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Technologiepolitik

I. Begriff: Technologiepolitik ist die Gesamtheit der Maßnahmen, mit denen der Staat auf die Erhöhung des technischen Fortschritts in der Wirtschaft abzielt. Dazu zählen: Subventionen und Steuervergünstigungen zur Förderung privater Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten; die Bereitstellung wirtschaftlich verwertbaren technischen Wissens durch staatliche Forschungseinrichtungen; die Förderung des Absatzes und der Verwendung technologieintensiver Produkte; der gewerbliche Rechtsschutz, insbes. der Patentschutz; die Festsetzung von Normen und Standards, soweit damit eine raschere Verbreitung moderner Technologien bezweckt wird; die Bereitstellung einer innovationsfördernden Infrastruktur; die staatliche Beschaffungspolitik, soweit sie gezielt technologieintensive Güter nachfragt, um die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien zu fördern. Ausschlaggebend für die Zuordnung ist - wie bei anderen Politikdefinitionen auch - nicht die Wahl der Instrumente, sondern die Zielsetzung staatlichen Handelns. - Die Technologiepolitik steht in enger Beziehung zur Wissenschaftspolitik, da Wissenschaft und Technologie in enger Wechselwirkung zueinander stehen. Enge Verbindungen bestehen auch zur Industriepolitik, da industriepolitische und technologiepolitische Ziele zumindest insoweit koinzidieren, wie es um die Förderung technologieintensiver Wirtschaftszweige geht.
II. Begründungen der T.: Im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung kommt die Aufgabe sowohl der Entwicklung als auch der Umsetzung neuer Technologien grundsätzlich den privatwirtschaftlichen Unternehmen zu. Staatliche Markteingriffe sind allerdings dann theoretisch begründbar, wenn Marktversagen vorliegt. Mehrere Gründe sprechen dafür, gerade im Bereich von Forschung und Technologie von einer Diskrepanz zwischen Marktgleichgewicht und gesamtwirtschaftlichem Optimum auszugehen. 1. Technisches Wissen als öffentliches Gut: a) Problemstellung: Der Bestand an technischem Wissen wird nicht dadurch geringer, daß ein einzelner Anwender dieses Gut nutzt. Es erfüllt damit die zentrale Eigenschaft eines öffentlichen Gutes - die Nicht-Rivalität in der Verwendung. Wie bereits in den fünfziger Jahren von Paul Samuelson gezeigt, ist das marktwirtschaftliche Angebot an öffentlichen Gütern tendenziell zu gering, da es dem Produzenten kaum gelingen dürfte, alle potentiellen Anwender mit ihrem individuellen Grenznutzen zur Finanzierung heranzuziehen (sog. free-rider-Problematik). Außerdem kommt es bei marktwirtschaftlicher Preisbildung zu ineffizientem Ausschluß derjenigen Anwender, die zwar einen positiven Nutzen aus dem öffentlichen Gut ziehen könnten, deren individuelle Zahlungsbereitschaft aber unter dem geforderten Marktpreis liegt. - b) Folgerung: Bezogen auf die Technologiepolitik folgt aus dieser Argumentation, daß die Entwicklung neuen Wissens finanziell gefördert und möglichst niemand von der Verwendung neuen Wissens ausgeschlossen werden sollte. Insbes. die letztere Bedingung kann allerdings in Konflikt geraten mit der Erfordernis, dem Innovator hinreichende Anreize zur Entwicklung neuen Wissens zu bieten, denn die profitable Vermarktung von Innovationen wird nur möglich sein, wenn Anwender mit niedriger Zahlungsbereitschaft von der Nutzung ausgeschlossen werden können. - c) Maßnahmen: Von diesem Dilemma ist der Patentschutz in besonderem Maße betroffen. Mit diesem Instrument des gewerblichen Rechtsschutzes wird dem Patentinhaber das ausschließliche Recht zur kommerziellen Verwertung seiner Erfindung eingeräumt. Dadurch soll der Innovator geschützt werden vor der Imitationskonkurrenz, die das Erzielen von Innovations-, d. h. temporären Monopolgewinnen erschweren oder gar verhindern würde. Die Gewährung dieses Monopolrechts schafft somit gesamtwirtschaftlich erwünschte Anreize für privatwirtschaftliche Forschung, behindert aber zugleich die gesamtwirtschaftlich optimale Diffusion des aus der Forschung hervorgegangenen neuen Wissens. - Durch Lizenzvergabe läßt sich der Ausschlußeffekt zwar vermindern, aber nicht völlig eliminieren, denn auch dann bleiben jene Imitatoren ausgeschlossen, deren Zahlungsbereitschaft unter der Lizenzgebühr liegt. Deshalb stellt die Festlegung der gesetzlichen Patentschutzfrist ein Optimierungsproblem dar, bei dem die zusätzlichen Innovationsanreize einer längeren Schutzdauer abgewogen werden müssen gegen die zusätzliche Behinderung der Diffusion. - Das Marktversagen aufgrund des Öffentlichen-Gut-Charakters technischen Wissens ist um so gravierender, je breiter der Kreis der potentiellen Anwender einer neuen Technologie ist. Dies spricht dafür, den Schwerpunkt der staatlichen Technologieförderung bei der Grundlagenforschung zu setzen, denn von ihren Ergebnissen profitieren in aller Regel breitere Kreise als von den Ergebnissen der angewandten Forschung und experimentellen Entwicklung, die zumeist produktbezogen ist (Forschung und Entwicklung). Die tatsächlich praktizierte Technologiepolitik entspricht insoweit diesen Anforderungen, als ein Großteil der Grundlagenforschung in den Hochschulen und anderen staatlichen Forschungseinrichtungen durchgeführt und damit ganz überwiegend staatlich finanziert wird. Bei der Förderung der industriellen Forschung wird dagegen nur ansatzweise nach der Marktnähe der Projekte und damit nach dem vermutlichen Ausmaß des Marktversagens differenziert. - 2. Externe Erträge neuer Technologien: a) Problemstellung: Wenn das in einem Unternehmen hervorgebrachte technische Wissen auch anderen Unternehmen nützt, ohne daß diese ein Entgelt dafür entrichten müssen, sind die privaten Grenzerträge des Innovators geringer als die sozialen Grenzerträge, die neben den privaten auch die externen Erträge umfassen. Ein gesamtwirtschaftlich optimales Niveau an Forschungsaktivitäten läßt sich erreichen, indem der Staat die privatwirtschaftliche Forschung in Höhe der externen Grenzerträge subventioniert (Vgl. auch Pigou-Steuer). - Beispiele: "Klassische positive Externalitäten" können auftreten, wenn patentrechtlich nicht geschützte Innovationen unentgeltlich imitiert werden. Auch mit Patentschutz sind Externalitäten möglich, wenn etwa die in einem Unternehmen gewonnenen Erkenntnisse die Forschungsprozesse in anderen Unternehmen erleichtern. Eine weitere wichtige Quelle von Externalitäten sind Personalwanderungen, da der technologische Wissensstock eines Unternehmens zumindest teilweise im Humankapital seiner Mitarbeiter inkorporiert ist. - Neben diesen "klassischen" Externalitäten der Forschung, deren Bedeutung vor allem von Kenneth Arrow und Richard Nelson herausgearbeitet wurde und die letztlich schon Alfred Marshall beschrieben hat, rücken in der neueren Innovationsforschung sog. Netzwerk-Externalitäten in den Vordergrund. Sie treten dann auf, wenn der Nutzen eines Gutes für den einzelnen Anwender davon beeinflußt wird, wie viele weitere Personen das Gut nutzen. Das typische Beispiel dafür sind Telefonnetze, bei denen jeder zusätzliche Anschluß den Grenznutzen aller Teilnehmer erhöht, da ihre Kommunikationsmöglichkeiten zunehmen. Entsprechende Effekte können auch bei der Einführung von Produktinnovationen auftreten, etwa bei der Einführung von Video-Systemen oder Computer-Software, bei denen der Konsument auf die Kompatibilität mit den Systemen anderer Anwender angewiesen ist. Da jeder Einzelne bei seinen Kaufentscheidungen nur seinen individuellen Grenznutzen berücksichtigt und die von ihm verursachte Netzwerk-Externalität vernachlässigt, ist damit zu rechnen, daß die Netzwerke aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu klein ausfallen. Möglicherweise werden potentielle Netzwerke auch gar nicht erst entstehen, wenn es nicht gelingt, gewisse Schwellenwerte bei der Verbreitung neuer Produkte zu überwinden. - b) Beurteilung: Insbes. in den Arbeiten von Michael Katz und Carl Shapiro ist gezeigt worden, daß Netzwerk-Externalitäten nicht in jedem Fall staatliche Interventionen erfordern. Private Anbieter entsprechender Produkte können durch günstige Einführungs- oder Subskriptionspreise dazu beitragen, die Anlaufprobleme bei der Vermarktung netzwerkgebundener Produktinnovationen und der Einführung systemgebundener Verfahrensinnovationen zu überwinden. Die Technologiepolitik kann allerdings zur erfolgreichen Etablierung von Netzwerken beitragen, indem sie zum richtigen Zeitpunkt geeignete Normen und Standards festlegt, mit denen die Kompatibilität der von verschiedenen Anbietern bereitgestellten Produkte und Verfahren gesichert wird. Wenn die Bedeutung netzwerkgebundener Innovationen im Zeitverlauf zunimmt, erlangt die Normung und Standardisierung eine zunehmende Bedeutung im Rahmen der gesamten Technologiepolitik. - 3. Risikoaversion und Kapitalmarktversagen: a) Problemstellung: Wenn der Grenznutzen des Einkommens mit steigendem Einkommen abnimmt, werden private Investoren sichere Projekte gegenüber riskanten Projekten mit gleichem Erwartungswert der Rendite vorziehen - sie werden sich risikoavers verhalten. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wäre jedoch ein risikoneutrales Verhalten optimal, da sich im Aggregat die Risiken verschiedener Einzelprojekte weitgehend gegenseitig neutralisieren. Da Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten mit überdurchschnittlich hohem Risiko verbunden sein dürften, ist in diesem Bereich mit einem gesamtwirtschaftlich suboptimalen Investitionsvolumen zu rechnen. - b) Folgerung: Auf der Grundlage dieser Argumentation läßt sich insbes. eine Forschungsförderung für kleinere Unternehmen begründen, da sie geringere Möglichkeiten als Großunternehmen sowohl zur internen Risikostreuung als auch zur Risikostreuung über den Kapitalmarkt haben. Herangezogen wird die Argumentation auch bei der besonderen Förderung industrieller Großprojekte, deren Risiken selbst für größere Unternehmen zu hoch erscheinen. Als Alternative zur direkten Beteiligung des Staates an der Finanzierung risikoreicher Forschung kann diese Form des Marktversagens auch durch Bürgschaften oder zinsgünstige Kredite für die Forschung kompensiert werden (Forschungs- und Entwicklungs-Förderung). - Auch bei der Kreditbeschaffung für Forschungsprojekte haben mittelständische Unternehmen einen Nachteil gegenüber Großunternehmen, da sie den Kapitalgebern weniger Sicherheiten bieten können. Anders als bei Sachinvestitionen scheidet bei Investitionen in neues Wissen die dingliche Sicherung aus dem Projekt selbst weitgehend aus. Kleinere Unternehmen müssen also für ihre Forschungskredite tendenziell höhere Risikoprämien zahlen oder bleiben von der Kreditvergabe ausgeschlossen (Kreditrationierung), wenn die Technologiepolitik ihren Nachteil gegenüber Großunternehmen nicht kompensiert. - 4. Parallelforschung und Patentrennen: a) Problemstellung: Bestimmte Formen des Marktversagens bei Forschung und Technologie können dazu führen, daß es zu Überinvestitionen in die Entwicklung neuen technischen Wissens kommt. Wenn erfolgreiche Innovationen das Erzielen von temporären Monopol- bzw. Innovationsrenten ermöglichen, werden von diesen Renten möglicherweise zu viele Unternehmen in forschungsintensive Bereiche gelockt, so daß die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Forschungsarbeiten beeinträchtigt wird. Zum einen kann es zur Duplizierung von Forschungsarbeiten kommen, die sich im nachhinein als verschwenderisch erweist (Parallelforschung). Zum anderen gibt es Anreize, ineffizient hohe Mittel in die Beschleunigung der Projekte zu investieren, da die Innovationsrente nur demjenigen zufällt, der als erster mit dem neuen Produkt auf dem Markt ist (Patentrennen). - b) Folgerungen: Aus modelltheoretischer Sicht wäre in derartigen Fällen eine Besteuerung der privatwirtschaftlichen Forschung angezeigt, um die Anreize für ineffizienten Rentenverzehr (rent dissipation) zu eliminieren. Dagegen spricht allerdings, daß Konkurrenzkämpfe um technologische Monopolstellungen einen wichtigen Bestandteil des allgemeinen Innovationswettbewerbs ausmachen, von dem eine Volkswirtschaft langfristig nur profitieren kann. Fraglich ist aber, ob der Staat diesen mit Ineffizienzen behafteten Konkurrenzkampf zusätzlich anheizen soll, indem er die erzielbaren Innovationsrenten durch Forschungssubventionen zusätzlich aufstockt. - 5. Internationale Rentenumlenkung: a) Problemstellung: Heute werden technologiepolitische Maßnahmen in erster Linie damit begründet, daß die Wettbewerbsposition inländischer Unternehmen auf den internationalen High-Tech-Märkten gestärkt werden müsse. Eine theoretische Grundlage dafür bietet die Theorie der strategischen Industriepolitik im Rahmen der neuen Handelstheorie, in der gezeigt wird, daß es auf internationalen oligopolistischen Märkten möglich sein kann, durch staatliche Markteingriffe Innovationsrenten aus dem Ausland ins Inland umzulenken. Im Kern geht es darum, inländische Unternehmen, die sich in einem Cournotschen Dyopol mit ausländischen Unternehmen befinden, in eine Marktposition zu bringen, die der Führerposition eines Stackelbergschen Dyopols (Oligopol, oligopolistische Preisbildung) entspricht. Prinzipiell könnte eine solche Politik auf allen oligopolistischen Märkten mit Cournot-Verhalten angewendet werden. - b) Folgerungen: Aufgrund der hohen Bedeutung von Skalenerträgen infolge von Fixkosten und Lerneffekten in forschungsintensiven Industrien werden die Anwendungsmöglichkeiten der strategischen Industriepolitik vorrangig im High-Tech-Bereich gesehen. Dementsprechend werden als Maßnahmen der strategischen Industriepolitik vor allem Forschungssubventionen und Einfuhrrestriktionen für technologieintensive Güter diskutiert. Der Erfolg der strategischen Industriepolitik bei der internationalen Rentenumlenkung ist allerdings an eine Reihe restriktiver Bedingungen geknüpft, die in der Realität nur selten erfüllt sein dürften. So müssen in den betreffenden Märkten dauerhaft Oligopolgewinne zu erzielen sein; das Wettbewerbsverhalten der Unternehmen muß der Cournot-Annahme entsprechen; die dem Inland zufließenden Innovationsrenten dürfen nicht durch Rent Seeking der Unternehmen wieder aufgezehrt werden; Vergeltungsmaßnahmen ausländischer Regierungen müssen ausgeschlossen sein; und die den inländischen Produzenten zufließenden Innovationsrenten dürfen nicht über multinationale Kapitalverflechtungen wieder ins Ausland abfließen. - 6. Staatsversagen: Damit technologiepolitische Maßnahmen, mit denen Marktunvollkommenheiten (unvollkommener Markt) kompensiert werden sollen, tatsächlich zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinnen führen, müssen die für die Technologiepolitik Verantwortlichen ihr Handeln am Interesse des Gemeinwohls ausrichten. Nach der ökonomischen Theorie der Politik ist allerdings damit zu rechnen, daß T.er auch eigene Interessen verfolgen, die beispielsweise auf die Ausweitung diskretionärer Gestaltungsmöglichkeiten oder die Maximierung des eigenen Budgets ausgerichtet sein können. Gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist Technologiepolitik nur dann, wenn die Verringerung des Marktversagens nicht durch Zunahme des Staatsversagens kompensiert wird. Möglichkeiten zur Erklärung und Begrenzung von Bürokratieverhalten sind Thema der Public-Choice-Theorie.
III. Instrumente und Institutionen: Der gesamte Bereich der Technologiepolitik umfaßt eine Vielzahl von Maßnahmen, bei denen recht unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden und zahlreiche Institutionen beteiligt sind. Das Schwergewicht liegt jedoch bei der finanziellen Förderung von Forschung und Entwicklung in privaten Unternehmen sowie in staatlichen Forschungseinrichtungen, über die im folgenden ein kurzer Überblick gegeben wird. 1. Forschungsförderung in der Bundesrep. D.: Die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung in der Bundesrep. D. betragen zur Mitte der neunziger Jahre rund 85 Mrd. DM, das entspricht etwa 2,5% des Bruttosozialprodukts. Diese Ausgaben werden zu 40% vom Staat und zu 60% von der Privatwirtschaft geleistet. - a) Die staatlichen Ausgaben werden zu rund zwei Dritteln vom Bund und rund einem Drittel von den Ländern finanziert. Die Ländermittel sind in starkem Maße auf die Hochschulforschung konzentriert, so daß ein Großteil dieser Ausgaben eher der Wissenschaftspolitik als der Technologiepolitik zuzuordnen sein dürfte. Bei den Bundesausgaben liegt der Schwerpunkt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das aus der Verschmelzung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) mit dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW) hervorgegangen ist. Mit deutlichem Abstand folgen das Verteidigungsministerium (BMVg) sowie das Wirtschaftsministerium (BMWi). Die Entwicklung der Gesamtausgaben in der Zeit zeigt, daß die Finanzierungslasten der deutschen Einheit auch an der Technologiepolitik nicht spurlos vorübergegangen sind (Tabelle 1).
Von den gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Bundes fließt rund ein Viertel an die gewerbliche Wirtschaft und ist damit der Technologiepolitik im engeren Sinne zuzuordnen (Tabelle 2). Der weitaus größte Anteil entfällt auf die Organisationen ohne Erwerbszweck, zu denen unter anderem die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie die staatlichen Großforschungseinrichtungen zählen. Die Zahlungen an das Ausland werden in erster Linie für internationale Organisationen geleistet, vor allem für die Europäische Union (EU) sowie die Europäische Weltraumorganisation (ESA). Die technologiepolitische Bedeutung dieser Institutionen hängt wesentlich davon ab, inwieweit die Ergebnisse ihrer Arbeiten wirtschaftlich nutzbar sind.
- b) Die Förderung der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in staatlichen und halbstaatlichen Institutionen erfolgt überwiegend im Rahmen der institutionellen Grundfinanzierung, wobei insbes. die Großforschungseinrichtungen ins Gewicht fallen (Tabelle 3). Dazu zählen unter anderem das Deutsche Elektronen-Synchroton (DESY) in Hamburg, die Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, das Forschungszentrum Jülich (KFA) sowie das Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK). Die Frage, wie der Technologietransfer aus diesen Institutionen in die gewerbliche Wirtschaft verbessert werden kann, gehört zu den am stärksten umstrittenen Themen in der technologiepolitischen Diskussion.
- c) Eine ähnliche Größenordnung wie die institutionelle Förderung erreicht die Projektförderung, die zu rund zwei Dritteln an die gewerbliche Wirtschaft fließt. Dabei dominiert die direkte Projektförderung im Rahmen spezifischer Forschungsprogramme, deren Inhalte weitgehend vom Staat festgelegt werden. Diejenigen Unternehmen, deren Förderungsanträge zu diesen Programmen genehmigt werden, erhalten in der Regel einen Kostenzuschuß von 50%. Bei marktfernen Projekten kann dieser Fördersatz überschritten werden. Daneben gibt es Programme zur indirekt-spezifischen Förderung, bei denen der Staat zwar den Technologiebereich, aber nicht die Inhalte der einzelnen Projekte beeinflußt. Sie hat allerdings ein deutlich geringeres Gewicht als die direkte Projektförderung. Schließlich werden privatwirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten indirekt gefördert, etwa durch Personalkostenzuschüsse, Bürgschaften oder Kapitalbeteiligungen. Diese indirekten Maßnahmen, die in den Zahlenangaben der Tabelle 3 zusammen mit den indirekt-spezifischen Maßnahmen ausgewiesen sind, richten sich in erster Linie an mittelständische Unternehmen. Die in anderen Ländern weitverbreitete indirekte Forschungsförderung über Steuererleichterungen und Sonderabschreibungen wird derzeit in Deutschland nicht praktiziert. - d) Insgesamt gesehen ist das deutsche Förderungssystem im Vergleich zu anderen Ländern vor allem durch das hohe Gewicht der direkten Projektförderung sowie das Fehlen indirekter steuerlicher Förderinstrumente geprägt. In den Vereinigten Staaten erfolgt die Forschungsförderung in starkem Maße auf dem Wege staatlicher Beschaffungsaufträge - insbes. im Militärbereich -, wobei die Verträge oftmals so gestaltet sind, daß die derart finanzierten Forschungsergebnisse auch zivil genutzt werden können. In Japan dagegen werden nur in geringem Umfang staatliche Gelder direkt in die Forschungsförderung gelenkt; statt dessen fördert der Staat die Forschungskooperation von Unternehmen sowie von Unternehmen und Universitäten und vergibt zinsgünstige Kredite für private Forschungsprojekte. Sehr vielfältig ist das Förderinstrumentarium in Frankreich. Ein besonderes Gewicht haben dabei staatliche Unternehmensbeteiligungen. In Großbritannien schließlich wird über die Militärforschung hinaus kaum Einfluß auf die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten von Unternehmen genommen. - 2. Forschungsförderung in der Europäischen Union: Zunehmenden Einfluß auf die Technologiepolitik gewinnt die Europäische Union (EU), die derzeit 2 Mrd. ECU pro Jahr für die Förderung von Forschung und Entwicklung aufwendet. Im Vergleich zu den rund 30 Mrd. ECU, die von den nationalen Regierungen der Mitgliedstaaten aufgewendet werden, ist dieser Betrag zwar immer noch recht gering, aber die Zuwachsraten sind deutlich höher als bei den nationalen Aufwendungen. Zudem sind die Förderprogramme der EU stark auf einzelne Bereiche konzentriert, so daß sie in Teilbereichen einen deutlich spürbaren Einfluß auf die Technologiepolitik in Europa nehmen. a) Gemeinschaftliche Forschungs- und Technologiepolitik der EU: Nach den Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union stellt die Kommission ein mehrjähriges Rahmenprogramm mit der Festlegung von Prioritäten und Haushaltsmitteln auf, das dem Ministerrat zur Beschlußfassung vorgelegt wird. Das derzeit gültige Rahmenprogramm hat eine Laufzeit von fünf Jahren und ist mit rund 10 Mrd. ECU ausgestattet (Tabelle 4). Die konkrete Ausgestaltung der Programme sowie die Entscheidung zur Förderung von Projekten liegen in der Verantwortung der Kommission. Sie hat dafür allgemeine Richtlinien erlassen, die bei Projekten von Unternehmen eine Regelförderung von 50% vorsehen. Die Förderintensität entspricht damit dem Niveau in der deutschen Projektförderung.
- Ursprünglich war die gemeinschaftliche Technologiepolitik vorrangig auf die Förderung der "vorwettbewerblichen Forschung" konzentriert. Die Kommission ist jedoch bestrebt, ihre Förderprogramme verstärkt auf marktnahe Projekte auszurichten, um die Position europäischer Unternehmen im technologischen Wettbewerb mit japanischen und amerikanischen Unternehmen zu stärken. Das wichtigste Einzelprogramm im Rahmen der Gemeinschaftspolitik ist ESPRIT (European Strategic Programme for Research and Development in Information Technology), mit dem Anwendungen der Mikroelektronik in verschiedenen Bereichen gefördert werden. Außerhalb der Rahmenprogramme fördert die EU die Energieforschung, insbes. die Fusionsforschung über den Versuchsreaktor JET (Joint European Torus) sowie die Erforschung der Reaktorsicherheit über vier Zentren der Gemeinsamen Forschungsstelle. - Verstärkten Einfluß auf die Technologiepolitik in Europa nimmt die EU auch über die Beihilfenaufsicht im Rahmen der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik, nach der die auf nationaler Ebene gewährten Fördermittel von der Kommission untersagt werden können, wenn sie den innergemeinschaftlichen Wettbewerb verzerren. Zur Umsetzung der Beihilfenaufsicht im Forschungsbereich hat die Kommission einen Gemeinschaftsrahmen erlassen, der Höchstgrenzen für die Förderintensität nationaler Forschungsprogramme festlegt, und zwar bis zu 50% bei Projekten der industriellen Grundlagenforschung und bis zu 25% bei Projekten der angewandten Forschung. Die Auslegung dieser Richtlinien sorgt immer wieder für Konflikte zwischen der Kommission und den nationalen Regierungen, wovon insbes. die deutsche Bundesregierung betroffen ist. - b) Seit dem Jahre 1985 wird die gemeinschaftliche Forschungs- und Technologiepolitik der EU ergänzt durch die Forschungsinitiative EUREKA (EURECA, European Research Coordinating Agency), an der 19 europäische Länder sowie die Kommission der EU beteiligt sind. Im Rahmen von EUREKA werden marktnahe Projekte der Hochtechnologie durchgeführt, an denen Unternehmen oder Forschungsinstitute aus mindestens zwei europäischen Ländern beteiligt sind. Eventuelle Fördermittel müssen bei den jeweiligen nationalen Regierungen beantragt werden; übergreifende Themenvorgaben oder Förderrichtlinien gibt es nicht. Die Koordinierung erfolgt durch jährlich stattfindende EUREKA-Ministerkonferenzen sowie durch das EUREKA-Sekretariat in Brüssel; das größte Einzelprogramm ist JESSI (Joint European Submicron Silicon), das mehr als 50 Projekte unter Beteiligung von sechs Ländern umfaßt und bei dem es um Fertigungsverfahren und Anwendungen von integrierten Schaltkreisen geht. Aus politischer Sicht kann EUREKA als Ausdruck der Unzufriedenheit der Mitgliedstaaten über die bürokratische Schwerfälligkeit der gemeinschaftlichen Technologiepolitik der Europäischen Union angesehen werden.
IV. Ausblick: Die Technologiepolitik rückt zunehmend in den Brennpunkt wirtschaftspolitischer Diskussionen. Die Regierungen vieler Länder stehen unter dem Eindruck, daß sich der globale Wettbewerb auf den Weltmärkten verschärft und daß die Wachstums- und Einkommenschancen von Ländern immer stärker von ihrer technologischen Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich abhängen. Der Technologiepolitik wird eine Schlüsselrolle zugerechnet bei der Schaffung der Grundlagen, die zur Behauptung im internationalen Wettbewerb nötig sind. Auf welche Art und Weise dies geschehen soll, ist allerdings stark umstritten. Auf der einen Seite wird betont, daß die entscheidenden Anstöße für viele Technologien, die das heutige Wirtschaftsleben prägen, immer wieder von staatlichen Forschungsinitiativen ausgegangen seien. Eine Gesellschaft, die im globalen Wettbewerb nicht zurückfallen wolle, müsse ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und dürfe die grundlegenden Weichenstellungen der technologischen Entwicklung nicht allein den Steuerungskräften des Marktes überlassen. Auf der anderen Seite wird darauf verwiesen, daß Kreativität und Flexibilität als wesentliche Ingredienzen eines erfolgreichen Innovationsprozesses bei allzu starker Einflußnahme des Staates auf die Wirtschaft eher verschüttet als animiert würden. Die Schaffung allgemeiner innovationsfördernder Rahmenbedingungen sei deshalb wichtiger als die direkte Einflußnahme auf die technologische Entwicklung selbst. Für eine eher zurückhaltende Politik bei der Einflußnahme auf die inhaltliche Ausgestaltung der geförderten Innovationsaktivitäten spricht, daß der Staat bei einer nach Technologiefeldern oder Branchen diskriminierenden Technologiepolitik vor einem Informationsproblem steht, das letztlich nicht zu lösen ist. Wenn beispielsweise Branchen, deren technologische Aktivitäten höhere positive Externalitäten verursachen als die anderer Branchen, in überdurchschnittlichem Maße gefördert werden sollen, dann müßten zunächst einmal die Externalitäten eindeutig identifiziert und quantifiziert werden. Diese Aufgabe dürfte in der Praxis kaum lösbar sein, da Externalitäten keine "Spuren" in den direkt beobachtbaren Marktergebnissen hinterlassen. Auch die Identifikation von Technologiefeldern, die trotz hoher Wachstumsperspektiven von der Privatwirtschaft vernachlässigt werden, würde ein Zukunftswissen voraussetzen, das in der staatlichen Forschungsbürokratie kaum vorhanden sein dürfte. Eine diskretionäre und selektive Technologiepolitik ist auch anfälliger für den Druck organisierter Interessengruppen, die Technologiepolitik eher als Instrument zur Förderung ihrer eigenen als der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt verstehen. Vor diesem Hintergrund ist die starke Orientierung der deutschen Technologiepolitik an der direkten Projektförderung eher kritisch zu sehen. - Vgl. auch Wachstumspolitik 2.


Literatur: Brockhoff, K., Forschung und Entwicklung. Planung und Kontrolle, 3. Auflage, München 1992; Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bundesbericht Forschung 1993, Bonn 1993; Klodt, H., Grundlagen der Forschungs- und Technologiepolitik, WiSo-Kurzlehrbücher, Reihe Volkswirtschaft, München 1995; Kommision der Europäischen Gemeinschaften, Forschungs- und Technologieförderung der EG, Luxemburg 1991; Meyer-Krahmer, F. (Hrsg.), Innovationsökonomie und Technologiepolitik. Forschungsansätze und politische Konsequenzen, Berlin, Heidelberg 1993; Stonemann, P., The Economic Analysis of Technology Policy, Oxford 1987; Tirole, J., The Theory of Industrial Organization, Cambridge/Mass. 1988, Kapitel 10.

 

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