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Innere Kündigung
Innere Emigration.
Innere Kündigung Begriff/Bedeutung: 1. Begriff: stille mentale Verweigerung engagierter Leistung des Mitarbeiters. Innere Kündigung K. vollzieht sich als lautloser Prozeß, ist deshalb auch für Vorgesetzte und Unternehmensführung nur schwer zu erkennen und einzudämmen (Gross, 1992). Erstmals im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff der Innere Kündigung K. von Reinhard Höhn (1983) und seiner Bad Harzburger Schule geprägt. In der von dort stammenden Begriffsausdeutung kennzeichnet Innere Kündigung K. den bewußten Verzicht auf Eigeninitiative und Engagement eines Mitarbeiters. Er will zwar seine Stellung behalten (keine "äußere Kündigung" als offizielle und rechtlich wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Kündigung), beabsichtigt aber, sich aufgrund der von ihm als frustrierend empfundenen Arbeitssituation in keiner Weise - über ein minimal erforderliches Maß zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen gegen ihn hinaus - zu engagieren. - 2. Bedeutung: Durch Innere Kündigung K. werden letztendlich alle zentralen Erfolgsfaktoren der Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmungen betroffen. Dies sind insbes. Zeit, Innovation, Qualität und Kosten. Gerade in Zeiten drastischer Personalreduzierungskampagnen, in denen die verbleibende Arbeitsleistung auf immer weniger Mitarbeiter zu verteilen ist, kommt der engagierten Leistung des Einzelnen besondere Bedeutung zu. Wir diese durch Innere Kündigung K. gemindert, so trägt dies faktisch zu einer weiteren Verknappung der ohnehin schon durch Rationalisierungsprogramme verknappten "Ressource Mensch" als dem wichtigsten Erfolgspotential der Unternehmung bei. Die naheliegende Annahme, Innere Emigranten (Mitarbeiter in Stadien Innere Kündigung K.) würden als erste von Personalfreisetzungmaßnahmen betroffen, erweist sich meist als Irrtum: Zu den vielen Facetten des Phänomens der Innere Kündigung K. gehört gerade die Fähigkeit und Notwendigkeit Innerer Emigranten, ihre mangelnde Leistungsbereitschaft durch Wohlverhalten fast perfekt zu tarnen, um sich so vor einer äußeren Kündigung zu schützen. Insgesamt wird die Innere Kündigung K. nach übereinstimmendem Urteil von Experten aus Theorie und Praxis als permanentes Problem von zunehmender Bedeutung anerkannt.
IInnere Kündigung Ausmaß: Über das tatsächliche Ausmaß Innere Kündigung K. (Anzahl der von Innere Kündigung K. betroffenen Mitarbeiter pro Unternehmung) lagen bislang nur Schätzungen in einer Bandbreite zwischen 5% und 80% vor. Die erste empirische Untersuchung zu diesem Thema (Krystek/Becherer/Deichelmann) aus dem Jahre 1994, an der sich rund 100 Unternehmungen unterschiedlicher Größe und Branche beteiligten, kommt zu dem Ergebnis, daß sich durchschnittlich 24% der Mitarbeiter in deutschen Unternehmungen im Zustand der Innere Kündigung K. befinden. Aussagen dieser Untersuchungen werden bei der nachfolgenden Betrachtung von Indikatoren und Ursachen sowie Maßnahmen gegen die Innere Kündigung K. herangezogen. - Von besonderer Bedeutung erscheint die erheblich unterschiedliche Einschätzung der Innere Kündigung K. (innerhalb der eigenen Unternehmung) auf einzelnen Hierarchieebenen, die zu der in der Abbildung "Innere Kündigung" dargestellten Pyramide führt.
IIInnere Kündigung Indikatoren/Ursachen: Für die wirkungsvolle Bekämpfung, zumindest aber für eine Begrenzung der Ausbreitung Innere Kündigung K. ist ein frühzeitiges Erkennen dieses Phänomens durch Indikatoren sowie eine Klärung seiner Ursachen unabdingbar. - 1. Indikatoren: Als häufigste Indikatoren Innere Kündigung K. auf Unternehmungsebene gelten (in der Reihenfolge ihrer geschätzten Bedeutung): häufigere Fehlzeiten, steigende Krankenstände, Vernachlässigung freiwilliger Fortbildungsmaßnahmen, Verringerung des Qualitätsniveaus, Verschlechterung von Produktivitätskennzahlen, Verlängerung der Bearbeitungszeiten, häufigere Kundenreklamationen. Am Ende der Kette relevanter Indikatoren Innere Kündigung K. stehen Indikatoren wie: "Leeres Schwarzes Brett" als ungenutzte betriebliche Kommunikationsmöglichkeit sowie "Unmutsäußerungen und Schmierereien in Sozialräumen". - 2. Ursachenschwerpunkte: Innere Kündigung K. entsteht aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren. Bereits die unterschiedlichen Erscheinungsformen Innere Kündigung K. deuten darauf hin, daß es sich offenbar um ein multikausales Phänomen handelt. Es beginnt beim betroffenen Individuum selbst und reicht weit über den innerbetrieblichen Kontext hinaus, bis hin in die gesellschaftliche Sphäre. Vereinfachend lassen sich folgende Ebenen der Entstehung und Ausbreitung Innere Kündigung K. nennen, die als Hauptursachenbereiche angesehen werden können: Individuum (Persönlichkeit der/des Betroffenen), Arbeitsumfeld (Vorgesetzter/Arbeitsgruppe), Unternehmung (insgesamt), Gesellschaft. Der Beitrag der einzelnen Hauptursachenbereiche an der Entstehung und Ausbreitung des Prozesses der Innere Kündigung K. ist unterschiedlich. - a) Vorgesetzter: Mit deutlichem Abstand stehen Fehler im Führungsverhalten des Vorgesetzten an der Spitze der ermittelten Ursachenschwerpunkte. Das Führungsverhalten des Vorgesetzten entspricht dabei einer Art Generalnenner für eine Mehrzahl definierter Einzelursachen in den Beziehungen zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. An erster Stelle rangiert ein ungenügender Informationsfluß zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, gefolgt von Entscheidungen über den Kopf des Mitarbeiters hinweg und einer mangelnden Diskussionsbereitschaft des Vorgesetzten. Als weitere wichtige Dysfunktionalitäten in diesem Ursachenfeld gelten: Mißbrauch von Informationen als Machtinstrument sowie Entscheidungen des Vorgesetzten entgegen Absprachen mit dem Mitarbeiter, ungleiche Verteilung von Lob und Tadel sowie die Verantwortung für Erfolg und Mißerfolg, verletzende und einseitig negative Beurteilungen, zuviel und zu detaillierte Fremdkontrolle. Alle diese Einzelursachen für Innere Kündigung K. weisen nach dem Urteil der Praxis eine besonders hohe Relevanz aus und profilieren insgesamt Fehler im Führungsverhalten des Vorgesetzten zu dem dominanten Ursachenkomplex für Innere Kündigung K. schlechthin. Damit wird zugleich auch verständlich, warum das Ausmaß Innere Kündigung K. in Großunternehmungen nicht - wie häufig angenommen - um ein Vielfaches größer ist als in kleinen und mittelgroßen Unternehmungen: Eine der Hauptquellen Innerer Emigration liegt offenbar im unmittelbaren Umfeld des Mitarbeiters. - b) Gesamtunternehmung: An zweiter Stelle der Ursachenschwerpunkte folgen Ursachen in dem Bereich der Gesamtunternehmung. Hier sind es im einzelnen die Unfähigkeit der Unternehmungspolitik, dem Mitarbeiter die Sinnhaftigkeit seines Handelns zu vermitteln sowie starre und bürokratische Organisations- und Führungsstukturen. Als bedeutsam gelten hier weiterhin das mangelnde Angebot an Freiräumen zur Kreativitätsentfaltung, die unbefriedigende Gestaltung und Abstimmung einzelner Arbeitsbedingungen sowie die fehlende Vorbildfunktion des Topmanagments und die fehlende Transparenz der Unternehmungszusammenhänge. - c) Arbeitsgruppe: Die Ebene der Arbeitsgruppe als Hauptursachenbereich Innere Kündigung K. folgt in der Beurteilung der Praxis fast gleichauf mit derjenigen der Gesamtunternehmung. Interessanterweise ist hier es wieder die Führungskraft, genauer deren Unfähigkeit, Gruppenkonflikte zu erkennen und zu lösen, die an der Spitze der Einzelursachen innerhalb dieser Ebene steht und ihren Gipfel in unterschiedlichsten Formen des Mobbing findet. - d) Individuum und Gesellschaft: Deutlich dahinter rangieren nach den Umfrageergebnissen erst die Ebenen des privaten/persönlichen Bereichs (Sphäre des Individuums) sowie derjenige der Gesellschaft. Dies legt den Schluß nahe, daß Innere Kündigung K. schwerpunktmäßig weder eine in der Persönlichkeit des Inneren Emigranten angelegte Eigenschaft ist, noch durch die heutzutage oftmals als Ursache von Mißständen gebrandmarkte Gesellschaft und deren Umbrüche erzwungen wird.
IV. Wirkungen: Obwohl sich das generelle Interesse am Themenkomplex der Innere Kündigung K. verständlicherweise auf die von ihr ausgehenden Wirkungen konzentriert, bestehen gerade hier besondere Schwierigkeiten der Darstellung. Dies liegt hauptsächlich an der mangelnden Quantifizierbarkeit ihrer destruktiven Effekte, beginnend mit der Ebene der Betroffenen, bis hin zu gesamtwirtschaftlichen Wirkungen Innere Kündigung K. Zwar existieren Statistiken über die Entwicklung einzelner Indikatoren, die auf Innere Emigration hindeuten (wie z. B. über Fehlzeiten), doch ist nicht zu ermitteln, welcher Anteil davon tatsächlich der Innere Kündigung K. zuzuordnen ist. Zudem erstrecken sich die schädigenden Effekte Innere Kündigung K. auch gerade auf ungenutzte Chancen durch mangelndes Engagement, die sich einer wertenden Beurteilung gänzlich entziehen.
V. Lösungsansätze zur Begrenzung der Innere Kündigung K.: 1. Erfassung des Problems als Ausgangspunkt: Um konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der Innere Kündigung K. planen und realisieren zu können, muß zunächst das Ausmaß bestimmt werden, in dem Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmung von Innere Kündigung K. befallen sind. Dazu wird als Diagnoseinstrument die Anwendung eines standardisierten Mitarbeitergesprächs vorgeschlagen (Hilb, 1992). - 2. Praxisrelevante Maßnahmen: Innere Kündigung K. kann als multikausales Phänomen sicher auch nur mit einem Bündel von Maßnahmen wirksam bekämpft werden. Nach Einschätzung der Praxis empfehlen sich etwa die folgenden Maßnahmenkomplexe: Mit besonderer Priorität werden einer besseren Sinnvermittlung für die Mitarbeiter, dem kontinuierlichen Mitarbeitergespräch und der Förderung und Entwicklung einer vertrauensbasierten Unternehmungskultur Chancen eingeräumt, dem nachhaltig rückläufigen Engagement entgegenzuwirken. Es folgt eine Gruppe von Einzelmaßnahmen, denen ebenfalls eine starke - wenn auch nicht so hohe - Bedeutung zugemessen wird: Die Gestaltung von Umgangsformen und interner Kommunikation, die Selbsthinterfragung des Vorgesetzten, die Veränderung seines Selbstverständnisses, die Einrichtung kreativitätsfördernder, kleinerer Organisationseinheiten und das Vermitteln und Umsetzen von Visionen. Von vergleichsweise geringerer - aber immer noch hoher - Relevanz erscheinen: die Verstärkung einer psychologischen Unterstützung des Mitarbeiters, das Angebot flexibler Arbeitszeiten und die regelmäßige Teilnahme der Vorgesetzten an Führungsseminaren. Am Ende der von der Praxis präferierten Maßnahmen stehen die Verbesserung des Entlohnungssystems, eine regelmäßige Instandhaltung der Arbeitsräume und das verstärkte Angebot an innerbetrieblichen Titeln sowie nicht-monetären Anreizen. Die geringere Bedeutung dieser letztgenannten Maßnahmen zeigt, daß sie offenbar lediglich als Hygienefaktoren angesehen werden. Sie sind zwar notwendig, um Arbeitsunzufriedenheit zu verhindern; daß sie aber als Motivatoren die Innere Kündigung K. wirkungsvoll eindämmen könnten, wird jedoch weniger angenommen. Im Urteil der Praxis möglicherweise noch nicht genügend ist das Rückkehrgespräch, das nach Beendigung seiner Fehlzeit mit dem Mitarbeiter zu führen ist. - Insgesamt scheint sich die aktuelle Diskussion um Maßnahmen gegen motivationsbedingte Ausfälle von Arbeitsleistungen noch zu sehr auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu reduzieren. Ohne Zweifel sind zwar hohe Fehlzeiten und Krankenstände wichtige Indikatoren Innere Kündigung K. Allein mit einer Beschränkung von Lohnfortzahlung ist dem vielschichtigen Phänomen der Innere Kündigung K. allerdings nicht beizukommen.
Literatur: Faller, M., Innere Kündigung, Ursachen und Folgen, 2. Aufl., München/Mering 1993; Gross, P., Ein Betrieb ist kein Aquarium. In: Innere Kündigung, Ursachen und Lösungsansätze, hrsg. von M. Hilb, Zürich 1992, S. 87 ff.; Hilb, M., Innere Kündigung: Ursachen - Folgen - Lösungsansätze, hrsg. von M. Hilb, a.a.O. S. 3 ff.; Höhn R., Die innere Kündigung - ein schlimmes Thema. In: Blick durch die Wirtschaft, Nr. 11, S. 1 vom 18. 1. 1982; ders., Die innere Kündigung im Unternehmen, Bad Harzburg 1983; Kahn W. A., Psychological Conditons of Personal Engagement and Disengagement at Work. In: Academy of Management Journal, Vol. 33, No. 4, 1990, S. 692 ff.; Kanungo, R. N., Work Alientation - An Integrative Approach, New York 1982; Kowalewsky, W., Über den Umgang mit Vorgesetzten, Köln 1990; Krystek, U., Innere Kündigung: Die lautlose Erfolgsgefährdung. In: Gablers Magazin 11-12/1995, S. 46 ff.; Krystek, U./Becherer, D./Deichelmann, K. H., Innere Kündigung. Ursachen, Wirkungen und Lösungsansätze auf Basis einer empirischen Untersuchung, 2. Aufl., München/Mering 1995; Marr, R., Absentismus, Göttingen 1996; Meder, H.-J./Bitzer, B., Fehlzeitenreduzierung durch gezieltes Führungskräftetraining - Das Rückkehrgespräch -. In: Personal, 1993, Heft 5, S. 212 ff.; Raidt, F., Die "innere Kündigung" am Arbeitsplatz. In: Der Betriebswirt, 1987, Heft 1, S. 19 ff. ders., Die innere Kündigung, Bergisch Gladbach 1988; Volk, H., Anwesend, aber nicht leistungsbereit. In: Personal, 1992, Heft 5, S. 225 ff.; Wunderer, R./Mittmann, J., Identifikationspolitik. Einbindung des Mitarbeiters in den unternehmerischen Wertschöpfungsprozeß. Stuttgart 1995.
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