|
|
Handelsvertreter
früher: (Handlungs-) Agent.
I. Begriff: Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln (Vermittlungsvertreter) oder in dessen Namen abzuschließen (Abschlußvertreter) (§ 84 I 1 HGB). Handelsvertreter ist stets Mußkaufmann (§ 1 II Nr. 7 HGB). - 1. Selbständig: d. h. nicht Angestellter des Unternehmens, für das er arbeitet. Hier kommt es nicht auf die wirtschaftliche, sondern auf die persönliche Selbständigkeit an. Handelsvertreter muß "im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen können" (§ 84 I 2 HGB). Fehlen diese Voraussetzungen, so gilt er als Angestellter (§ 84 II HGB), soweit der Unternehmer Kaufmann ist, als Handlungsgehilfe. - 2. Ständige Betrauung: Dies verlangt eine auf Dauer gerichtete Vertragsbeziehung; es genügt auch für eine Saison, aber nicht nur gelegentlich. - 3. Der Unternehmer braucht kein Handelsgewerbe zu betreiben.
II. Vertrag: Dienstvertrag über Geschäftsbesorgungen (kein Arbeitsvertrag, sondern Vertrag über selbständige Dienste). - Die Vorschriften der §§ 611 ff., 675 BGB sind ergänzend heranzuziehen. An eine bestimmte Form ist der Vertrag des Handelsvertreter nicht gebunden. Handelsvertreter und Unternehmer können aber Aufnahme in eine zu unterzeichnende Urkunde verlangen (§ 85 HGB).
III. Pflichten: 1. V. a. Vermittlung und Abschluß von Geschäften. - 2. Ferner: a) Wahrnehmung des Interesses des Unternehmers (§ 86 I HGB); Schmiergelder darf der Handelsvertreter nicht annehmen; andernfalls ist außerordentliche Kündigung nach § 89 a HGB möglich. - b) Sorgfaltspflicht (§ 86 III HGB): Das erfordert Weitergabe aller für den Unternehmer wichtigen Mitteilungen, z. B. über Kreditwürdigkeit eines Kunden, Beanstandungen und Wünsche der Kunden, Lage des Marktes im ganzen oder für die geführten Artikel etc. Weiterhin beinhaltet die Sorgfaltspflicht die Prüfung der Zahlungsfähigkeit der Kunden; bei besonderer Vereinbarung haftet der Handelsvertreter für die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus einem Geschäft (Delkredere). - c) Benachrichtigungspflicht: Unverzügliche Mitteilung über jede Vermittlung und jeden Abschluß eines Geschäftes (§ 86 II HGB), auch über den Stand des Geschäftes. Ferner hat der Handelsvertreter Rechnung zu legen und herauszugeben, was er erlangt hat (§§ 675, 666, 667 BGB). - d) Pflicht zur persönlichen Dienstleistung ergibt sich aus § 613 BGB. Handelsvertreter kann aber Hilfspersonen im gewöhnlichen Maße einsetzen; Haftung nach § 278 BGB (Untervertreter). - e) Verschwiegenheitspflicht (§ 90 HGB): Während und nach der Vertragszeit Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. - f) Treuepflicht ergibt sich aus der Dauernatur des Vertrages und dem hierfür notwendigen Vertrauensverhältnis. Ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot ist für den Handelsvertreter nicht vorgesehen, eine Tätigkeit für andere Unternehmer oder Abschluß eigener Geschäfte ist zulässig, aber es darf hierdurch keine Schädigung des einen Unternehmers eintreten. Für die Zeit nach Beendigung des H.-Verhältnisses kann eine Wettbewerbsklausel vereinbart werden (§ 90 a HGB).
IV. Rechte: Entsprechen den in § 86 a HGB aufgenommenen Pflichten des Unternehmers. - 1. Der Handelsvertreter kann die für seine Tätigkeit erforderlichen Arbeitsunterlagen fordern, z. B. Preislisten, Muster, Werbedrucksachen. - 2. Er kann Benachrichtigung über Annahme oder Ablehnung eines vermittelten oder ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäftes sowie über Beschränkungen in der Liefermöglichkeit etc. verlangen. - 3. Ferner hat Handelsvertreter Recht auf Vergütung (Provision; §§ 87 ff. HGB). Dieses besteht auf jeden Fall für alle während des Vertragsverhältnisses aufgrund seiner Tätigkeit mit Dritten abgeschlossenen Geschäfte. Es kann aber bei Zuweisung eines besonderen Bezirks oder Kundenkreises auch ohne seine vermittelnde Tätigkeit entstehen (§ 87 II HGB; Bezirksvertreter, Kundenschutz) oder in Wegfall kommen, wenn die Vergütung nach § 87 III HGB an einen anderen Handelsvertreter zu zahlen ist. - 4. Erstattung der Aufwendungen, die im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehen, kann Handelsvertreter nur verlangen, wenn dies besonders vereinbart oder handelsüblich ist (§ 87 d HGB). - 5. Sonderregelung gilt für die Vollmacht des H.: a) Die dem Abschlußvertreter erteilte Handlungsvollmacht hat den gleichen gesetzlich bestimmten Umfang wie die des Handlungsreisenden; entsprechendes gilt für den Abschlußvertreter, der von einem Unternehmer bevollmächtigt ist, der nicht Kaufmann ist (§§ 55, 91 I HGB). - b) Der Vermittlungsvertreter gilt als ermächtigt, Mängelanzeigen, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde, sowie ähnliche Erklärungen entgegenzunehmen. Er kann die dem Unternehmer zustehenden Rechte auf Beweissicherung (selbständiges Beweisverfahren) geltend machen. Eine Beschränkung dieser Rechte ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie die Beschränkung kannten oder fahrlässig nicht kannten (§ 91 II HGB). - 6. Zurückbehaltungsrechte stehen dem Handelsvertreter nur nach den §§ 369 ff. HGB, § 273 BGB zu. Sie sind aber unverzichtbar (§ 88 a HGB). - 7. Kündigungsschutz des Handelsvertreter berücksichtigt, daß eine Zeit für die Umstellung bzw. die Bewerbung um eine neue Vertretung erforderlich ist. - a) Ist das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, so kann es in den ersten drei Jahren der Vertragsdauer mit einer Frist von sechs Wochen für den Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Wird eine andere Kündigungsfrist vereinbart, so muß sie mindestens einen Monat betragen; es kann nur für den Schluß eines Kalendermonats gekündigt werden.- b) Nach einer Vertragsdauer von drei Jahren kann das Vertragsverhältnis nur mit einer Frist von mindestens drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. - c) Eine vereinbarte Kündigungsfrist muß für beide Teile gleich sein. Bei Vereinbarung ungleicher Fristen gilt für beide Teile die längere Frist (vgl. § 89 HGB). Kündigung aus wichtigem Grund (§ 89 a HGB) ist daneben und auch für Verträge auf bestimmte Dauer möglich. - 8. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Handelsvertreter u. U. wegen seiner bleibenden Leistung einen Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) (Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters).
V. Gerichtsbarkeit: 1. Grundsätzlich liegt die Entscheidung über Ansprüche aus dem H.-Vertrag bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit, innerhalb der Landgerichte bei den Kammern für Handelssachen. - 2. Arbeitsgerichtsbarkeit gilt, wenn Handelsvertreter aufgrund seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit als "arbeitnehmerähnliche Person" i. S. des § 5 ArbGG anzusehen ist. Hierunter fallen Einfirmenvertreter im Sinne des § 92 a HGB, die in den letzten sechs Vertragsmonaten (bei kürzerer Vertragsdauer während dieser) durchschnittlich nicht mehr als 2.000 DM monatlich verdient haben. Dieser Betrag kann entsprechend den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen durch Rechtsverordnung geändert werden (vgl. § 5 III ArbGG).
VI. Steuerliche Behandlung: 1. Einkommensteuer: Handelsvertreter erzielt i. d. R. Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 I Nr. 2 EStG), bei Unselbständigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zur Behandlung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreter vgl. dort. - 2. Umsatzsteuer: a) Handelt der H., gleichgültig unter welcher Bezeichnung, im eigenen Namen, so liegen zwei Lieferungsgeschäfte vor; vom (ursprünglichen) Unternehmer an den Handelsvertreter und vom Handelsvertreter an den Abnehmer (Kommissionär; Eigenhändler). - b) Tritt er in fremdem Namen auf (echter H.), so erbringt der Handelsvertreter nur eine Vermittlungsleistung (sonstige Leistung § 3 IX UStG) an den Unternehmer mit der Konsequenz, daß nur eine Lieferung - nämlich vom Unternehmer an den Abnehmer - vorliegt.
<< vorheriger Begriff |
|
nächster Begriff>> |
|
|
|
Diese Seite bookmarken :
|
|