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Stuttgarter Verfahren
I. Begriff: steuerliches Verfahren zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften durch Schätzung. Der gemeine Wert wird unter Berücksichtigung des Vermögenswerts und der Ertragsaussichten ermittelt.
II. Ermittlung: 1. Der Vermögenswert wird durch mengen- und wertmäßige Hinzurechnungen und Kürzungen aus dem Einheitswert des Betriebsvermögens abgeleitet. Hinzugerechnet werden Auslandsvermögensteile und Schachtelbeteiligungen. Die Kürzungen betreffen einen im Einheitswert eventuell enthaltenen Firmenwert. Nicht zu berücksichtigen sind jedoch künftige ertragsteuerliche Belastungen der stillen Reserven. Aus dem korrigierten und gekürzten Vermögen und dem Nennkapital der Gesellschaft wird eine Relation berechnet, die, ausgedrückt in %, den Vermögenswert darstellt. - 2. Berechnung des Ertragshundertsatzes durch Schätzung der künftigen Ertragslage, wobei i. d. R. der zukünftige Jahresertrag mit dem Durchschnitt der Betriebsergebnisse der letzten drei Jahre vor dem Stichtag gleichgesetzt wird, die aus dem zu versteuernden Einkommen i. Stuttgarter Verfahren des KStG abgeleitet werden. Der Ausgangsgröße "zu versteuerndes Einkommen" werden deshalb hinzugerechnet: alle Abschreibungen, die über die normalen Absetzungen für Abnutzung hinausgehen, ein Verlustabzug, einmalige Veräußerungsverluste, steuerfreie Vermögensvermehrungen und Investitionszulagen unter bestimmten Bedingungen; abgerechnet werden: einmalige Veräußerungsgewinne, die Vermögensteuer (vgl. Vermögensteuer I a), die übrigen nicht abzugsfähigen Ausgaben mit Ausnahme der Körperschaftsteuer, die Tarifbelastung auf die Vermögensteuer und die übrigen nicht abziehbaren Aufwendungen in Höhe von 100%. Ist der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der persönlichen Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig, ohne daß dies bereits durch ein entsprechendes Entgelt abgegolten wird - in Betracht kommen die Gesellschaften von Angehörigen freier Berufe -, so kann von dem so errechneten Jahresertrag ein Abschlag bis zu 30% gemacht werden. Zur Absicherung aller Unwägbarkeiten ist von dem so ermittelten Jahresertrag noch ein zusätzlicher Abschlag von 15% vorzunehmen. Der Ertragshundertsatz ist gleich dem Quotienten aus Jahresertrag und Nennkapital, ausgedrückt in %. - 3. Gemeiner Wert: a) Normalfälle: Summe aus Vermögenswert und dem für fünf Jahre als erzielbar angesehenen Übergewinn (Differenz aus Ertragshundertsatz und einer Vergleichsverzinsung in Höhe von 10% des gemeinen Wertes). Nach einigen algebraischen Umformungen ergibt sich: Gemeiner Wert = 0,68 × (Vermögenswert + 5 × Ertragshundertsatz). Vom so errechneten gemeinen Wert sind ggf. Abschläge vorzunehmen, insbes. bei Gesellschaften, bei denen nachhaltig unverhältnismäßig niedrige Erträge einem großen Vermögen gegenüberstehen. - b) Sonderfälle: Das Bewertungsverfahren wird modifiziert für Zwecke der Bewertung von Anteilen ohne Einfluß auf die Geschäftsführung, neugegründeten Gesellschaften, in Liquidation befindlichen Gesellschaften, Holding- oder Kapitalverwaltungsgesellschaften, gemeinnützigen Gesellschaften und Organgesellschaften.
III. Kritik: Dieses Bewertungsverfahren hat durch die Praxis von Rechtsprechung und Verwaltung quasi - gesetzlichen Charakter erhalten. Da es zu wenig auf den Einzelfall abstellt, ist es wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip aus steuerrechtlicher Sicht kritisiert worden. - Kritik der Betriebswirtschaftslehre u. a. an dem als wissenschaftlich überholt geltenden Verfahren der Übergewinnabgeltung und insbes. der Betonung des Substanz-(Vermögens-)wertes.
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