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Europäisches Parlament
1. Begriff: Das Europäische Parlament (EP) ist das gemeinsame parlamentarische Organ der drei, der Europäischen Union (EU) zugrundeliegenden Einzel-Gemeinschaften (EGKS; EWG; EAG) und repräsentiert die "Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten" (Art. 137 EGV). Vorläufer des EP war die sog. Gemeinsame Versammlung (bis 1979). Die Abgeordneten des EP werden seit Juni 1979 für die Dauer von fünf Jahren von den Bürgern der Mitgliedstaaten direkt gewählt. Im EP existieren keine nationalen Gruppierungen, sondern nur politische Fraktionen auf Gemeinschaftsebene. Seit dem 1. 1. 1995 hat das EP 626 Sitze; der Anzahl der Mandate eines Mitgliedslandes liegt ein vertraglicher Schlüssel zugrunde, der in ziemlich grober Weise an der Bevölkerungszahl orientiert ist. - 2. Kompetenzen: Seit der ersten Direktwahl hat sich das EP schrittweise (EEA; Vertrag über die EU) zu einem (begrenzten) Mitgestalter der Gemeinschaftspolitik entwickelt; seine legislativen Befugnisse sind jedoch noch ziemlich stark begrenzt. - a) Haushaltsbefugnisse: Aufgrund seiner Position im Haushaltsverfahren kann das EP Einfluß auf die finanziellen Spielräume für die verschiedenen Politikbereiche nehmen. Das EP hat das Recht, den Gesamt-Haushaltsplan der EG abzulehnen; bei den sog. nicht-obligatorischen Ausgaben (z. B. Strukturfonds, Forschungsprogramme, Umweltpolitik, Verkehr) kann das Parlament die Höhe der Etatansätze beschließen. - b) Gesetzgebungsbefugnisse: Der Vertrag von Rom sah ursprünglich vor, daß die Kommission Rechtsakte vorschlug und der Rat sie - nach Anhörung des Parlaments - verabschiedete. Ein EU-Rechtsakt ist ungültig, wenn das EP zu ihm nicht angehört wurde. Doch die Gesetzgebungsbefugnisse des EP wurden laufend erweitert. Es kann jetzt Rechtsakte abändern und teilweise sogar selbst verabschieden. Der Unionsvertrag gibt ihm das Recht, Gesetzgebungsvorhaben zu initiieren, verpflichtet die Kommission aber nicht ausdrücklich, auf seine Initiative hin Rechtsakte auszuarbeiten. Die Überprüfung des jährlichen Arbeitsprogramms der Kommission gibt dem Parlament Gelegenheit, seine Prioritäten anzumelden. Das EP wirkt an der EU-Gesetzgebung in vier Verfahren mit: dem Anhörungsverfahren, dem Kooperationsverfahren, dem Zustimmungsverfahren (Kodezisionsverfahren) und dem Mitentscheidungsverfahren. Welches Verfahren zur Anwendung kommt, hängt von der Art des Rechtsakts ab. - (1) Anhörungsverfahren (eine Lesung): Das EP muß zu dem vorgeschlagenen Rechtsakt Stellung nehmen, ehe er vom Rat verabschiedet werden kann. Die Stellungnahme hat den Zweck, die Entscheidung des Rates zu beeinflussen. Dieses Verfahren gilt u. a. für die Neufestsetzung der Agrarpreise. - (2) Kooperationsverfahren (zwei Lesungen): Wird die vom EP in erster Lesung abgegebene Stellungnahme im gemeinsamen Standpunkt des Rates nicht ausreichend berücksichtigt, kann das EP den Vorschlag in zweiter Lesung ablehnen. Der Rat kann sich über diese Ablehnung nur durch einstimmigen Beschluß hinwegsetzen. Da Einstimmigkeit schwer zu erzielen ist, strebt der Rat nach Einigung mit dem EP, um die Ablehnung zu verhindern. Der Anwendungsbereich des Kooperationsverfahrens, 1987 durch die Einheitliche Europäische Akte eingeführt, wurde durch den Unionsvertrag erweitert und umfaßt jetzt u. a. den Europäischen Sozialfonds, die berufliche Bildung und die Entwicklungshilfe. - Vgl. Übersicht "Anwendungsbereich des Kooperationsverfahrens nach Art. 189 c des EG-Vertrages". - (3) Mitentscheidungsverfahren (drei Lesungen): Hier ist die Entscheidungsbefugnis auf Parlament und Rat gleich verteilt. Wird die Stellungnahme des EP im gemeinsamen Standpunkt des Rates nicht ausreichend berücksichtigt, kann das EP die Annahme des Vorschlages verhindern. Um seine endgültige Ablehnung zu vermeiden, kann vor der dritten Lesung der Vermittlungsausschuß angerufen werden, der sich dann um einen Kompromiß bemüht. Wird keine Einigung erzielt, gilt der Vorschlag als endgültig abgelehnt. Die durch den Vertrag von Maastricht eingeführte Mitentscheidung des Parlaments ist eine seiner wichtigsten Befugnisse. Das Mitentscheidungsverfahren kommt bei Rechtsakten zur Anwendung, die die Freizügigkeit, die Harmonisierung im Binnenmarkt, das Mehrjahresprogramm für Forschung und Technologie, die Umweltprogramme, den Verbraucherschutz, das Bildungswesen, die Kultur und die Gesundheit betreffen. - Vgl. Übersicht "Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens nach Art. 189 b des EG-Vertrages". - (4) Zustimmungsverfahren: Die Zustimmung des EP ist erforderlich für Entscheidungen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten, internationale Übereinkommen mit bestimmten rechtlichen und finanziellen Auswirkungen, das einheitliche Verfahren für die Europawahlen, das Niederlassungsrecht und die Freizügigkeit, die Einrichtung und Zweckbestimmung der Struktur- und Kohäsionsfonds und die Festlegung von Aufgaben und Befugnissen der Europäischen Zentralbank. - Vgl. Übersicht "Anwendungsbereich des Zustimmungsverfahrens nach Art. 189 c des EG-Vertrags". - c) Kontrolle der Organe: Die Europäische Kommission ist dem EP verantwortlich. Nach Ende eines Haushaltsjahrs entscheidet das EP auf der Basis des Berichts des EuRH über die Entlastung der Kommission. - d) Das EP hat das Recht, die Europäische Kommission zu einer Rechtsetzungsiniative aufzufordern. Seit dem 1. 1. 1995 ist vor der Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder der Kommission über die jeweiligen (Personal-) Vorschläge im EP abzustimmen. - e) Eine Ausweitung der Parlamentsbefugnisse ist auch Gegenstand der am 29. 3. 1996 eröffneten Regierungskonferenz zur Weiterentwicklung des Integrationsprozesses.
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