Wirtschaftslexikon - Enzyklopädie der Wirtschaft
lexikon betriebswirtschaft Wirtschaftslexikon lexikon wirtschaft Wirtschaftslexikon Suche im Wirtschaftslexikon
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
 
 

Gemeinschaftszollrecht

1. Begriff: Die Einführung eines gemeinsamen Außenzolltarifs und die Abschaffung der Binnenzölle führen allein noch zu keiner Zollunion, sondern lediglich zu einer Zolltarifunion, denn der Zolltarif sagt nur aus, wie hoch zu verzollen ist, wenn eine Zollerhebung in Betracht kommt. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, ergibt sich aus dem allgemeinen Zollrecht. Deshalb war für die Zollunion der EG die Schaffung eines einheitlichen, gemeinschaftlichen Zollrechts unerläßlich. - 2. Merkmale: Der EWG-Vertrag - jetzt EG-Vertrag (EGV) genannt - setzt primär in allen Mitgliedstaaten verbindliches Gemeinschaftszollrecht (supranationales Recht) und ermächtigt sekundär den Rat und die Kommission der EG, in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Verordnungen zu erlassen. In denjenigen Fällen, in denen die Rechtsetzung auf die Organe der Gemeinschaft übergegangen ist, verbleibt den Mitgliedstaaten die Rechtsetzung und Rechtsanwendung nur insoweit, als keine Gemeinschaftsregelungen bestehen oder gemeinschaftliche Richtlinien, Entscheidungen oder Empfehlungen in nationales Recht umzusetzen sind oder unmittelbar geltende Verordnungen der Auslegung bedürfen. - Der EGKS-Vertrag (EGKSV) läßt zwar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Handelspolitik grundsätzlich unberührt, überträgt aber einige Befugnisse im Zolltarifbereich auf die Gemeinschaft (Ziff. 6.1, 8.1). - Dementsprechend wurden bei der Inkraftsetzung des Gemeinsamen Zolltarifs der EWG (GZT; Gemeinsamer Zolltarif der EU) auf dem Industriesektor in der Gemeinschaft der Sechs am 1.7.1968 zwei EWG-Verordnungen über den Zollwert und den Warenursprung erlassen, die an die Stelle des bisherigen nationalen Zollrechts traten und die einheitliche Anwendung des GZT sicherstellen sollten. - Zum weiteren Ausbau der Zollunion wurden dann zunächst Richtlinien zur Harmonisierung sowie später Verordnungen zum Ersatz des nationalen Zollrechts der Mitgliedsstaaten erlassen. - Eine EWG-(EG-)Verordnung setzt unmittelbar geltendes Recht; Verwaltung und Gerichte der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese EWG-Verordnung anzuwenden, ohne daß der nationale Gesetzgeber ihre Anwendung besonders vorschreiben muß. Verbindlichen Charakter haben auch Entscheidungen der EG-Organe, die an einzelne oder sämtliche Mitgliedstaaten gerichtet sind (z. B. Ausschluß von der Gemeinschaftsbehandlung gem. Art. 115 EGV, Ziff. 4.1). Eine Richtlinie ist für den Mitgliedstaat für das Ziel verbindlich; die Wahl der Form und der Mittel ihrer Durchführung bleibt den Partnerländern überlassen. - Dagegen sind Empfehlungen gem. Art. 189 EGV unverbindlich und werden erst nach ihrer Transformation in nationales Recht rechtswirksam; sie wurden auch nur während der Übergangszeit bis zur Vollendung der Zolltarifunion als ausreichendes Mittel zur Zollrechtsharmonisierung angesehen. Empfehlungen aufgrund von Art. 14 EGKSV sind jedoch verbindlich und entsprechen in etwa den Richtlinien des EGV (z. B. Erlaß von Antidumpingmaßnahmen für EGKS-Erzeugnisse, Ziff. 8.2). - Das Gemeinschaftszollrecht war bis zur Vollendung des EG-Binnenmarktes auf eine Vielzahl von Gemeinschaftsverordnungen und -richtlinien verstreut. Es erschien deshalb im Ineresse der Wirtschaftsbeteiligten der Gemeinschaft sowie auch der Zollverwaltungen geboten, die materiellen Rechtsvorschriften in einer Grundverordnung des Rates, dem Zollkodex, zusammenzufassen und die formellen Vorschriften in eine Durchführungsverordnung der Kommission aufzunehmen. - 3. Unterscheidung: Der Zollkodex vom 12. 10. 1992 (Ziff. 0.2.1) ersetzt in 253 Artikeln 26 Ratsverordnungen. Seine Durchführungsverordnung vom 2. 7. 1993 (Ziff. 0.2.2) enthält in 925 Artikeln und 116 Anhängen Verfahrensvorschriften aus 75 aufgehobenen Kommisssionsverordnungen. Das Inkrafttreten dieser beiden EWG-Verordnungen verschob sich auf den 1. 1. 1994. Nur die ausfuhrrelevanten Zollkodex-Vorschriften wurden vorzeitig zusammen mit einer Interims-Durchführungsverordnung für das Jahr 1993 ab 1. 1. 1993 in Kraft gesetzt. Näheres zur Begründung des Zollkodex und seiner Durchführungsverordnung ergibt sich aus den Präambeln der Verordnungen. - Neben dem Zollkodex und seiner Durchführungsverordnung gelten insbes. folgende Grundverordnungen fort: (1) Nr. 2658/87 vom 23. 7. 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Ziff. 0.2.3, 0.2.4); (2) Nr.918/83 vom 28. 5. 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiung (Ziff. 0.2.8); (3) Nr. 1187/71 vom 3. 6. 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (Ziff. 0.2.9); (4) Nr. 3925/91 vom 19. 12. 1991 über die Abschaffung von Kontrollen; (5) Förmlichkeiten für Handgepäck oder aufgegebenes Gepäck auf einem innergemeinschaftlichen Flug sowie für auf einer innergemeinschaftlichen Seereise mitgeführtes Gepäck (Ziff. 0.2.10 und 21.0); (6) Art. 3 III b der VO (EWG) Nr. 2726/90 über das gemeinschaftliche Versandverfahren (vgl. auch Art. 311 b ZK-DVO; Ziff. 0.2.2); (7) VO (EWG) Nr. 409/86 vom 20. 2. 1986 über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen zwischen der Gemeinschaft der Zehn und Spanien und Portugal während der Übergangszeit (Ziff. 0.2.12). Darüber hinaus behalten mehrere EG-Rechtsakte im Bereich Warenursprung und Präferenzen ihre Gültigkeit, entsprechendes gilt für mehrere Regelungen über nationale Zollkontingente sowie für gemeinschaftliche Antidumpingmaßnahmen. Einen Gesamtüberblick über die Zollvorschriften seit dem 1.1.1994 gibt der Einführungserlaß des BMF zum Zollkodex vom 21.1.1994 (VSF N 06 94).

 

<< vorheriger Begriff
nächster Begriff>>
Gemeinschaftswerk "Aufschwung Ost"
Gemeinschuldner

 

Diese Seite bookmarken :

 
   

 

  Weitere Begriffe : Unabhängigkeit der Zentralbank | irreführende Firma | Pfandbriefanstalt | Bodenschätze | Krankheit
wiki wirtschaft

Thematische Gliederung | Unser Projekt | Impressum