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offene Handelsgesellschaft (OHG)
I. Begriff: Die OHG ist eine Personengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und deren Gesellschafter den Gläubigern unmittelbar und unbeschränkt mit ihrem vollen Vermögen (Privat- und Gesellschaftsvermögen) für die Gesellschaftsschulden haften; angesehenste und am weitesten verbreitete Rechtsform einer Handelsgesellschaft. - Rechtsgrundlage: §§ 105-160 HGB; ergänzend gelten die §§ 705 ff. BGB über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. - Rechtsstellung: Die OHG ist eine (teil-) rechtsfähige Gesellschaft, die nach Organisation und Rechtszuständigkeit als Gemeinschaft zur gesamten Hand ausgestaltet ist; keine juristische Person. Sie hat aber gegenüber ihren Gesellschaftern eine gewisse Verselbständigung und kann im Rechtsverkehr unter ihrer Firma als geschlossene Einheit auftreten, d. h. sie kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden (Parteifähigkeit; § 124 HGB). § 31 BGB über die Haftung des Vereins für unerlaubte Handlungen seiner Organe findet entsprechende Anwendung.
II. Errichtung: 1. Durch Gesellschaftsvertrag erfolgend. - 2. Ob darüber hinaus zur Entstehung auch die Eintragung in dem Handelsregister erforderlich ist, richtet sich nach der Art des Handelsgewerbes; gehört es zu den Grundhandelsgeschäften, so entsteht die OHG bereits mit dem Geschäftsbeginn. - 3. Unabhängig davon ist die Gesellschaft aber stets bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung ist von allen Gesellschaftern zu bewirken. Sie hat zu enthalten: a) Namen, Vornamen, Stand und Wohnung jedes Gesellschafters; b) Firma und Sitz der Gesellschaft; c) Zeitpunkt, mit welchem die Gesellschaft begonnen hat. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter haben die Firma nebst ihrer Namensunterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. In gleicher Weise sind später alle die Firma, den Sitz oder die Gesellschafter betreffenden Änderungen anzumelden (§§ 106-108 HGB). - 4. Ein gesellschaftlicher Zusammenschluß von Kleingewerbetreibenden begründet keine OHG, sondern eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. - 5. Das Innenverhältnis der Gesellschafter bestimmt sich weitgehend nach dem Gesellschaftsvertrag, der Höhe und Art der Gesellschaftsbeiträge, Dauer, Kündigungsfristen, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Berechnung des Abfindungsguthabens eines ausscheidenden Gesellschafters etc. zu regeln pflegt. Mangels besonderer Abrede gelten die gesetzlichen Vorschriften. - Auch juristische Personen können Gesellschafter der OHG sein. - 6. Die Gesellschaftsanteile sind i. a. nicht übertragbar. - 7. Jeder Gesellschafter ist Kaufmann.
III. Gesellschaftsanteil: Anteil eines Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen. - 1. Der Gesellschaftsanteil beteiligt den Gesellschafter an jedem Gegenstand unmittelbar mit, ist jedoch für den einzelnen Gegenstand nicht übertragbar (§§ 105 II HGB, 719 BGB) und auch nicht pfändbar (§ 859 ZPO). Eine Übertragung der Anteile an den einzelnen Gegenständen widerspräche dem Grundsatz der Gesamthandsbindung der OHG. - 2. Für den Anteil als Ganzes kann der Gesellschaftsvertrag Abweichendes bestimmen, z. B. die Übertragungsmöglichkeit mit oder ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter. - Zwangsvollstreckung in den Gesellschaftsanteil durch einen Privatgläubiger ist zulässig (§ 859 ZPO); sie erfolgt durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Drittschuldner sind die geschäftsführenden Gesellschafter.
IV. Firmenbezeichnung: Die Firma der OHG hat den Namen (mit oder ohne Vornamen) wenigstens eines Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Firmenzusatz oder die Namen aller Gesellschafter zu enthalten; die Namen anderer Personen, z. B. stiller Gesellschafter, dürfen nicht aufgenommen werden (§ 19 HGB). Ausnahme vom Grundsatz der Firmenwahrheit u. U. bei Firmenfortführung. Ist kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so muß die Firma eine Bezeichnung erhalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.
V. Geschäftsführung/Vertretung: 1. Geschäftsführung: Obliegt allen Gesellschaftern, und zwar als Einzelgeschäftsführung. Der Gesellschaftsvertag kann abweichende Regelung vorsehen, z. B. Gesamtgeschäftsführung anordnen oder einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung ausschließen. - 2. Zur Vertretung der Gesellschaft nach außen ist jeder Gesellschafter allein berechtigt. Ausschluß der Befugnis oder Anordnung von Gesamtvertretung im Gesellschaftsvertrag ist möglich. Derartige Beschränkungen müssen im Handelsregister eingetragen werden. Die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung kann einem Gesellschafter bei wichtigem Grund, insbes. grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung, auf Antrag (Klage) der übrigen Gesellschafter durch gerichtliche Entscheidung entzogen werden. - Das den Gesellschaftern obliegende gesetzliche Wettbewerbsverbot gilt auch für die von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter.
VI. Stimmrecht: Stimmrecht der Gesellschafter wird in wichtigen Angelegenheiten ausgeübt. Gesellschafterbeschlüsse bedürfen der Zustimmung aller zur Mitwirkung bei der Beschlußfassung berufenen Gesellschafter. Soll nach dem Gesellschaftsvertrag Stimmenmehrheit bei der Abstimmung entscheiden, wird mangels anderer Abrede die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter berechnet.
VII. Bilanz und Kontrollrecht: 1. Aufstellung der Bilanz: Obliegt jährlich den geschäftsführenden Gesellschaftern; festgestellt wird sie von allen Gesellschaftern, von diesen ist sie auch zu unterzeichnen. Der Gesellschaftsvertrag kann Feststellung des Jahresabschlusses durch Gesellschaftsversammlung (Stimmenmehrheit) und auch Prüfung durch Buch- oder Wirtschaftsprüfer etc. vorschreiben. - 2. Kontrollrecht der Gesellschafter: Jeder Gesellschafter kann, auch wenn er von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, die Handelsbücher und die Papiere der Gesellschaft einsehen und sich aus ihnen ggf. unter Beiziehung eines Sachverständigen, einen Jahresabschluß anfertigen; entgegenstehender vertraglicher Ausschluß des Rechts ist wirkungslos, wenn Grund zur Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht (§ 118 HGB).
VIII. Gewinn und Verlust: 1. Gesetzlich gebührt jedem Gesellschafter ein Vorzugsgewinnanteil in Höhe von 4% seines Kapitalanteils. Dabei werden im Laufe des Geschäftsjahres gemachte Einlagen und/oder Entnahmen nach dem Verhältnis der seitdem abgelaufenen Zeit berücksichtigt. Der 4% der Kapitalanteile übersteigende Gewinn wird nach Köpfen verteilt. Kopfteilung gilt auch für Verluste (§ 121 HGB). Vgl. auch Gewinn- und Verlustbeteiligung; steuerlich: Gewinnfeststellung. Gewinn und Verlust werden dem Kapitalanteil des Gesellschafters gut- bzw. abgeschrieben (§ 120 HGB). - 2. Zumeist eingehende abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag, z. B. Vorwegnahme eines Tätigkeitsentgelts, Geschäftsführergehalts, Ansatz von Aufwendungen oder festen prozentualen Gewinnanteilen je nach der Mitverantwortung oder beides kombiniert. Häufig erfolgt die Gewinngutschrift auf Sonderkonto, damit die Kapitalkonten unverändert bleiben. - 3. Entnahmen: Jeder Gesellschafter kann aus der Gesellschaftskasse Geld bis zu 4% seines für das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteils entnehmen und, soweit es nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht, auch die Auszahlung seines diesen Betrag übersteigenden Gewinnanteils des letzten Jahres verlangen (§ 122 HGB). Häufig vertraglich vereinbart: monatliche Entnahme ohne Rücksicht auf das letzte Jahresergebnis, jedoch nach oben begrenzt und unter Beachtung der steuerlichen Verpflichtungen der einzelnen Gesellschafter. - Vgl. auch Entnahmen.
IX. Zwangsvollstreckung: Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen bedarf es eines Titels gegen die OHG, die als solche Partei- und Prozeßfähigkeit besitzt (§ 124 HGB). Soll in das Privatvermögen einzelner Gesellschafter vollstreckt werden, bedarf es eines Titels gegen diese. - Vgl. auch oben III und Schuldenhaftung.
X. Besonderheiten: Über Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft, Ausscheiden eines Gesellschafters, Ausschließung und Übernahmerecht eines Gesellschafters vgl. dort. - Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß im Falle des Todes eines Gesellschafters die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt werden soll, kann jeder Erbe verlangen, daß ihm unter Belassung des bisherigen Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt und der auf ihn entfallende Teil der Einlagen des Erblassers als Kommanditeinlage anerkannt wird. Sind die anderen Gesellschafter nicht einverstanden, kann der betreffende Erbe fristlos sein Ausscheiden aus der Gesellschaft erklären. Das dem Erben eingeräumte Wahlrecht kann nur binnen 3 Monaten seit Kenntnis von dem Anfall der Erbschaft ausgeübt werden. Wird die Gesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst oder scheidet der Erbe aus, trifft ihn nur die bürgerlich-rechtliche Erbenhaftung (§ 139 HGB). Anderenfalls haftet er, wie auch sonst bei Firmenfortführung, als OHG-Gesellschafter bzw. Kommanditist.
XI. Steuerliche Behandlung: 1. Die OHG entsteht mit Geschäftsbeginn. - 2. Die OHG ist steuerlich als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren, die einzelnen Gesellschafter sind Mitunternehmer. Die Gesellschaft selbst ist nicht einkommensteuerpflichtig. Der Gewinn der Gesellschaft wird einheitlich und gesondert festgestellt und unterliegt der Einkommensteuer bei den Gesellschaftern.
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