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Kundenfang

erfaßt Fallgruppen sittenwidriger Werbung (§ 1 UWG). - 1. Aleatorische Veranstaltungen: durch Ausnutzung der Spielleidenschaft gekennzeichnete Veranstaltungen wie Ausspielungen, Preisausschreiben (Preisrätsel) und Gewinnspiele. Ausspielung gegen Einsatz oder Kopplung der Teilnahme an Warenbezug sind unzulässig, ebenso täuschende Angaben über Gewinnchancen und deren Höhe. Unzulässiger psychologischer Kaufzwang liegt vor, wenn für Teilnahme oder Abwicklung das Betreten des Geschäftslokals erforderlich ist. Bei Verstoß können Ankündigung und Durchführung der Veranstaltung untersagt werden. Abgeschlossene Verträge sind anfechtbar, bei systematischen Verstößen kann die Geltendmachung von Ansprüchen aus Verträgen erneut wettbewerbswidrig sein (Folgeverträge). Als aleatorische Veranstaltung kann progressive Kundenwerbung auch dann nach § 1 UWG verboten werden, wenn die besonderen Voraussetzungen des § 6 c UWG nicht vorliegen. - 2. Ausnutzung von Unerfahrenheit und Vertrauen: erfaßt gezielte Werbemaßnahmen gegenüber Kindern und Jugendlichen (Ausnutzung des Spiel- und Sammeltriebs), Ausübung moralischen Drucks auf Eltern und Ausnutzung des Vertrauens in Fällen der Einschaltung von Autoritätspersonen (Lehrer, Betriebsrat, Dienstvorgesetzter etc.). Verwendung unzulässiger Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Unterlassen gesetzlich vorgeschriebener Belehrungen (Widerrufsbelehrung § 7 II VerbrKG, § 2 I HWiG) kann Ausnutzung von Unerfahrenheit (Rechtsunkenntnis) sein, wenn der rechtsunerfahrene Verbraucher von der Wahrnehmung seiner Rechte abgehalten werden soll (zu systematischer Ausnutzung: Folgeverträge), andernfalls liegt Verstoß gegen wertneutrale Normen vor, der unter den Voraussetzungen des Rechtsbruchs wettbewerbswidrig sein kann. - 3. Belästigung: erfaßt Werbemaßnahmen, die über das mit jeder Werbung verbundene und hinzunehmende Maß hinausgehen. Werbebriefe dürfen nicht als Privatbriefe getarnt werden. Die Aufforderung an den Werbenden, dem Erklärenden keine Werbung zuzusenden, ist ebenso zu beachten wie der am Briefkasten angebrachte Hinweis "Keine Werbung", Verstöße dagegen sind wettbewerbswidrige Belästigung. Der Wille, auch keine Zeitungen, Zeitschriften oder Anzeigenblätter erhalten zu wollen, ist gesondert kundzugeben. Vereinzelte Verstöße gegen diesen Willen (Ausreißer) rechtfertigen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht. Telefon- und Telefaxwerbung gegenüber Privatpersonen ist wettbewerbswidrig, sofern der Umworbene nicht sein Einverständnis erklärt hat. Bekanntgabe des Anschlusses in Verzeichnissen oder auf Briefbögen reicht ebensowenig wie vorheriger geschäftlicher Kontakt oder die Bitte um Übersendung von Informationsmaterial, ein bestehendes Vertragsverhältnis rechtfertigt nicht Anrufe zum Zweck des Abschlusses weiterer Geschäfte. Gegenüber Gewerbetreibenden sind Anrufe zulässig, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte von deren mutmaßlichem Einverständnis ausgegangen werden kann. Haustürwerbung ist grundsätzlich zulässig, solange nicht besondere Umstände vorliegen (z. B. Vertreterbesuche bei Angehörigen von Verstorbenen, Übermittlung eines Gewinns als Vorspann zu Verkaufsgesprächen, Vertreterbesuch aufgrund bloßer Prospektanforderung). Zusendung unbestellter Ware ist unzulässig, kann aber bei geringwertigen Waren hinzunehmen sein, wenn mit der Zusendung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß weder Zahlungs- noch Aufbewahrungs- und Rücksendepflichten bestehen. Keine Zusendung unbestellter Waren ist die Zusendung unentgeltlicher Warenproben (vgl. unten). - 4. Gefühlsbetonte Werbung: appelliert an Mitleid, Hilfsbereitschaft und soziale Verantwortung, nutzt Angst aus oder wirkt unterschwellig (subliminal). Zulässig sind Hinweise auf sachliche Eigenschaften wie die Herkunft der Ware aus einem Schwerbeschädigtenbetrieb. Strenge Anforderungen werden an Werbemaßnahmen im Gesundheitsbereich und im Bereich der Lebensmittel und Bedarfsgegenstände (§ 18 I Nr. 6 LMBG) gestellt, insbes. bei Werbung für Genußmittel (Spirituosen und Tabakwaren), für die weder mit geschmacksfördernden noch gesundheitlich unbedenklichen Wirkungen geworben werden darf (Beispiel: "mild" verharmlost die Gefahren des Rauchens). Werbebeschränkungen bestehen aufgrund besonderer Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes, des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, der Nährwert-Kennzeichnungsverordnung, Diätverordnung, Tafelwässerverordnung etc. Übereinstimmend gilt, daß sie die Anwendung der §§ 1, 3 UWG nicht ausschließen. Gesundheitswerbung ist generell nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Werbung mit Hinweisen auf die Umweltfreundlichkeit (Biowerbung) knüpft gleichfalls an emotionale Bereiche an, so daß strenge Anforderungen und Aufklärungspflichten bestehen, weshalb (inwieweit) ein Produkt uneingeschränkt umweltfreundlich oder geringer umweltbelastend ist. Zu Fahrpreiserstattungen (vgl. unten). Schockierende Werbung kann die guten Sitten im kaufmännischen Verkehr überschreiten, Abwägung mit den Grundrechten der Meinungsäußerungs- und Berufsausübungsfreiheit ist erforderlich. - 5. Irreführung: Irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse sind bereits nach § 3 UWG (irreführende Werbung) verboten, ergänzend kommt § 1 UWG vor allem in Fällen der Täuschung über den werblichen Charakter einer Verlautbarung zur Anwendung (getarnte Wirtschaftswerbung, Verstöße gegen die Pflicht zur Trennung von Werbung und Berichterstattung in Presse, Rundfunk, Fernsehen; Schleichwerbung, Trennungsgebot). - 6. Laienwerbung: i. d. R. wettbewerbswidrig, im Einzelfall hängt die Wettbewerbswidrigkeit von der Art der beworbenen Waren, vom beworbenen Personenkreis und dem Kreis der eingespannten Laien, ferner von der Anreizwirkung der ausgesetzten Prämien ab. - 7. Nötigung: auch in der Form psychischen Drucks ist diese stets wettbewerbswidrig (Beispiel: nicht durch eine Notlage bedingte Werbung für Dienste am Unfallort). - 8. Wertreklame: ist strengen Kriterien unterworfene Werbung mit der Abgabe geldwerter Vergünstigungen im Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluß (z. B. Geschenke, Kundenbeförderung), in der Form von Zugaben und Rabatten sondergesetzlich geregelt und kann unter verschiedenen Gesichtspunkten wettbewerbswidrig sein: Übertriebenes Anlocken liegt vor, wenn die Aussicht auf die Zuwendung gegenüber Güte und Preis des Angebots bestimmend für den Geschäftsabschluß wird. Diese Wirkung geht insbes. von Geldgeschenken (auch in der Form von Gutscheinen) aus, kann aber auch bei zeitlich befristeten und solchen Zuwendungen vorliegen, die gegen Betreten des Geschäftslokals gewährt werden, wobei sich die Anlockwirkung mit psychologischem Kaufzwang verbindet. Er entfällt, wenn der Kunde z. B. zur Einlösung von Gutscheinen das Geschäft nicht aufsuchen muß. Rechtlicher Kaufzwang liegt vor, wenn die Zuwendung an den Erwerb der Leistung gekoppelt wird. Maßgeblich ist der erzeugte Eindruck, unerheblich ist, ob die Zuwendung tatsächlich vom Geschäftsabschluß abhängt. Angemessene Erstattung von Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Geschäftslokal sind zulässig (§ 1 II ZugabeVO), die Ankündigung kostenloser Auslandsreisen zur Besichtigung von Grundstücken ist i. d. R. unzulässig. Werbe- und Verkaufsfahrten (Kaffeefahrten) sind grundsätzlich zulässig, kostenlose Zuwendungen (Bewirtung, Geschenke) können sie als Wertreklame unzulässig machen; zur Vermeidung irreführender Werbung muß über Charakter und die Freiwilligkeit der Teilnahme eindeutig aufgeklärt werden. Unentgeltliche Abgabe von Warenproben ist zulässig, solange keine Bedarfsdeckung eintritt oder ein Erprobungszweck nur vorgetäuscht ist. Geld-zurück-Garantien sind unzulässige Wertreklame, wenn entsprechende Leistungen nur vom Werbenden geführt werden oder vom Verkehr nur zufällig oder ausnahmsweise aufzufinden sind. Garantiezusagen sind zeitlich nur in den Grenzen der §§ 225 S. 1, 195 BGB zulässig, äußerstenfalls also auf die Dauer von 30 Jahren. Waren- und Leistungskopplungen sind grundsätzlich erlaubt (vgl. aber Zugabe, Rabatte), dadurch bewirkte Erschwerung von Preisvergleichen nur unter besonderen Umständen wettbewerbswidrig. Das Vorspannen einer meist betriebs- oder branchenfremden Ware (gekoppeltes Vorspannangebot) ist regelmäßig nur dann zu beanstanden, wenn von der Prüfung der Hauptware übermäßig abgelenkt wird.

 

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