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Lomé-Abkommen

Die L.-A. bilden die formale Basis der besonderen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und den sog. AKP-Staaten.
I. Rechtsgrundlagen und Vorläufer: 1. Rechtsgrundlagen: Seit ihrer Gründung (1958) ist die EU (zuvor: EWG bzw. EG) verpflichtet, solche außereuropäischen Länder zu assoziieren und wirtschaftlich zu fördern, die zu einem der EU-Staaten langandauernde besondere Beziehungen unterhalten (Art. 131-136 EG-Vertrag). - Dieser Vorschrift liegen in erster Linie politische Absichten zugrunde; die genannte Verpflichtung kann im übrigen als eine besondere Form von Kompensation für die von der Gemeinschaftsgründung zu Lasten von Nicht-Mitgliedsländern ausgehenden integrationsbedingten Diskriminierungswirkungen (Handelsverzerrung) angesehen werden. - Weitere Rechtsgrundlage: Art. 113 EG-Vertrag, d. h. die Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EU zu einer gemeinsamen Handelspolitik. - 2. Entwicklung: a) Dem Art. 131 ff. EGV wurde nach Inkrafttreten der Römischen Verträge zunächst durch die unverzügliche Errichtung des ersten EEF (Europäischer Entwicklungsfonds) Genüge getan. Seine Mittel dienten primär der Förderung von Infrastrukturprojekten in den frankophonen Staaten Afrikas. - b) Nachdem diese Staaten die Unabhängigkeit erlangten, kam es zur Vereinbarung des ersten Jaunde-Abkommens (1964-1969) zwischen den sechs EWG-Staaten und 18 AASM-Staaten (AASM). Das 1. Jaunde-Abk. nahm bereits einige Elemente der späteren Lomé-Merkmale vorweg: Handelspräferenzen, finanzielle und technische Hilfe, gemeinsame Institutionen auf Ministerebene. Nach Auslauf des 1. Jaunde-Abk. trat bis zum 31. 1. 1975 das 2. Jaunde-Abk. in Kraft. Parallel dazu (1971-1975): Arusha-Abkommen zugunsten der Commonwealthländer Kenia, Tansania und Uganda. - c) Durch den EG-Beitritt Großbritanniens (1.1.1973) vergrößerte sich die Zahl potentieller Anwärter für eine Assoziierung gem. Art. 131 ff. EWGV ganz beträchtlich. 1975 kam es zum Abschluß des in Lomé (Hauptstadt von Togo) unterzeichneten, ersten L.-A. (1975-1980) zwischen neun EG-Ländern und 46 AKP-Staaten. Der durch die Lomé-I-Konvention begündete besondere Charakter der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EG und den AKP-Staaten ist im Laufe der Zeit fortgeführt und kontinuierlich ausgebaut worden: Lomé-II (1980-1985; zehn EG- und 57 AKP-Staaten), Lomé-III (1985-1990; 12 EG- und 66 AKP-Staaten), Lomé-IV (1990-2000; 12 bzw. 15 EU- und 70 AKP-Staaten).
II. Hauptmerkmale der AKP-EG-Kooperation: 1. Allgemeines: Der schon im Zuge von Lomé-II und Lomé-III eingeschlagene Weg, vermehrt marktwirtschaftliche Anreize für eine stärkere Entfaltung der Eigeninitiative zu etablieren sowie die Effizienz der Gemeinschaftshilfen zu verbessern, wurde mit Lomé-IV durch die Etablierung einer Strukturanpassungsfazilität fortgesetzt. Um einen höheren Selbstversorgungsgrad der AKP-Staaten bei Nahrungsmitteln zu erreichen, wird seit dem zweiten L.-A. besonderes Gewicht auf Maßnahmen zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie zum Ausbau der Landwirtschaft gelegt. Außerdem wird seit Lomé-III die Notwendigkeit betont, daß die lokalen sozialen und kulturellen Gegebenheiten in die entwicklungspolitischen Überlegungen einbezogen werden müssen. - 2. AKP-EG-Handelsbeziehungen: Seit Anfang an wird das Ziel verfolgt, sowohl den AKP-EG-Handel als auch den Handel zwischen den AKP-Ländern auszuweiten. Fast alle (rund 99%) Erzeugnisse mit Ursprung aus den AKP-Staaten (Lomé-IV: Erfordernis eines "local content" von nur noch 45%; höhere Anforderungen bei bestimmten "sensiblen Gütern") haben einen von Zöllen und Kontingenten freien Zutritt zum EU-Raum. Ausgenommen von dieser Vergünstigung sind lediglich solche Erzeugnisse, für die im Rahmen internationaler Warenabkommen (z. B. Welt-Textilabkommen) spezielle Regelungen bestehen; das gleiche gilt auch für landwirtschaftliche Produkte, die Gegenstand einer EU-Agrarmarktordnung sind, wobei allerdings die AKP-Staaten eine Präferenzstellung gegenüber sonstigen Drittländern genießen. - Eine Besonderheit der handelspolitischen Beziehungen zwischen den beiden Blöcken besteht darin, daß die EG seit dem 1. L.-A. auf die reziproke Gewährung der Handelsvergünstigungen für ihre eigenen Exporte nach den AKP-Ländern verzichtet. Im übrigen weist das Abkommen eine bisher nie angewendete Schutzklausel auf, nach welcher EU-Importe aus den AKP-Ländern nach beiderseitiger Konsultation partiell und vorübergehend eingeschränkt werden können, falls diese Lieferungen gravierende Störungen einer Branche oder Region innerhalb der EU auslösen sollten. - 3. Verstetigung der Devisenerlöse der AKP-Staaten: In rohstoffexportierenden Ländern wird die Finanzierung entwicklungspolitischer Programme häufig dadurch behindert, daß infolge starker Preis- und Mengenschwankungen bei den Hauptexportgütern immer wieder sprunghafte Rückgänge der Devisenerlöse eintreten. Im Rahmen der AKP-EG-Kooperation wurde von Anfang an darauf abgezielt, diesbezüglich eine begrenzte Abhilfe zu schaffen, was ein (ordnungspolitisch keineswegs unproblematisches) Novum in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen darstellt (Exporterlösstabilisierung). Ergebnis war die bereits mit dem 1. L.-A. erfolgte Etablierung des sog. STABEX-Systems zur Verstetigung der Deviseneinnahmen, welche die AKP-Staaten aus ihrem Export von tropischen und subtropischen Agrargütern in die EG erzielen. Im Rahmen von Lomé-II kam es zur Einrichtung eines an relativ restriktiv Bedingungen gebundenen Sonderfonds für die Förderung der Modernisierung und Ausweitung des Bergbaupotentials der AKP-Staaten (SYSMIN). - 4. Industrielle Kooperation: Bereits im Zuge der Umsetzung des Lomé-I-Abkommens wurde Mitte der 70er Jahre ein AKP-EG-Zentrum für industrielle Entwicklung mit Sitz in Brüssel geschaffen. Dessen Aufgabe besteht vor allem darin, gewerbliche bzw. industrielle Vorhaben in den AKP-Ländern zu fördern. Priorität bei der Förderung genießen vor allem der Transfer von Technologie und deren Anpassung an die Gegebenheiten in den Empfängerstaaten. Mit dem Ziel, durch Stärkung des Privatsektors den Entwicklungsprozeß zu festigen, wird insbes. auf die Förderung des Aufbaus von kleinen und mittleren Unternehmen (sog. KMU) besonderes Gewicht gelegt (z. B. durch Zurverfügungstellung von haftendem Eigenkapital). Im Hinblick hierauf werden die EU-Fördermittel schwerpunktmäßig für Ausbildungsmaßnahmen, Absatzförderung sowie (wegen der Beschäftigungswirkungen) für eine Ausweitung der Verarbeitung von heimischen Rohstoffen gewährt. - 5. Landwirtschaftliche Zusammenarbeit: Angesichts der unzureichenden Ernährungssituation in vielen überseeischen Ländern wird eine nachhaltige Effizienzsteigerung im Agrarsektor der AKP-Staaten als zentrales Kooperationsanliegen betrachtet. Langfristiges Ziel ist die Erlangung einer weitgehenden Selbstversorgung dieser Länder als Voraussetzung für einen selbsttragenden Entwicklungsprozeß. Um die Verwirklichung dieser Absicht permanent zu fördern, wurde bereits im Zuge der Durchführung des Lomé-II-Abkommens ein beiderseits verwaltetes Technisches Zentrum für die Zusammenarbeit in der Landwirtschaft und im ländlichen Bereich errichtet. Außerdem erfolgte seit dem 2. L.-A. eine Abkehr von der vorrangigen Förderung von Großprojekten. Seit Inkrafttreten des Lomé-IV-Abkommens sind Umweltaspekte in die Beurteilung jedes Förderungsprojekts miteinzubeziehen. Bei Großprojekten ist eine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend vorzunehmen. - 6. Strukturanpassungshilfen: Weil während der 80er Jahre die Auslandsverschuldung vieler AKP-Staaten beträchtlich zugenommen hat, wurde die Gewährung von Strukturanpassungshilfen in das 4. L.-A. aufgenommen. Der 7. EEF (1990-1995) weist für diesen Zweck in Form einer Sonderfazilität Mittel in Höhe von 1,15 Mrd. ECU aus (ca. 2,4 Mrd. DM). Deren Einsatz erfolgt in Kooperation mit den Strukturanpassungsprogrammen von IWF (Internationaler Währungsfonds) und Weltbank (Strukturanpassungspolitik). Die gewährten Finanzhilfen dienen zur wirtschaftlichen und sozialen Abfederung von Wirtschaftsreformen. - 7. Finanzielle Zusammenarbeit: Für die Gewährung von Finanzhilfen gilt der Grundsatz der vorrangigen Förderung derjenigen AKP-Staaten, deren wirtschaftliches Entwicklungsniveau besonders niedrig ist, die entweder sog. Binnenstaaten oder sog. Inselstaaten sind. Seit dem 3. L.-A. wird verstärkt darauf abgestellt, die Finanzmittel so einzusetzen, daß die Eigeninitiative der einheimischen Bevölkerung angeregt wird. - Das von Seiten der EU für die einzelnen Aufgabenbereiche des Abkommens zur Verfügung gestellte Mittelvolumen ist in einem Finanzprotokoll, das Bestandteil des Vertragswerks ist, festgelegt und besteht aus dem jeweiligen EEF und Leistungen der Europäischen Investitionsbank (EIB). Schon seit dem 1. L.-A. hat der überwiegende Teil der vom EEF gewährten Mittel den Charakter von Zuschüssen getragen. Dieser Anteil ist von Abkommen zu Abkommen erhöht worden. Von den für die Laufzeit der 4. Lomé-Konvention bereitgestellten Mitteln entfallen rund 90% auf nichtrückzahlbare Finanzhilfen. - 8. Gemeinsame Organe: Die schon im Zuge des 1. Jaunde-Abkommens errichteten gemeinsamen Institutionen zur Förderung der Vertragsziele und des wechselseitigen Meinungsaustauschs sind durch die vier Lomé-Konventionen fortgeführt und kontinuierlich ausgebaut worden. Insgesamt sind im Abkommen drei paritätisch besetzte Kontroll- und Entscheidungsorgane verankert: der gemeinsame AKP-EG-Ministerrat (richtungweisende Funktion), der Ausschuß der ständigen Vertreter und die sog. paritätische Versammlung (Initiativrecht). Die Beschlußfassung über die Bereitstellung von Finanzmitteln unterliegt allerdings de facto dem üblichen EU-internen Entscheidungsverfahren (d. h. dem Rat der EU unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments). - 9. Bewertung: Die AKP-EG-Kooperation bildet den Schwerpunkt der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft. Sowohl hinsichtlich der Form als auch des Inhalts ist mit dem Lomé-I-Abkommen in mehrerer Hinsicht entwicklungspolitisches Neuland beschritten worden: Die im Rahmen von L.-A. zugestandenen Vergünstigungen weisen den Charakter frei ausgehandelter, völkerrechtlich bindend eingegangener vertraglicher Verpflichtungen auf. - Der Stellenwert der L.-A. für die beteiligten überseeischen Staaten resultiert vor allem daraus, daß die EU mit großem Abstand der wichtigste Handelspartner der AKP-Staaten ist. Der Anteil der Exporte aller AKP-Länder, der von den EU-Mitgliedern abgenommen wird, lag Ende der 80er Jahre bei knapp 40%; dieser Güterstrom entspricht auf der EU-Seite einem Importanteil von nur rund 4%. Wegen des häufig großen Entwicklungsrückstands ist der freie Zutritt von Industrieprodukten zum EU-Markt bisher nur für relativ wenige AKP-Staaten von größerer Bedeutung gewesen. Infolge der Einführung des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) war der Marktzutrittsvorteil der AKP-Staaten gegenüber anderen Entwicklungsländern von vornherein relativiert. Die Realisierung der im Zuge der Uruguay-Runde vereinbarten multilateralen Liberalisierungsziele wird die privilegierte handelspolitische Stellung der AKP-Staaten zusätzlich abschwächen.

 

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