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allgemeine Wirtschaftspolitik
wissenschaftliche Wirtschaftspolitik, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Theorie der Wirtschaftspolitik, economic policy, principals of political economy, applied economics. 1. Begriff: Die a. W. ist als theoretische Grundlage der Wirtschaftspolitik zu verstehen. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Analyse spezieller Bereiche der Wirtschaftspolitik (z. B. Geldpolitik, Finanzpolitik, Einkommenspolitik, Verteilungspolitik, Konjunkturpolitik, Wachstumspolitik, Beschäftigungspolitik etc.) befaßt sich die a. W. mit der grundsätzlichen Systematik wirtschaftspolitischer Handlungen weitgehend ohne den konkreten Bezug auf bestimmte ökonomische Ziele oder Gegebenheiten. Auch die Analyse bestimmter wirtschaftswissenschaftlicher Theorien, die politisch-praktische Relevanz besitzen (Keynessche Lehre, Monetarismus), zählt nicht direkt zum Gegenstand der a. W. Jedoch können diese und andere Theorien der Makroökonomik zur praktischen Umsetzung der a. W. herangezogen werden. Die a. W. bezeichnet daher die allgemeine Erklärung wirtschaftspolitischer Aktivitäten staatlicher Instanzen. - 2. Entwicklung: Die Entwicklung der a. W. ist eng mit der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft als wissenschaftliche Disziplin verknüpft. Im allgemeinen wird das Werk von allgemeine Wirtschaftspolitik Smith (1776), An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, als erste Schrift mit wirtschaftspolitischer Relevanz angesehen. Im Titel dieses Buches wird eine generelle Zielsetzung der Wirtschaftspolitik, im Inhalt ein Instrumentarium mit einer stark reduzierten Einflußnahme des Staates (Nachtwächterstaat) beschrieben. Nachfolgende Werke von Malthus, Mill und Ricardo prägen den Begriff der "political economy" und vermehren mit der Funktionsausweitung auch das Steuerinstrumentarium des Staates. Mit den Schriften von Karl Marx (1818-1883) beginnt der gesellschaftspolitische Anspruch an die Wirtschaftspolitik und die wissenschaftliche Wandlung von der political economy zur aktivistischen economic policy. Diese Wandlung mündet in die erste systematische Theorie einer praktischen Wirtschaftspolitik mit ausgeprägten staatlichen Interventionen, ausformuliert in dem Hauptwerk von John M. Keynes (1936), The General Theory of Employment, Interest and Money. Die gleichzeitig beginnende wissenschaftliche Entwicklung der Ökonometrie mit ihrer Konstruktion ökonomische Totalmodelle und der Vision der vollständigen Steuerbarkeit der Wirtschaft endet zunächst mit der heute eher skeptischen Einschätzung differenzierter wirtschaftspolitischer Lenkungsmöglichkeiten. Gleichzeitig setzt die Erweiterung der a. W. um die Betrachtung von institutionellen und prozessualen Grenzen ein (Neue Politische Ökonomie). - 3. Systematisierung: Um die Komplexität der a. W. zu strukturieren, werden verschiedentlich Aufteilungen vorgenommen, z. B. in die Gestaltung der Wirtschaftsordnung (Ordnungsökonomik) und die Einflußnahme auf den wirtschaftlichen Ablauf (Prozeßpolitik), gelegentlich wird diese Form der Aufteilung ergänzt durch die Einflußnahme auf die Struktur der Wirtschaft (Strukturpolitik). Eine andere Systematik folgt der Aufteilung in quantitative Wirtschaftspolitik und qualitative Wirtschaftspolitik. Daneben bestehen funktionelle Systematisierungen, die sich auf eine bestimmte Zielsetzung (Ziel der Wirtschaftspolitik) oder auf den speziellen Instrumenteneinsatz (wirtschaftspolitische Mittel) beziehen. Diese und andere Aufteilungen stellen für sich genommen jedoch schon Spezialisierungen dar, die auf allgemeine Prinzipien zurückgeführt werden können. - 4. Struktur: Unter der Beachtung des allgemeinen Handlungsaspekts wirtschaftspolitischer Maßnahmen läßt sich der systematische Fragenkatalog aufstellen: Wer macht was, warum und wie? Daraus lassen sich charakteristische Elemente der a. W. entwickeln. (a) Eine erste unmittelbare Charakteristik folgt aus der Zielrichtung der wirtschaftspolitischen Maßnahmen und den Maßnahmen im instrumentalen Sinne selbst: Die Ziele und Mittel der Wirtschaftspolitik. Zusammen mit dem Träger der Wirtschaftspolitik, der den Akteur der Maßnahmen bezeichnet, bilden sie die Kernstruktur der a. W. (b) Die Frage nach dem Wie führt erstens zu der Forderung der Rationalität der wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Rational im grundsätzlichen Sinne von vernünftig, einsichtig und zweckmäßig verweist auf die Notwendigkeit, daß zwischen den eingesetzten Mitteln und den damit zu erreichenden Zielen ein Zusammenhang bestehen muß, der sich auch wissenschaftlich begründen läßt. Für diese wissenschaftliche Begründung ist wiederum die Anwendung einer bestimmten Methodik der Wissensgewinnung maßgeblich. Als weitere charakteristische Elemente der a. W. bestehen somit der wirtschaftspolitische Ziel-Mittel-Zusammenhang als inhaltliche und formale Beschreibung der zugrunde liegenden ökonomischen Theorie und die Methodologie, mittels derer diese ökonomische Theorie entwickelt wurde. Die Methodologie ist nicht zuletzt deshalb von hoher Bedeutung für die a. W., weil sie maßgeblich für die politische Akzeptanz einer wirtschaftspolitisch angewandten ökonomischen Theorie ist. - Die zweite Antwort auf das Wie der wirtschaftspolitischen Maßnahme verweist auf den Prozeß der Wirtschaftspolitik. Wirtschaftspolitische Aktionen folgen einer allgemein formulierbaren Handlungssystematik, die in einzelne Ablaufphasen untergliedert wird (Information, Entscheidung, Durchführung, Kontrolle und Modifikation). Der wirtschaftspolitische Prozeß trägt dabei in sich wieder Züge der anderen Strukturelemente (Träger, Mittel und Ziele der einzelnen Prozeßphasen). (c) Insgesamt läßt sich damit die a. W. durch die Charakteristik der Strukturelemente Ziele der Wirtschaftspolitik, Mittel der Wirtschaftspolitik, Träger der Wirtschaftspolitik, wirtschaftspolitische Ziel-Mittel-Zusammenhänge, methodologische Grundlage der Wirtschaftspolitik und Prozeß der Wirtschaftspolitik beschreiben. - 5. Kritische Analyse: Da die a. W. der Vorbereitung praktischer Realisationen wirtschaftspolitischer Maßnahmen staatlicher Instanzen dient, die einen Eingriff in das individuell verantwortete Wirtschaften bedeuten, obliegt ihr nicht nur die (positive) Analyse der rein technischen Möglichkeiten, sondern auch die (normative), kritische Betrachtung der damit einhergehenden Werturteile. Ähnlich wie sich beispielsweise die Atomphysik nach heutiger Ansicht nicht nur auf die wissenschaftlich redliche Erforschung des technisch Machbaren beschränkt, sondern darüber hinaus auch die Erläuterung der gesellschaftspolitischen Relevanz und die ethischen Implikationen in ihre wissenschaftlichen Aussagen einbezieht, versteht sich die moderne Theorie der a. W. als in die allgemeine Gesellschaftspolitik eingebunden. Fragen der Ethik, der Freiheit und des Rechts werden aus der Gesamtbetrachtung der a. W. heutzutage nicht mehr ausgeklammert.
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