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Industriepolitik
Industriepolitik Begriff: Industriepolitik ist die gezielte Beeinflussung der sektoralen Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft durch den Staat. Sie ist damit Teil der Strukturpolitik, zu der u. a. auch die Regionalpolitik, die Technologiepolitik, die Verkehrspolitik und die Energiepolitik gerechnet werden. - Abgrenzung: Zielobjekt der Industriepolitik sind stets Teilbereiche (in der Regel Branchen), nicht die Volkswirtschaft als Ganzes. Makroökonomische Politiken zählen nicht dazu, auch wenn sie mittelbar die Branchenstruktur beeinflussen mögen. Ebenfalls ausgeklammert bleibt die Ordnungspolitik, also beispielsweise die Wettbewerbspolitik, der gewerbliche Rechtsschutz oder die staatliche Regulierung bestimmter Wirtschaftszweige. Auch hier sind die Rückwirkungen auf die Branchenstruktur nur mittelbare Folge der wirtschaftspolitischen Eingriffe, nicht ihr erklärtes Ziel. Im Unterschied zu der heute üblichen Begriffsabgrenzung wurde im älteren deutschen Sprachgebrauch unter Industriepolitik diejenige Politik verstanden, die sich auf den industriellen Sektor richtet, im Unterschied etwa zur Handwerkspolitik oder zur Agrarpolitik. Gelegentlich wurde Industriepolitik auch mit Politik der Industrie gleichgesetzt, also mit der politischen Einflußnahme von Verbänden und anderen Interessengruppen der Wirtschaft. Mittlerweile hat sich die Interpretation des Begriffs Industriepolitik im Sinne des angelsächsischen "industrial policy" auch im deutschen Sprachgebrauch weitgehend durchgesetzt.
IIndustriepolitik Marktversagen als Ansatzpunkt der I.: Im Rahmen einer marktwirtschaftlich organisierten Ordnung bedarf es grundsätzlich der Begründung, wenn der Staat lenkend in die sektorale Wirtschaftsstruktur eingreifen will. Wo der Wettbewerb funktioniert und die relativen Güter- und Faktorpreise die tatsächlichen Knappheitsrelationen widerspiegeln, wird sich im Marktprozeß gleichsam automatisch diejenige Produktionsstruktur herausbilden, die für eine Volkswirtschaft als Ganzes am vorteilhaftesten ist. Werden in einer solchen Situation die Produktionskosten eines Sektors künstlich reduziert - etwa durch eine sektorspezifische Subvention -, werden zu viele Produktionsfaktoren in diesen Sektor gelenkt, die anderswo höhere gesamtwirtschaftliche Erträge hervorbringen könnten. - Begründbar sind industriepolitische Maßnahmen insbes. dann, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, daß der Markt für eine gesamtwirtschaftlich optimale Allokation der Ressourcen sorgt, wenn also Marktversagen vorliegt. 1. Produktion öffentlicher Güter: Marktversagen ist etwa dort zu erwarten, wo es um die Produktion öffentlicher Güter geht. Die klassische Optimierungsregel "Grenzkosten = Grenznutzen" versagt hier, da ein gesamtwirtschaftlich optimales Angebot an öffentlichen Gütern nur erreichbar ist, wenn der aufsummierte Grenznutzen aller potentiellen Nachfrager den Grenzkosten entspricht. Da es praktisch unmöglich ist, bei der Preisfestsetzung jeden einzelnen Nachfrager mit seinem individuellen Grenznutzen zu belasten, ist das unter marktwirtschaftlichen Bedingungen erstellte Angebot an öffentlichen Gütern in aller Regel gesamtwirtschaftlich suboptimal. - Beispiel: Industriepolitisch relevant ist das Marktversagen bei öffentlichen Gütern vor allem beim Wirtschaftsgut Information. Technisches Wissen oder das Fachwissen, das in einer elektronischen Datenbank gespeichert ist, wird nicht danach abgenutzt oder verringert, daß andere Wirtschaftssubjekte es nutzen (sog. Nichtrivalität in der Verwendung). Gleichwohl werden forschende Unternehmen oder Datenbankanbieter denjenigen Kunden, die nicht den geforderten Preis zahlen wollen, den Zugang zu den Informationen verwehren (sog. Ausschlußprinzip). Aus ökonomischer Sicht werden damit die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Informationen unzureichend genutzt; und es wird zu wenig investiert in die Entstehung neuen Wissens, da es dem privatwirtschaftlichen Investor nicht möglich ist, den vollen gesamtwirtschaftlichen Grenznutzen der bereitgestellten Informationen über den Marktpreis abzuschöpfen. Aus diesem Grunde kann es ein gesamtwirtschaftlich sinnvolles industriepolitisches Ziel sein, wissensintensive Industriezweige besonders zu fördern, um das Ausmaß des Marktversagens zu reduzieren. Auch die Schaffung der nötigen Infrastruktur zur effizienten Verbreitung von Informationen kann diesem Ziel dienen. - 2. Positive Externalitäten: Eine ähnliche Aufgabe hat die Industriepolitik in jenen Fällen, in denen privatwirtschaftliche Produktion positive Externalitäten verursacht, denn auch hier ist mit einem gesamtwirtschaftlich suboptimalen Investitionsvolumen zu rechnen. Relevant ist diese Art von Marktversagen wiederum vor allem bei forschungsintensiven Branchen, da das in einem Unternehmen gewonnene technische Wissen oftmals auch den Forschungsarbeiten anderer Unternehmen zugute kommt. Auch die unternehmensinterne Ausbildung von Fachkräften kann positive Externalitäten verursachen, wenn die Arbeitskräfte nach erfolgter Ausbildung den Arbeitgeber wechseln. Mit dem Externalitäten-Argument lassen sich also industriepolitische Maßnahmen zugunsten forschungsintensiver Industrien oder zugunsten von Industrien mit überdurchschnittlichen Ausbildungsleistungen begründen. - 3. Weitere Formen von Marktversagen können von Unvollkommenheiten auf dem Kapitalmarkt herrühren. Besonders riskante Investitionsprojekte oder Projekte kleinerer Unternehmen können bei Kreditrationierung oder anderen Formen des Kapitalmarktversagens an Liquiditätsengpässen scheitern, auch wenn sie gesamtwirtschaftlich rentabel wären. Mit diesem Argument läßt sich insbes. eine Förderung mittelständisch strukturierter Branchen oder von Unternehmensneugründungen begründen. - 4. Kritik: Fraglich ist allerdings, ob all diese Formen von Marktversagen tatsächlich industriepolitische Maßnahmen i. e. S. erfordern, d. h. auf einzelne Branchen oder Sektoren ausgerichtete Maßnahmen. Wenn es beispielsweise darum geht, forschungsintensive Industrien für die von ihnen verursachten positiven Externalitäten zu kompensieren, ließe sich dieses Ziel durch eine allgemeine, allen Branchen offenstehende Forschungsförderung möglicherweise sogar besser erfüllen als mit speziellen Förderprogrammen, die ausschließlich auf bestimmte Industrien zugeschnitten sind. Eine solche sektoral nicht diskriminierende Industriepolitik wird als horizontale Industriepolitik bezeichnet. Propagiert wird sie vor allem von der Kommission der EU, die verkündet hat, daß sie die mit den Maastrichter Verträgen (Art. 130) erlangten industriepolitischen Kompetenzen vor allem mit horizontalen Maßnahmen ausüben will. In der Praxis dominieren allerdings sowohl bei den nationalen als auch bei den Gemeinschaftssubventionen eindeutig die sektorspezifischen Maßnahmen (vgl. Abb. "Sektorspezifische und sektorübergreifende Subventionen in der deutschen Wirtschaft nach Subventionsgebern 1993").
IIIndustriepolitik Industriepolitische Konzeptionen: Im Streit um die angemessene industriepolitische Konzeption geht es im Kern um die Frage, ob der Staat korrigierend in den marktwirtschaftlichen Strukturwandel eingreifen soll oder ob seine Hauptaufgabe darin liegt, Hemmnisse im strukturellen Wandel abzubauen. 1. Die Vertreter einer vorausschauenden Strukturplanung weisen dem Staat die Aufgabe zu, den Strukturwandel so zu beeinflussen, daß zukunftsträchtige Branchen rascher wachsen können und strukturschwache Branchen dementsprechend schneller schrumpfen. So sei es möglich, das Wachstum einer Volkswirtschaft insgesamt zu erhöhen sowie mehr Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen. Schlagwortartig wird dieser Ansatz auch als positive Strukturanpassung oder als picking the winners bezeichnet. - 2. Vertreter einer ordnungspolitisch orientierten Industriepolitik wenden dagegen ein, daß eine erfolgreiche Strukturplanung nur möglich sei, wenn staatliche Instanzen bessere Informationen über die künftige Wirtschaftsentwicklung hätten als private Wirtschaftssubjekte. Sie verweisen darauf, daß die sektorale Produktionsstruktur im Rahmen einer Marktwirtschaft das Ergebnis zahlreicher dezentraler Entscheidungsprozesse ist, die sich an der Veränderung der relativen Güter- und Faktorpreise orientieren. Da das System der relativen Preise das effizienteste aller denkbaren Informationssysteme sei, würden staatliche Planungseingriffe zwangsläufig zu verzerrten Produktionsstrukturen und gesamtwirtschaftlichen Effizienzverlusten führen. Aus dieser Sicht ist es gar nicht möglich, die gesamtwirtschaftlich optimale Produktionsstruktur vom Staat vorzugeben, da die dazu nötigen Informationen nicht verfügbar seien. Die sektorale Struktur einer Volkswirtschaft sei "zwar das Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs" (Hayek). Der Industriepolitik komme demnach primär die Aufgabe zu, Hindernisse für den Strukturwandel aus dem Weg zu räumen, anstatt den Strukturwandel unmittelbar zu lenken. - 3. Vergleich der beiden Konzeptionen: Welche dieser beiden Grundkonzeptionen gesamtwirtschaftlich vorteilhafter ist, hängt aus theoretischer Sicht entscheidend davon ab, welche Rolle Pfadabhängigkeiten oder Hysterese-Effekten im Prozeß der wirtschaftlichen Entwicklung zukommt. Diese Effekte werden insbes. im Rahmen der neuen Wachstumstheorie analysiert. Wenn damit gerechnet werden kann, daß sich die sektorale Struktur einer Volkswirtschaft ohne größere Friktionen flexibel an die jeweiligen komparativen Vor- und Nachteile gegenüber anderen Volkswirtschaften anpaßt, führen staatliche Markteingriffe in die Sektorstruktur zwangsläufig zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten, da das Ausnutzen der international unterschiedlichen komparativen Kosten (vgl. komparative Vorteile) behindert wird. Wenn die Industriestruktur jedoch historische Beharrungstendenzen aufweist und nur unvollkommen auf Änderungen nationaler komparativer Vorteile reagiert, dann kann es gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein, den Strukturwandel gezielt in eine Richtung zu lenken, die ein besseres Ausnutzen heutiger oder künftiger komparativer Vorteile erlaubt. Die Frage nach dem "richtigen" industriepolitischen Konzept läßt sich damit nicht rein theoretisch lösen, sondern bedarf der empirischen Analyse der Determinanten des sektoralen Strukturwandels. a) Weitgehend unstrittig ist die empirische Beobachtung, daß die sektorale Produktionsstruktur von Ländern im Zeitablauf recht stabil ist. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, daß die Sektorstruktur durch Hystereseeffekte geprägt ist, denn die Persistenz von Sektorstrukturen könnte auch das Ergebnis einer Persistenz der jeweiligen komparativen Vor- und Nachteile sein. Entscheidend ist vielmehr, ob die historisch gewachsene sektorale Struktur eines Landes auch dann bestehenbleibt, wenn sie aufgrund eines veränderten volkswirtschaftlichen Umfeldes in Widerspruch gerät zu den komparativen Vorteilen des betreffenden Landes. Gegen die These einer derart verstandenen strukturellen Hysterese sprechen die ausgeprägten Schrumpfungsprozesse arbeitsintensiver Industrien in hochentwickelten Ländern, die sich in den vergangenen Jahrzehnten infolge der verschärften Weltmarktkonkurrenz aus Niedriglohnländern ergeben haben. Gleichwohl kann die Frage der Struktur-Hysterese nicht als eindeutig empirisch geklärt angesehen werden. Der Streit zwischen den Verfechtern einer ordnungspolitisch orientierten Industriepolitik und einer Politik der positiven Strukturanpassung wird also wohl auch künftig anhalten. - b) Die in den westlichen Industrieländern praktizierte Industriepolitik bewegt sich zwischen diesen beiden Polen. In den Grundsatzerklärungen der Regierungen wird zumeist die Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln als oberstes Ziel genannt, während in der Praxis immer wieder einzelne Branchen oder auch Unternehmen gezielt gefördert werden. Dabei geben rein ökonomische Argumente nur selten den Ausschlag; oftmals wird "politischen Zwängen" der Vorrang eingeräumt. Von allen Bereichen der Wirtschaftspolitik steht die Industriepolitik wohl am stärksten unter dem Druck von Interessengruppen.
IV. Bereiche der Industriepolitik im Überblick: Drei Typen von I.: Die wirtschaftspolitische Praxis wird i. d. R. nicht von in sich geschlossenen industriepolitischen Konzeptionen geprägt, sondern von einem Bündel mehr oder weniger koordinierter Maßnahmen mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Zuständigkeiten. Von der Intention des staatlichen Lenkungseingriffs her lassen sich drei Bereiche unterscheiden: (1) In bestimmten Wirtschaftszweigen soll ein Mindestmaß an inländischer Produktion aufrechterhalten werden. Dabei geht es zumeist um Aspekte der Versorgungssicherheit oder der militärischen Sicherheit (Strukturerhaltungspolitik). (2) Strukturelle Anpassungsprozesse sollen zeitlich gestreckt und in ihren sozialpolitischen Auswirkungen abgefedert werden. Auch hier stehen schrumpfende Branchen im Mittelpunkt, wobei es in erster Linie um den Erhalt bedrohter Arbeitsplätze geht (Strukturanpassungspolitik). (3) Zukunftsträchtige Produktionsbereiche sollen gestärkt werden. Hier geht es nicht um die Erhaltung strukturschwacher, sondern um die gezielte Unterstützung strukturstarker Branchen, deren Anteil an der Gesamtproduktion erhöht werden soll (Strategische Industriepolitik). - Die beiden erstgenannten Bereiche bilden den Kern der traditionellen I., während die strategische Industriepolitik erst in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen hat und dementsprechend auch als "neue Industriepolitik " bezeichnet wird.
V. Instrumente der I.: Da die Begriffsanalyse verschiedener Bereiche der Wirtschaftspolitik - so auch der Industriepolitik - prinzipiell von den jeweiligen Zielsetzungen ausgehen sollte, ist eine eindeutige Zuordnung von Politikinstrumenten zu Politikbereichen nicht immer möglich. Manche Instrumente, die für industriepolitische Ziele eingesetzt werden, dienen in gleicher oder ähnlicher Form auch den Zielen anderer Politikbereiche. Grundsätzlich setzen industriepolitische Instrumente jedoch entweder bei den Produktionsbedingungen für Unternehmen im Inland (Binnenprotektion) oder den Absatzbedingungen gegenüber Konkurrenten aus dem Ausland (Außenprotektion) an. 1. Instrumente der Binnenprotektion: Zentrales Instrument der Binnenprotektion sind Subventionen, die in vielfältigen Formen gewährt werden. a) Das quantitativ größte Gewicht haben die Finanzhilfen. Oftmals wird über die Gewährung der Finanzhilfen von Fall zu Fall entschieden, so daß der Staat mit diesem Instrument tief in die unternehmerischen Entscheidungsprozesse hineinwirken kann. - b) Das zweitwichtigste Instrument sind die Steuervergünstigungen. Unternehmen, die die gesetzlich genannten Bedingungen erfüllen, haben in der Regel einen Rechtsanspruch auf ihre Gewährung, so daß der Einfluß auf konkrete Unternehmensentscheidungen geringer ist als bei den Finanzhilfen. - c) Hilfen für strukturschwache Branchen werden auch in Form von Ausfallbürgschaften oder zinsgünstigen Krediten gewährt. Diese Instrumente werden vor allem dort eingesetzt, wo hohe Risiken oder niedriges Eigenkapital die Kreditaufnahme am privaten Kapitalmarkt erschweren. - d) Schwerer faßbar sind einige verdeckte Instrumente der Binnenprotektion, etwa die Bevorzugung inländischer Anbieter bei der öffentlichen Auftragsvergabe oder die Verquickung von kommerziellen und politischen Interessen bei staatseigenen Unternehmen. - 2. Bei der Außenprotektion, d. h. bei der Abschottung der inländischen Märkte vor ausländischer Konkurrenz, sind die Instrumente eher noch vielfältiger: - a) Das klassische Instrument ist der Einfuhrzoll, mit dem die Preise für Importprodukte so weit angehoben werden können, daß sie keine Konkurrenz für heimische Produkte mehr darstellen. Im Rahmen mehrerer internationaler Verhandlungsrunden im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) sind die allgemeinen Zölle jedoch weltweit derart gesenkt worden, daß sie als Handelshemmnis unter Industrieländern kaum noch eine Rolle spielen. Zunehmendes Gewicht haben allerdings Antidumpingzölle, die gezielt als Abwehrmaßnahme auf bestimmte Warenimporte aus einzelnen Ländern erhoben werden. Diese Ausnahmeregel wird verstärkt zur Umgehung allgemeiner Zollregeln mißbraucht. - b) Bei der Abschöpfung, wie sie in der europäischen Agrarpolitik verwendet wird, ist der Inlandspreis fest vorgegeben, und die Einfuhrabgabe wird als Differenz zum Weltmarktpreis berechnet. Dieser variable Zoll kann auch von besonders kostengünstigen Auslandsproduzenten nicht unterlaufen werden, da von ihnen eine entsprechend höhere Abschöpfungsabgabe erhoben wird. - c) Außerhalb des Agrarbereichs ist mittlerweile das Einfuhrkontingent zum wichtigsten Instrument der Außenprotektion aufgerückt. Dabei wird ausländischen Produzenten entweder eine feste Einfuhrmenge oder ein fester Anteil am gesamten Inlandsabsatz vorgegeben. Im Unterschied zum Zoll fließt hier die Differenz zwischen dem Inlandspreis und dem Weltmarktpreis nicht dem Staat des Importlandes zu, sondern entweder den Importeuren oder den ausländischen Produzenten. - d) Einfuhrkontingente sind nur eines unter vielen Instrumenten aus dem Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse. Daneben sind vor allem die "freiwilligen" Exportselbstbeschränkungen zu nennen, bei denen sich das Exportland in Absprache mit dem Importland verpflichtet, seine Lieferungen auf bestimmte Höchstmengen zu beschränken. Analog dazu werden mit "freiwilligen" Importausweitungsabkommen Mindestmengen für die Importe eines Landes aus einem anderen Land festgelegt. Schließlich können auch technische Normen und Standards dazu mißbraucht werden, heimischen Produzenten einen künstlichen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. - Bei der Vielzahl der industriepolitischen Instrumente ist es schwierig, ihr jeweiliges quantitatives Gewicht im einzelnen zu bewerten. Dafür ist es erforderlich, die verschiedenen Maßnahmen in einheitliche Subventionsäquivalenzen umzurechnen, wozu vereinfachende Annahmen über die Wirkungsweise der unterschiedlichen Instrumente nötig sind. Entsprechende quantitative Untersuchungen haben gezeigt, daß die Außenprotektion im Zeitablauf gegenüber der Binnenprotektion an Bedeutung verloren hat.
VIndustriepolitik Protektionsinzidenz: 1. Begriff: Die von der industriepolitischen Maßnahme unmittelbar betroffenen Wirtschaftssubjekte werden als Protektionsempfänger bezeichnet. Dieser Personenkreis muß nicht identisch sein mit dem Kreis derer, denen die Protektion zugute kommen soll, den Protektionsdestinataren. Wenn beispielsweise eine nationale Regierung allen Reedern einen Zuschuß zum Kauf von Schiffen aus inländischer Produktion gewährt, so sind die Empfänger dieser Subvention die Reeder, die Destinatare hingegen die inländischen Werften. Die Destinatare wiederum müssen nicht gleichbedeutend mit den tatsächlich Begünstigten sein, da sich die tatsächliche Protektionsinzidenz letztlich erst aus dem Zusammenspiel aller relevanten Marktkräfte ergibt (vgl. Inzidenz). Wenn es beispielsweise Lieferengpässe bei der Schiffselektronik gibt, wird die Reederbeihilfe auch den Elektronikproduzenten des In- und Auslandes in Form höherer Preise zugute kommen. - 2. Determinanten: Aufgrund der vielfältigen Interdependenzen zwischen den einzelnen Wirtschaftssubjekten ist es praktisch unmöglich, die Protektionsinzidenz industriepolitischer Maßnahmen in allen Einzelheiten zu erfassen. Ob eine bestimmte Branche beispielsweise vom Zollsystem begünstigt oder benachteiligt ist, hängt nicht nur davon ab, wie hoch der Nominalzoll für ihre Produkte ist. Zu berücksichtigen ist unter anderem auch, wie preiselastisch die Nachfrage reagiert, wie stark die Vorleistungen durch Zölle für andere Branchen verteuert sind und in welchem Ausmaß die Lieferverflechtungen zwischen den Branchen durch das Zollsystem verzerrt sind. Als Meßziffer der tasächlichen Inzidenz wird der Effektivzoll verwendet, der im Unterschied zum Nominalzoll auch negative Werte annehmen kann (Effektivschutz). - Werden in die Berechnungen auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse einbezogen, ergibt die Abweichung zwischen tatsächlicher Nettowertschöpfung und der Nettowertschöpfung bei Freihandel die effektive Außenprotektion (vgl. auch effektive Protektion). Analog dazu läßt sich für Subventionen und andere im Inland ansetzende Maßnahmen die effektive Binnenprotektion ermitteln. Zur empirischen Berechnung derartiger Maßzahlen sind stets vereinfachende Annahmen über die sektoralen Interdependenzen nötig.
VIIndustriepolitik Wirkungen industriepolitischer Maßnahmen: 1. Generell gilt, daß die Begünstigung einzelner Wirtschaftsbereiche stets eine (relative) Benachteiligung für alle anderen darstellt. Bei der Binnenprotektion sind es die höheren Staatsausgaben, mit denen die Subventionen finanziert werden und die letztlich in den nicht subventionierten Wirtschaftsbereichen erwirtschaftet werden müssen. Bei der Außenprotektion sind es die Rückwirkungen auf den Wechselkurs; denn die Reduzierung der Importe durch tarifäre oder nicht-tarifäre Maßnahmen wirkt einer Aufwertung der heimischen Währung vergleichbar und erschwert den Export. Darüber hinaus werden die Konsumenten bei Außenprotektion mit einem "excess burden" belastet, da sie ihre Kaufentscheidungen nicht mehr an den Weltmarktpreisen, sondern an den durch Protektion verzerrten Inlandspreisen ausrichten. - 2. Veranschaulichen lassen sich die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen sektorspezifischer Interventionen mit Hilfe eines einfachen Zwei-Sektoren-Modells, das im Schaubild "Wohlfahrtswirkungen industriepolitischer Aufnahmen" dargestellt ist. Dabei gibt die Transformationskurve T an, welche Kombination der Güter X und Y in einer Volkswirtschaft mit den vorhandenen nationalen Produktionsfaktoren hergestellt werden können. Die Gerade Pw gibt die relativen Weltmarktpreise für diese Güter an und stellt - bei ausgeglichener Handelsbilanz - zugleich die Budgetgerade für die heimische Wirtschaft dar. Ohne Subventionen werden der Produktionspunkt a sowie der Konsumpunkt b realisiert, und das inländische Wohlfahrtsniveau ist an der Indifferenzkurve I ablesbar. In dieser Situation wird das Inland Y-Güter exportieren und X-Güter importieren. - Wirkung einer Datenänderung: Wird nun aus industriepolitischen Motiven heraus die Produktion von X-Gütern subventioniert, so ist das aus Sicht der Produzenten gleichbedeutend mit einer relativen Verteuerung von X-Gütern und einer relativen Verbilligung von Y-Gütern. Die relativen Produzentenpreise werden also nicht mehr durch Pw, sondern durch Ps angegeben, so daß c als neuer Produktionspunkt gewählt wird. Für die inländischen Konsumenten gelten allerdings nach wie vor die relativen Weltmarktpreise (vereinfachende Annahme: kleines Land), so daß sie auf der neuen Budgetgerade P'w den Konsumpunkt d wählen werden. Die Industriepolitik hat zwar ihr Ziel, den Anteil der X-Produktion zu erhöhen, erreicht, aber die inländische Wohlfahrt ist gesunken, da das in c produzierte Güterbündel auf dem Weltmarkt niedrigere Erlöse einbringt als das Güterbündel in der Ausgangslage a und deshalb nur noch die Indifferenzkurve I' erreicht werden kann. Diese Darstellung macht deutlich, daß industriepolitische Maßnahmen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stets einer besonderen Begründung bedürfen, um die aus der Verzerrung der inländischen Produktionsstruktur resultierenden Wohlfahrtsverluste zu rechtfertigen. - 3. Ob die mit einer industriepolitischen Maßnahme verfolgten Ziele tatsächlich erreicht werden, hängt schließlich auch davon ab, wie hoch die internationale Mobilität der Produktionsfaktoren ist. Eine Beschränkung der Begünstigung auf inländische Produzenten läßt sich um so schwerer durchsetzen, je enger die Unternehmen weltweit miteinander verflochten sind. Mit dem Vordringen multinationaler Unternehmen wird die Wirksamkeit national ausgerichteter Industriepolitiken zunehmend fragwürdig, da sich kaum kontrollieren läßt, wo die vom Staat bereitgestellten Gelder letztlich eingesetzt werden.
VIIIndustriepolitik Kritik und Ausblick: In der Beurteilung industriepolitischer Maßnahmen klafft eine erhebliche Lücke zwischen Theorie und Praxis. Von der Wirtschaftswissenschaft ist immer wieder darauf verwiesen worden, daß industriepolitische Eingriffe des Staates nur selten theoretisch zu rechtfertigen sind und daß ein weltweiter Abbau der Binnen- und Außenprotektion letztlich die Wohlfahrt aller beteiligten Länder erhöhen würde. Trotz dieser Kritik hat das Ausmaß der industriepolitischen Interventionen im Zeitverlauf jedoch nicht abgenommen, sondern eher noch zugenommen. Vor diesem Hintergrund verfolgt die wirtschaftswissenschaftliche Forschung derzeit vor allem zwei Strategien: a) Im Rahmen der neueren Außenhandels- und Wachstumstheorie wird analysiert, inwieweit der Einsatz industriepolitischer Instrumente unter bestimmten Bedingungen doch wohlfahrtssteigernde Wirkungen haben könnte, zumindest für das intervenierende Land selbst. Dabei wird vor allem versucht, traditionelle Außenhandels- und Wachstumsmodelle durch die Einbeziehung industrieökonomischer Ansätze realitätsnäher zu gestalten. - b) Im Rahmen der Public-Choice-Theorie wird versucht, die Abweichungen zwischen ökonomischer Theorie und politischer Realität aus den Gesetzmäßigkeiten politischer und bürokratischer Entscheidungsprozesse heraus zu erklären. Ins Blickfeld geraten dabei auch die Auswirkungen der Industriepolitik auf die Entscheidungsprozesse innerhalb von Unternehmen. Wenn der Staat selektiv Protektion gewährt, kann es für die Unternehmen lohnend sein, einen Teil ihrer Ressourcen in gesamtwirtschaftlich unproduktive Verwendungsrichtungen zu investieren, um in den Kreis der Protektionierten hineinzugelangen (rent seeking).
Literatur: Bletschacher, G./Klodt, H., Strategische Handels- und Industriepolitik. Theoretische Grundlagen, Branchenanalysen und wettbewerbspolitische Implikationen, Kieler Studien, 244, Tübingen 1992; Hayek, F. A. von, Die Irrtümer des Konstruktivismus, Tübingen 1975; Helpman, E./Krugman, P. R., Trade Policy and Market Structure, Cambridge 1989; Jacquemin, A., The New Industrial Organization. Market Forces and Strategic Behavior, Oxford 1987; Klodt, H./Stehn J. et al., Standort Deutschland: Strukturelle Herausforderungen im neuen Europa, Kieler Studien, 265, Tübingen 1994; Meißner, W./Fassing, W., Wirtschaftsstruktur und Strukturpolitik, München 1989; Norton, R. D., Industrial Policy and American Renewal, Journal of Economic Literature, Vol. 24, 1986, S. 1-40.
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