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Ökonometrie

1. Charakterisierung: a) Begriff: Ö. bezeichnet eine Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften. Unter diesem Begriff werden heute sowohl theoretische Beiträge, d. h. Arbeiten aus dem Bereich der mathematischen Statistik und der ökonomischen Theorie, insbes. der mathematischen Wirtschaftstheorie, als auch empirische Analysen ökonomischer Phänomene unter Verwendung von Modellen aus der ökonomischen Theorie, von wirtschafts- und sozialstatistischen Daten und statistischen Methoden subsumiert. Die empirischen Analysen bilden jedoch den Schwerpunkt dieser Disziplin und haben auch historisch gesehen deren Entwicklung bestimmt. - b) Entwicklung: Von einer selbständigen Disziplin innerhalb der Wirtschaftswissenschaften wird allerdings erst seit der Gründung der Econometric Society am 29. 12. 1930 in Cleveland, Ohio, durch eine Gruppe namhafter Ökonomen gesprochen. Mit der Gründung dieser wissenschaftlichen Vereinigung wurden erstmals die bereits damals in großer Zahl vorliegenden Einzelergebnisse als Ansätze zur notwendigen, systematischen empirischen Analyse wirtschaflicher Vorgänge erkannt und damit der Anstoß zur Entwicklung geeigneter Methoden und Modelle gegeben. Historisch gesehen reichen die Ansätze zur bewußten empirischen Analyse ökonomischer Phänomene sicherlich weit zurück. - Als eigentliche Pioniere für ökonometrische Arbeiten im engeren Sinne gelten heute u. a. H. Moore (1914), H. Schultz (1928, 1938), P. H. Douglas (1928), C. W. Cobb (1928), R. Frisch (1934) und J. Tinbergen (1937, 1939). Aus der methodischen Kritik an diesen Arbeiten heraus, insbes. durch T. Haavelmo (1944) und H. Wold (1949), entwickelte sich der gebräuchliche Standardset an ökonometrischen Methoden, der heute zur Grundausbildung eines Wirtschaftswissenschaftlers gehört. - Die methodologische Kritik von J. M. Keynes (1939) an den ersten Versuchen zur numerischen Konkretisierung gesamtwirtschaftlicher Konjunkturmodelle durch J. Tinbergen hat im wesentlichen die immer noch aktuellen Diskussionen über die Grenzen und Möglichkeiten des Einsatzes ökonometrischer Modelle eröffnet. Die bereits damals vorgebrachten Argumente werden auch heute immer wieder benutzt, um Vorbehalte gegenüber dem ökonometrischen Modellbau und dem Einsatz ökonometrischer Modelle bei der Vorbereitung wirtschafts- und sozialpolitischer Entscheidungen anzubringen. - c) Bedeutung: Obwohl in der Vergangenheit, vor allem bis etwa zur Mitte der siebziger Jahre, teilweise an den praktischen Einsatz ökonometrischer Modelle Erwartungen geknüpft wurden, denen aus grundsätzlichen Überlegungen nicht entsprochen werden kann, hat die Ö. ständig an Bedeutung gewonnen. Stand zunächst die theoretische Analyse formaler Probleme im Vordergrund des Interesses, kam es mit der geradezu sprunghaften Entwicklung der Datenverarbeitungs- und Rechenkapazitäten sowie durch die allgemeine Verfügbarkeit entsprechender Hard- und Software zu zunehmend mehr Anwendungen ökonometrischer Methoden und Modelle in allen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften. - Dennoch muß auch heute noch zwischen rein methodisch orientierten Beiträgen und angewandter Ö. unterschieden werden. Überspitzt formuliert erfolgt die Entwicklung geeigneter Methoden teilweise gänzlich losgelöst von der Disziplin Ökonomie, während es bei der angewandten Ö. darum geht, Hypothesen aus der ökonomischen Theorie empirischen Gehalt zu verleihen. Die methodischen Beiträge der Ö. waren und sind deshalb vielfach auch beispielhaft für ganz andere Disziplinen, in denen es ebenfalls darum geht, theoretische Überlegungen anhand von Beobachtungsdaten empirisch zu überprüfen. - 2. Ökonometrische Modelle und Strukturen: a) Ökonometrische Modelle: (1) Begriff: Die zentrale Aufgabe der Ö. ist die numerische Konkretisierung ökonomischer Modelle. Ein ökonomisches Modell ist ein abstrahierendes und vereinfachendes Abbild ökonomischer Phänomene und ist immer eine mehr oder weniger gute Approximation des realen ökonomischen Geschehens. Die Konstruktion eines Modells ist dabei an den beabsichtigten Verwendungszweck gebunden. In der ökonomischen Theorie und in der Ö. wird für die Abbildung eine analytische Darstellung bevorzugt. - Bei einem ökonometrischen Modell ist zwischen variierenden und nichtvariierenden Charakteristika zu unterscheiden. Aus den variierenden Charakteristika des betrachteten und zu analysierenden ökonomischen Phänomens ergeben sich im Laufe des zum Modell führenden Abstraktionsprozesses die Variablen des resultierenden Modells. Alle anderen Modellelemente wie die Beziehungen zwischen den Variablen, die Annahmen über Parameter dieser Funktionalbeziehungen oder die Klassifikation der Variablen (endogene Variable, exogene Variable) bilden die nichtvariierenden Charakteristika. Die Klassifikation der Variablen ist eine von Fall zu Fall zu treffende Entscheidung und ein in der Regel meist nur pragmatisch zu lösendes Problem. (2) Modellbildung: Die Beziehungen zwischen den Variablen werden durch Relationen (Gleichungen, Ungleichungen) beschrieben, die unbekannte Parameter enthalten können. Die ökonomischen Modelle sind i. d. R. deterministisch formuliert, weil die Wirtschaftstheorie primär an der logischen Analyse ökonomischer Begriffsbildungen und Hypothesen interessiert ist. Oft ist es dabei nicht einmal notwendig, die Funktionalform und die Parameter der Relationen zwischen den Modellvariablen näher zu konkretisieren. Sobald jedoch ein Modell aus der ökonomischen Theorie auf seinen empirischen Gehalt überprüft werden soll, ist eine entsprechende Konkretisierung vorzunehmen, d. h. die Begriffsbildungen der theoretischen Analyse sind in operable wirtschaftstatistische Größen umzusetzen, die Funktionalformen und die Annahmen über die Parametervariation müssen festgelegt werden etc. (3) Probleme: Wird ein ökonomisches Modell mit Beobachtungsdaten konfrontiert, so zeigt es sich, daß - von definitorischen Beziehungen einmal abgesehen - die Modellrelationen, solange die Parameter als konstant angesehen werden, die Variation der Beobachtungswerte nicht vollständig erfassen können. - Mögliche Ursachen zur Erklärung dieser Diskrepanzen zwischen Empirie und Modell sind Beobachtungs- oder Meßfehler in den Daten, Spezifikationsmängel (Spezifikation) des verwendeten Modells oder eine gewisse Unbestimmtheit in den Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte. - Der gebräuchlichste Ansatz in der Ö. zur Lösung dieses Problems besteht nun darin, durch die Aufnahme nichtbeobachtbarer Zufallsvariablen in die Modellspezifikation diesen Diskrepanzen Rechnung zu tragen. Diese Zufallsvariablen sollen alle Einflußfaktoren repräsentieren, die ansonsten bei der gewählten Funktionalform bzw. durch eine Nichtberücksichtigung dieser Größen in der Liste der erklärenden Variablen unberücksichtigt blieben. Da diese Zufallsvariablen bei einer Konfrontation des Modells mit der Empirie die Abweichungen zwischen den durch das Modell beschriebenen Werten und den Beobachtungsdaten repräsentieren, werden sie auch als Störvariablen bezeichnet. Durch die Einführung dieser Störvariablen erhalten alle vom Modell zu erklärenden Variablen einen stochastischen Charakter. Diese Stochastisierung ist eine wesentliche Charakteristik ökonometrischer Modelle. Selbstverständlich lassen sich auch durch entsprechende Spezifikationen alternativ oder zusätzlich zu diesen Störvariablen stochastische Meß- oder Beobachtungsfehlern berücksichtigen. - b) Ökonometrische Strukturen: (1) Begriff: Um, ausgehend von einem abstrakten wirtschaftstheoretischen Modell, zu einem ökonometrischen Modell zu gelangen, müssen neben der numerischen Spezifikation der Parameter der Funktionalform auch die Verteilungsfunktionen dieser ins Modell aufgenommenen Zufallsvariablen konkretisiert werden. Im Falle einer parametrischen Verteilungsannahme erfolgt dies durch die numerische Festlegung der Parameter dieser Verteilungsfunktionen. Ein daraus resultierendes Modell beschreibt dann ein bestimmtes ökonomisches Geschehen und wird als ökonometrische Struktur bezeichnet. (2) Probleme: Die einem ökonometrischen Modell zugrundegelegte ökonomische Theorie impliziert für die einzelnen Komponenten der ökonometrischen Struktur gewisse Restriktionen. Diejenigen Strukturen, welche mit allen Annahmen des betrachteten ökonometrischen Modells verträglich sind, bilden die Menge der zulässigen Strukturen des Modells. Mit den Methoden der mathematischen Statistik muß dann versucht werden, in dieser Menge die ,wahre' Struktur möglichst genau zu lokalisieren. Eine solche Strukturbestimmung ist aber nur möglich, wenn unterschiedliche Strukturen auch unterschiedliche Verteilungen für die endogenen Modellvariablen implizieren. Dieses Identifikationsproblem von Strukturen ist von entscheidender Bedeutung für die Schätzung der Modellparameter und die Weiterverarbeitung geschätzter Strukturen. Mit der Schwierigkeit der Identifizierbarkeit von Strukturen müssen sich alle empirisch arbeitenden Wissenschaften auseinandersetzen. Das Phänomen 'Beobachtungsäquivalenz' erkannt und herausgearbeitet zu haben, ist jedoch eine der wissenschaftstheoretischen Leistungen der Ö. - 3. Formen und Typen ökonometrischer Modelle: Durch die Anzahl der Relationen, deren Funktionalform und durch spezifische Annahmen über den Charakter der Zufallsvariablen im Modell sowie durch strukturelle Besonderheiten und in Abhängigkeit von der verwendeten Datenbasis ergeben sich unterschiedliche Formen und Typen ökonometrischer Modelle, die in aller Regel auch spezifische, methodische Ansätze zur Strukturschätzung erfordern. a) Die einfachste Form eines ökonometrischen Modells ist das lineare Einzelgleichungsmodell, (Einzelgleichungsmodell) bei dem eine endogene Variable linear durch eine bestimmte Anzahl exogener Variablen erklärt wird. Die Diskrepanz zwischen Modell und Beobachtung wird dabei durch identisch verteilte und stochastisch unabhängige Zufallsvariablen erfaßt. Der Erwartungswert dieser als Störvariablen in die Modellspezifikation aufgenommenen Zufallsvariablen wird aufgrund der bei ihrer Einführung gemachten Überlegungen gleich Null gesetzt. Die Beobachtungswerte für die Modellvariablen können Zeitreihen- oder Querschnittsdaten (Daten) sein. In den meisten Anwendungsfällen werden Zeitreihendaten benutzt. Die unbekannten Koeffizienten werden in der Regel als beobachtungsinvariant vorausgesetzt. Unter der Annahme, daß das betrachtete Modell korrekt spezifiziert ist und die Daten frei von Meß- oder Beobachtungsfehler sind, ergibt die gewöhnliche Methode der kleinsten Quadrate für die unbekannten Koeffizienten der linearen Modellgleichung erwartungstreue und unter allen linearen Schätzfunktionen auch beste Schätzfunktionen. Zu den gleichen Schätzfunktionen für die Koeffizienten der Funktionalform führt unter diesen Annahmen die Maximum-Likelihood-Methode. Treffen nicht alle dieser gemachten Annahmen zu, ergeben sich je nach der jeweiligen Annahmenkonstellation spezifische Schätzprobleme. - b) Ist die Funktionalform des Modells nichtlinear, dann muß entweder ein für ein nichtlineares Modell geeignetes Schätzverfahren verwendet oder das nichtlineare Modell so transformiert werden, daß sich ein linearer Schätzansatz ergibt. Dabei ist aber darauf zu achten, ob und inwieweit die stochastischen Spezikationen der Störvariablen im Ausgangsmodell und im Schätzansatz miteinander kompatibel sind. - c) Tritt die endogene Variable bei einem auf Zeitreihendaten basierenden Modell verzögert unter den erklärenden Variablen auf, dann sind zwangsläufig nicht mehr alle erklärenden Variablen exogener Natur, und es ergibt sich ein dynamisches Modell (Lag-Modell). Eine eigene Klasse von Modellen bilden dabei solche dynamischen Modelle, bei denen die vom Modell zu erklärenden Variablen nur durch die verzögerten Werte der endogenen Variablen beschrieben werden. Es wird dann von sogenannten Zeitreihenmodellen gesprochen. Dabei werden die Zeitreihen der Beobachtungswerte für die Modellvariablen als Realisationen stationärer oder nicht-stationärer stochastischer Prozesse interpretiert (Stationarität). - Wird davon ausgegangen, daß die Beobachtungswerte für die Modellvariablen mit Meß- oder Beobachtungsfehlern behaftet sind, und wird für diese eine geeignete stochastische Spezifikation unterstellt, dann ergeben sich Modelle mit Fehlern in den Variablen. - d) Modelle, mit denen mehr als eine Variable zu erklären versucht wird, werden als Mehrgleichungsmodelle bezeichnet. (1) Überblick: Im einfachsten Fall ergibt sich ein lineares Gleichungssystem, bei dem wiederum die Diskrepanz zwischen Modell und Beobachtung durch Störvariablen ausgedrückt wird. Die vom Modell zu beschreibenden endogenen Variablen werden hier auch als gemeinsam abhängige Variablen bezeichnet. Die Entwicklung dieser gemeinsam abhängigen Variablen wird dann durch eben diese gemeinsam abhängigen Variablen, die modellexogenen und die verzögerten gemeinsam abhängigen Variablen sowie durch die nichtbeobachtbaren Störvariablen erklärt. Die exogenen und die verzögerten gemeinsam abhängigen Variablen werden unter dem Begriff vorherbestimmte Variablen zusammengefaßt. Das Gleichungssystem, bei dem die modellendogenen, d. h. die gemeinsam abhängigen Variablen als Funktion aller Modellvariablen dargestellt werden, wird als Strukturform eines ökonometrischen Mehrgleichungsmodells bezeichnet. Werden die gemeinsam abhängigen Variablen als Funktion der vorherbestimmten Variablen und der Störvariablen dargestellt, ergibt sich die sog. reduzierte Form eines ökonometrischen Modells. Eine reduzierte Form ist in der Regel nur bei einem vollständig linearen Modell explizit darstellbar. Die Beschreibung der gemeinsam abhängigen Variablen als Funktion der exogenen Variablen und der Störvariablen ergibt die finale Form eines ökonometrischen Modells. Bei den Relationen eines Mehrgleichungsmodells ist zwischen Definitionsgleichungen und den sogenannten Verhaltensgleichungen zu unterscheiden. Bei den Definitionsgleichungen sind alle Koeffizienten numerisch bekannt, und die Störvariablen sind identisch Null. In den Verhaltensgleichungen treten numerisch unbekannte Koeffizienten auf, deren Werte aufgrund der zur Verfügung stehenden Beobachtungswerte der Modellvariablen zu konkretisieren sind, und die Störvariablen genügen bestimmten Verteilungsannahmen. (2) Es gibt verschiedene Typen von Mehrgleichungsmodellen. Werden z. B. verschiedene endogene Variablen jeweils durch die gleichen exogenen Variablen bestimmt, dann ergeben sich durch die in der Varianz-Kovarianzmatrix der Störvariablen ausgedrückten Korrelationsbeziehungen über die Modellgleichungen hinweg stochastische Abhängigkeiten, die bei der Schätzung eines solchen Systems scheinbar unverbundener Einzelgleichungsmodelle zu berücksichtigen sind. Im allgemeinen treten bei Mehrgleichungsmodellen auch verzögerte gemeinsam abhängige Variablen als erkärende Variablen auf. Mehrgleichungsmodelle sind deshalb in der Regel dynamische Modelle. Lassen sich dabei die Verhaltens- und Definitionsgleichungen nicht so umordnen, daß sich für die Koeffizientenmatrix der gemeinsam abhängigen Variablen im Falle eines linearen Modells eine untere Dreiecksmatrix ergibt, dann handelt es sich um ein interdependentes Modell. Bei einem nichtlinearen Modell ist die entspechende Strukturuntersuchung mit der Besetzungsmatrix zu machen, d. h. einer Null-Eins-Matrix, die angibt, ob die zugehörige Variable in einer Modellgleichung auftritt oder nicht. Interdependente Modelle erfordern wegen der Korrelation zwischen den Störvariablen und den erklärenden Variablen spezielle Schätzmethoden. Gewöhnliche Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen (Schätzverfahren mit beschränkter Information 1.) für die unbekannten Strukturformkoeffizienten interdependenter Modelle sind verzerrt und nicht mehr konsistent. - Hat die Koeffizienten- bzw. die Besetzungsmatrix die Gestalt einer unteren Dreiecksmatrix, so liegt ein rekursives Modell vor. Rekursive Modelle sind schätztechnisch einfacher zu behandeln. - Die Lehrbuchdarstellungen und die meisten methodischen Arbeiten beschränken sich aus Gründen der expliziten Darstellbarkeit und der Einfachheit auf vollständig lineare Mehrgleichungsmodelle. In den Anwendungen sind jedoch praktisch alle Modelle durch das Auftreten nichtlinearer Definitionsgleichungen zumindest in den Variablen nichtlinear, z. B. durch die aus ökonomischen Überlegungen notwendige Deflationierung nominaler Größen etc. Die Nichtlinearität ist dann bei der Wahl geeigneter Schätzverfahren und bei der Verarbeitung geschätzter Strukturen zu berücksichtigen. - Gelegentlich werden ökonometrische Modelle nach der Grundzeitperiode der verwendeten Zeitreihendaten unterschieden, z. B. in Jahres- oder Vierteljahresmodelle. Bei der Verwendung unterjähriger Daten stellt sich meist auch noch das Problem der Erfassung saisonaler Effekte bzw. einer Saisonbereinigung der Beobachtungsdaten. - e) Makro- und Mikromodelle: Werden ökonometrische Modelle zur Analyse gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen oder aggegrierter makroökonomischer Teilmärkte (Aggregation) verwendet, handelt es sich um Makromodelle. Mikromodelle befassen sich mit der Analyse von Individualdaten. Makromodelle basieren meist auf Zeitreihendaten. Mikromodelle dagegen verwenden überwiegend Querschnittsdaten. Dieser Anwendungsbereich hat zur Konstruktion ganz spezifischer Methoden den Anstoß gegeben und wird heute als Mikroökonometrie bezeichnet. - 4. Ökonometrische Methoden: a) Begriff: Die Vielfalt ökonometrischer Methoden läßt sich, unabhängig davon, ob es sich um strukturelle Modelle oder Zeitreihenmodelle handelt, erstens in Methoden zur numerischen Konkretisierung der unbekannten Parameter des betrachteten Modells aufgrund der zur Verfügung stehenden Beobachtungsdaten, d. h. in Schätzmethoden, zweitens in Methoden zur Überprüfung der jeweils vorgenommenen stochastischen und ökonomischen Spezifikationen der Modelle, d. h. in Spezifikationsfehlertests, sowie drittens in Methoden zur Evaluation der geschätzten Modelle und deren Weiterverarbeitung unterteilen. - b) Bei den strukturellen Modellen dominieren rein zahlenmäßig die für Einzelgleichungsmodelle konzipierten Methoden. Unter den bereits oben genannten Voraussetzungen liefert die gewöhnliche Methode der kleinsten Quadrate beste lineare unverzerrte Schätzfunktionen für die unbekannten Koeffizienten eines linearen Einzelgleichungsmodells. - Sind diese Annahmen verletzt, verlieren die Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen ihre besonderen Eigenschaften. Eine Überprüfung der Spezifikationsannahmen ist daher unumgänglich. Bezüglich der stochastischen Spezifikation ist dabei vor allem zu untersuchen, ob die Störvariablen stochastisch unabhängig oder autokorreliert sind und ob die Annahme, daß alle Störvariablen die gleiche Varianz haben, zutrifft oder nicht. Im Falle autokorrelierter Störvariablen verlieren die Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen, wenn alle übrigen Annahmen noch zutreffen, zwar nicht die Eigenschaft der Erwartungstreue, aber die Varianzen der Schätzfunktionen werden verzerrt geschätzt. Damit sind auch alle Testfunktionen, z. B. die Signifikanztests, zur Überprüfung der Hypothese, ob ein bestimmter oder mehrere Koeffizienten von Null verschieden sind oder nicht, in die diese geschätzten Varianzen eingehen, verzerrt. Der gebräuchlichste Autokorrelationstest ist die Testfunktion nach Durbin und Watson (Durbin-Watson-Test). - Zu ähnlichen Problemen führt auch die Verletzung der Annahme, daß die Störvariablen alle die gleiche Varianz haben (Homoskedastizität). Für die unterschiedlichen Formen von Heteroskedastizität wurden entsprechende Heteroskedastizitätstests entwickelt. Alle diese Tests basieren jedoch auf Hypothesen bzgl. des Verteilungstyps der Störvariablen, wobei in der Regel von der Annahme einer Normalverteilung ausgegangen wird. - c) Liegen Informationen über die konkrete Varianz-Kovarianz-Matrix der Störvariablen vor, dann führen die sog. verallgemeinerten Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen wiederum zu besten linearen Schätzfunktionen für das lineare Einzelgleichungsmodell. Folgen z. B. die Störvariablen einem autoregressiven Prozeß erster Ordnung (AR(p)-Prozeß), dann enthält die Varianz-Kovarianz-Matrix neben der unbekannten Varianz der Störvariablen nur einen weiteren unbekannten Parameter. Ist dieser Autokorrelationskoeffizient bekannt, kann das ursprüngliche Modell mit den autokorrelierten Störvariablen so transformiert werden, daß die Anwendung der gewöhnlichen Methode der kleinsten Quadrate auf das transformierte Modell gerade diese verallgemeinerten Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen ergibt. - Ein solches autoregressives Schätzverfahren liefert streng genommen aber nur dann das gewünschte Ergebnis, wenn der Autokorrelationskoeffizient bekannt ist oder unverzerrt geschätzt werden kann. Für die Überprüfung der ökonomischen Spezifikation gibt es spezielle Spezifikationsfehlertests, mit denen z. B. untersucht werden kann, ob etwa eine erklärende Variable vergessen oder eine nichtzutreffende Funktionalform gewählt wurde. Die Überprüfung der Annahme beobachtungsinvarianter Parameter erfolgt im Rahmen der sogenannten Strukturbruchtests. - d) Methoden für dynamische Modelle: Tritt die mit einem Einzelgleichungsmodell zu erklärende Variable verzögert unter den erklärenden Variablen des Modells auf, verlieren die Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen die Eigenschaft der Erwartungstreue. - Die Kleinst-Quadrate-Schätzfunktionen sind aber konsistent, solange die Störvariablen nicht autokorreliert sind und die Zeitreihe der zu erklärenden Variablen die Realisation eines stationären stochastischen Prozesses ist. Da aber in diesem Fall die gebräuchliche Testfunktion nach Durbin und Watson verzerrt ist, bedarf es zur Überprüfung der Hypothese nichtautokorrelierter Störvariablen spezieller Tests, z. B. des sogenannten h-Tests nach Durbin (Durbins-h-Test). Ob die endogene Variable durch einen stationären Prozeß erzeugt wird, kann durch einen Einheitswurzeltest (Einheitswurzel) überprüft werden. Ergibt sich der Schätzansatz für ein dynamisches Modell durch eine Koyck-Transformation aus einer Modellspezifikation, bei der für die erklärende exogene Variable verteilte Lags unterstellt werden, dann sind die Störvariablen im zu schätzenden Modell autokorreliert. Eine solche Transformation wird häufig vorgeschlagen, um das mit der Verwendung verteilter Lags meist verbundene Multikollinearitätsproblem zu vermeiden. Multikollinearität ist in erster Linie ein numerisches Problem und kann trotz unveränderter stochastischer Eigenschaften der Schätzfunktionen zu nicht verwendbaren Schätzwerten führen. - e) Die Beschreibungsqualität eines Modells wird i. d. R. durch das Bestimmtheitsmaß oder das korrigierte Bestimmtheitsmaß ausgedrückt. Diese Maßzahl gibt an, wieviel von der Variation der Beobachtungswerte der endogenen Variablen durch das Modell erfaßt wird. - Es kann nun aber sein, daß das Bestimmtheitsmaß eine gute Beschreibung ausdrückt, obwohl der Erklärungsgehalt des Modells gering ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn die endogene Variable und die exogenen Variablen Realisationen von nicht-stationären stochastischen Prozessen in Form von random-walks sind. Auf dieses Problem von Scheinregressionen haben vor allem C. W. J. Granger und P. Newbold aufmerksam gemacht. Deshalb werden häufig Modelle anstatt in Niveauwerten in ersten Differenzen der Beobachtungswerte formuliert. Mit diesen Differenzenmodellen bleiben aber Informationen bzgl. der Niveaus unberücksichtigt. Sind jedoch alle Variablen des Modells vom gleichen Grade integriert und außerdem kointegriert, dann läßt sich ein sogenanntes Fehlerkorrekturmodell spezifizieren und schätzen, das sowohl die Dynamik des Differenzenmodells als auch die Niveauinformationen beinhaltet. - f) Spezielle Methoden wurden für Modelle mit qualitativ und begrenzt abhängigen Variablen sowie für Modelle zur Analyse von Verweildauern und Zähldaten entwickelt (Logit-Modell, Probit-Modell, Tobit-Modell). Diese Verfahren werden vor allem im Bereich mikroökonometrischer Untersuchungen verwendet. - g) Bei den Mehrgleichungsmodellen wird zwischen Schätzverfahren mit beschränkter und mit voller Information unterschieden (Schätzverfahren mit beschränkter Information, Schätzverfahren mit voller Information). (1) Beschränkte Information heißt, daß bei der Schätzung der unbekannten Strukturformkoeffizienten nur ein Teil der über die Spezifikation des Gesamtmodells bekannten Informationen verwendet wird. Für vollständig lineare Mehrgleichungsmodelle liefert die zweistufige Methode der kleinsten Quadrate konsistente Folgen von Schätzfunktionen für die Strukturformkoeffizienten. Voraussetzungen für diese Schätzmethode sind neben der Linearität des Modells die Identifizierbarkeit der Verhaltensgleichungen aufgrund des Abzählkriteriums (s. o.) und eine nicht unterdimensionierte Stichprobe, d. h. die Anzahl der vorherbestimmten Variablen darf die Anzahl der Beobachtungswerte für die einzelnen Modellvariablen nicht übersteigen. Das Maximum-Likelihood-Prinzip ergibt ebenfalls ein Schätzverfahren mit beschränkter Information für solche Modelle. (2) Zu den Schätzverfahren mit voller Information zählen z. B. die dreistufige Methode der kleinsten Quadrate und insbes. die Maximum-Likelihood-Methode bei voller Information. Dieses zuletzt genannte Schätzverfahren ist auch auf nichtlineare Modelle übertragbar. Die Anwendung der Maximum-Likelihood-Methode bei voller Information setzt jedoch voraus, daß die Anzahl der gemeinsam abhängigen Variablen des Modells nicht größer ist als die Anzahl der Beobachtungswerte für die Modellvariablen, die bei der Strukturschätzung verwendet werden. Ebenfalls zu den Verfahren mit voller Information zählen die Fixpunktmethoden, bei denen die Beschreibungsqualität und nicht die asymptotischen stochastischen Eigenschaften der Schätzfunktionen im Vordergrund stehen. Diese Schätzverfahren sind insbes. dadurch gerechtfertigt, daß der Nachweis der asymptotischen Eigenschaften der Schätzfunktionen eine korrekte Spezifikation und eine Identifikation der Modellstruktur voraussetzt. - h) Da die meisten Mehrgleichungsmodelle zumindest in den Variablen nichtlinear sind, kann die Prognoseform nicht explizit angegeben werden, und die Prognosewerte müssen durch ein geeignetes numerisches Verfahren ermittelt werden. Die Auswertung der Prognosequalität eines Modells - sei es für ex post Prognosen oder ex ante Prognosen - erfolgt durch eine Reihe von Maßzahlen (Prognoseprüfmaße) wie z. B. der mittlere quadratische Prognosefehler, der daraus abgeleitete Ungleichheitskoeffizient nach Theil etc. Bei der Beurteilung der ex ante Prognosequalität eines Modells ist zu untersuchen, welcher Teil der Prognosefehler auf Fehler in den Annahmen über die Entwicklung der exogenen Modellvariablen zurückgeht. Wird ein ökonometrisches Modell als Entscheidungsmodell verwendet, müssen für die als Instrumentvariablen vorgesehenen exogenen Variablen Werte bestimmt werden, die entweder die Zielvorgaben für bestimmte gemeinsam abhängige Variablen des Modells erfüllen oder eine spezifizierte Verlustfunktion minimieren. - i) Bei den sogenannten Zeitreihenmodellen wird i. d. R. auf die Verfahren aus der Zeitreihenanalyse zur Identifikation von ARIMA-Modellen (ARIMA(p,d,q)-Prozeß) und zur Schätzung deren Parameter zurückgegriffen. Für die Schätzung der Koeffizienten in uni- oder multivariaten autoregressiven Modellen, bei denen die Entwicklung der endogenen Variablen nur durch die zurückliegenden Werte dieser Variablen erklärt wird, stehen spezielle Verfahren zur Verfügung. Ein wichtiger Aspekt ist auch hier wieder die Überprüfung der Stationarität der die Beobachtungswerte erzeugenden stochastischen Prozesse. Kann der (ex post) Prognosefehler eines univariaten autoregressiven Modells durch die Hinzunahme der Vergangenheitswerte einer anderen Variablen als erklärende Variable reduziert werden, so wird diese hinzugefügte Variable als kausal für die zu erklärende Variable bezeichnet. Zu diesem Zweck wurden spezielle Kausalitätstests entwickelt. Diese Tests können auch dazu benutzt werden, um zu überprüfen, ob eine exogene Variable eines Modells wirklich als exogen betrachtet werden kann. - 5. Verwendung ökonometrischer Modelle in der Praxis: a) Allgemeine Verwendungsbereiche: Ökonometrische Modelle werden sowohl zur Überprüfung von Hypothesen der ökonomischen Theorie als auch zur Vorbereitung wirtschafts- und sozialpolitischer Entscheidungen benutzt. - b) Probleme: Die Eignung ökonometrischer Modelle zur Diskriminierung zwischen alternativen ökonomischen Hypothesen ist allerdings nicht unumstritten. Besonders problematisch ist es, den Einfluß von in ein Modell aufgenommenen Variablen, die zwar die Beschreibungsqualität verbessern, aber nicht zum eigentlichen Kern der zu überprüfenden Hypothese gehören, zu ermitteln. Eine ausreichende ex post Prognosefähigkeit und vor allem eine entsprechende ex ante Prognoseleistung garantieren noch keinen Erklärungsgehalt, sind aber notwendige Voraussetzungen für ein zumindest vorläufig empirisch bewährtes ökonomisches Modell. Deshalb gibt es heute praktisch kaum noch ökonomisch-theoretische Beiträge ohne den Versuch einer empirischen Untermauerung mit Hilfe eines entsprechenden ökonometrischen Modells. - c) Spezielle Anwendungsbereiche: (1) Prognosemodell: In der Praxis werden ökonometrische Modelle in der Entscheidungsvorbereitung vor allem als Prognosemodelle eingesetzt. Praktisch für alle Volkswirtschaften gibt es heute für Prognosezwecke verwendbare gesamtwirtschaftliche ökonometrische Modelle. Unter dem Aspekt der Prognosequalität sind heute ökonometrische Modelle alternativen Prognoseansätzen wie eklektische Verfahren oder Zeitreihenansätze durchaus gleichwertig. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß bei kurzfristigen Prognosen unter Umständen mehr Informationen vorliegen, als vom benutzten ökonometrischen Modell verarbeitet werden. In diesen Fällen müssen die Prognoseergebnisse des ökonometrischen Modells durch die Einbeziehung solcher modellexterner Informationen korrigiert werden. (2) Entscheidungsmodell: Bezüglich der Verwendung ökonometrischer Modelle als eigentliche Entscheidungsmodelle wird eingewandt, daß es nicht möglich sei, die Auswirkungen des Einsatzes wirtschaftspolitischer Instrumentvariablen zu analysieren, wenn die betroffenen Wirtschaftssubjekte nicht die entsprechenden Erfahrungen gemacht haben. Die wirtschaftlichen Akteure werden sich in ihrem Verhalten auf die neue Situation einstellen, und das aufgrund der Beobachtungsdaten spezifizierte und geschätzte Modell sei nicht in der Lage, diese veränderte Konstellation zu erfassen (Lucas-Kritik). Diese Kritik trifft aber nur dann wirklich zu, wenn die angenommenen Werte für die Instrumentvariablen außerhalb des Wertebereichs der Beobachtungen liegen. Ein anderes Problem ist die zwangsläufig unvollständige Spezifikation von ökonometrischen Modellen. - d) Empirie: Die Verfügbarkeit leistungsfähiger Rechenanlagen und die Fortschritte auf dem Gebiet der Softwareentwicklung haben die Konstruktion und die Einsatzmöglichkeiten ökonometrischer Modelle sowie den Ausbau des ökonometrischen Methodenarsenals in den letzten Jahren in hohem Maße begünstigt. Eine Vielzahl von anwendungsorientierten Softwaresystemen für die Arbeit an und mit ökonometrischen Modellen steht heute zur Verfügung. Die Ö. ist nicht zuletzt dadurch zu einem festen Bestandteil der Ausbildung von Wirtschaftswissenschaftlern geworden. Dies schlägt sich zunehmend in der wissenschaftlichen Arbeit, aber auch im Umgang mit den Fragestellungen und Problemen in der Wirtschaftspraxis nieder.
Literatur: Amemiya, T., Advanced Econometrics, Oxford 1985; Bamberg, G., Schittko, U., Einführung in die Ökonometrie, Stuttgart 1979; Bergström, R., Wold, H., Fix-Point Estimation in the Theory and Practice, Göttingen 1983; Chow, G. C., Econometrics, 3rd ed., New York 1983; Cramer, J. S., Econometric Applications of Maximum Likelihood Methods, Cambridge 1986; Dhrymes, P. J., Distributed Lags: Problems of Estimation and Formulation, San Francisco 1971; Greene, W. H., Econometric Analysis, 2nd ed., New York 1993; Griliches, Z., Intriligator, M. D. (Hrsg.), Handbook of Econometrics, 3 Bände, Amsterdam 1983, 1984 und 1986; Hamilton, J. D., Time Series Analysis, Princeton 1994; Hübler, O., Ökonometrie, Stuttgart - New York 1989; Judge, G. G., Hill, R. C., Griffiths, W. E., Lütkepohl, H., und Lee, T. C., Introduction to the Theory and Practice of Econometrics, 2nd ed. New York 1988; Pindyck, R. S., Rubinfeld, D., Econometric Models and Economic Forecasts 3rd ed. New York, 1991; Schips, B., Empirische Wirtschaftsforschung, Methoden, Probleme und Praxisbeispiele, Wiesbaden 1990; Stewart, J., Econometrics, New York - London 1991.

 

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