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Gleichheitsprinzip
1. Liberale Gleichheitsauffassung: a) Allgemein: Dem Liberalismus liegt eine extrem leistungsorientierte Gleichheitsauffassung zugrunde. Alle Wirtschaftssubjekte sollen freien Zugang zu allen Chancen haben, die sie nach eigenem Ermessen wahrnehmen können. Freiheit des Individuums bzw. der Familie ist das höchste Ziel aller sozialen Einrichtungen. Ausdruck dieser Freiheit ist die uneingeschränkte Konsumentensouveränität, denn es ist eines der Hauptziele des Liberalismus, die ethischen Probleme dem Individuum zu überlassen, damit es mit diesen Problemen allein fertig werden kann. Hinzu kommt eine freiwillige Koordinierung der individuellen Wirtschaftspläne über den anonymen Markt (-mechanismus), welche wegen der Unpersönlichkeit der sicherste Garant zur Vermeidung von Diskriminierung ist. Für die Verteilungspolitik bleibt systemimmanent lediglich der Bereich des Ausgleichs unterschiedlicher Startchancen, wie z. B. gleiche Elementarschulbildung für alle u. ä. - b) Humanitäre Modifikationen des Liberalismus besagen, daß Umverteilung über Sicherung der Chancengleichheit hinaus auch in dem Ausmaß betrieben werden soll, daß diejenigen Wirtschaftssubjekte, welche bei bester Nutzung ihrer Chancen nicht das Existenzminimum erwirtschaften können, Sozialtransfers erhalten, so daß ihre Existenz gewährleistet ist. Regelmäßig wird die Leistung von Sozialtransfers (z. B. Arbeitslosenhilfe, Fürsorgezahlungen) an strenge Kontrollen gebunden. Danach ist die Verwendung freigestellt. - c) Soziale Sicherheit i. S. v. Streben nach Stabilisierung eines einmal erreichten Realeinkommensniveaus wird abgelehnt. Sie beschränkt sich auf die staatliche Garantie eines Existenzminimums, dessen Höhe durch die Steuerlast, die die große Mehrheit zu tragen bereit ist, bestimmt wird. - 2. Bedarfsorientierte Gleichheitsauffassung: Im Egalitarismus (bedarfsorientierte Gleichheitsauffassung) nimmt Umverteilung breiten Raum ein, da Einkommensunterschiede primär nicht leistungsbedingt, sondern durch unterschiedliche Erbanlagen, Erziehung, ererbtes Vermögen (ungleiche Startchancen) und unfaire Spielregeln (z. B. unvollständiger Wettbewerb) zu erklären sind. Im Extrem führt diese Argumentation zur Forderung nach sekundärer Gleichverteilung. Leistungsfeindlichkeit und übertriebene Versorgungsansprüche führen zum Zusammenbruch dieser extremen Umverteilungsökonomie, die in der Praxis kaum vertreten wird. - 3. Praktische Kompromisse: Die in demokratischen Systemen vorherrschende Gleichheitsauffassung basiert seit der Aufklärung (J. Locke, D. Hume, A. Smith, J. J. Rousseau, I. Kant) auf der Vertragstheorie (Verteilungspolitik) und läßt sich durch die Forderung nach Gerechtigkeit und/oder Fairneß kennzeichnen. Solange Chancengleichheit (gleiche Startpunkte für alle) nicht erreicht ist und ungerechtfertigte Ungleichheiten durch unfaire Spielregeln bestehen, ist Umverteilungspolitik angezeigt. - Es ist deutlich, daß Umverteilungspolitik im Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnungen ein Kompromiß zwischen Sozialstaat und Leistungsgesellschaft sein muß. - Die bestehende Sozialordnung ist historisch gewachsen und basiert wegen häufiger Machtwechsel auf den unterschiedlichsten Wertsystemen. Sie ist nicht frei von Widersprüchen, da sozialpolitische Kurswechsel nur selten zu einem Abbau sozialer Vergünstigungen führen. - Alle Leitbilder nehmen Bezug auf oberste gesellschaftliche Werte wie Freiheit, Wohlstand, Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit. Die Gegensätze bestehen darin, daß diese Grundwerte mit unterschiedlichen Inhalten versehen werden und aufgrund abweichender Werturteile in verschiedene Rangordnungen gebracht werden. - Das Leitbild der Leistungsgesellschaft betont die Freiheit (individuelle Entscheidungsspielräume werden von staatlichen Eingriffen freigehalten), durch die Wohlstand als Grundlage für Sicherheit und sozialen Frieden begünstigt wird. - Sozialstaatliches Denken (demokratischer Sozialismus) räumt den Prinzipien soziale Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden eine Vorrangstellung ein.
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