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internationale Sozialpolitik

Über eine nationalstaatliche Sozialpolitik (vgl. auch allgemeine Theorie der Sozialpolitik III 3., III 4.) hinaus war die i. S. bis in die Gegenwart in erster Linie durch bilaterale und multilaterale Abkommen in bezug auf Sozialpolitik gekennzeichnet. Die i. S. konnte einen Einfluß auf die Verbesserung der Lebenslagen in den einzelnen Ländern nur über die Ratifizierung der zwischenstaatlichen Abkommen durch die nationalstaatlichen Organe erlangen. Dabei orientieren sich internationale Vereinbarungen eher an den Schlußlichtern als an den Vorreitern der sozialpolitischen Entwicklung. 1. Sozialpolitik in der Europäischen Union: a) In der Europäischen Union (EU) ist ein selbständiger übernationaler Träger von Politik in Europa entstanden. Der Europäische Rat kann auf Initiative der Kommission sowie unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses im Rahmen der Verträge durch Verordnungen auch unmittelbar als Träger von Sozialpolitik in den Mitgliedstaaten tätig werden. Dies galt nach dem EWG-Vertrag von Rom (1957) zunächst nur auf einem eng begrenzten Bereich (der Freizügigkeit und der sozialen Sicherheit der Wanderarbeiter), der jedoch in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) (1986) und im Vertrag von Maastricht (u. a. mit dem Protokoll zur Sozialpolitik) erweitert wurde. - b) Abgesehen von der Reichweite der Beiträge der EU zur sozialpolitischen Willensbildung in den Mitgliedstaaten bleibt die Kompetenz der EU zur Setzung sozialpolitischer Normen mit unmittelbarer Geltung für die Bürger zwar im wesentlichen auf den Bereich der für die Freizügigkeit und das Wirken des Wettbewerbs im Einheitlichen Binnenmarkt bedeutsamen Regelungen begrenzt. Angesichts einer auch durch das Subsidiaritätsprinzip nicht eingeschränkten extensiven Auslegung dieser Kompetenz ist aber mindestens mit einer Einflußnahme von EU-Organen und mit einer zunehmenden Einschränkung des nationalen sozialpolitischen Handlungsspielraumes durch die EU zu rechnen. - c) Anforderungen, Probleme, Ausblick: Dabei geht es weniger um die ursprüngliche Idee einer Harmonisierung der Sozialstandards, um keine Verzerrungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt durch Sozialdumping zuzulassen. Bei einer Harmonisierung der Sozialpolitik stellt sich - von einer Fülle von technischen Problemen abgesehen - vor allem die Frage des Niveaus vereinheitlichter Standards. Den sozialpolitisch hochentwickelten Ländern würde nur eine Harmonisierung auf hohem Niveau die Furcht vor Konkurrenz durch die Niedriglohnländer mit geringen Sozialstandards nehmen können. Dadurch würden aber letztere komparative Handelsvorteile (vgl. komparative Vorteile) verlieren, die sie nur bei einer Harmonisierung auf niedrigem Niveau besitzen. Diese Problematik ist auch für die Umsetzung der EU-Charta der Arbeitnehmerrechte von Bedeutung, weil bei der Konkretisierung und Verwirklichung der Arbeitnehmerrechte auf einem einheitlichen "Mindeststandard" in erster Linie sozialpolitische Handlungsverpflichtungen für die Länder mit besonders niedrigem Sozialniveau begründet würden. Eine Harmonisierung der Sozialpolitik konnte seit der Süderweiterung der EG kaum mehr als realisierbar erscheinen. Ebenso geht es nicht in erster Linie um die Umsetzung der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte ("Sozialcharta"), der die Mitgliedstaaten (außer Großbritannien) zugestimmt und zu einem Bestandteil des Vertrages von Maastricht gemacht haben. Die entscheidende Bedeutung der EU als Träger von Sozialpolitik dürfte in Zukunft aus dem Wirken des Binnenmarktes und aus ihrer indirekten Gestaltung der nationalstaatlichen sozialpolitischen Handlungsspielräume resultieren, die ihr vertragsgemäß und auf der Grundlage einer rechtsbildenden Rechtsprechung des EuGH aufgrund von Nicht-Diskriminierungs- und Wettbewerbsregeln offenstehen. - 2. Weltsozialpolitik: a) Bislang gibt es keinen Träger für eine Weltsozialpolitik. Weltweite internationale Zusammenarbeit der Nationalstaaten vollzieht sich seit der Gründung der Vereinten Nationen (UN) am 26. Juni 1945 in deren Rahmen und insbes. in deren Sonderorganisation, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Von besonderer sozialpolitischer Bedeutung sind auch die entwicklungspolitischen UN-Organisationen sowie die Food and Agriculture Organization (FAO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Weltkinderhilfswerk (UNICEF). Unmittelbar zur Lösung sozialer Probleme in der Welt tragen auch die Nichtregierungsorganisationen (NGO) bei, die weltweit für die Einhaltung der Menschenrechte eintreten, so z. B. das Internationale Rote Kreuz, die Entwicklungsorganisationen der Kirchen, amnesty international und viele andere private Initiativen. - b) Bedeutung: Wenn die Vereinten Nationen - von den Möglichkeiten des Weltsicherheitsrates abgesehen - auch noch keine letztlich auf legitime Gewalt gegründete Weltinnenpolitik betreiben können, so haben sie doch entscheidend zur Entwicklung eines Problembewußtseins für die sozialen Probleme in der Welt beigetragen. Weltweite soziale Probleme ergeben sich aus der Beurteilung der Lage und Entwicklung von Regionen oder Gruppen im Verhältnis zu universalen menschlichen Grundrechten wie dem Schutz von Leben und Gesundheit, dem Arbeitsschutz und der sozialen Sicherheit. Die Problemlösungs-Dringlichkeit und -Bereitschaft könnte sich angesichts der Vorstellung entfalten, daß der Weltfriede auf Dauer nur auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit (im Sinne gleicher Menschenrechte) für alle Menschen gesichert werden kann. Der Weltsozialgipfel des Jahres 1995 und die Entdeckung der sozialen Dimension des Welthandels in den Beratungen der Welthandelsorganisation (WTO) könnten den Beginn einer Weltsozialpolitik markieren, die sich (wie die nationalstaatliche Sozialpolitik) zunächst bei einer Lösung des Weltsozialproblems der Kinderarbeit in vielen Entwicklungsländern und Schwellenländern entfalten und bewähren könnte.

 

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