Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Kraftverkehrsversicherung

Kraftfahrtversicherung, Kraftfahrzeugversicherung, Autoversicherung.
I. Allgemeines: 1. Geltungsbereich: Versicherungsschutz für die aus der Gefahr durch Gebrauch eines Kraftfahrzeugs (Kfz) oder Anhängers entstehenden Schäden nach § 1 KfzPflVV; gilt grundsätzlich nur in Europa und den außereuropäischen Gebieten, die zum Geltungsbereich der EU-Länder gehören, soweit keine Erweiterung (z. B. auf außereuropäische Anliegerstaaten des Mittelmeers) vereinbart. - 2. Rechtsgrundlagen: Vorschriften des BGB und VVG; Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz, PflVG) vom 5. 4. 1965, Stand vom 27. 7. 1994; Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeug-Anhänger nach Stand vom 21. 7. 1994 (AuslPflVG). Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB). - 3. Versicherungsarten: Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KH), Fahrzeugvoll- (KFV) und Fahrzeugteilversicherung (KFT) (auch Kaskoversicherung genannt), Kraftfahrtunfallversicherung (KU). Daneben bestehen auf Kfz-Gebrauch bezogene Kraftfahrt-Strafrechtsschutzversicherung, Verkehrsserviceversicherung, Reparaturkostenversicherung. - 4. Wirtschaftliche Bedeutung: 1994 betrug das Prämienaufkommen der Kraftverkehrsversicherung in Deutschland 43,2 Mrd. DM. Das sind 64,2% der gesamten Sachversicherungsprämie. Von der K.-Prämie (100%) entfielen auf KH 26,0 Mrd. DM (55,9%), KFV 12,8 Mrd. DM (32,5%), KFT 3,6 Mrd. DM (9,1%), KU 0,75 Mrd. DM (1,9%). Die Aufwendungen für Versicherungsfälle (Zahlungen und Rückstellungen) des Geschäftsjahres beliefen sich ingesamt auf 37,9 Mrd. DM (87,7% des Prämienaufkommens). Nach den Verlusten von 60 Mrd. DM in den Jahren 1990 bis 1993 konnte die Kraftverkehrsversicherung 1994 einen Überschuß von 1,14 Mrd. DM erzielen..
II. Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (KH): 1. Versicherungspflicht: Der Halter eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers mit regelmäßigem Standort im Inland ist § 1 PflVG verpflichtet, zur Deckung eines durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursachten Personen-, Sach- und sonstigen Vermögenschadens eine KH abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn und solange das Kfz auf öffentlichen Wegen und Plätzen (§ 1 StVG) verwendet wird. Kfz bestimmter öffentlich-rechtlicher Körperschaften und nach ihrer Bauart langsame Kfz sowie bestimmte Anhänger sind von der Versicherungspflicht befreit, können aber freiwillig versichert werden. - 2. Annahmezwang: Abschluß der vorgeschriebenen KH-Versicherung ausschließlich bei im Inland dazu befugten Kraftfahrtversicherern, die andererseits verpflichtet sind, sie im gesetzlich festgelegten Rahmen zu gewähren. - 3. Versicherungssummen: Mindesthöhen seit 1. 7. 1981 1 000 000 DM für Personenschäden, 400 000 DM für Sachschäden und 40 000 DM für sonstige/reine Vermögensschäden, die weder mittelbar noch unmittelbar mit einem Personen- oder Sachschaden zusammenhängen. Für den Fall der Verletzung mehrerer Personen beträgt die Mindestversicherungssumme für Personenschäden 1 500 000 DM; bei Omnibussen erhöhen sich diese Summen ab 10. Platz entsprechend der im Fahrzeugbrief eingetragenen Anzahl der Sitze und Stehplätze. Höhere Summenkombinationen und Pauschalversicherungssummen (überwiegend verbreitet) und seit 1. 1. 1979 Illimité-Deckung sind möglich. - 4. Beiträge (Prämien): Die Beiträge für KH unterlagen bis zum 29. 7. 1994 dem Preisrecht und waren den einzelnen Versicherern von der zuständigen Aufsichtsbehörde als Unternehmenstarife zu genehmigen. Nunmehr ist die Tarifgenehmigung weggefallen, so daß jeder Versicherer seine Tarife frei festlegen kann. Dementsprechend können von den Versicherern spezifische Vergünstigungen, z. B. für Wenigfahrer, Garagenbesitzer oder Frauen, angeboten werden. - 5. Versicherungsnachweis: a) Nach § 29 a StVZO ist beim zuständigen Straßenverkehrsamt das Bestehen einer dem PflVG entsprechenden KH-Versicherung durch Versicherungsbestätigung (Muster in StVZO vorgeschrieben) eines Kraftfahrzeugversicherers nachzuweisen; wegen der anhängenden Durchschrift für die Amtsantwort wird sie meist Doppelkarte genannt. Die Aushändigung gilt zugleich als vorläufige Deckungszusage. - b) Mopeds/Mofas, Kleinkrafträder und Krankenfahrzeuge mit bauartlich begrenzter Höchstgeschwindigkeit benötigen nach § 29 e StVZO Versicherungskennzeichen und Versicherungsbescheinigung für das jeweils vom 1. März bis Ende Februar laufende Verkehrsjahr; beides geben die Kraftfahrtversicherer aus. - c) Internationaler Versicherungsschutz durch sog. "Grüne Karte"; vgl. Versicherungskarte. - 6. Direktanspruch/Nachhaftung: a) Ein geschädigter Dritter kann seinen Schadensersatzanspruch auf Geldleistung auch unmittelbar gegen den Kraftfahrtversicherer geltend machen (Direktanspruch). Dieser haftet dann mit dem ersatzpflichtigen Versicherten gesamtschuldnerisch. Für die Geltendmachung wie für die Verjährung des Direktanspruchs bestehen nach PflVG Besonderheiten. Der geschädigte Dritte ist - soweit keine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht (z. B. Sozialversicherungsträger) - auch dann geschützt, wenn der Versicherer im Verhältnis zum versicherten Schädiger von der Leistungspflicht frei ist (z. B. Obliegenheitsverletzung, vgl. III 3). - b) Nachdem der Kraftfahrtversicherer dem Straßenverkehrsamt gem. § 29 c StVZO angezeigt hat, daß das Versicherungsverhältnis nicht mehr besteht, währt dessen gesetzliche Leistungspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten für ein Schadenereignis in jedem Falle noch einen Monat (Nachhaftung). - 7. Entschädigungsfonds: Dieser ist ausgestaltet als Anstalt des öffentlichen Rechts; finanziert aus Beiträgen der KH-Versicherer. - Anspruchsvoraussetzungen: Anspruch kann u. a. geltend machen, wer im Geltungsbereich des PflVG durch ein nicht ermittelbares Fahrzeug oder eines ohne Versicherungsschutz oder wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde und die Versicherung des Schädigers nicht zu zahlen braucht, Personen- und Sachschäden erleidet. Entschädigung so, als wäre der Schuldige mit der gesetzlichen Mindestdeckungssumme versichert. Die Verkehrsopferhilfe darf nur dann eintreten, wenn der Geschädigte anderweitig (Privatvermögen des Schädigers, Krankenkasse, Vollkaskoversicherung etc.) keinen Ersatz erhalten kann. - Besonderheiten bei Unfällen mit Fahrerflucht: Schäden am Auto werden nicht ersetzt; bei sonstigen Sachschäden (Kleidung, Ladung, Gepäck) werden die 1000 DM übersteigenden Kosten erstattet. Wurden Personen verletzt oder getötet, zahlt die Verkehrsopferhilfe bis zu 1,5 Mio. DM; Schmerzensgeld nur bei besonders schweren Verletzungen, die zu Dauerschäden führen. - 8. Versicherungspflicht für Ausländer: Ausländische Kfz und Anhänger dürfen im Geltungsbereich des AuslPflVG nur benutzt werden, wenn eine KH-Versicherung mit einem Leistungsumfang nach den AKB besteht. Der Führer des ausländischen Kfz hat eine Versicherungsbescheinigung darüber mitzuführen und insbes. den Grenzzollstellen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen. Diese Versicherungsbescheinigung kann sein eine grüne internationale Versicherungskarte oder ein rosa Grenzversicherungsschein. Das AuslPflVG gilt nicht für Fahrzeuge der alliierten Streitkräfte; für deren Privatfahrzeuge besondere Vorschriften im NATO-Truppenstatut.
III. Versicherungsschutz nach AKB: 1. Versicherte Gefahren: a) Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung: Befriedigung begründeter (d. h. Freistellung) und Abwehr unbegründeter (d. h. Rechtsschutz) Schadensersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (z. B. §§ 823 ff. BGB, § 7 StVG) gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen (insbes. Halter, Eigentümer, Fahrer, Omnibusschaffner) erhoben werden, wenn durch Gebrauch des im Versicherungsschein bezeichneten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen, Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (§ 10 AKB). Im Zivilrechtstreit gegen eine versicherte Person führt der Versicherer den Prozeß. Bestimmte Haftpflichtansprüche sind jedoch von der Versicherung ausgeschlossen (z. B. der Sachschadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen mitversicherte Personen - § 11 AKB). - b) Fahrzeugversicherung (Kaskoversicherung): Entschädigungsleistung bei Schädigung, Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs und seiner unter Verschluß verwahrten oder an ihm befestigten Teile sowie bestimmter Zubehörteile (§ 12 AKB). Die Grenze zwischen Fahrzeugvollversicherung (Vollkaskoversicherung; KFV) und Fahrzeugteilversicherung (Teilkaskoversicherung; KFT) setzt die Schadenursache. Für beide besteht Versicherungsschutz bei Brand, Explosion, Entwendung, unbefugtem Gebrauch durch betriebsfremde Personen, Raub, bestimmten Elementarereignissen, Zusammenstoß mit Haarwild sowie Glasbruch- und Schäden der Verkabelung durch Kurzschluß; bei der KFV-Versicherung außerdem Versicherungsschutz für Schäden am versicherten Fahrzeug bei selbstverschuldeten Unfällen sowie für mut- und böswillige Handlungen betriebsfremder Personen. Grundsätzlich wird ein Sachschaden bis zum Wiederbeschaffungswert ersetzt. Die meisten Versicherer vereinbaren hiervon im Falle des Fahrzeugdiebstahls einen Abschlag von 10%, falls das Fahrzeug nicht mit einer elektronischen Wegfahrsperre ausgerüstet ist. Nur noch ausnahmsweise gewährt wird die sog. Neupreisklausel, wonach der Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Jahren nach Erstzulassung des Fahrzeugs den Neupreis bei dessen Verlust oder Zerstörung erhielt. - c) Kraftfahrtunfallversicherung (auch als Insassenunfallversicherung bezeichnet): Gesundheitsschädigungen im ursächlichen Zusammenhang mit Gebrauch eines versicherten Kfz, die berechtigte Insassen durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig erleiden. Leistung nach den vereinbarten Versicherungssummen für Tod und/oder vorübergehende und/oder dauernde Unfallfolgen (Vereinbarung von Pauschal- oder Platzsystem). - 2. Risikoausschlüsse: In der KH-Versicherung sind verschiedene Haftpflichtansprüche von der Versicherung ausgeschlossen (vgl. oben III 1 a); ferner sind nicht gedeckt behördlich genehmigte Fahrtveranstaltungen, bei denen es auf Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ankommt; für die einzelnen Versicherungsarten finden sich in den AKB spezifische Risikoausschlüsse; allgemein wird in der Fahrzeug- und Kraftfahrtunfallversicherung kein Versicherungsschutz gewährt für Schäden durch Aufruhr, innere Unruhen, Kriegsereignisse, Erdbeben (§ 2 AKB). - 3. Obliegenheiten: a) Der Versicherungsnehmer hat nach den AKB vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls etliche Verhaltensnormen einzuhalten, z. B. vor Versicherungsfall: Verwendung des Fahrzeugs zu dem im Antrag gegebenen Zweck, Fahrer mit vorgeschriebener Fahrerlaubnis; nach Versicherungsfall: Anzeige des Versicherungsfalls, Aufklärung des Sachverhalts (§§ 5, 6 KfzPflVV). - b) Mißachtet bzw. verletzt er diese, so kann der Versicherer unter gewissen Voraussetzungen den Versicherungsschutz versagen oder sich dem Versicherten gegenüber auf Leistungsfreiheit berufen. In der KH bleibt er dem geschädigten Dritten gegenüber grundsätzlich eintritts- bzw. vorleistungspflichtig (§ 3 PflVG). Die Leistungsfreiheit des KH-Versicherers ist allerdings bei Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalls auf 10000 DM, bzw. 5000 DM, bei solchen vor Eintritt des Versicherungsfalls auf 5000 DM beschränkt (§§ 5, 6 KfzPflVV).
IV. Kraftfahrzeugversicherungsvertrag: 1. Versicherungsbeginn: Der Versicherungsschutz beginnt grundsätzlich mit Einlösung des Versicherungsscheins durch Erstbeitragszahlung. In der KH-Versicherung erfolgt regelmäßig vorläufige Deckungszusage durch Aushändigung der Doppelkarte (vgl. oben II 5), die aber rückwirkend außer Kraft tritt, wenn der dem Antrag entsprechende Versicherungsschein schuldhaft nicht innerhalb von 14 Tagen eingelöst wird. Ein Versicherungskennzeichen darf nur gegen Zahlung ausgehändigt werden. - 2. Versicherte Personen: Vertragspartner des Kraftfahrtversicherers ist der Versicherungsnehmer; dessen ungeachtet besteht ein für die einzelnen Versicherungsarten unterschiedlicher Kreis mitversicherter Personen (vgl. oben III 1). In der KH- und in der KU-Versicherung können diese selbst Ansprüche gegen Versicherer geltend machen, sonst nur der Versicherungsnehmer. - 3. Vertragsbeendigung: Sofern bei unterjährigen Verträgen nicht ohnehin zeitliche Begrenzung, beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Vertragsablauf, andernfalls Verlängerung um jeweils ein Jahr. Sonderregelung für Mopeds etc. (vgl. oben II 5). - Außerordentliche Kündigungsrechte nach VVG und gem. AKB, dort insbes. nach Eintritt des Versicherungsfalls, bei Veräußerung des Kfz und bei Tarif- oder Bedingungsänderung (§§ 9a-d AKB). - Vorübergehende Fahrzeugstillegung beendet den Vertrag grundsätzlich nicht; der Versicherungsnehmer kann jedoch ausdrücklich Unterbrechung des Versicherungsschutzes verlangen, dann eingeschränkter Versicherungsschutz für KH und KFT.

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
Kraftrad (Krad)
Kraftwagendichte

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : kalkulatorische Kosten | Kleinpreisgeschäft | Geldvernichtung | Eigentumsaufgabe | Genossenschaftsorgane
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum