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Prioritätsrecht

I. Gewerblicher Rechtsschutz: Recht des Anmelders oder Hinterlegers eines gewerblichen Schutzrechts, den Prioritätstag einer früheren Anmeldung für eine Nachanmeldung in Anspruch zu nehmen und so zwar nicht die Laufzeit des Schutzrechts an den Anmeldetag der früheren Anmeldung zu binden, wohl aber den Altersrang der Anmeldung gegenüber zwischenzeitlichen Entwicklungen (Fortschreiten des Stands der Technik, in der Zwischenzeit entstandene Rechte Dritter) auf den Anmeldetag der Voranmeldung zurückzuverlegen. Grundlegend ist das Prioritätsrecht in Art. 4 PVÜ (Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums) geregelt, wonach der Anmelder eines gewerblichen Schutzrechts oder sein Rechtsnachfolger für die Anmeldung (Hinterlegung) in den anderen Verbandsländern ein für Patente und Gebrauchsmuster auf zwölf Monate und für Geschmacksmuster und Marken ein auf sechs Monate befristetes Prioritätsrecht in den anderen Verbandsländern besitzt (Unionspriorität), sofern die erste Anmeldung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße nationale Hinterlegung genügt.
II. Patent-, Gebrauchsmuster- und Sortenschutzrecht: Für patent- wie gebrauchsmusterfähige Erfindungen können bis zum Ablauf von zwei Monaten nach der Anmeldung durch Prioritätserklärung Prioritätsrecht in Anspruch genommen werden, wobei zwischen innerer und äußerer Priorität zu unterscheiden ist (§§ 40, 41 PatG, § 6 GebrMG). - 1. Äußere Priorität: Grundlage des (äußeren) Prioritätsrecht ist Art. 4 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ), dem § 41 PatG, Art. 87, 88 Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ), Art. 8 Patent Cooperation Treaty (PCT) entsprechen. Das Prioritätsrecht ermöglicht es dem Anmelder, neben dem Schutz im Staat der ersten Anmeldung auch in anderen Verbandsstaaten voneinander unabhängige inhaltsgleiche Schutzrechte ohne Rechtsverlust bei der Beurteilung von Neuheit und Erfindungshöhe zu erlangen. Da die ordnungsgemäße europäische und internationale Patentanmeldung in den Bestimmungsstaaten die Wirkung einer ordnungsgemäßen nationalen Anmeldung hat, wirken auch diese Anmeldungen prioritätsrechtsbegründend. Im Sortenschutz (Sortenschutzrecht) besteht ein Prioritätsrecht von 12 Monaten ab erster Anmeldung in einem Verbandsstaat nach Art. 12 des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (vom 2.12.1961, zuletzt geändert am 23.10.1978, BGBl 1984 II, 809), das mit der Anmeldung der Sorten zum Sortenschutz in Anspruch genommen werden kann (§ 23 SSchG) - 2. Innere Priorität: Soweit innerhalb der Fristen der Unionspriorität (Art. 4 PVÜ) Weiterentwicklungen des Anmeldegegenstandes vorgenommen wurden, konnten diese nur dann zum Gegenstand einer auch die Weiterentwicklung umfassenden inländischen Anmeldung gemacht werden, wenn der Anmelder die die Unionspriorität begründende Anmeldung im Ausland vorgenommen hatte. Er konnte dann die Weiterentwicklung in die die Gesamterfindung umfassende inländische Anmeldung aufnehmen und für den ursprünglichen Gegenstand der Erfindung die Priorität der Auslandsanmeldung beanspruchen. Dem Anmelder, der nur eine Inlandsanmeldung für den ursprünglichen Gegenstand der Erfindung eingereicht hatte, stand diese Möglichkeit nicht offen. Diesem Zustand ist durch die Einführung der inneren Priorität (§ 40 PatG, § 6 GebrMG) abgeholfen worden. Inländische Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen geben dem Anmelder seither das auf 12 Monate seit dem Anmeldetag befristete Recht, die Priorität der Anmeldung für eine erneute Anmeldung derselben Erfindung in Anspruch zu nehmen, sofern für die Voranmeldung nicht bereits eine in- oder ausländische Priorität in Anspruch genommen worden ist. Daneben besteht die Möglichkeit, die (innere) Priorität einer europäischen oder internationalen Patentanmeldung in Anspruch zu nehmen (Selbstbenennung, Art. 67, 87, 88 EPÜ, Art. 8 PCT). Sofern die prioritätsbegründende (nationale) Patentanmeldung beim Patentamt noch anhängige ist, gilt sie als mit der Prioritätserklärung als zurückgenommen (§ 40 V PatG). Dadurch soll eine Doppelpatentierung verhindert werden. Die Rücknahmefiktion findet keine Anwendung auf eine frühere Gebrauchsmusteranmeldung, da Patent- und Gebrauchsmusterschutz nebeneinander gewährt werden. Nach Erteilung eines Schutzrechts auf die frühere Anmeldung findet die Rücknahmefiktion keine Anwendung mehr; gegen die Ausübung von Rechten aus der älteren Anmeldung ist dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gegeben. Im Sortenschutzrecht kann durch Erweiterung seines Anwendungsbereichs der Fall eintreten, daß für eine Pflanzenzüchtung ein Patent erteilt ist (Pflanzenzüchtung), bevor der Schutz der Sorte nach dem SSchG möglich war. Dann kann der Rechtsinhaber am Patentschutz festhalten oder den Sortenschutz beantragen und für das Sortenschutzrecht die Priorität des Patents beanspruchen (§ 41 II SSchG). - 3. Ausstellungspriorität: besondere Form des Prioritätsrechts für an sich neuheitsschädliche Benutzungshandlungen vor dem Anmeldetag auf einer Ausstellung (Ausstellungsschutz).
III. Geschmacksmuster und Schriftzeichenrecht: Während das Urheberrecht keine Prioritätsrecht und Prioritätsrechte kennt, kommt Geschmacksmustern und Schriftzeichen die Prioritätsrecht des Anmeldetags zu. Für sie können auf der Grundlage von Art. 4 PVÜ binnen sechs Monaten ab erster Hinterlegung äußere Prioritätsrechte in Anspruch genommen werden (§ 7 b GeschmMG, Art. 2 SchriftzeichenG), wobei die prioritätsrechtsbegründende Anmeldung sowohl eine nationale Anmeldung in einem Verbandsstaat der PVÜ als auch eine internationale Anmeldung nach dem Haager Abkommen oder Wiener Abkommen sein kann, da ihnen die Wirkung einer ordnungegemäßen nationalen Hinterlegung in den Verbandsstaaten zukommt. Für die Prioritätserklärung besteht eine Frist von zwei Monaten ab Anmeldetag (§ 7 b I GeschmMG). Bei internationalen Hinterlegungen ist ein Prioritätsrecht in der Anmeldung zu beanspruchen (Art. 5 Haager Abkommen, Art. 14 Wiener Abkommen mit Regel 6 der AO).
IV. Markenrecht: Das (äußere) Prioritätsrecht des inländischen Anmelders einer Marke richtet sich nach den Vorschriften der einschlägigen Staatsverträge (PVÜ, Madrider Markenabkommen, Protokoll zum Madrider Markenabkommen, GemeinschaftsmarkenVO, TRIPS) mit der Maßgabe, daß es auch für Dienstleistungsmarken in Anspruch genommen werden kann. Einschlägig ist in erster Linie Art. 4 PVÜ, außerhalb des Geltungsbereichs der PVÜ ist in besonderen Fällen die Inanspruchnahme von Prioritätsrechten nach Maßgabe der Bekanntmachungen des Bundesministers der Justiz möglich (§ 34 I, II MarkenG). Die Prioritätserklärung ist binnen zwei Monaten ab Anmeldung abzugeben (§ 34 III MarkenG). In Fällen, in denen Ausstellungsschutz gewährt wird, ist die Inanspruchnahme der Ausstellungspriorität möglich (§ 35 MarkenG). Zur Wahrung der Frist für die Unionspriorität bei der internationalen Registrierung von Marken vgl. Madrider Markenabkommen. Prioritätsbegründend sind danach regelmäßig Ursprungsanmeldungen in Verbandsstaaten der PVÜ und die den nationalen Markenrechten gleichgestellten Gemeinschaftsmarken (Art. 32 GemeinschaftsmarkenVO). Für Gemeinschaftsmarken können wie für nationale Marken Prioritätsrecht aus Ursprungsanmeldungen in den Verbandsstaaten der PVÜ und darüber hinaus aus Ursprungsanmeldungen in Vertragsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) in Anspruch genommen werden, soweit ihnen nach dem innerstaatlichen Recht oder nach zwei- oder mehrseitigen Staatverträgen die Bedeutung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung zukommt (Art. 29 f. GemeinschaftsmarkenVO). Auch für Gemeinschaftsmarken kann die Ausstellungspriorität beansprucht werden (Art. 33 GemeinschaftsmarkenVO). Soweit Gemeinschaftsmarken auch für den Mitgliedstaat angemeldet werden, in dem bereits ein identisches älteres Markenrecht besteht, kann für diesen Mitgliedstaat die Priorität des nationalen älteren Rechts beansprucht werden (innere Priorität, Art. 34 GemeinschaftsmarkenVO).

 

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