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Arbeitskampf
I. Begriff: Die von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite aufgrund eines Kampfbeschlusses vorgenommene Störung des Arbeitsablaufs zu dem Zweck, durch gemeinsame (kollektive) Maßnahmen die andere Seite absichtlich unter wirtschaftlichen Druck zu setzen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
II. Gesetzliche Regelung: Der Arbeitskampf ist gesetzlich nicht geregelt. Der Begriff Arbeitskampf findet sich, ohne definiert oder geregelt zu werden, in einigen Bundesgesetzen (vgl. §§ 2 I Nr. 2 ArbGG, § 74 II BetrVG, § 116 AFG; vgl. auch § 25 KSchG, § 18 VII SchwbG). Der Streik als Mittel des Arbeitskampf wird in mehreren Länderverfassungen erwähnt.
III. Rechtmäßigkeit: Ob das Recht der Koalitionen, zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bei Tarifkonflikten einen Arbeitskampf gegen den sozialen Gegenspieler zu führen, verfassungsrechtlich (Art. 9 III GG) gewährleistet ist, ist für die Aussperrung umstritten. Der Arbeitskampf ist in der freiheitlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung der Bundesrep. D. ein fester Bestandteil des kollektiven Arbeitsrechts und insbes. der Tarifautonomie. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das A.-Recht notwendiger Teil eines funktionierenden Tarifvertragssystems; es gewährleistet das erforderliche Verhandlungsgleichgewicht der sozialen Gegenspieler. Der Arbeitskampf wird i. d. R. dann geführt, nachdem Tarifvertragsverhandlungen und ein daran anschließendes Schlichtungsverfahren (Schlichtung) ohne Ergebnis geblieben sind. - Die nähere Ausgestaltung des Arbeitskampf beruht überwiegend auf Richterrecht; v. a. das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat eine Reihe von Kampfregeln entwickelt, die nicht unumstritten sind (Streik, Aussperrung).
IV. Erscheinungsformen: Mittel des Arbeitskampf (im wesentlichen): a) Streik bzw. Ausstand; b) Aussperrung; c) Boykott. Vgl. näher dort.
V. Arbeitskampf und Arbeitsverhältnis: 1. Kampfmaßnahmen im Rahmen eines rechtmäßigen Arbeitskampf führen nicht zu einer Verletzung des Arbeitsvertrags. Nach der Rechtsprechung werden für die Streik- bzw. Aussperrungsdauer die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis lediglich suspendiert; nach Beendigung des Arbeitskampf leben sie wieder auf. - Ob der Arbeitgeber eines nichtumkämpften Betriebs von der Beschäftigungs- und Lohnzahlungspflicht befreit ist, wenn er Arbeitseinstellungen oder -verkürzungen infolge eines Arbeitskampf in anderen Betrieben vornimmt, hängt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ab, ob sich das Fortbestehen dieser Pflichten auf die Verhandlungsstärke der kampfführenden Verbände auswirkt. Eine derartige Beeinflussung ist dann anzunehmen, wenn umkämpfter und mittelbar betroffener Betrieb koalitionspolitisch verbunden sind, d. h. demselben kampfführenden Verband angehören oder diesem organisatorisch eng verbunden sind. - 2. Folgen der Kampfmaßnahmen im Rahmen eines rechtswidrigen A.: Vgl. Streik IV 2, Aussperrung III 2, Boykott II 3.
VI. Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit im A.: Am 24. 5. 1986 ist die heftig umstrittene Neuregelung des § 116 AFG in Kraft getreten (Gesetz vom 15. 5. 1986, BGBl I 740). Schwerpunkte des Gesetzes: (1) Neuordnung des Ruhens der Leistungsansprüche mittelbar vom Arbeitskampf betroffener Arbeitnehmer; (2) Schaffung eines Neutralitätsausschusses; (3) Vorkehrungen gegen den Mißbrauch der Ruhensbestimmungen durch einzelne Arbeitgeber. Nach neun Jahren Verfahrensdauer hat das Bundesverfassungsgericht am 4. 7. 1995 die Verfassungsbeschwerde der IG Metall sowie Normenkontrollanträge der Länder NRW, Hamburg, Bremen und Saarland und von 202 SPD-Abgeordneten zurückgewiesen und die Änderung von § 116 AFG von 1986 (zunächst) nicht als Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie des Grundgesetzes beurteilt. Zwar werde durch die erweiterte Verpflichtung der Bundesanstalt für Arbeit zur Neutralität die Kampffähigkeit der Gewerkschaften beeinträchtigt, doch sei darin noch kein verfassungswidriger Eingriff in die Rechte der Gewerkschaften zu erkennen. Käme es zu einer nachhaltigen Störung der Arbeitskampfparität, wäre die Rechtsprechung zur Abwehraussperrung und zur Anwendung des § 116 AFG in konkreten Fällen zu ändern. Seit Jahrzehnten gehen in Deutschland nahezu keine Arbeitsstunden durch Arbeitskämpfe verloren. Diesen großen Standortvorteil, die Tarifautonomie und die Konsensorientierung der Tarif- und der Betriebsparteien (z. B. VW-Modell, Bündnis für Arbeit) gilt es zu erhalten.
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