeldes entschieden werden sollte. Nur die Teile des Systems sollten offiziell geregelt werden, bei denen dies dringend notwendig erscheint.


Literatur: Henzler, H. (Hrsg.), Handbuch Strategische Führung, Wiesbaden 1988.

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
strategisches Geschäftsfeld
strategisches Programm

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : Produktionstiefe | Vergehen | Eurosklerose | Vorratslager | Fremdwährungsforderungen
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum