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Länderrating

Länderanalyse, Länderrisikoanalyse, country rating.
I. Charakterisierung: 1. Begriff: (Überwiegend) strategisch ausgerichtete Früherkennungssysteme hinsichtlich der sich für einen Auslandsmarkt ergebenden Chancen und Risiken, ausgelöst insbes. durch politische Ereignisse und soziale, ökonomische und rechtliche Entwicklungen. - 2. Konzepte: In der Literatur und in der Praxis finden sich einige Ansätze zu diesem Problembereich. In II. werden vier interessante Einzelkonzepte vorgestellt. - 3. Zweck: Frühzeitiges Aufzeigen der sich - nach Einschätzungen von Experten aufgrund voraussichtlicher, meist längerfristiger Entwicklungen maßgeblicher Rahmenbedingungen - für einzelne Auslandsmärkte ergebenden Handlungsvoraussetzungen - im Vergleich mit a) anderen Ländern (Rangskala) und b) vorangegangenen Länderrating Hierdurch sollen der Praxis Orientierungshilfen gegeben werden, um sich rechtzeitig auf die für einzelne Länder absehbaren generellen Entwicklungen einstellen zu können. - 4. Anwendungsmöglichkeiten durch die Praxis: Länderrating können in bezug auf voraussichtliche Änderungen relevanter Rahmenbedingungen für einzelne Auslandsmärkte lediglich sehr globale Chancen-Risiko-Hinweise geben, die es dann - mit speziellem Bezug auf Branche, Unternehmenssituation, Beziehungen zu dem jeweiligen Auslandsmarkt etc. - durch das einzelne Unternehmen in geeignete Maßnahmen umzusetzen gilt. Länderrating liefern der Praxis wichtige Basis-Informationen (Orientierungshilfen) für a) Selektion von (zusätzlichen) Auslandsmärkten (Praeselektion) und b) Beurteilung aktueller Auslandsmärkte im Hinblick auf die Art und Weise eines künftigen Engagements (siehe hierzu III).
II. Einzelkonzepte: 1. "mm - Ländertest": Vom "manager magazin" in Zusammenarbeit mit dem Institut zur Erforschung technologischer Entwicklungslinien (ITE) in Hamburg entwickeltes Konzept, das auf der Idee der Expertenbefragung basiert. 1980 erstmals, 1981 und 1982 erneut durchgeführt (im folgenden wird der 1982 durchgeführte Ländertest dargestellt). - An der Expertenbefragung nahmen teil: Deutscher Industrie- und Handelstag (DIHT) mit 33 Auslandshandelskammern; drei Banken; 17 Industrieunternehmen; zwei Speditionen; drei Länderinstitute bzw. -vereine. Zu beurteilen waren 53 Länder nach 30 ausgewählten Kriterien hinsichtlich ökonomischer, rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen sowie hinsichtlich politischer Risiken. Für jedes Kriterium wurde eine Höchst- und Mindestpunktzahl zur (subjektiven) Vorgewichtung der einzelnen, dem Ländertest zugrunde liegenden (= vorgegebenen) Merkmale (vgl. Abbildung "Länderrating-mm-Ländertest"). - Die wichtigsten Kriterien zur Länderbeurteilung, die innerhalb der drei unterschiedenen Teilscores (Subindices) angeführt werden können, sind in der Tabelle dargestellt. - 2. BERI (Business Environment Risk Information): Die BERI S.A. (Genf) bietet drei spezielle Informationsdienste an: (1) BRS - Business Risk Service (vormals BERI-Index); (2) CFR - Country Forecast Report (detaillierte, mehrseitige Informationsreporte); (3) Forelend - Forecast of Country Risk for International Lenders (speziell für Banken und sonstige Kreditgeber bzw. Großanleger gedacht). Im folgenden wird BRS näher dargestellt. - Es handelt sich um ein Panel, in das ein ständiges Gremium von rd. 100 internationalen Experten mit Ländererfahrung und -kontakten einbezogen wird. Beurteilt werden dreimal im Jahr die politischen und wirtschaftlichen Risiken von ca. 50 Ländern. Im Zentrum dieses Panels mit einem relativ hohen Aktualitätsgrad steht das Investitionsklima für Ausländer in bestimmten Auslandsmärkten. Zugleich lassen sich hieraus aber auch strategische Anhaltspunkte für andere Betätigungsmöglichkeiten auf Auslandsmärkten gewinnen. Die Beurteilung der 15 vorgegebenen Kriterien, die - bis auf Lohnkosten und Produktivität - die Inhalte des mm-Merkmalkataloges widerspiegeln, erfolgt für jedes Land mittels der Noten 4 (sehr günstig) bis 0 (unerträglich). Kritikpunkte: Bezüglich der Gewichtung müssen allerdings Bedenken angemeldet werden, da der politischen Stabilität mit einem Anteil von 12% an der Gesamtgewichtung eindeutig der Vorrang eingeräumt wird. Andere Kriterien, wie z. B. Verfügbarkeit von Experten und Dienstleistungen (2%), stehen im Hintergrund. Die politische Stabilität des Gastlandes ist in praxi wohl als ein wesentliches Motiv für Direktinvestitionen zu werten: Absatz- und Marktzielen muß erfahrungsgemäß jedoch ein (wesentlich) größerer Stellenwert eingeräumt werden. Außerdem haben spezielle Untersuchungen gezeigt, daß im Falle von Direktinvestitionen die Schwierigkeiten nach der Aufbauphase eine Umstrukturierung erfahren, denen (mehr) Rechnung getragen werden müßte. - 3. Länderrating des "Institutional Investor" und von "Euromoney": a) Länderrating des "Institutional Investor": Im Rahmen des durch den "Institutional Investor" (US-Monatsmagazin) durchgeführten Länderrating werden von ca. 100 im internationalen Geschäft tätigen Banken mehr als 100 Länder zweimal jährlich in bezug auf das dort gegebene Kreditrisiko beurteilt. Hierbei wird eine Skala zugrunde gelegt, die von 0 (Kreditrisiko ist nicht akzeptabel) bis 100 (keinerlei Kreditrisiko) geht. Die Einzelantworten werden, nach einem nicht bekannten Schlüssel gewichtet, zu einem Gesamtscore (Risiko-Index) aggregiert (I.I.-Index); b) Länderrating des "Euromoney": "Euromoney" (Fachzeitschrift in Großbritannien) benutzt eine gänzlich andere Methode, um einzelne Länder einmal im Jahr zu beurteilen. Mit dem Ziel der Erstellung einer Länderrangliste nach dem dortigen Kreditrisiko werden die Konditionen analysiert, die öffentlichen und privaten Kreditnachfragern mit staatlichen Bürgschaften durch Banken eingeräumt werden. Man geht bei der Ermittlung des Euromoney-Index (E.-Index) davon aus, daß sich die spezifische Einschätzung des mit der Kreditvergabe an ein bestimmtes Land verbundenen Risikos in den Konditionen niederschlägt. Die Übereinstimmung des mm-Index mit den beiden Spezial-Indices für das Kreditrisiko (I.I.- und E.-Index) ist sehr hoch; es ergab sich zwischen mm-Index und I.I.-Index eine höhere Korrelation (r = 0,88) als zwischen I.I.-Index und E.-Index (r = 0,83).
III. Fazit: Betrachten wir die Länderrating als Verfahren der außerbetrieblichen Informationsgewinnung in bezug auf Risikosituation und -tendenzen in einzelnen Auslandsmärkten unter den Aspekten einzelbetrieblicher Anwendbarkeit, läßt sich folgendes feststellen: a) Alle betrachteten Methoden liefern relativ gute Informationen über die in einzelnen Ländern anzutreffenden und nach Expertenmeinung künftig zu erwartenden Rahmenbedingungen und Handlungsgrundlagen. b) Die Ergebnisse der einzelnen Länderrating weisen unterschiedliche Aggregationsgrade auf: (1) als Gesamtscore, ohne daß der Weg zur Ermittlung des Resultats transparent gemacht wird (I.I.-/E.-Index); (2) als Gesamtscore, das in Teilscores (Subindices) strukturiert ist, die nachvollziehbar aus einzelbeurteilten und -gewichteten Kriterien gebildet werden. c) Die für ein Unternehmen als Sekundär-Material der Auslandsmarktforschung nutzbaren Länderdaten beinhalten zweifellos nützliche Früherkennungsinformationen. Diese sind aber zu generell und weisen keine branchenspezifischen Züge auf (fehlende Operationalität). d) In einzelnen Ländern wurden in der Vergangenheit die Aktivitäten ausländischer Unternehmen systematisch erschwert, be- oder gar verhindert; starke politische Umwälzungen führten z. T. (z. B. im Iran) zu keiner Drosselung des Außenhandels, sondern lediglich zu einer Umstrukturierung. Die Früherkennungsindizes sagten darüber allerdings nichts aus. e) Die beiden ersten L.-Verfahren, die betrachtet wurden (mm-Ländertest und BERI-Index), zeigen Auslandsmärkte auf, die in Zukunft insgesamt, also ohne spezielle Branchengewichtung, wirtschaftlich besonders (un)attraktiv sind, und sichern alle Ergebnisse durch eine Risikobeurteilung ab. In eine Gesamtbewertung gehen demzufolge meist mit einer höheren Gewichtung der politischen Stabilität (BERI-Index) ökonomische und politische Wertungen ein. Hierdurch kann ein Land in der Rangskala nach hinten ge(d)rückt werden, das für einzelne Unternehmen wirtschaftlich sehr attraktiv wäre bzw. ist (Beispiel: Frankreich, VR China und Taiwan) und umgekehrt (Beispiel: Schweiz, Österreich, Luxemburg). - 2. Schlußfolgerung: Unternehmen sollten versuchen, selbst ein außerbetriebliches Früherkennungssystem in bezug auf einzelne bestehende Auslandsmärkte zu errichten. Hierbei müßten insbes. die folgenden Bestimmungsfaktoren und Voraussetzungen Beachtung finden: a) Aktuelle Bedeutung und künftiger Stellenwert des betreffenden Auslandsmarktes: Welche Gefährdung stellte z. B. eine Umsatzeinbuße für das Gesamtunternehmen dar? b) Art und Form der Betätigung auf dem betreffenden Auslandsmarkt: Je nachdem, in welcher Art und Form die Betätigung auf einem bestimmten Auslandsmarkt bisher erfolgt ist, ergeben sich hieraus unterschiedliche Gefährdungspunkte und -möglichkeiten. So wird z. B. ein Unternehmen, das im Ausland produziert bzw. Fertigteile montiert, von einer Enteignungsgefahr bzw. von Streiks oder sonstigen sozialen Unruhen stärker getroffen und zu Gegenmaßnahmen gezwungen werden, als dies bei einem Unternehmen der Fall ist, das lediglich über Exporteure im Stammland bzw. über Importeure im Käuferland oder Drittland auf diesem Auslandsmarkt tätig ist. c) Kontaktmöglichkeiten mit Experten (In-/Ausland): In diesem Zusammenhang geht es insbes. um regelmäßige, aktuelle und sachlich fundierte Informationen mit eindeutigem Bezug auf den Branchenmarkt sowie auf die spezielle Problemstruktur einer Unternehmung in Verbindung mit der aktuellen bzw. angestrebten Betätigung auf einem konkreten Auslandsmarkt. Die regelmäßige Beurteilung von Situation und Entwicklungstendenzen für die für eine Unternehmung besonders interessanten Beobachtungsbereiche sollte bzw. könnte durch Experten erfolgen, die im Stammland, Käuferland und/oder in Drittländern ansässig sind. d) Kosten-/Nutzen-Aspekte: Dem Nutzen, den man aus den Direktinformationen im Zuge der Früherkennung von Marktchancen und -bedrohungen ziehen könnte, stehen die damit verbundenen Kosten gegenüber. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, eine zwischenbetriebliche Kooperation mit Unternehmen aus dem eigenen Lande bzw. aus Drittländern anzustreben. Hier ergäbe sich auch ein sehr guter Ansatzpunkt für einzelne Fachverbände im Hinblick auf die Verbesserung der Serviceleistungen für Mitgliedsunternehmen - evtl. in Zusammenarbeit mit IHK, AHK, BfAI.


Literatur: Dichtl, E. u. a., Risikobewertung im Auslandsgeschäft - Eine empirische Analyse des mm-Ländertests, in: GFK-Nürnberg (Hrsg.), Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 3/84, S. 208 ff.; ders./Kögelmeyer, H. G., Country Risk Ratings, in: Management International Review, Vol. 26, 4/86; Hake, B., Der BERI-Index - Ein Hilfsmittel zur Beurteilung des wirtschaftlichen Risikos von Auslandsinvestitionen, in: Lück, W./Trommsdorff, V. (Hrsg.), Internationalisierung der Unternehmung, Berlin 1982, S. 463 ff.; Haner, F. T., Rating Investment Risks Abroad, in: Business Horizons, 1/71, S. 18 ff.; Jaegler, F. T. u. a. mm-Ländertest-Radar für Auslandsrisiken, in: manager magazin, 1/1981; ders., mm-Ländertest-Wegweiser für den Weltmarkt, in: manager magazin 1/82; ders., mm-Ländertest - Risikokompaß, in: manager magazin, 1/83, S. 18 ff; Kystek, U./Walldorf, E., Früherkennungssysteme in bezug auf Marktchancen und Marktbedrohungen auf Auslandsmärkten, in: Kumar/Hausmann (Hrsg): Handbuch der Internationalen Unternehmenstätigkeit, München 1992; Meffert, H./Althans, J., Internationales Marketing, Stuttgart 1982; Tümpen, U., Strategische Frühwarnsysteme für politische Auslandsrisiken, Wiesbaden 1987; Walldorf E. G., Auslandsmarketing, Wiesbaden 1997 (in Vorbereitung).

 

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