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Bilanzanalyse
Bilanzkritik.
I. Begriff/Zweck: 1. Begriff: Das Zerlegen und Aufgliedern des Jahresabschlusses einschließlich des darauf aufbauenden Beurteilungsvorgangs der Lage und Entwicklung einer Unternehmung. Gegenstand der Bilanzanalyse ist nicht nur die Bilanz, sondern der Jahresabschluß, bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und Anhang, bei Kapitalgesellschaften auch dem Lagebericht. - 2. Aufgaben: Insbes. die Beurteilung der finanziellen und ertragsmäßigen Lage und Entwicklung in der Vergangenheit und für die Zukunft, da die Liquidität und die Rentabilität bei auf Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen Existenzvoraussetzungen sind (Zahlungsunfähigkeit ist bei allen Unternehmensformen Konkursgrund, die durch Verluste entstehende Überschuldung bei den Rechtsformen, bei denen die Haftung auf das eingelegte Kapital beschränkt ist). - 3. Interessenten: V. a. die bisherigen und potentiellen Eigen- und Fremdkapitalgeber, um Informationen über die Zweckmäßigkeit und Sicherheit ihrer Kapitalanlagen zu erlangen; die Arbeitnehmer wegen der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und den Möglichkeiten ihrer Einkommensentwicklung; der Staat zwecks Vorausschau über Steuereinnahmen und gesamtwirtschaftliche Entwicklungen.
II. Arten: 1. Nach den Quellen der zur Verfügung stehenden Daten: a) Externe B.: Bilanzanalyse durch außenstehende Dritte; muß sich auf das veröffentlichte oder sonst zugängliche Material beschränken. Bei Unternehmen, die bewußt öffentliche Meinungspflege (Public Relations (PR)) betreiben und deshalb ihre Jahresabschlüsse entsprechend gestalten und z. Bilanzanalyse durch Presseinformationen ergänzen, bieten sich dem Bilanzkritiker gute Grundlagen, doch kann auch hier das Ausmaß der Legung bzw. Auflösung stiller Reserven (stille Rücklagen) nur in sehr beschränktem Maße erkannt werden. Dasselbe gilt für stille Verluste, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) wegen des Imparitätsprinzips zwar weitgehend ausgeschlossen sein sollten, erfahrungsgemäß jedoch das größte Problem einer Insolvenzprognose darstellen (Bilanzpolitik). - b) Interne B.: Bilanzanalyse durch damit beauftragte Unternehmensangehörige oder betriebsfremde Vertrauenspersonen (Wirtschaftsprüfer); ihnen stehen prinzipiell alle Unterlagen zur Verfügung, die für die Beurteilung der Jahresabschlußdaten von Bedeutung sein könnten. Dadurch gewinnt die interne Bilanzanalyse gegenüber der externen erheblich an Bedeutung für das rechtzeitige Erkennen positiver oder negativer Entwicklungen und damit für die Unternehmenssteuerung und -kontrolle. - 2. Nach dem Objekt der B.: a) Formelle B.: Bezieht sich auf die Gliederung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. - b) Materielle B.: Bezieht sich auf die Bilanzierung dem Grunde (Aktivierungspflicht, Aktivierungswahlrecht, Passivierungspflicht, Passivierungswahlrecht) und der Höhe nach (Bewertung) sowie auf die Beurteilung der Zahlungsströme und ihrer Auswirkungen auf die Lage der Unternehmung. - 3. Nach dem zeitlichen Umfang: a) Einperiodige B.: Beschränkt sich auf einen Jahresabschluß. - b) Mehrperiodige B.: Die Entwicklung im Zeitablauf steht im Vordergrund. - 4. Nach dem sachlichen Umfang: a) Einbetriebliche Bilanzanalyse - b) Zwischenbetriebliche B.: Beurteilung der Lage und Entwicklung der Unternehmung mit Hilfe branchenspezifischer Vergleichsdaten (Betriebsvergleich).
III. Methoden und Aussagewert: Nach zweckentsprechender Bilanzaufbereitung: 1. Analyse der Finanzlage: a) Aus den Bilanzdaten werden Kennzahlen entwickelt: (1) Horizontale Kennzahlen stellen eine Beziehung zwischen Vermögens- und Kapitalpositionen her (z. Bilanzanalyse Anlagendeckung durch langfristige Finanzierungsmittel, Liquiditätsgrade); damit kann beurteilt werden, wie weit der Grundsatz der Fristenentsprechung (goldene Bilanzregel) eingehalten wurde. (2) Vertikale Kennzahlen sollen Einblicke in die Vermögensstruktur (z. Bilanzanalyse Anlagenintensität) und die Kapitalstruktur (z. Bilanzanalyse Verschuldungskoeffizient, Eigenkapitalquote) sowie ihre Entwicklung insbes. auch im Vergleich mit branchentypischen Relationen eröffnen. - Beurteilung von Kennzahlen: Feste Relationen als Normgrößen lassen sich nicht ableiten, da die Möglichkeiten der Finanzdisposition zu vielfältig und der Vermögensaufbau der Unternehmen selbst innerhalb einer Branche zu verschieden sind. Außerdem sind Kennzahlen überwiegend stark bewertungsabhängig (stille Rücklagen), von den Zufälligkeiten des Bilanzstichtags geprägt oder gestaltet (window dressing), so daß sie nur vergangenheitsorientierte Aussagen zulassen. Wichtige Veränderungen der Vermögens- und Kapitalstruktur können vertraglich bereits eingeleitet sein, ohne daß sie sich in den Bilanzen und damit den Kennzahlen schon niederschlagen. Die verbreitete Verwendung in der Praxis ist v. a. darin begründet, daß mit Hilfe der Kennzahlen schlaglichtartig wichtige Beziehungen verdichtet wiedergegeben werden und ihnen eine Signalfunktion zugesprochen wird: Krasse Abweichungen im Zeit- und zwischenbetrieblichen Vergleich gelten als Indikator für die Notwendigkeit weitergehender Analysen. Neuere Versuche, durch Ordnung und Auswahl der Kennzahlensysteme unter Einsatz der EDV und mathematisch-statistischer Verfahren deren Aussagewert zu steigern, können die Mängel des Ausgangsmaterials kaum überwinden. - b) Bei finanzwirtschaftlichen Bewegungsbilanzen werden die Vermögens- und Kapitalveränderungen aus den Anfangs- und Schlußbilanzdaten einer Periode als Mittelverwendung und Mittelherkunft dargestellt. - Beurteilung: Die Einwendungen gegen Kennzahlen treffen auch hier zu. Darüber hinaus kann zu Fehlinterpretationen Anlaß geben, daß rein buchmäßige Bewertungsänderungen fälschlicherweise als Mittelfluß erscheinen. - c) Die Gewinn- und Verlustrechnung ist als Gegenüberstellung von Aufwendungen und Erträgen nicht unmittelbar für die Liquiditätsanalyse, die mit Einnahmen und Ausgaben rechnet, geeignet. Es ist daher eine Trennung der einnahme- und ausgabewirksamen Erträge und Aufwendungen vorzunehmen. Der Cash-flow, eine positive Differenz zwischen einnahmegleichen Erträgen und ausgabegleichen Aufwendungen, ist der Zahlungsmittelzufluß der Periode, den die Unternehmung erwirtschaftet hat und der ihr für Investitionen, Tilgungen und Entnahmen zur Verfügung stand. - Beurteilung: Der Cash-flow ist zwar im Prinzip eine bewertungsunabhängige und damit besonders geeignete Kennzahl, doch bei externen Analysen nur in beschränktem Maße zu ermitteln. Durch geltendes Handelsrecht sind die Analysemöglichkeiten eingeschränkt, da in den Gewinn- und Verlustrechnungen von Kapitalgesellschaften wichtige ausgabe- und einnahmeunwirksame Beträge (wie z. Bilanzanalyse die Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen) und für die Beurteilung bedeutsame einmalige, d. h. nicht wiederholbare Einnahmen (z. Bilanzanalyse Erträge aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens) nicht gesondert auszuweisen sind. - d) Bei der externen Kapitalflußrechnung wird eine Rekonstruktion der Zahlungsströme aus den Daten der Anfangs- und Schlußbilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung vorgenommen, soweit dies die Aufgliederung des Jahresabschlusses zuläßt. - Beurteilung: Da sie grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Daten verwendet, ist dieses Instrument für eine Beurteilung der Finanzlage am ehesten geeignet. Jedoch gelten auch hier die für den Cash-flow genannten Einschränkungen. - Vgl. auch Finanzanalyse. - 2. Analyse der Ertragslage: a) Benutzt wird v. a. die Gewinn- und Verlustrechnung, sofern nicht bei der internen Unternehmensanalyse auf die Daten der Kostenrechnung (Betriebsergebnis) zurückgegriffen werden kann. Zunächst muß versucht werden, das Unternehmensergebnis in seine Quellen aufzuspalten, insbes. alle einmaligen, nicht wiederholbaren, außerordentlichen und periodenfremden Aufwendungen und Erträge auszusondern, da für Beurteilung und Prognose der Ertragslage in erster Linie das betriebliche, ordentliche, periodeneigene Ergebnis von Bedeutung ist. Wie weit dies gelingen kann, ist abhängig von der Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung. Die nach dem § 275 HGB für Kapitalgesellschaften vorgesehene Gliederung läßt zwar eine Aufspaltung des Unternehmungsergebnisses in ein außerordentliches, ein Finanz- und betriebliches Ergebnis zu, doch enthält insbes. letzteres im betriebswirtschaftlichen Sinn betriebsfremde, außerordentliche und periodenfremde Elemente, von denen nur wenige eliminiert werden können (z. Bilanzanalyse Erträge aus Zuschreibungen aufgrund des Anlagegitters). Besonders das Ausmaß der Legung und Auflösung stiller Reserven, das nur in einigen Fällen durch Angabepflichten im Anhang erkennbar wird, erschwert eine Beurteilung der Ertragslage. - b) Kennzahlen: Neben der Untersuchung der Aufwands- und Ertragsstruktur zum Zweck der Analyse von Ursachen für Ertragsverschiebungen dienen als Maßstab im Zeit- und zwischenbetrieblichen Vergleich insbes. die Kennzahlen der Rentabilität, indem das jeweilige Ergebnis zu den (ebenfalls bewertungsabhängigen) Größen Gesamt- und Eigenkapital oder als Umsatzrentabilität zu den Umsatzerlösen in Beziehung gesetzt wird.
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