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Mediaselektionsmodelle
I. Begriff: Verfahren, mit denen im Rahmen der Mediaplanung ein Weg gefunden werden soll, Werbungspläne i. d. R. mit Hilfe von (individuellen) Wahrscheinlichkeiten zu bewerten (Rangfolge) bzw. zu optimieren.
II. Entwicklung: 1. Nachdem sich Anfang der 50er Jahre die Mediaplanung als eigenständige Funktion herauskristallisiert hatte, wurden die ersten Hypothesensätze über den Wirkungsmechanismus des Werbeträgeransatzes aufgestellt. Zunächst handelte es sich jedoch nur um "implizite" Modelle, die mathematisch nicht formulierbar und deren Inhalte stark different waren. - 2. Mit der Untersuchung der "Arbeitsgemeinschaft Leseranalyse" (1968) setzte sich in der Bundesrep. D. ein neues Konzept durch, bei dem die bisherigen Ja/Nein-Werte zum Leser pro Ausgabe durch Leserwahrscheinlichkeiten (Nutzungswahrscheinlichkeiten) ersetzt wurden. - 3. Eine neuere Systematik ist in diesem Sinne weiterentwickelt worden durch die Seh- bzw. Hörwahrscheinlichkeit (zu einem bestimmten Zeitpunkt fernzusehen bzw. Radio zu hören). - Diese wahrscheinlichkeitstheoretische Mathematisierung des Umfragematerials erlaubte und erforderte eine intensivere Datenverarbeitung; die Auswertungsprogramme, explizit hierfür entwickelt, bedürfen als Basis präziser Modellvorstellungen und Analysen.
III. Modelltypen: 1. Formel-Modelle: Sie arbeiten mit aggregierten Zahlen, d. h. mit Auszählungen aus dem Urmaterial und mit Auswertungstabellen, die vor Anwendung des Modell-Laufes bereits zur Verfügung stehen. Dieser Modelltyp führt zu Computerprogrammen mit relativ kurzen Laufzeiten. - 2. Individual-statistische Modelle: Sie gehen von einzelnen Befragten und deren Verhalten in bezug auf Media aus. Es müssen Programme konzipiert werden, die immer von neuem die gesamte Datei des Umfragematerials lesen und bearbeiten; dies führt zu erheblichen Defilierzeiten, denen gegenüber die Rechenzeiten kaum von Gewicht sind. Dieser Modelltyp hat sich in der Bundesrep. D. und den übrigen westeuropäischen Ländern weitgehend durchgesetzt.
IV. Umsetzung: Eine Nutzung der Mediaselektionsmodelle ist nur möglich, wenn sie auf Computerprogramme übertragen werden. Das gleiche Modell läßt sich in mehreren unterschiedlichen Programmen realisieren, von denen jedes auf eine andere Fragestellung des Praktikers eingeht und diese zu beantworten sucht. - Grundtypen: 1. Rangreihenverfahren (Ranking): Bei diesen Programmen wird versucht, eine Rangfolge der für eine bestimmte Werbekampagne am besten geeigneten Werbeträger zu ermitteln. - Vgl. auch Tausenderpreis, VIP-Modell. - 2. Evaluierungsprogramme (Bewertungsprogramme): a) Allgemeine Modellbeschreibung: Im Zusammenhang mit Evaluierungsverfahren erfolgt eine Bewertung vorgegebener Streupläne auf der Basis bestimmter Zielkriterien. Man begnügt sich damit, den für das jeweilige Anliegen relativ besten Plan zu identifizieren. Errechnet wird die Kontaktverteilung und ggf. auch der Leistungswert. - Eingabedaten: Festlegung des/der zu testenden Planes (Pläne); Definition der Zielgruppe; Definition evtl. Mediagewichte; (in vielen Fällen) Definition der Werbewirkungsfunktion. - Ausgabedaten: Kontaktverteilungskurve, die darüber Auskunft gibt, wie viele Personen der Zielgruppe mit welcher Häufigkeit erreicht worden sind, um die Ermittlung des Leistungswertes eines Plans durch die Verrechnung der Kontaktverteilung mit der Werbewirkungsfunktion sowie in den überwiegenden Fällen die Eruierung der Kosten des Plans in Relation zur Leistung festzustellen. b) Praktische Modellkategorien: (1) AD-ME-SIM (Advertising-Media-Simulation): Modell von Gensch (1969), das auf den Lese- und Fernsehgewohnheiten von 20 000 Personen beruht. Wöchentliche individuelle Media-Kontaktwahrscheinlichkeiten werden mit Hilfe von Zufallstechniken (Monte-Carlo-Methode) in feste Kontakte umgerechnet. Das Modell berücksichtigt eine Zielgruppen-, Werbeträger- und Kontaktgewichtung. Als Bewertungskriterien dienen wöchentliche und kumulierte Daten über Reichweite, Kontaktverteilung und -summe eines Streuplans im Verhältnis zu seinen Kosten. Die Werbeträger werden nach dem Quotienten "Werbewirkung pro Dollar" gereiht, wobei der günstigste Werbeträger so oft wie möglich zum Einsatz gelangt, dann der zweitbeste etc. Die Planerstellung und -bewertung erfolgt so lange, bis drei aufeinanderfolgende Pläne nach dem Kriterium der Werbewirkung pro Dollar nicht besser sind als der Ausgangsplan. (2) SAP (Streuplan-Analyse-Programm): Modell des Hör-Zu-Service (1976). Es bewertet manuell erstellte oder vom Computer konstruierte Pläne nach zugrundegelegten Zielkriterien. c) Optimierungsprogramme: Programme, die darauf angelegt sind, selbständige Pläne zu erarbeiten, die dem Planungsoptimum entsprechen. Implizit muß ein Evaluierungsprogramm funktionieren, das die Bewertung der Pläne besorgt, die das Optimierungsprogramm generiert. Des weiteren sind für jeden Planungsentwurf die Kosten zu ermitteln und diese mit den Leistungen des Plans zu vergleichen. d) Evaluierungs- und Optimierungsprogrammen ist gemeinsam, daß sie nicht nur von der gleichen Modellvorstellung ausgehen, sondern auch das gleiche Datenmaterial zugrundelegen (Basis: Urmaterial einer Umfrage, deren Ergebnisse bereits auf einem Datenträger modelladäquat formuliert sein müssen). Außer diesen gleichen Basisdaten besteht eine weitere Gemeinsamkeit in zwei Elementen der Anweisung durch den Benutzer: die Definition der Zielgruppe und die Bestimmung der Response-Funktion (Werbewirkungsfunktion).
V. Weitere Entwicklung: Mit den Mediaselektionsmodelle ist es gelungen, einen Teilbereich der werblichen Realität in kohärenter Weise zu formalisieren (zu simulieren). Sie erscheinen als Fragment möglicher Marketing-Modelle. Vorstellbar ist heute schon ein Marketing-Mikro-Modell, das das Konsumverhalten des Verbrauchers integriert, indem neben seinen Verhaltensweisen auch seine Einstellungen in das Modell aufgenommen werden, um ein verkleinertes und vereinfachtes Abbild des Marktes zu erhalten; insbes. steht dabei die Frage im Vordergrund, wie sich Einstellungen (Image) und Verhaltensweisen den Produkten und Marken gegenüber im Feld der werblichen und sozialen Kommunikationsströme verschieben. Damit könnte das Mediaselektionsmodelle nicht nur als Planungswerkzeug, sondern v. a. auch als Kontroll- und Prognoseinstrument eine Verwendung finden. - Vgl. auch Mediaanalyse, Streuung, Werbeforschung, Werbeziele.
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