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Arbeitsrecht

I. Begriff: Gesamtheit aller Rechtsregeln, die sich mit der unselbständigen, abhängigen Arbeit befassen, d. h. der Arbeit, die von Personen geleistet wird, die in einem Betrieb eingegliedert fremdbestimmte Arbeit leisten und dabei an Weisungen hinsichtlich Art, Ausführung, Ort und Zeit der Arbeit gebunden sind. Stellt gewissermaßen eine explizite Kritik an der kapitalistischen Unternehmensverfassung dar. - Arbeitsrecht ist ein besonderer Teil der Rechtsordnung. Gegenüber Privatrecht und öffentlichem Recht eigenständig; enthält beides, überwiegend Privatrecht.
II. Gliederung: 1. Individuelles A.: Rechtliche Regelung der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und -nehmern. - 2. Kollektives A.: Rechtliche Regelung der Beziehungen zwischen den Zusammenschlüssen von Arbeitgebern und -nehmern, und zwar der Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden (Koalition) oder einzelnen Arbeitgebern sowie zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern, insbes. das Zustandekommen von Gesamtvereinbarungen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung). - Vgl. auch Schlichtung, Arbeitskampf.
III. Rechtsquellen: 1. Allgemeines: Das Arbeitsrecht ist in viele Einzelgesetze (z. B. Betriebsverfassungs-, Kündigungsschutz-, Jugendarbeitsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz) und in Einzelbestimmungen allgemeiner Gesetze (z. B. §§ 611 ff., BGB, §§ 105 ff. GewO) zersplittert (Rechtszersplitterung). Ein zusammenfassendes Arbeitsgesetzbuch existiert nicht. - In weiten Bereichen, u. a. im Recht der Verbände und Arbeitskampfrecht, fehlt es an geschriebenen Rechtssätzen überhaupt. - Aus dem Fehlen einer Kodifikation folgt, daß die maßgebenden Grundsätze nicht im Gesetzesrecht ausgeformt sind; das Arbeitsrecht ist zu einem erheblichen Teil Richterrecht. Die Gerichte für Arbeitssachen (Arbeitsgerichtsbarkeit), insbes. das Bundesarbeitsgericht (BAG), sehen sich zur Schließung von Gesetzeslücken und zur Rechtsfortbildung veranlaßt. - Arbeitsrecht ist zwingendes Recht; abweichende Vereinbarungen sind möglich, wenn diese den Arbeitnehmer günstiger stellen (Günstigkeitsprinzip). - 2. Rangfolge arbeitsrechtlicher Regelungen nach dem Rangprinzip: (1) Gesetz; (2) Tarifvertrag; (3) Betriebsvereinbarung; (4) Arbeitsvertrag; (5) Direktionsrecht. - Im Arbeitsrecht gilt das Rangprinzip nur eingeschränkt; nach dem Günstigkeitsprinzip hat die nach dem Rangprinzip rangniedere Regelung vor der ranghöheren Vorrang, wenn diese einen für den Arbeitnehmer günstigeren Inhalt hat. - Es gelten außerdem das im gesamten Recht gültige Spezialitätsprinzip (gleichrangige, widersprechende Regelungen) und das Ordnungsprinzip (vgl. dort).
IV. Geschichte: 1. Entstehung: Das Arbeitsrecht ist ein verhältnismäßig junges Rechtsgebiet; es wurde in den letzten 150 Jahren, beginnend mit Entstehung der Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung, aus dem spätrömischen und germanischen Recht entwickelt. - 2. Bis 1914: Das Arbeitsvertragsrecht wurde als Mittel privatrechtlicher Vertragsgestaltung innerhalb des freien Wettbewerbs angesehen. - Nach Aufhebung der Zunftverbote über Zusammenschlüsse der Arbeitnehmer (Mitte des 19. Jh.) erfolgte Zusammenschluß der Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber: Beginn von Kollektivvereinbarungen sowie der staatlichen Gesetzgebung und zwar der Sozialversicherungsgesetzgebung, eines Arbeitsschutzes und des Arbeitsgerichtswesens. - 3. 1914 bis 1933: Einengung der Vertragsfreiheit durch Kollektivvereinbarungen und gesetzgeberische Eingriffe, insbes. während des Ersten Weltkrieges. - Infolge der Mitarbeit der Gewerkschaften im Krieg verstärkte Einschaltung der Gewerkschaften in die soziale Selbstverwaltung; Koalitionsfreiheit wird durch Art. 159 WRV verfassungsrechtlich gewährleistetes Grundrecht; Parität zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber. Während des Ersten Weltkrieges gestört. - Nach dem Ersten Weltkrieg scheiterten Versuche der Sozialisierung der Betriebe durch Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten; Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft in den Betrieben durch Betriebsrätegesetz (1920). Streik- und Aussperrungsrecht bleiben bis 1930 unangetastet; Staat als Schlichter. - 4. 1933 bis 1945: Abschaffung des kollektiven A.; Ausschaltung der Gewerkschaften; staatliche Gestaltung durch Tarifordnungen, Betriebsgemeinschaft, Führergrundsatz und Treueverhältnis als Leitideen des A.; Aufbau des Arbeitsschutzrechts. - 5. Nach 1945: Wiederherstellung des kollektiven A.; verfassungsmäßige Anerkennung der Koalitionsfreiheit durch das Grundgesetz (Art. 9 III GG). - Seit Gründung der Bundesrep. D. besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 74 Nr. 12 GG). Bundesrechtliche Ausgestaltung des A., insbes. Tarifvertragsgesetz (1949), Kündigungsschutzgesetz (1951, 1969), Bundesurlaubsgesetz (1963), Betriebsverfassungsgesetz (1952, 1972), Arbeitsgerichtsgesetz (1953), Arbeitszeitgesetz (1994). Erlaß arbeitsrechtlicher Schutzgesetze (Mutterschutz-, Jugendarbeitsschutz-, Heimarbeits-, Schwerbehindertengesetz u. a.) in neuer Form. Einführung der Mitbestimmungsgesetze (Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951; Mitbestimmungsgesetz von 1976); rechtssystematisch nur Arbeitsrecht im weiteren Sinne. - Nach Art. 30 des Einigungsvertrages (BGBl 1990 II 889) ist es Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers, das Arbeitsrecht bald einheitlich neu zu kodifiziern.
IV. Arbeitsrecht auf EG-Ebene: Vgl. Europäisches Arbeitsrecht.

 

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