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Neue Klassische Makroökonomik

I. Begriff und Einordnung: Während zu Beginn der 70 er Jahre die makroökonomische Debatte entscheidend durch die Kontroverse zwischen Keynesscher Lehre und Monetarismus geprägt wurde, hat sich seit Mitte dieser Dekade der Schwerpunkt der Diskussion auf die Auseinandersetzung zwischen Neuer Keynesianischer Makroökonomik und Neuem Keynesianismus einerseits und Neue Klassische Makroökonomik K. M. andererseits verlagert. Die Neue Klassische Makroökonomik K. M. geht im Gegensatz zur neuen Keynesianischen Makroökonomik davon aus, daß Märkte prinzipiell ständig geräumt werden (Markträumungsansatz). Eines der Hauptziele der Neue Klassische Makroökonomik K. M. ist die gleichgewichtstheoretische Erklärung von Konjunkturschwankungen. - Die Einordnung der Neue Klassische Makroökonomik K. M. ist umstritten. Viele Ökonomen betrachten sie als moderne Spielart des Monetarismus; für andere ist die Entfernung zwischen Neue Klassische Makroökonomik K. M. und Monetarismus größer als die zwischen Monetarismus und Keynesianismus. - Wichtige Vertreter der Neue Klassische Makroökonomik K. M. sind R. Lucas, Th. Sargent und Neue Klassische Makroökonomik Wallace.
II. Darstellung: Für die Modelle der Neue Klassische Makroökonomik K. M. sind eine Reihe von Prämissen entscheidend: 1. Vollständige Preisflexibilität: Diese Annahme führt dazu, daß die Märkte prinzipiell im Gleichgewicht sind. Alle relevanten Informationen sind in den Angebots- und Nachfragefunktionen enthalten. Die Marktteilnehmer befinden sich stets auf ihren Funktionen, d. h., getauscht wird zu Gleichgewichtspreisen. Abweichungen von tatsächlichem Marktpreis und Gleichgewichtspreis können nicht dauerhaft sein, da sie zu Extraprofiten führen, die von den Wirtschaftssubjekten sofort wahrgenommen und dadurch eliminiert werden. In der Praxis schwanken Preise und Mengen ständig stochastisch um ihre Gleichgewichtswerte. Als Konsequenz werden Modelle der neuen Klassik häufig durch stochastische Gleichungen beschrieben. Vertreter der Neue Klassische Makroökonomik K. M. sehen die Markträumungsannahme oft nicht als getreue Abbildung der Wirklichkeit, sondern als Kunstgriff, der, ähnlich wie die Rationierungsannahme in Ungleichgewichtsmodellen, vorwiegend methodischen Charakter hat. - 2. "Natürliche" Unterbeschäftigung: Für den Arbeitsmarkt wird die Markträumungshypothese durch das Konzept der "natürlichen" Arbeitslosigkeit spezifiziert. Es gibt danach nur eine Höhe der Arbeitslosenquote, die mit einem modifizierten walrasianischen Gleichgewicht (ein solches, das Marktunvollkommenheiten, Informationskosten etc. berücksichtigt) vereinbar ist. Diese Arbeitslosenquote ist mit jeder Inflationsrate verträglich. Die dadurch beschriebene Arbeitslosigkeit ist rein angebotsbedingt, somit freiwilliger Natur und kein Ergebnis eines Marktversagens. - Darüber hinaus ist für viele Vertreter der Neue Klassische Makroökonomik K. M. keine Arbeitslosigkeit wirklich unfreiwillig. Nach ihrer Auffassung ist das Arbeitsangebot in bezug auf langfristige (also nicht transitorische) Veränderungen des Reallohns weitgehend unelastisch. Diese Ansicht wird aus empirischen Beobachtungen abgeleitet, setzt aber unter theoretischen Aspekten ein auf bestimmte Weise geformtes Präferenzsystem voraus. - Sehr elastisch reagiert das Arbeitsangebot hingegen auf als transitorisch angesehene Reallohnvariationen. Es wird argumentiert, daß die Wirtschaftssubjekte bereit sind, "vorzuarbeiten" (falls der Reallohn transitorisch steigt) bzw. Muße "vorzuholen" (im umgekehrten Fall). Ein beobachtbares Überangebot am Arbeitsmarkt bedeutet daher, daß eine entsprechende Anzahl von Arbeitnehmern mit einem unter ihren Normalvorstellungen liegenden Lohnsatz konfrontiert sind und es deshalb vorziehen, bei dem gegenwärtigen Lohn nicht zu arbeiten. Dies bedeutet aber nicht, daß zum gegenwärtigen Lohn keine Arbeit gefunden werden könnte. - 3. Rationale Erwartungen: Bei autoregressiven Erwartungen werden nur die vergangenen Werte der betrachteten ökonomischen Größe zur Erwartungsbildung genutzt. Damit bleibt aber ein Teil der den Individuen zur Verfügung stehenden Informationen unbeachtet, und es kann zu systematischen Erwartungsirrtümern kommen. In der Theorie der rationalen Erwartungen wird das Konzept des Rationalverhaltens auch auf Informationsgewinnung und -verarbeitung übertragen. Die sog. schwache Form der rationalen Erwartungen geht davon aus, daß die Wirtschaftssubjekte alle verfügbaren Informationen auf effiziente Weise nutzen, um Erwartungen über die zukünftigen Werte von ökonomischen Variablen zu bilden. In der sog. starken Form schließen diese Informationen das relevante ökonomische Modell, seine Struktur und alle Kenntnisse über Parameter sowie exogene und endogene lag-Variablen ein. Erwartungsirrtümer können auftreten, aber nur aufgrund zufälliger Ereignisse. Die Möglichkeit stochastisch bedingter Erwartungsirrtümer unterscheidet rationale Erwartungen von vollständiger Voraussicht. - 4. Unvollständige Information: Es wird davon ausgegangen, daß die Wirtschaftssubjekte die wahre Struktur des Modells so genau kennen, daß sie (jedenfalls im Durchschnitt) die Effekte von Geldpolitik und fiscal policy richtig prognostizieren können, falls sie die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen kennen oder richtig vorhersehen. Weiter wird angenommen, daß diese Informationen und Prognosen sich vollständig im Verhalten der Wirtschaftssubjekte niederschlagen. Alle Gewinne, die durch genauere Kenntnis der Situation gemacht werden könnten, sind bereits realisiert. Produktion und Beschäftigung befinden sich auf dem Gleichgewichtsniveau. Da aber weder Geld- noch Fiskalpolitik immer richtig erkannt oder prognostiziert werden können, sind die Informationen unvollkommen. - In einer Welt mit unvollkommenen Informationen spielen für das Verhalten der Wirtschaftssubjekte zwei Aspekte eine fundamentale Rolle. Erstens geht es darum, zu entscheiden, ob eine wahrgenommene Preisveränderung temporär oder dauerhafter Natur ist. Zweitens muß das Wirtschaftssubjekt feststellen, ob die Preisveränderung relativer Art ist oder im Zusammenhang mit der Änderung des allgemeinen Preisniveaus steht. In beiden Fällen kann man von einem "Dekompositionsproblem" sprechen, wenn argumentiert wird, daß sich die Wirtschaftssubjekte auf Erfahrungen der Vergangenheit stützen. War der größere Teil der Varianz des Preises eines Gutes (wozu auch das Gut "Arbeit" gerechnet werden kann) durch permanente Änderungen bedingt, dann wird das Wirtschaftssubjekt auch eine aktuelle Preisänderung eher für permanent halten. Genauer gesagt wird eine aktuelle Preisänderung anhand der Erfahrungen mit früheren Preisänderungen in eine permanente und eine temporäre Komponente zerlegt. Zu einer Erhöhung des Arbeitsangebots wird es nur in dem Ausmaß kommen, das der temporären Komponente einer aktuellen Lohnerhöhung entspricht. Die Dekomposition einer aktuellen Preisveränderung in relative oder aggregative Veränderung wird analog erklärt. Waren Preisschwankungen in der Vergangenheit vor allem durch Variationen des Preisniveaus bedingt, dann wird eine aktuelle Preisbewegung auch vorwiegend auf eine allgemeine Inflation oder Deflation zurückgeführt. War das Preisniveau dagegen mehr oder weniger konstant, dann werden Preisveränderungen hauptsächlich als relativ bedingte Änderungen angesehen; und nur diese haben Mengeneffekte zur Folge. - 5. Neutralitätseigenschaft: Sie besagt, daß Geld- und Fiskalpolitik, die systematisch auf den Konjunkturzyklus einwirken will, keinen Einfluß auf diesen haben kann. Die Abweichungen von Produktion und Beschäftigung von ihrem "natürlichen" Niveau sind also völlig unabhängig von wirtschaftspolitischen Maßnahmen. a) Systematische Geldpolitik beeinflußt lediglich die nominalen Größen, wie Preisniveau, Inflationsrate, Nominallohn und Nominalzins. Die Neutralitätseigenschaft geht unmittelbar zurück auf die Annahmen über die Struktur der Wirtschaft (z. B. Existenz einer "natürlichen" Unterbeschäftigung) und die Hypothese der rationalen Erwartungen. Zusammen mit den Annahmen, daß die Wirtschaftssubjekte alle verfügbaren Informationen effizient nutzen und systematische Politiken erkennen, folgt die Neutralitätseigenschaft. - b) Geld- und Fiskalpolitik können dennoch reale Effekte haben, nämlich in ihrem nichtsystematischen Teil. Wie oben erwähnt, erfolgt die Dekomposition aufgrund von Erfahrungswerten. Führt eine kontraktive Geldpolitik etwa zu Preisveränderungen, wird deren allgemeiner Charakter aber nicht erkannt, so werden die Preissenkungen als relativ aufgefaßt, und es kann zu einem Rückgang von Produktion und Beschäftigung kommen. Die realen Effekte einer nicht vorhergesehenen Geld- oder Fiskalpolitik werden um so geringer sein, je größer die Varianz solcher Politik in der Vergangenheit war. Wurden die Wirtschaftssubjekte in der Vergangenheit häufig durch unvorhersehbare Aktionen getäuscht, werden sie künftig auf irgendwelche Signale weniger reagieren. - c) Dies hat einmal zur Folge, daß ökonomische Störungen, die eine Anpassung erfordern, fehlinterpretiert werden (Fehlallokationshypothese); zum anderen wird eine ursprünglich wirksame Politik, die auf einem Dekompositionsschema beruht, das durch eine stabile Entwicklung der Vergangenheit geprägt wurde, zunehmend unwirksam. - 6. Gleichgewichtsorientierte Erklärung des Konjunkturzyklus (Modell unvollkommener Informationen): In den Modellen der Neue Klassische Makroökonomik K. M. wird der Arbeitsmarkt ganz analog wie der Gütermarkt behandelt. Daher wird allgemein nur von "Preisen" gesprochen, die auch den "Lohn" umfassen. a) Stellt ein repräsentatives Wirtschaftssubjekt fest, daß der Preis seines Gutes gestiegen ist, steht es vor dem oben beschriebenen Dekompositionsproblem. Als temporär empfundene Lohnerhöhungen führen dazu, daß heutige Muße in die Zukunft verlagert wird und Produktion und Beschäftigung daher in der laufenden Periode zunehmen. Schon relativ kleine Schwankungen in Löhnen und Preisen können zu erheblichen Schwankungen im Arbeitsangebot führen. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, hängt davon ab, wie das Dekompositionsproblem gelöst wird, also welche Anteile von vergangenen Preisänderungen permanent bzw. temporär waren. - b) Kennen alle Entscheidungseinheiten die relativen Preise ihrer Güter, dann reicht die Unterscheidung in temporäre und permanente Preisänderungen nicht aus, um einen generellen Konjunkturzyklus hervorzurufen. Den gestiegenen relativen Preisen in einigen Bereichen stehen gesunkene in anderen Bereichen gegenüber. Dem erhöhten Arbeitsangebot in einem Teil der Wirtschaft entspricht daher ein vermindertes in einem anderen. Konjunkturelle Schwankungen sind nur möglich, wenn die Wirtschaftssubjekte lediglich die nominalen Preise ihrer eigenen Produkte kennen, nicht aber den allgemeinen Preisindex. Sie stehen dann vor dem zweiten Dekompositionsproblem. In Abhängigkeit von den Erfahrungen der Vergangenheit wird eine beobachtete Preisänderung in eine relative und eine absolute Komponente zerlegt. War früher die Varianz der relativen Preise klein, wird auch die aktuelle Preisänderung zum größten Teil als Änderung des relativen Preises aufgefaßt. Wird die Preisänderung dann noch überwiegend als temporär angesehen, verändert sich das Arbeitsangebot und damit auch Produktion und Beschäftigung. - c) Ein ganz wesentlicher Aspekt dieser Erklärung des Konjunkturzyklus ist, daß Wirtschaftssubjekte nur über begrenzte Informationen verfügen dürfen. Dies gilt für das Dekompositionsproblem, aber auch z. B. für die Auswirkungen eines monetären Impulses auf die Wirtschaft. Hier bezieht die Neue Klassische Makroökonomik K. M. eine fast keynesianische Position, indem sie argumentiert, daß nur langfristig ein enger Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau besteht. Die kurzfristige weitgehende Unabhängigkeit ist für die Argumentation aber notwendig, da die Wirtschaftssubjekte sonst anhand der Geldmengenentwicklung das Dekompositionsproblem lösen können. Tritt keine unerwartete Inflation auf, kann es im Rahmen der Neue Klassische Makroökonomik K. M. aber auch keinen Konjunkturzyklus geben. - 7. Hauptergebnisse: a) Es gibt keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Arbeitslosigkeit entsteht dadurch, daß temporär der tatsächliche Reallohn als unter dem Normalniveau liegend angesehen wird. Daher substituieren die Arbeitsanbieter künftige Muße gegen heutige. Sie werden nur deswegen als arbeitslos registriert, weil sie ihre Bereitschaft zu arbeiten signalisieren, bei der statistischen Erfassung aber nicht berücksichtigt wird, daß sie dies nur zu einem höheren Reallohn wollen. - b) Aktivistische Wirtschaftspolitik hat nur solange Erfolg, wie sie nicht erkannt und antizipiert wird. Eine expansive Geldpolitik hat reale Auswirkungen, wenn in der Vergangenheit die Varianz der Inflationsrate klein war. Unter dieser Bedingung wird eine allgemeine Preiserhöhung nicht oder nur in geringem Maß antizipiert, sondern vielmehr für eine Erhöhung des relativen Preises gehalten. Da durch eine solche Maßnahme die Varianz der Inflationsrate zunimmt, wird in Zukunft die Geldpolitik weniger wirksam.
III. Kritik: 1. In der Realität sind häufig Inflexibilitäten von Löhnen und Preisen zu beobachten, die von Kritikern der Neue Klassische Makroökonomik K. M. durch institutionelle Gegebenheiten und Anpassungskosten erklärt werden. Preisrigiditäten herrschen v. a. auf dem Arbeitsmarkt und auf Gütermärkten mit monopolistischer bzw. oligopolistischer Struktur. Als Folge sind Preis- und Mengengleichgewichte eher die Ausnahme als die Regel. Eine empirische Klärung der Frage, ob Ungleichgewichte durch Starrheiten verursacht werden oder durch unvollkommene Information, verbunden mit Zufallseinflüssen, ist bislang nicht gelungen. - 2. Das Konzept der "natürlichen" Arbeitslosigkeit ist ebenfalls umstritten (vgl. Beschäftigungstheorie). Unbestritten umfaßt Arbeitslosigkeit immer Komponenten, die durch Funktionen und Struktur des Arbeitsmarktes bedingt sind. Es können jedoch keine verläßlichen Aussagen über die Höhe der "natürlichen" Arbeitslosigkeit gemacht werden. Die Neue Klassische Makroökonomik K. M. tendiert dazu, jedes Volumen der Arbeitslosigkeit als freiwillig zu interpretieren. Dies impliziert, daß auch Entlassungen, die ganz überwiegend der Grund für Arbeitslosigkeit sind, als versteckte freiwillige Kündigungen interpretiert werden. Weil heutige Arbeitslosigkeit im Sinne dieser Interpretation vorgeholte Muße ist, kann die Neue Klassische Makroökonomik K. M. eine langanhaltende Massenarbeitslosigkeit nicht begründen. - 3. Die Theorie der rationalen Erwartungen stellt in der strengen Form unrealistisch hohe Anforderungen (u. a. Kenntnis des relevanten ökonomischen Modells und seiner Struktur). In der weiten Form, in der lediglich effiziente Nutzung der verfügbaren Informationen verlangt wird, ist die Hypothese rationaler Erwartungen zwar weitgehend unumstritten, stellt aber auch keinen nennenswerten Erkenntnisfortschritt dar. Die Informationsannahmen vermögen nicht vollständig zu überzeugen. Es ist fraglich, ob das Dekompositionsproblem tatsächlich in der geschilderten Form entsteht. Insbes. die Zerlegung einer Preisveränderung in relative und absolute sowie reale und nominale Komponente sollte kein Problem bereiten. Ohne Informationsbeschränkungen in diesem Bereich ist die gegebene Erklärung des Konjunkturzyklus aber nicht schlüssig.
IV. Aktuelle Entwicklung: Die eben beschriebene Kritik an der empirischen Relevanz des Dekompositionsproblems wurde in zunehmendem Maße selbst von Anhängern der Neue Klassische Makroökonomik K. M. als berechtigt anerkannt. Diese Zweifel führten dazu, daß in den achtziger Jahren vor allem von nordamerikanischen Theoretikern eine neue Variante der neuklassischen Theorie entwickelt wurde, die Theorie realer Konjukturzyklen (real business cycles - RBC). 1. Diese Theorie übernimmt weitestgehend die Annahmen, auf denen auch die ältere Neue Klassische Makroökonomik K. M. fußt. Insbes. wird also von optimierendem Verhalten, voll flexiblen Preisen, ständiger Markträumung und Freiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ausgegangen. Der zentrale Unterschied besteht darin, daß nicht mehr monetäre Störungen als Ursache von konjunkturellen Schwankungen angesehen werden, sondern unvorhersehbare Störungen im realwirtschaftlichen Bereich. Im Vordergrund stehen dabei abrupte technologische Veränderungen, sog. technologische Schocks. Diese Schocks können positiv (im Sinne einer Erhöhung der totalen Faktorproduktivität) sein oder negativ. Nominale Größen wie z. B. die Geldmengenentwicklung spielen in dieser Theorie dagegen keine Rolle. - 2. Die Wirkung eines temporären positiven technologischen Schocks auf das Wirtschafssystem wird durch die RBC-Theorie folgendermaßen beschrieben: Bei unverändertem Einsatz von Kapital und Arbeit kann aufgrund der technologischen Veränderung mehr produziert werden. Die Produktivität von Kapital und Arbeit hat sich also erhöht. Da die Faktoren im neuklassischen Modell nach ihren Grenzprodukten entlohnt werden, steigen Reallohn und Realzins. Die Reallohnerhöhung bewirkt eine intertemporale Umschichtung von Arbeitszeit und Freizeit. Da der augenblickliche Lohnsatz gestiegen ist, lohnt es sich für die Arbeitnehmer, in der Gegenwart mehr und in der Zukunft - bei wieder gesunkenem Reallohn - weniger zu arbeiten. Die Realzinserhöhung erhöht die Attraktivität der Kapitalbildung. Einerseits stellt dies einen weiteren Anreiz zur Ausdehnung der Arbeitszeit dar, weil das dadurch erzielte Zusatzeinkommen für eine Erhöhung der Ersparnis genutzt werden kann. Andererseits kommt es zu zusätzlichen Investitionen und damit zu einer Erhöhung des Kapitalstocks. Aufgrund des vergrößerten Kapitalstocks ist die Produktion in künftigen Perioden aber selbst dann noch höher als in der Ausgangslage, wenn der ursprüngliche technologische Schock schon wieder abgeklungen ist. - 3. Die in der Realität beobachtbaren konjunkturellen Schwankungen ergeben sich nach der RBC-Theorie aus einer Überlagerung von Schwingungen, die durch zufällig aufeinanderfolgende technologische Schocks ausgelöst werden. Die Schwingungen sind das Ergebnis optimaler Anpassungsreaktionen von rational handelnden Wirtschaftssubjekten. Die im Zusammenhang mit den konjunkturellen Schwankungen auftretende Arbeitslosigkeit ist ausschließlich freiwilliger Natur. Eine stabilisierende Wirtschaftspolitik ist somit weder möglich, noch wäre sie erwünscht. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies, daß eine Entwicklung mit Schwankungen einer Entwicklung ohne Schwankungen vorzuziehen ist. - 4. Beutreilung: a) Die Hypothese, daß in erster Linie abrupte technologische Veränderungen für die konjunkturellen Schwankungen verantwortlich seien, erscheint aus zwei Gründen fraglich: Erstens stellt sich für die meisten Beobachter der technologische Fortschritt als kontinuierlicher Prozeß dar und nicht als Abfolge von Schocks. Zweitens sind Rezessionsphasen nach der RBC-Theorie auf technologischen Rückschritt zurückzuführen. Technisches Wissen müßte also plötzlich verschwinden. Dies ist jedoch völlig unplausibel. Einige Vertreter der RBC-Theorie wollen den Begriff "technologischer Schock" daher nicht wörtlich verstanden wissen. Sie weisen darauf hin, daß z. B. auch Umweltauflagen oder ungünstige Witterungsbedingungen wie negative technologische Schocks wirken und die Faktorproduktivität vermindern. Ob diese oder ähnliche Ereignisse oft genug auftreten und bedeutend genug sind, um die RBC-Theorie plausibel erscheinen zu lassen, ist gegenwärtig noch ungeklärt. - b) Ein weiterer umstrittener Punkt ist die Bedeutung von intertemporalen Substitutionsprozessen. Wie schon unter III 2. angesprochen ist es sehr zweifelhaft, ob sich die in Rezessionsphasen beobachtbare hohe Arbeitslosigkeit tatsächlich als freiwillig "vorgeholte" Freizeit interpretieren läßt. Dies um so mehr, als der größte Teil konjunktureller Arbeitslosigkeit auf Entlassungen zurückzuführen ist und nicht auf freiwillige Kündigungen. Wenig überzeugend erscheint auch die These, daß Erhöhungen des Realzinssatzes tatsächlich zu einer bedeutsamen Vermehrung des Arbeitsangebots führen. - c) Diese Kritikpunkte stellen die empirische Relevanz der RBC-Theorie als umfassende Konjunkturerklärung in Frage. Unbestreitbar hat dieser Ansatz jedoch unser Wissen um das Funktionieren von vollkommenen Marktwirtschaften erweitert. Hervorzuheben ist hierbei insbes. das Ergebnis, daß auch solche Marktsysteme bei effizienter Allokation der Ressourcen Schwankungen in zentralen ökonomischen Variablen aufweisen können. - Vgl. auch Neue Keynesianische Makroökonomik, Postkeynesianismus.
Literatur: Fischer, S. (Hrsg.), Rational Expectations and Economic Policy, Chicago-London 1980; Lucas, R. E., An Equilibrium Model of the Business Cycle, Journal of Political Economy 83 (1975), S. 1113 ff.; ders., Unemployment Policy, American Economic Review 68 (1980), S. 353 ff.; Minford, P., Peel, D., Rational Expectations and the New Macroeconomics, Oxford 1983.

 

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