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Theorie des Geldangebots
I. Geld und Kredit: a) Gegenstand: Die Theorie des Geldangebots d. G. ist darauf gerichtet zu erklären, wie das Niveau der Geldmenge im interdependenten Zusammenspiel von Finanzaktivamärkten bestimmt ist, und welchen Einfluß geldpolitische Instrumente auf die Entwicklung der Geldmenge haben. - b) Unterscheidung: (1) Im Unterschied zum früheren Warengeld handelt es sich beim modernen Geld um finanzielle Verbindlichkeiten der geldschaffenden Zentralbanken und Kreditinstitute in den Erscheinungsformen von Banknoten und Bankeinlagen (Geld). Während das einzelne Wirtschaftssubjekt Bankeinlagen, Banknoten und auch Münzen im Austausch gegen Güter, Dienstleistungen oder andere Finanzaktiva erhalten kann, werden gesamtwirtschaftlich betrachtet Banknoten und Einlagen nur im Austausch gegen andere Finanzaktiva, wie Anleihen, aufgenommene Kredite oder Aktien, bereitgestellt. Deshalb spricht man auch von Kreditgeld. (2) Lediglich bei den Münzen handelt es sich nicht um Kreditgeld. In allen Staaten liegt das Münzregal nicht bei den Zentralbanken, sondern bei den Regierungen. Die Münzemission dient der monetären Finanzierung des Staatshaushalts und damit dem Bezug von Gütern und Dienstleistungen von Unternehmen und privaten Haushalten. - c) Zusammenhang: Jede Emission oder Schöpfung von Geld verändert nicht nur die umlaufende Geldmenge, sondern zugleich das Bestandsangebot an Bankkrediten in verbriefter und unverbriefter Form sowie die entsprechenden Preise dieser Finanzaktiva. Die Analyse des Geldangebotsprozesses muß daher diesen Gesamtzusammenhang berücksichtigen.
II. Basisgeldschöpfung der Zentralbank: a) Zentralbankgeld-/ Basisgeld: Der Staat besitzt das Geldschöpfungsmonopol, dessen Ausübung der Zentralbank übertragen ist. Zentralbanken emittieren Zentralbank- oder Basisgeld in Form von Münzen, Noten und Einlagen. Die im Unterschied zur Praxis in der Geldtheorie übliche Bezeichnung Basisgeld deutet an, daß diese Art von Geld die Basis für den Geld- und Kreditschöpfungsprozeß der Geschäftsbanken bildet und die gesamtwirtschaftliche Verfügbarkeit dieser Art von Geld den Geldschöpfungsprozeß der Geschäftsbanken wirksam begrenzt. - b) Basisgeldschöpfung: Aus der um den Münzumlauf ergänzten Bilanz der Zentralbank ist zu ersehen, durch welche Finanztransaktionen Basisgeld geschaffen wird:
Auf der rechten Seite der vereinfachten Bilanzgleichung sind die Verbindlichkeiten ausgewiesen: Die Bargeldhaltung von Haushalten und Unternehmen C, die Reservehaltung der Geschäftsbanken in Form von Bargeld und Sichteinlagen bei der Zentralbank R sowie die Verbindlichkeiten aus verkauften Offenmarktpapieren OM. Auf der linken Seite der Bilanzgleichung sind die Aktiva oder Forderungen der Zentralbank aufgeführt: die internationalen Netto-Währungsreserven WR, die an Geschäftsbanken vergebenen Refinanzierungskredite RKB (Refinanzierungspolitik) sowie der Bestand an Anleihen der öffentlichen Hand AÖ. Die emittierte Zentralbankgeldmenge oder Geldbasis B umfaßt die Bargeldhaltung des Publikums C und die Reservehaltung der Geschäftsbanken R:
Einsetzen dieser Definition in die Bilanzgleichung ergibt die Darstellung der Geldbasis von ihrer Entstehungsseite:
Die Gleichung zeigt, daß die Basisgeldmenge steigt, wenn die Zentralbank zugunsten ausländischer Währungen interveniert, also zusätzliche Netto-Währungsreserven erwirbt, die Kreditvergabe an Geschäftsbanken erhöht, den Bestand an öffentlichen Anleihen vergrößert oder abgesetzte Offenmarkttitel zurücknimmt. - c) Erläuterung: Eine Zunahme der Geldbasis wirkt im allgemeinen expansiv in dem Sinne, daß den Geschäftsbanken mehr Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Allerdings kann eine Zunahme der Geldbasis auch kontraktiv wirken, wenn sie auf einer von der Zentralbank verfügten Erhöhung des Mindestreservesatzes auf Einlagen des Publikums bei den Geschäftsbanken beruht. Im allgemeinen Fall, bei unverändertem Mindestreservesatz, ermöglicht jede Aufstockung ihrer Reservehaltung es den Banken, ihrerseits zusätzliche Geld- und Kreditschöpfung zu betreiben. Die zugrunde liegenden Geldschöpfungsmöglichkeiten der Zentralbank sind im Prinzip unbeschränkt, sofern die unvermeidlichen makroökonomischen Folgen der Inflation und Währungsabwertung in Kauf genommen werden.
III. Multiple Einlagen- und Kreditschöpfung der Geschäftsbanken: a) Begriff: Multiple Einlagen- und Kreditschöpfung bedeutet, daß das Geschäftsbankensystem einen Zufluß an Basisgeld in eine um ein Vielfaches größere Zunahme der Bestände an Nichtbankeneinlagen und Kredite an Nichtbanken verwandeln kann. - b) Der Grundzusammenhang zwischen der Schöpfung von Einlagen und von Krediten durch Geschäftsbanken läßt sich beispielhaft wie folgt darstellen: Es gebe zwei Banken, die beide 10 % ihrer Nichtbankeneinlagen als Reserven halten, um der Mindestreservepflicht zu genügen und etwaigen Barabhebungen nachkommen zu können. Erhält Bank A von einem Kunden Basisgeld in Höhe von 100 Einheiten im Austausch gegen eine Einlage, so wird sie 10 Einheiten der Reserve zuweisen und die überschüssigen 90 Einheiten als Kredit an einen anderen Kunden ausleihen. Dieser zweite Kunde nutze den Kredit, um ein Lexikon zu erwerben, das er per Überweisung auf das Sichtkonto des Buchhändlers bei Bank B bezahle. Bank B schreibt Einlagen in Höhe von 90 Einheiten gut, weist 9 Einheiten ihrer Reserve zu und kann die verbleibende Überschußreserve von 81 Einheiten zur Vergabe von Krediten nutzen. Bei beiden Banken zusammen genommen sind aus der anfänglichen Einzahlung von 100 Einheiten Basisgeld bis zu diesem Punkt Nichtbankeneinlagen in Höhe von 190 und Kredite in Höhe von 90 Einheiten entstanden. Die Reserven sind um 19 Einheiten aufgestockt worden, und es sind noch 81 Einheiten Basisgeld für weitere Runden der Einlagen- und Kreditschöpfung verfügbar. Denkt man den Prozeß zu Ende, so lassen sich bei dem Reservesatz von 10% aus einem Basisgeldzugang von 100 Einheiten insgesamt Einlagen in Höhe von 1.000 und Kredite in Höhe von 900 Einheiten schöpfen. - c) Beurteilung: Allerdings handelt es sich bei der Beschreibung des Grundzusammenhangs der multiplen Einlagen- und Kreditschöpfung um eine relativ mechanische Betrachtung, die wichtige Aspekte ausläßt. So geht eine zusätzliche Einlagenschaffung mit einer Ausweitung der privaten Bargeldnachfrage einher, so daß die tatsächliche Einlagen- und Kreditschöpfung geringer ausfällt.
IV. Entwicklung der Geldmenge im Bilanzzusammenhang: a) Konsolidierte Bilanz: Jede Geldmenge enthält, unabhängig von ihrer Abgrenzung im einzelnen, Einlagen, die die Geschäftsbanken geschaffen haben, und mit der Bargeldhaltung Basisgeld, das die Zentralbank geschaffen hat. Die Geldmenge läßt sich daher durch Zusammenführen der Bilanzen der Zentralbank und des aggregierten Geschäftsbankensystems bestimmen. In der aggregierten Bilanz des Geschäftsbankensystems kürzen sich Interbankaktiva und -passiva heraus. Sehr vereinfacht läßt sich die Bilanzgleichung schreiben:
Zu den Aktiva der Banken rechnen (1) die Reserven R an Basisgeld, (2) die von der Zentralbank erworbenen Offenmarktpapiere OM, (3) die ausstehenden Kredite an inländische Nichtbanken (einschließlich Wertpapieren) KN und die (4) Netto-Auslandsaktiva NA. Bankpassiva sind (1) kürzerfristige Einlagen inländischer Nichtbanken, zu denen hier die Sichteinlagen D und, zusammengefaßt in T, die Termineinlagen bis unter 4 Jahre sowie die Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist gerechnet seien, (2) nicht mindestreservepflichtige, längerfristige Termin- und Spareinlagen LTS, die in der Praxis als Geldkapital bezeichnet werden, (3) bei der Zentralbank aufgenommene Refinanzierungskredite RKB (Refinanzierungspolitik). Wird zu dieser Bilanzgleichung die oben aufgeführte Bilanzgleichung der Zentralbank hinzuaddiert, ergibt sich die konsolidierte Bilanz des Gesamtbankensystems:
Konsolidierung der Bilanzen bedeutet, daß sich gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten herauskürzen. Deshalb entfallen die Bilanzpositionen der Reserven R, der Offenmarktpapiere OM und der Refinanzierungskredite RKB. - b) Die Entwicklung der Geldmenge im Bilanzzusammenhang läßt sich dann wie folgt bestimmen. Betrachtet sei die Geldmenge M3:
Sie ist definiert als die Summe von Bargeldhaltung der Nichtbanken C, Sichteinlagen D und kürzerfristige Termin- und Spareinlagen Theorie des Geldangebots Wird diese Definition in die Gleichung der konsolidierten Bilanz eingesetzt und dann nach M3 gelöst, so läßt sich in Form absoluter Veränderungen schreiben:
Diese bilanzielle Darstellung wird von Zentralbanken, so auch von der Deutschen Bundesbank, benutzt, um die kürzerfristige Entwicklung der Geldmenge M3 zu erklären: Zunehmende Kreditgewährung an inländische Nichtbanken (1. Term), Erwerb von Netto-Auslandsforderungen (2. Term) und abnehmende Geldkapitalbildung (letzter Term) bewirken eine Zunahme der Geldmenge M3. - c) Ein Problem der Analyse der Geldmenge im Bilanzzusammenhang bildet die in der einfachen Summierung angelegte Gleichbehandlung der Aktiva von Zentralbank und Geschäftsbanken. Es wird implizit unterstellt, daß es für die Entwicklung der Geldmenge keinen Unterschied mache, ob die Zentralbank oder die Geschäftsbanken Aktiva erwerben. Tatsächlich ist das unzutreffend. Wenn die Geschäftsbanken beispielsweise Netto-Auslandsaktiva erwerben, dann kann die Geldmenge um genau diesen Betrag zunehmen. Wenn alternativ die Zentralbank für den gleichen Betrag Netto-Währungsreserven erwirbt, dann wird damit in dieser Höhe zusätzliches Basisgeld geschaffen, das die Geschäftsbanken für multiple Geld- und Kreditschöpfung verwenden können. In diesem Fall ist die induzierte Zunahme der Geldmenge M3 weit größer. Die bloße Bilanzanalyse kann nur das Endresultat ausweisen, ermöglicht aber keine wirkungsgerechte Zurechnung der eingetretenen Geldmengenänderung.
V. Geldmultiplikatoranalyse: a) Grundgedanke: Die Einlagenschöpfung der Geschäftsbanken und damit ihre Kreditschöpfung sind bei gegebenen Mindestreservevorschriften durch die Verfügbarkeit von Basisgeld für die Mindestreservehaltung beschränkt. Die Banken sind auf einen Netto-Zustrom von Basisgeld in das Geschäftsbankensystem angewiesen. Dieser Zustrom hängt einerseits ab vom Ausmaß der Basisgeldschöpfung durch die Zentralbank und andererseits von der gleichzeitigen Entwicklung der Bargeldhaltung des Publikums. Die Entwicklung der Geldmenge wird daher nicht allein durch die Bereitschaft der Zentralbank zur Basisgeldschöpfung bestimmt, sondern zugleich durch die Finanzdispositionen von privaten Haushalten, Unternehmen und Kreditinstituten. - b) Darstellung: Im Rahmen der Geldmultiplikatoranalyse läßt sich zeigen, wie die unmittelbaren Determinanten des Geldangebots zusammenwirken. Diese Analyse beschreibt die Geldmenge M als das Produkt der Geldbasis B und eines Geldmultiplikators m:
Je nach der Abgrenzung der Geldmenge ergibt sich definitorisch ein anderer Geldmultiplikator, weil dieser dem Quotienten aus gewählter Geldmenge und Geldbasis entspricht. (1) Annahmen: Als Beispiel diene wieder die Geldmenge M3, die die Bargeldhaltung des Publikums und deren kürzerfristige Einlagen bei Geschäftsbanken zusammenfaßt. Vereinfachend sei angenommen, daß den Banken für diese Einlagearten ein identischer Reservesatz r vorgeschrieben sei, aber ausländische Einlagen, die als Abzugsposten in den Netto-Auslandsaktiva enthalten sind, mindestreservefrei gestellt seien. Dann lautet die Geldbasis von der Verwendungsseite:
Damit folgt der Geldmultiplikator m:
Da der Reservesatz kleiner ist als 1, ist der Geldmultiplikator strikt größer als 1. In Deutschland liegt er bei etwa 6. (2) Modifizierung: Werden Zähler und Nenner durch die Sichteinlagen dividiert, so erhält man:
Dabei gibt der Bargeldquotient k das Verhältnis von Bargeld- zu Sichteinlagenhaltung an und der Termineinlagenquotient t das Verhältnis von kürzerfristiger Termin- und Spareinlagenhaltung zu Sichteinlagenhaltung. Beide Quotienten beschreiben das spezifische Verhalten der privaten Haushalte und Unternehmen. - c) Die Multiplikatorformulierung des Geldangebots verdeutlicht, daß die Geldmenge auch durch das Bargeld- und Einlagenverhalten der Nichtbanken bestimmt wird: (1) Entscheiden sich die Nichtbanken, relativ mehr Termin- und Spareinlagen zu halten, so steigt der Einlagenquotient t. Dies vergrößert den Geldmultiplikator und bewirkt damit eine höheres Niveau der Geldmenge M3. (2) Andererseits führt der Wunsch nach einer im Vergleich zu Sichteinlagen höheren Bargeldhaltung zu einem Anstieg des Bargeldquotienten k. Dies wirkt kontraktiv auf die Geldmenge, der Geldmultiplikator nimmt ab. Die Multiplikatoranalyse zeigt damit, daß die verbreitete Vorstellung, eine Zunahme der Präferenz für Bargeld induziere eine Zunahme der Geldmenge, unzutreffend ist. Tatsächlich erzwingt bei gegebenem Niveau der Geldbasis eine Zunahme der relativen Bargeldnachfrage einen Abbau der Reservehaltung der Banken und damit der Einlagen. (3) Eine Einlagenverlagerung von Sicht- zu kürzerfristigen Termin- und Spareinlagen bewirkt gegenläufige Effekte auf den Geldmultiplikator, weil sowohl Einlagenquotient t wie Bargeldquotient k steigen. (4) Eine Zunahme des Reservesatzes r senkt den Geldmultiplikator und wirkt folglich kontraktiv auf die Geldmenge. Die Zunahme des Reservesatzes kann auf eine von der Zentralbank verfügte Anhebung der Mindestreservesätze zurückgehen und/oder auf eine freiwillige Haltung von Überschußreserven in Zeiten großer Unsicherheit. - d) Beurteilung: (1) Die Geldmultiplikatoranalyse läßt sich in empirischen Untersuchungen dazu verwenden, die Wachstumsrate der Geldmenge in die Beiträge ihrer unmittelbaren Determinanten zu zerlegen. Werden die Wachstumsraten mit w bezeichnet, so gilt für das Wachstum der Geldmenge M3:
Die Wachstumsrate der Geldmenge M3 weicht von der Wachstumsrate der Geldbasis B ab, sofern die Summe der Beiträge zum Geldmengenwachstum von Bargeldquotient, Einlagenquotient und Reservesatz verschieden von Null ist. Der Beitrag jeder dieser Determinanten wird durch das Produkt aus ihrer Wachstumsrate und ihrer Wirkungselastizität angegeben. Die als konstant angenommenen Elastizitäten sind durch die Koeffizienten a bezeichnet. Beispielsweise gibt die Elastizität at an, um wieviel Prozent sich die Wachstumsrate der Geldmenge ändert, wenn der Einlagenquotient t um ein Prozent steigt. Die Elastizität ist positiv. Die für k und r aufgeführten Elastizitäten sind dagegen negativ, d. h. positive Wachstumsraten für k und r verringern das Geldmengenwachstum. (2) Empirische Anwendungen der Geldmultiplikatoranalyse zeigen, daß das durch die Quotienten k und t erfaßte Nichtbankenverhalten in der monatlichen Frequenz von erheblichem Einfluß auf das Geldmengenwachstum sein kann. Der Geldmultiplikator ist also nicht konstant. Allerdings ist seine Varianz hinreichend klein, so daß schon bei monatlichen Werten die Varianz des Geldmengenwachstums von der Varianz des Wachstums der Geldbasis dominiert wird. Das bedeutet, daß das Geldmengenwachstum im wesentlichen durch die Geldpolitik bestimmt wird, die sich im Rahmen der Multiplikatoranalyse in der Wachstumsrate der Geldbasis und dem Beitrag des Mindestreservesatzes ausdrückt. Das Nichtbankenverhalten stört den Zusammenhang kurzfristig, aber alle anhaltenden Beschleunigungen oder Abschwächungen des Geldmengenwachstums werden geldpolitisch verursacht.
VI. Kreditmarkttheorie des Geldangebots: a) Grundgedanke: Die Kreditmarkttheorie des Geldangebots erklärt die simultane Bestimmtheit von Geldmenge und Bestand an Bankkredit preistheoretisch aus dem Zusammenwirken von Geldpolitik und Portfoliodispositionen der privaten Nichtbanken und der Geschäftsbanken an Finanzmärkten. - b) Diese von K. Brunner und A. H. Meltzer (1966) entwickelte Theorie kann folgendermaßen skizziert werden: (1) Darstellung: Die aggregierte Bilanz der Geschäftsbanken laute:
Im Vergleich zu Kapitel 4. werden hier vereinfachend Netto-Auslandsaktiva, Bestände an Offenmarkttiteln sowie Termin- und Spareinlagen nicht berücksichtigt. Die Bilanz der Zentralbank laute:
mit A=WR+AÖ. Da nur Sichteinlagen D berücksichtigt werden, läßt sich die Verwendungsseite der Geldbasis schreiben:
Die Entstehungsseite lautet nun:
Es wird hier die Vorstellung eingeführt, daß die Zentralbank nur ausgewählte Quellen der Basisgeldschaffung direkt quantitativ kontrolliert. Diese werden in der autonomen Komponente A zusammengefaßt, die autonome Geldbasis genannt wird. Es handelt sich um die Bestände an Währungsreserven WR und Anleihen der öffentlichen Hand AÖ. Das Volumen der Refinanzierungskredite RKB ist dagegen endogen durch die Nachfrage der Banken bestimmt:
Dabei bezeichnet b den Refinanzierungsquotienten, der die Nachfrage der Banken nach Refinanzierungskredit mit ihrem Angebot an Sichteinlagen verbindet. (2) Ableitung des Geldmultiplikators: Für das Refinanzierungsverhalten der Banken wird nun folgende Verhaltenshypothese eingeführt: Die von den Banken gewünschte Höhe des Quotienten b ist positiv abhängig von dem auf Kreditvergabe an Nichtbanken zu verdienenden Kreditmarktzins i und negativ abhängig von den Refinanzierungskosten, die hier durch den Diskontsatz d repräsentiert seien: b=f (i, d). Da Termin- und Spareinlagen vernachlässigt werden, läßt sich die Geldmenge vereinfacht als
schreiben. Im Unterschied zu Kapitel 5. wird hier die Geldmenge nicht zur gesamten Geldbasis B, sondern zur autonomen Geldbasis A in Beziehung gesetzt. Gleichsetzen von Verwendungs- und Entstehungsseite der Geldbasis und Lösen nach A ergibt:
Daher kann die Geldangebotsgleichung wie folgt formuliert werden:
Der modifizierte Geldmultiplikator ist demnach eine Funktion des Bargeldquotienten k, des Reservesatzes r und und des Refinanzierungsquotienten b. Zur weiteren Vereinfachung werden k und r als exogene Variable behandelt, während der Refinanzierungsquotient endogen durch Zinsniveau i und Diskontsatz d bestimmt ist. Dann läßt sich der Geldmultiplikator m1 allgemein schreiben:
Die Ableitungen der Funktion g in bezug auf die in der Klammer aufgeführten Variablen sind mit Buchstabe g und einer Ziffer bezeichnet; letztere gibt an, um welche Variable es sich handelt. Wie alle Geldmultiplikatoren nimmt auch dieser Multiplikator ab, wenn der Bargeldquotient oder der Mindestreservesatz steigt. Zusätzlich fällt er, wenn die Zentralbank den Diskontsatz d heraufsetzt. Dagegen nimmt der Multiplikator zu, wenn der Kreditmarktzins i steigt. (3) Ableitung des Kreditmultiplikators: Der endogene Zinssatz wird durch das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage am Bankkreditmarkt bestimmt. Das Bestandsangebot an Bankkredit läßt sich aus der Bilanzgleichung des Geschäftsbankensystems herleiten. Lösen nach KN erlaubt die Schreibweise:
Vergleichbar dem Geldmultiplikator kann ein Kreditmultiplikator a als Quotient von Kreditbestand und autonomer Geldbasis formuliert werden:
Der Kreditmultiplikator a reagiert auf Änderungen des Mindestreservesatzes und des Refinanzierungsquotienten wie der Geldmultiplikator m1, jedoch weit stärker. Damit ist die Funktion des Bestandsangebots an Bankkredit wie folgt bestimmt:
Das Bestandsangebot an Bankkredit wird vergrößert, wenn der Kreditzins steigt, die Kosten der Refinanzierung fallen, die Zentralbank die autonome Geldbasis ausweitet, das Publikum relativ weniger Basisgeld für Bargeldhaltung nachfragt oder der Mindestreservesatz gesenkt wird. Das Modell wird durch Hinzunahme einer einfachen Kreditnachfragefunktion geschlossen:
Die Kreditnachfrage ist als linear-homogen vom Grade 1 im Preisniveau P angenommen. Die reale Kreditnachfrage sinkt, wenn das Zinsniveau steigt. Sie nimmt zu, wenn private Haushalte und Unternehmen aufgrund steigenden Realeinkommens Konsum und Produktion ausdehnen oder wenn der Staat zur Defizitfinanzierung die Staatsschuld S vergrößert. Das markträumende Gleichgewicht bestimmt den Kreditmarktzins i:
Eine Zunahme der autonomen Geldbasis wirkt zinssenkend, die Zunahme aller übrigen Determinanten zinssteigernd. (4) Im letzten Schritt der Analyse wird die Zinsgleichung in die Funktion des Geldmultiplikators m1 eingesetzt. Dann ist die Geldmenge durch folgende semi-reduzierte Form bestimmt:
Die Lösung zeigt zunächst, daß eine Ausweitung der autonomen Geldbasis und ein Senken von Mindestreserve- und Diskontsatz expansiv auf die Gleichgewichtsgeldmenge wirken. Die mit F bezeichneten Ableitungen geben die Nettowirkungen an. Für jedes der drei geldpolitischen Instrumente sind die direkten Effekte größer. Ihnen wirken über induzierte Zinsänderungen am Kreditmarkt indirekte Effekte auf den Geldmultiplikator entgegen; sie sind allerdings erheblich geringer. Entsprechendes gilt für die Wirkungen einer Änderung der Bargeldvorliebe. Kreditmarktvermittelt sind schließlich die Wirkungen von Staatsschuld, Realeinkommen und Preisniveau. - c) Fazit: Insgesamt erklärt die monetaristische Kreditmarkttheorie des Geldangebots, wie durch das Zusammenspiel von Geldpolitik und Portfolioverhalten von Banken und Nichtbanken die Geldmenge simultan mit dem Preis für Bankkredit und dem Kreditbestand bestimmt ist. Dabei gibt es eine durch den Kreditmarktzins transmittierte Rückkoppelung von den Gütermärkten und von der staatlichen Finanzpolitik zur Geldmenge.
VII. Steuerbarkeit der Geldmenge: a) Pro und Contra: (1) Da die Geldmenge eine endogene Variable ist, die auch von der Entwicklung des realen Sektors der Volkswirtschaft beeinflußt wird, wird immer wieder argumentiert, sie sei geldpolitisch nicht oder jedenfalls nicht hinreichend steuerbar. Insbes. könnten die Geschäftsbanken über Nutzung der endogenen Refinanzierung sich die erforderlichen Reserven zur Expansion von Bankkredit und Geldmenge beschaffen. (2) Tatsächlich kann die Zentralbank einer unerwünschten Expansion der Refinanzierungsnachfrage steuern: Sie kann die Refinanzierung verteuern, sie kann Basisgeld stillegen, indem sie den Mindestreservesatz erhöht, und sie kann die autonome Geldbasis verringern. Wie das Kreditmarktmodell zeigt, wirken diese Maßnahmen zinssteigernd und damit auch kontraktiv auf die Nachfrage der Nichtbanken nach Bankkredit. - b) Eine andere Frage ist, ob die Entwicklung der Geldmenge kürzerfristig in hinreichend engen Grenzen kontrolliert werden kann. Dies hängt zum einen davon ab, wie gut die empirischen Kenntnisse der oben skizzierten ökonomischen Zusammenhänge sind, zum anderen von der Ausgestaltung des geldpolitischen Instrumentariums und der außenwirtschaftlichen Absicherung. In einer Reihe empirischer Untersuchungen hat sich gezeigt, daß die Anwendung der verfügbaren ökonometrischen Methoden eine hinreichend präzise Prognose des Geldmultiplikators ermöglicht, so daß der zielgerichtete Einsatz der Instrumente effizient vorgenommen werden kann. - c) Besondere Bedeutung der außenwirtschaftlichen Absicherung: Bei flexiblem Wechselkurs kann die Zentralbank prinzipell jeden gewünschten Geldmengenpfad implementieren. Bei Einbindung in ein Festkurssystem ist die geldpolitische Autonomie beschränkt, sofern Änderungen der vereinbarten Währungsparität unterbleiben sollen. (1) Handelt es sich um ein kleines Land, so ist die Zentralbank gezwungen, ihre Geldpolitik an dem geldpolitischen Kurs des Auslands auszurichten. Ein expansiverer Kurs würde tendenziell zinssenkend wirken und daher einen fortlaufenden Verlust an Währungsreserven bewirken. Diese Politik wäre nicht durchhaltbar. Sie würde daher spekulative Attacken induzieren, die schließlich eine Abwertung der Währung erzwängen. (2) Handelt es sich andererseits um ein großes Land, d. h. dessen Währungsgebiet ist groß genug, um die geldpolitische Führung des Festkurssystems zu übernehmen, so kann die Zentralbank den Geldmengenpfad wählen und auf mittlere Sicht durchsetzen. Sofern die übrigen Mitglieder des Währungssystems sich nicht jederzeit anpassen, indem sie die Kurse zur Währung des Leitlandes garantieren, wird die Geldmengenpolitik der systemführenden Zentralbank kürzerfristig immer wieder durch den Zwang gestört, zur Stützung anderer Währungen Devisen (Devisenmarkt) aufzukaufen und die expansive Wirkung solcher Interventionen im Rahmen der Steuerung der Geldbasis neutralisieren zu müssen.
Literatur: Brunner, K./Meltzer/A. H., A Credit Market Theory of the Money Supply and an Explanation of Two Puzzles in U.S. Monetary Policy, in: Essays in Honour of Marco Fanno, Padua 1966, S. 151-176.
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