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Einigungsvertrag
I. Begriff/Charakterisierung: Vertrag zwischen der Bundesrep. D. und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. 8. 1990 (BGBI II 889). Mit dem E., dem der Bundestag mit Vertragsgesetz vom 23. 9. 1990 (BGBI II 885) zugestimmt hat und der am 29. 9. 1990 in Kraft getreten ist (BGBl II 1360), ist die Einheit Deutschlands wiederhergestellt worden. Der Einigungsvertrag regelt im wesentlichen die Auswirkungen des von der Volkskammer der DDR am 23. 8. 1990 beschlossenen Beitritts der DDR zur Bundesrep. D. nach Art. 23 a. F. des Grundgesetzes zum 3. 10. 1990. Der Einigungsvertrag ist die Grundlage für die Rechtsangleichung zwischen der früheren Bundesrep. D. und dem sog. Beitrittsgebiet (vgl. Art. 3 des Einigungsvertrages), d. h. dem Gebiet der alten DDR. Die Rechtsangleichung wird nach dem Einigungsvertrag in der Weise vollzogen, daß das Bundesrecht mit beitrittsbedingten Einschränkungen (sog. Maßgaben) generell übergeleitet wird und ausnahmsweise die Fortgeltung von DDR- Recht angeordnet wird. Im Zuge der Herstellung der Einheit Deutschlands stellt der Einigungsvertrag die Kernregelung eines komplexen rechtlichen Vorgangs dar, zu dem u. a. noch die folgenden, zum Teil vorgelagerten, zum Teil flankierenden, vertraglichen und gesetzlichen Regelungen gehören: (1) Der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrep. D. und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. 5. 1990 (BGBI II 537), der zum 1. 7. 1990 in Kraft getreten ist und der durch den Einigungsvertrag weitgehend gegenstandslos geworden ist. Er gilt jedoch fort, soweit im Einigungsvertrag nicht Abweichendes bestimmt wird oder soweit die Vereinbarungen im Zuge der Herstellung der Einheit nicht gegenstandslos geworden sind (vgl. Art 40 I des Einigungsvertrages); (2) der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. 9. 1990 (BGBI II 1318) (sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die außenpolitische Basis des Einigungsvertrages bildet); (3) die EG-Recht-Überleitungsverordnung vom 28. 9. 1990 (BGBI I 2117), mit der das Recht der Europäischen Gemeinschaften auf das Beitrittsgebiet übergeleitet wird. - Der Einigungsvertrag besteht aus der Präambel, 45 Artikeln und einem klarstellenden Protokoll zu einzelnen Regelungen des Vertrages sowie aus drei Anlagen und der Zusatzvereinbarung vom 18. 9. 1990. Anlage I enthält besondere Bestimmungen zur Überleitung von Bundesrecht, Anlage II besondere Bestimmungen für die Fortgeltung von Recht der DDR und Anlage III die gemeinsame Erklärung der beiden Regierungen vom 15. 6. 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen. Die Zusatzvereinbarung enthält u. a. Erklärungen zur Behandlung der Stasi-Akten. Die neun Kapitel des eigentlichen Vertragstextes enthalten die Wirkungen des Beitritts, die beitrittsbedingten Änderungen des Grundgesetzes, die Rechtsangleichung, das Schicksal der völkerrechtlichen Verträge, die öffentliche Verwaltung und die Rechtspflege, das öffentliche Vermögen und die öffentlichen Schulden, Regelungen über Arbeit, Soziales, Familie, Frauen, Gesundheitswesen und Umweltschutz, ferner Kultur, Bildung und Wissenschaft, Sport, sowie Übergangs- und Schlußbestimmungen. Die eigentlichen Detailregelungen des Vertrages finden sich in den umfangreichen Anlagen I und II, in denen die anzugleichenden Rechtsmaterien entsprechend der Zuständigkeit nach den Geschäftsbereichen der jeweiligen Bundesminister aufgeteilt sind.
II. Wesentlicher Inhalt: Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrep. D. nach Art. 23 GG am 3. 10. 1990 sind die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder der Bundesrep. D. geworden. Hauptstadt der Bundesrep. D. ist Berlin. Die 23 Bezirke von Berlin bilden das Land Berlin. Der 3. Oktober wird als der Tag der Deutschen Einheit gesetzlicher Feiertag. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrep. D. im Beitrittsgebiet in Kraft, soweit der Einigungsvertrag nichts Anderes bestimmt. Als beitrittsbedingte Änderung des Grundgesetzes wird u. a. die Stimmenverteilung im Bundesrat neu geregelt. Danach hat jedes Land mindestens 3 Stimmen, Länder mit mehr als 2 Mio. Einwohnern haben 4, Länder mit mehr als 6 Mio. Einwohnern 5, Länder mit mehr als 7 Mio. Einwohnern 6 Stimmen. Längstens bis zum 31. 12. 1992 bzw. nach näherer Maßgabe bis zum 31. 12. 1995 kann Recht im Beitrittsgebiet vom Grundgesetz abweichen, soweit und solange infolge der unterschiedlichen Verhältnisse die völlige Anpassung an die grundgesetzliche Ordnung noch nicht erreicht werden kann. Art. 5 enthält eine Empfehlung an die gesetzgebenden Körperschaften, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen, vgl. Grundgesetz. Art. 7 enthält Regelungen zur Finanzverfassung, insbes. zur Verteilung des Steueraufkommens auf den Bund und die neuen Bundesländer. Zur Rechtsangleichung wird im Kapitel III bestimmt, daß mit dem Wirksamwerden des Beitritts in den neuen Bundesländern Bundesrecht in Kraft tritt, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrep. D. beschränkt ist oder soweit durch den Einigungsvertrag nicht anderes bestimmt wird. Das Recht der Deutschen Demokratischen Republik gilt als Landesrecht oder Bundesrecht fort, soweit es mit dem Grundgesetz, mit dem in den neuen Bundesländern in Kraft gesetzten Bundesrecht, dem unmittelbar geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften vereinbar ist und soweit im Einigungsvertrag nichts anderes bestimmt wird. Im Beitrittsgebiet gelten die Verträge über die Europäischen Gemeinschaften nebst Änderungen und Ergänzungen sowie die internationalen Vereinbarungen, Verträge und Beschlüsse, die in Verbindung mit diesen Verträgen in Kraft getreten sind. Die völkerrechtlichen Verträge und Vereinbarungen der Bundesrep. D. gelten fort. Die völkerrechtlichen Verträge der Deutschen Demokratischen Republik werden mit den Vertragspartnern erörtert, um ihre Fortgeltung, Anpassung oder ihr Erlöschen zu regeln bzw. festzustellen. Verwaltungsorgane und sonstige öffentliche Verwaltung oder Rechtspflege dienende Einrichtungen im Beitrittsgebiet unterstehen der Regierung des Landes, in dem sie örtlich gelegen sind. Einrichtungen mit länderübergreifendem Wirkungskreis gehen in die gemeinsame Trägerschaft der betroffenen Länder über. Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Entscheidungen der Gerichte oder Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben grundsätzlich wirksam. Das Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, wird Bundesvermögen, sofern es nicht überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden und sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen sind. Mit dem Wirksamwerden des Beitritts wird die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufene Gesamtverschuldung des Republikhaushalts der DDR von einem nicht rechtsfähigen Sondervermögen des Bundes übernommen, das die Schuldendienstverpflichtungen erfüllt. Die Treuhandanstalt bleibt beauftragt, die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Sie wird rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Post werden zu Sondervermögen der Bundesrep. D. Das Sondervermögen Deutsche Post wird mit dem Sondervermögen Deutsche Bundespost vereinigt. Die Gemeinsame Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. 6. 1990 wird zum Bestandteil des Einigungsvertrag erklärt (Anlage III). Darin wird der Grundsatz des Vorrangs der Rückgabe vor der Entschädigung bekräftigt. Einschränkend wird festgelegt, daß eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken oder Gebäuden dann nicht stattfindet, wenn das betroffene Grundstück oder Gebäude für dringende, näher festzulegende Investitionszwecke benötigt wird, insbes. der Errichtung einer gewerblichen Betriebsstätte dient und die Verwirklichung dieser Investitionsentscheidung volkswirtschaftlich förderungswürdig ist, vor allem Arbeitsplätze schafft oder sichert. Der Investor hat einen die wesentlichen Merkmale des Vorhabens aufzeigenden Plan vorzulegen und sich zur Durchführung des Vorhabens auf dieser Basis zu verpflichten. In diesem Gesetz ist auch die Entschädigung des früheren Eigentümers zu regeln (Art. 41 II des E.).
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