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Grundsteuer
erhoben als Realsteuer mit dem Charakter einer Substanzsteuer auf landwirtschaftliche, gewerbliche und Wohn-Grundstücken.
I. Rechtsgrundlagen: Grundsteuergesetz (GrStG) vom 7. 8. 1973 (BGBl I 965) m. spät. Änd.
II. Steuergegenstand: Der Grundbesitz, also Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Grundstücke und Betriebsgrundstücke (§ 2 GrStG). - Befreit ist Grundbesitz der öffentlichen Hand, von Religionsgemeinschaften und Grundbesitz, der unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken oder den Zwecken der Wissenschaft, der Erziehung, des Unterrichts oder dem Zweck einer Krankenanstalt dient (§ 3 GrStG). Weitere Befreiungen gem. § 4 GrStGrundsteuer Ferner in den nächsten Jahren auslaufende Befreiung neugeschaffener Wohnungen in den neuen Bundesländern gem. § 43 GrStG.
III. Steuerschuldner: Der wirtschaftliche Eigentümer des Steuergegenstandes (II) bzw. bei Erbbaurechten der Inhaber dieses Rechts für die Grundsteuer auf das belastete Grundstück. Bei mehreren wirtschaftlichen Eigentümern sind diese Gesamtschuldner (§ 10 GrStG). - Sekundär haften ggf. der Nießbraucher und i. d. R. - zeitlich begrenzt - der Erwerber (§ 11 GrStG). Der Steuergegenstand haftet dinglich; Steuerforderungen der Steuerbehörde können ohne weiteren Titel im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden.
IV. Steuerberechnung: 1. Bemessungsgrundlage ist der gem. BewG für den Steuergegenstand festgestellte Einheitswert zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres, in den neuen Bundesländern auch der Einheitswert des Jahres 1935, die Wohn- oder die Nutzfläche (§§ 41, 42 GrStG). - 2. Ermittlung des Steuermeßbetrages durch Anwendung eines Tausendsatzes (Steuermeßzahl; § 13 GrStG). Die Steuermeßzahlen betragen: a) für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft 6‰; b) für Einfamilienhäuser 2,6‰ für die ersten 75 000 DM, 3,5‰ für den Rest des Einheitswertes; c) für Zweifamilienhäuser 3,1‰. Bei Bemessung der Steuer nach der Wohn- oder Nutzfläche beträgt die Steuer bei einem Hebesatz von 300% für bestimmte Wohnungen DM 2, - /m2, für andere DM 1,50/m2. Bei anderen Hebesätzen entsprechende Anpassung der Beträge. - 3. Ermittlung der Grundsteuer durch Anwendung eines Hebesatzes auf den Steuermeßbetrag, der von einer Gemeinde für die in ihrem Gebiet liegenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (Grundsteuer A) und die dort liegenden Grundstücke (Grundsteuer B) festzusetzen ist (§ 25 GrStG).
V. Verfahren: 1. Der Steuermeßbetrag wird vom Lagefinanzamt (§§ 18, 22 AO) durch Steuermeßbescheid festgestellt. Er gilt von dem Kalenderjahr an, das zwei Jahre nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt beginnt (§ 16 GrStG), grundsätzlich sechs Jahre; in der Zwischenzeit ist anknüpfend an fortgeschriebenen oder nachfestgestellten Einheitswert Neu- oder Nachveranlagung möglich. - 2. Nach Mitteilung des Steuermeßbetrages setzt die zuständige Gemeinde die Grundsteuer durch Steuerbescheid fest. - 3. Entrichtung (§ 28 GrStG): Vierteljährlich jeweils am 15. 2., 15. 5., 15. 8. und 15. 11.; Sonderregeln für Kleinbeträge bis zu 60 DM. - Bis zur Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides sind zu den bisher maßgebenden Zahlungszeitpunkten Vorauszahlungen unter Zugrundelegung der zuletzt festgesetzten Jahressteuerschuld zu entrichten (§ 29 GrStG); nach Bekanntgabe eines neuen Bescheids werden diese abgerechnet (§ 30 GrStG). - 4. Erlaß: Vgl. Grundsteuererlaß.
VI. Finanzwissenschaftliche Beurteilung: 1. Uneinheitlichkeit in der Steuerart: a) Die Grundsteuer ist eine Art Sondervermögensteuer auf den Grundbesitz. - b) Ist sie für die Grundstücke der Betriebe und des Grundvermögens im Wohnungswesen eine echte G., so ist sie für die Land- und Forstwirtschaft demgegenüber eine Gesamtbetriebsteuer, fast in einer Art "Gewerbesteuer". Sie erfaßt "Wohnungswert" und "Wirtschaftswert". - 2. Steuertechnik (kompliziert): a) Die zunächst erfolgende Bildung der Einheitswerte ist für die Grundvermögensarten und Grundstücke unterschiedlich: (1) Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe wird der Wirtschaftswert als Ertragswert ermittelt, der Wohnungswert nach den Bewertungsgrößen für Wohngrundstücke minus einem Abschlag von 15%; (2) Beim Grundvermögen des Wohnungswesens werden unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Wert angesetzt, bebaute Grundstücke nach dem Sachwertverfahren oder Ertragswertverfahren bewertet. In letzterem wird die "Jahresrohmiete" mit bestimmten "Vervielfältigern" multipliziert, die nach Gemeindegröße, Bauausführung, Gebäudeart und Baujahr äußerst differenziert gestaffelt sind und zwischen den Extremen 4,5 und 13 liegen; (3) Betriebsgrundstücke sind nach den o. g. Bewertungsregeln zu bewerten; Fabrikgebäude nach dem Sachwertverfahren. - b) Verwendung willkürlich gebildeter "Steuermeßzahlen": (1) für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe 6 v. T.; (2) für unbebaute Grundstücke 3,5 v. T.; (3) für bebaute Grundstücke im Normalfall 3,5 v. T.; (4) für Einfamilienhäuser 2,6 v. T. für die ersten 75.000 DM des Einheitswertes und 3,5 v. T. für den restlichen Einheitswert; (5) für Zweifamilienhäuser 3,1 v. T. c) Die endgültige Belastung des Grundvermögens ergibt sich nach Anwendung des Hebesatzes jener Gemeinde, in der das Grundstück oder der land- und forstwirtschaftliche Betrieb liegt: Einheitswert × Steuermeßzahl = Steuermeßbetrag; Steuermeßbetrag × Hebesatz = Steuerbetrag (Steuerschuld). - 3. Generelle Unterbewertung des Grundvermögens und spezielle Unterbewertung für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe: a) Noch heute werden die 1964 errechneten Einheitswerte angesetzt (in den neuen Bundesländern sogar Anwendung der 1935 berechneten Einheitswerte). Der 1974 verfügte Aufschlag von 40% auf die Werte von 1964 gilt für die Vermögens- und die Erbschaftsbesteuerung, nicht aber für die Grundsteuer Diese Bevorzugung des Grundvermögens vor anderen Vermögensarten gilt als nicht allokationsneutral und hat die bekannte "Flucht ins Betongold" hervorgerufen. - b) Darüberhinaus erfolgt eine Bevorzugung der Land- und Forstwirtschaft: (1) durch den 15%-Abschlag auf den Wohnwert und (2) durch das Festhalten an den Bodenwertschätzungen von 1934 für den Anbauboden; demnach liegen die für die steuerliche Bewertung maßgeblichen Reinerträge bei nur ca. 10% der Verkehrswerte. - 4. Wohnungsbaupolitisch motiviert ist die Begünstigung der Ein- und Zweifamilienhäuser durch Ansatz niedrigerer Steuermeßzahlen. - 5. Das Verteilungsziel dürfte verletzt sein, wenn die Eigentümer der begünstigten Ein- und Zweifamilienhäuser den einkommensstarken Schichten angehören. - 6. Die Grundsteuer ist weitgehend eine Sollertragsbesteuerung: a) Bei bebauten Grundstücken wird (1) die Sollmiete statt der tatsächlich erzielten angesetzt und (2) ein Vervielfältiger verwendet, der die Grundstücke unabhängig von den erzielten Mieten klassifiziert. b) Beim Sachwertverfahren gibt es ebenfalls normierte Berechnungen und Pauschalierungen. - 7. Eine Steuerhäufung ergibt sich durch die gleichzeitige Belastung von Vermögen und dessen Erträgen mit G., Vermögensteuer (Vermögensteuer I a) und Einkommensteuer. - 8. Als Gemeindesteuer ist die Grundsteuer geeignet (Gemeindesteuersystem): a) Sie ist kaum konjunkturreagibel; b) sie ist eine örtlich radizierbare Steuer; c) sie ist merklich und kann daher eine unmittelbare Beziehung zwischen Steuerzahler und Gemeinde herstellen; d) zur Hebesatzautonomie: vgl. Gewerbebesteuerung und Gewerbesteuer; e) fiskalisch ist die Grundsteuer wegen der vielfältigen Unterbewertungen nicht sonderlich ergiebig; sie erbringt durchschnittlich 15% der Gemeindesteuern i. w. S. - 9. Reform: a) Sobald eine Wertschöpfungsteuer eingeführt werden sollte, wird die Grundsteuer abgeschafft. b) Für eine weiterbestehende Grundsteuer ist die stets verlangte und verschleppte Neubewertung des gesamten Grundvermögens unabdingbar; ihre Realisierung dürfte an den politischen Widerständen und verwaltungstechnischen Schwierigkeiten vermutlich scheitern.
VII. Aufkommen: 1995: 13.754 Mio. DM (1990: 8.722 Mio. DM; 1985: 7.366 Mio. DM; 1980: 5.804 Mio. DM; 1975: 4.150 Mio. DM; 1965: 2.110 Mio. DM; 1956: 1.405 Mio. DM).
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