|
|
Forschung und Entwicklung (F&E)
I. Charakterisierung: 1. Ausgangslage: Der zunehmende Wettbewerb auf nationaler und internationaler Ebene hat, und zwar in Wechselwirkung mit einem sich immer rascher vollziehenden technischen Fortschritt, nicht nur zu Wirtschaftswachstum geführt, sondern übt auf die Wirtschaftsteilnehmer auch einen nicht unerheblichen Innovationsdruck aus. Innovation ist das außer- und innerbetriebliche Durchsetzen von neuen Produkten und - technischen sowie organisatorischen - Verfahren. Mittel zum Gewinnen solcher Neuerungen sind außer unerlaubtem oder vertraglich vereinbartem Nachvollziehen (Kopieren/Lizenznahme) das bewußte Erarbeiten neuer Erkenntnisse i. w. S. (F&E). - 2. Begriff: Um F&E handelt es sich, wenn die Suche nach neuen Erkenntnissen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden und in geplanter Form erfolgt. Als Forschung wird der generelle Erwerb neuer Kenntnisse, als Entwicklung deren erstmalige konkretisierende Anwendung und praktische Umsetzung bezeichnet; "neu" ist dabei individuell zu verstehen. Die neuen Kenntnisse, die Erfindungen, können sich sowohl auf Produkte als auch auf (Herstellungs-)Verfahren und Produkt- sowie Verfahrensanwendungen erstrecken. - Entbehrt Forschung noch eines realen Verwertungsaspekts, so handelt es sich um Grundlagenforschung; diese ist in maßgeblichem Umfang öffentliche Forschung, so an Universitäten und in besonderen Forschungsinstitutionen (z. B. Max Planck-Gesellschaft). Die angewandte Forschung ist dagegen bereits auf konkrete Anwendungsmöglichkeiten hin ausgerichtet; ihr widmen sich v. a. firmeneigene und überbetriebliche Forschungsinstitutionen der Wirtschaft. - Eine besondere Form des Konzipierens (von Produkten) vollzieht sich beim Konstruieren bzw. bei der Konstruktion. Im Gegensatz zur Entwicklung entbehrt dies meist des Merkmals der Neuigkeit, weil es sich vorwiegend auf ein kombinatives Anwenden bekannter Konstruktionsprinzipien beschränkt; die Grenzen können jedoch fließend sein. Das Konstruieren zielt zudem stets nur auf ein Gestalten geometrisch exakt zu definierender Produkte hin. - 3. Probleme: Beim Übergang der in F&E erarbeiteten Erkenntnisse von einer Phase zur nächsten, insbes. aber aus dem F&E-Bereich bzw. Konstruktionsbereich heraus in die erkenntnisverwertenden Bereiche (eigene Produktion, fremde Produktion bei - evtl. sogar ausländischen - Lizenznehmern) stellen sich Probleme des Technologietransfers. Dies ist die - oft mit zahlreichen Interpretationsschwierigkeiten behaftete -Übermittlung konzeptuell gewonnener Informationen an die meist anderen Denkschemata verhafteten Informationsverwerter.
II. Bedeutung: Zur Kennzeichnung der Bedeutung von F&E allgemein und speziell für die Wirtschaft dienen verschiedene Kennzahlen. Mit ihnen soll die Intensität von F&E-Aktivitäten gewisser Bereiche absolut oder relativiert zum Ausdruck gebracht werden; es können einsatz- oder ergebnisorientierte Angaben sein. Ihre Geltungsbereiche sind nach Regionen (Ländern), Branchen, Betriebsgrößen und Forschungsträgern differenziert. Aufschlüsse vermitteln zwischenbetriebliche, wirtschaftszweigtypisierende und internationale Vergleiche sowie Zeitvergleiche. - Veröffentlichungen finden sich in unterschiedlichen Statistiken, u. a. im Statistischen Jahrbuch für die Bundesrep. D., in den jährlichen Forschungsberichten der Bundesregierung, in der Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, in Branchenveröffentlichungen und Firmenmitteilungen. - 1. Einsatzorientierte Kennzahlen von F&E-Aktivitäten: Die F&E-Gesamtaufwendungen betrugen 1995 in der Bundesrep. D. 81,0 Mrd. DM. Bezogen auf das Bruttosozialprodukt ergibt sich eine Quote von 2,35%, (1993: 2,43); die Quote lag (1993) damit unter der in Japan (2,94%) und USA (2,66%). Die in den nationalen Bruttoinlandsausgaben enthaltenen F&E-Gesamtaufwendungen der Wirtschaft beliefen sich 1995 (geschätzt) auf ca. 78,8 Mrd. DM (gegenüber 1993 +2,7%). Die höchsten F&E-Gesamtaufwendungen (interne F&E-Aufwendungen) wurden in der Elektronischen Industrie mit 13,8 Mrd. DM (12,5 Mrd. DM), in der Kraftfahrzeugindustrie mit 12,9 Mrd. DM (11,1 Mrd. DM) und in der Chemischen Industrie mit 10,4 Mrd. DM (9,6 Mrd. DM) getätigt. - Der dominierende durchführende Sektor ist trotz der in den letzten Jahren stagnierenden F&E-Ausgaben noch immer der Wirtschaftssektor (1995: 66,1%; 1993: 66,8%; 1991: 69,3%; 1989: 72,2%). Der Anteil des universitären Sektors wird für 1995 auf 18,9%, der des außeruniversitären Sektors (Forschungseinrichtungen etc.) auf 15,0% geschätzt. - 2. Ergebnisorientierte Kennzahlen von F&E-Aktivitäten: Diese sind wegen der Inhomogenität von F&E-Leistungen ungleich schwieriger zu benennen. Maßstäbe hierfür wären z. B. die Anzahl von getätigten Erfindungen oder hilfsweise Patentanmeldungen. Auch Verkürzungen der durchschnittlichen Entwicklungsdauer könnten F&E-Erfolge zum Ausdruck bringen sowie auch die Anzahl junger Produkte im Leistungsprogramm und deren Umsatzanteile. Schließlich sei auf das Lizenzvolumen und die Menge von Erfolgsberichten in wissenschaftlichen Publikationsorganen verwiesen.
III. F&E als eine besondere Produktion: Die Schwierigkeiten einer Beurteilung der Effizienz von F&E resultieren großenteils aus den Besonderheiten der sich hier vollziehenden Leistungserstellungen. Es sind Produktionsprozesse sui generis, die sich auch als Informationsgewinnungsvorgänge deuten lassen: 1. Die Einmaligkeit, mit der jeweils ein Produkt "Erfindung", und zwar auf anfangs noch unbekannte Weise, erstellt werden soll und wird. - 2. Mehrfache Unsicherheiten, die auf dem Weg dorthin wirksam werden, somit ist dieser stochastisch. Sie betreffen a) den Erfolg der F&E-Bemühungen, b) den Umfang der nötigen Aufwendungen an Zeit, Kapital und Güterverzehr (Kosten), c) die Input-Output-Relation und d) den wirtschaftlichen Aspekt einer - erfolgreichen - Eigen- und/oder Fremdverwertung der Erfindung in naher und/oder fernerer Zukunft. Jede Art von Unsicherheit kann so groß werden, daß ein F&E-Projekt früher oder später aufgegeben (abgebrochen) oder vertagt wird. Technische Erfolgsquoten von nur 50 bis 60% und wirtschaftliche Erfolgsquoten von oft nur um 10% sind üblich. - 3. Kenntnisse, Intellekt und Kreativität des F&E-Personals prägen die F&E-Prozesse mehr als die sonst markanten repetitiven Tätigkeiten. Daß die Mitarbeiter bei ihren Tätigkeiten durch supportive Ressourcen (Personal und Betriebsmittel einschl. EDV) unterstützt werden und gelegentlich auch selbst repetitive Arbeiten ausführen, wird durch diese Feststellung nicht ausgeschlossen.
IV. Gestalten von F&E-Prozessen: Trotz der angeführten Besonderheiten ist es möglich und nötig, F&E nicht seiner Eigendynamik und dem Zufall zu überlassen, sondern es - wegen erwiesener dispositiver Unterstützungserfolge - rational zu gestalten. Dies bedeutet, daß F&E-Prozesse, wenn auch objektspezifisch, geplant, organisiert und kontrolliert werden können und sollen. F&E zu betreiben, bedeutet daher das Konzipieren und Durchsetzen einer klaren F&E-Politik in Verbindung mit einem fachlich qualifizierten Technologiemanagement, dem ein vielseitiges Instrumentarium für strategische und operative Maßnahmen zur Verfügung steht. - 1. Planung: Diese Phase umfaßt: a) Eindeutige Zielplanung: Die Ergebnisse müssen sich jeweils unter Berücksichtigung der zeitlichen Dimension in projektbezogenen Pflichtenheften und generell in den F&E-Programmen niederschlagen. - b) Mittelplanung: Planung der Verfügbarkeit benötigter Ressourcen i. S. von zu investierenden Geräten etc. und freizustellendem oder einzustellendem Personal, aber auch von einzusetzenden Budgets, stets bzgl. Volumina, Zweckbindung und Zeit; sie werden mit zunehmendem Projektfortschritt i. a. verläßlicher. - c) Projektplanung: Planung der einzelnen Projekte, und zwar hinsichtlich ihres Entstehens, ihrer Beurteilung in jeweils unterschiedlichen Reifestadien und ihrer Abläufe (Arbeits-, Reihenfolge- und Terminplanungen). - Daß bei allen Planungen Planrevisionen häufiger erforderlich und in ihren Ausmaßen evtl. auch gewichtiger werden und akzeptiert werden müssen, liegt in der Eigenart von F&E-Aktivitäten begründet. - Neben den bekannten Planungstechniken gibt es weitere, mit denen den Spezifika von F&E bewußt entsprochen werden soll. Verwiesen sei nur auf besondere Prognosemethoden (Prognose III) und unterschiedliche Kreativitätstechniken (z. B. Brainstorming) zum Generieren von Ideen, auf Methoden zur technologischen Vorhersage (erwarteter Entwicklungsrichtungen) und Konzepte zur Technikfolgenabschätzung, auch Technologiewirkungsanalysen genannt. Während diese Instrumente auch besondere Methoden zur Projektbeurteilung bzw. Hilfen zur Projektauswahl sein sollen, kommen stochastische Netzplantechniken (Netzplantechnik) bevorzugt für die operativen Ablaufplanungen in Betracht. - 2. Organisation: In dieser Phase bieten sich ebenfalls Ansatzpunkte aufgabenspezifischer Problemlösungen. Erwähnt seien insbes. die unterschiedlichen Formen der Institutionalisierung von F&E-Aktivitäten, und zwar als unternehmungsautonome, als (unternehmungsübergreifende) Gemeinschafts- und als (kommerzielle) Auftragsforschung sowie innerbetriebliche Fragen wie die nach der Organisationsstruktur in einem F&E-Bereich und dessen Einbringung in die Unternehmenshierarchie. Bezüglich der Motivation der Mitarbeiter ist an die Einrichtung von Parallelhierarchien, individueller Arbeitszeitregelungen und spezieller - auch außerbetrieblich gültiger - freier Kommunikationsformen zu denken. Beantragungs- und Berichtsroutinen verlangen ebenso wie die frühestmögliche Versorgung mit wissenschaftlichen Informationen spezielle organisatorische Lösungen. - Vgl. auch Forschungsorganisationen, Entwicklungsorganisationen. - 3. Kontrolle: In diesem Zusammenhang ist insbes. an die besonderen Belange eines Berichtens über Ereignisse, Zwischenergebnisse, Fehlschläge, Verzögerungen etc. in einerseits unbürokratischer und andererseits doch wirkungsvoller Weise sowie an eine nach Projekten differenzierende und von Abrechnungszeiträumen ggf. absehende Kosten-(Aufwand-) und Budgetüberwachung zu denken, um nötigenfalls die Planansätze rechtzeitig revidieren oder andernfalls in die Abwicklung der F&E-Projekte regulierend eingreifen zu können. Zu erwägen ist, ob einem Controller wenigstens Mitspracherechte im personalpolitisch sensiblen F&E-Bereich zuzustehen sind (vgl. auch Controlling). - 4. Die vielfältigen Hinweise auf rational orientierte Gestaltungsmöglichkeiten bzgl. F&E stützen die These: "The greatest invention of the nineteenth century was the invention of the method of invention" (A.N. Whitehead, 1946).
V. F&E internationaler Unternehmen: Vgl. internationale Forschung und Entwicklung.
Literatur: Brockhoff, K., Forschung und Entwicklung, 3. Aufl., München, Wien 1992; Kern, W./Schröder, H.-H., Forschung und Entwicklung in der Unternehmung, Reinbek bei Hamburg 1977; Moll, H. H./Warnecke, H. J. (Hrsg.), RKW-Handbuch Forschung, Entwicklung, Konstruktion (F+E), Loseblattsammlung, 2. Bde., Berlin 1976 (Stand 1992).
<< vorheriger Begriff |
|
nächster Begriff>> |
|
|
|
Diese Seite bookmarken :
|
|