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Reparationen
I. Allgemeines: 1. Begriff: Leistungen, die die Siegermacht nach einer bewaffneten Auseinandersetzung von dem Besiegten im wesentlichen zum Schadensausgleich fordern. Der Begriff Reparationen wird erstmals im Versailler Vertrag von 1919 gebraucht. - 2. Der Begriff umfaßt verschiedene Kategorien von Begründungen für die Forderung derartiger Leistungen: (1) Kontributionen zur Entschädigung für Kriegs- und Kriegsfolgekosten; (2) Restitutionen durch Rückerstattung beschlagnahmter und gestohlener Objekte; (3) Indemnitäten als Entschädigung für Schäden, die nicht exakt zugerechnet werden können; (4) Tribute zur Bereicherung des Siegers und zur Verminderung des Wirtschaftspotentials des Besiegten. - 3. Grundsätzlich können Reparationen als Sach- oder Geldleistungen erfolgen. In beiden Fällen ergeben sich mit der Überlassung von Vermögenswerten ohne Gegenleistung Ungleichgewichte in den betroffenen Volkswirtschaften und potentiell soziale Konflikte. Werden die Reparationen als Geldleistungen erbracht, kommt zum Aufbringungsproblem das Transferproblem (Beschaffung von Devisen, Auswirkung auf Wechselkurse) hinzu.
II. Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg: In den Konferenzen zwischen den Siegermächten (ohne die USA) und den Besiegten wurden Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei ebenso wie Deutschland zur Leistung von Reparationen verpflichtet. Im Versailler Vertrag, der am 28. Juni 1919 nach einem Ultimatum der Siegermächte von Deutschland unterzeichnet wurde, mußte Deutschland generell die Kriegsschuld und damit die Verantwortung für alle Kosten und Schäden der Siegermächte auf sich nehmen. Neben erheblichen Gebietsabtretungen wurde Deutschland zur Leistung von Reparationen verpflichtet, deren Art und Umfang von einer Reparationskommission festgelegt werden sollten. 1920 und 1921 erfolgte auf einer Reihe von Konferenzen eine erste Festlegung des zu leistenden Reparationsumfangs (1. Reparationsplan: 269 Mrd. Goldmark binnen 42 Jahren; 1 Goldmark war eine fiktive Recheneinheit im Wert von rund 0,36 Gramm Gold) und der Verteilung auf die Siegermächte (Frankreich: 52,5%; Großbritannien: 22%; Italien: 10%; Belgien: 8%; sonstige Länder: 8%). Im Mai 1921 mußte die - inzwischen sechste! - deutsche Regierung das sog. Londoner Ultimatum annehmen, das die Reparationen auf 132 Mrd. Goldmark festlegte, die durch Zahlung von jährlich 2 Mrd. Goldmark und 26% des deutschen Exports abgetragen werden sollten. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Inflation in Deutschland erfolgten in den folgenden Jahren fast ausschließlich Sachleistungen, bis 1924 ein von der Reparationskommission eingesetzter Sachverständigenrat die Zahlung von jährlich 2,5 Mrd. Goldmark ab 1928 festlegte. Dieser sog. Dawes-Plan sah keine zeitliche Limitierung der Leistungen vor, erst durch den Young-Plan 1929 wurde die Reparationssumme auf 112 Mrd. Goldmark fixiert, die bis 1988 in jährlichen Raten von rund 2 Mrd. Goldmark entrichtet werden sollten. Bis 1931 wurden von Deutschland Reparationen in Form von Sach- und Geldleistungen erbracht, über deren Höhe sich die Beteiligten nicht verständigen konnten. Während nach den Berechnungen der deutschen Regierung bis zum 30. Juni 1931 Werte in Höhe von 68 Mrd. Reichsmark an die Siegermächte übertragen worden waren, schrieb die Reparationskommission lediglich 21 Mrd. Reichsmark gut. Diese Differenz resultiert vor allem aus der unterschiedlichen Bewertung von beschlagnahmten Gütern und erbrachten Sachleistungen. Die im Zuge der Weltwirtschaftskrise offenkundig werdende Zahlungsunfähigkeit Deutschlands wurde 1931 durch das einjährige Hoover-Moratorium von den Siegermächten anerkannt, mit denen 1932 die Zahlung eines letzten Abschlagbetrages vereinbart werden konnte. Dieser Betrag in Höhe von 3 Mrd. Reichsmark wurde durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen kommerzialisiert, die jedoch von den Nationalsozialisten nicht bedient wurden.
III. Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg: Bereits vor Kriegsende berieten die Alliierten über Reparationsforderungen. So sollten über 20 Mrd. US-$ als Reparationen geleistet werden, von denen die UdSSR etwa die Hälfte beanspruchte (Jalta 4. bis 11. Februar 1945). Um das Transferproblem zu umgehen, sollte dies durch Beschlagnahmung deutschen Auslandsvermögens, Demontage von Industrieausrüstungen und Entnahmen aus der laufenden Produktion erfolgen. Zur planmäßigen Durchführung wurde am 21. Dezember 1945 im Pariser Abkommen die Internationale Reparationsagentur IARA eingesetzt. Als Ziel wurde die Beseitigung der Rüstungsindustrie und der "überschüssigen" Industriekapazität Deutschlands formuliert (Potsdam 17. Juli bis 2. August 1945). Nach dem "Plan des Alliierten Kontrollrats für die Reparationen und die Kapazität der deutschen Nachkriegswirtschaft" vom 28. März 1946 sollte die deutsche Industrieproduktion auf 50 bis 55% des Standes von 1938 beschränkt werden. - 1. Deutsche Demokratische Republik: Seit Kriegsende bezog die UdSSR Reparationsleistungen vor allem aus ihrer Besatzungszone. Einer Phase intensiver Demontage von Industrieausrüstungen und Infrastruktureinrichtungen folgten Vermögensübertragungen durch die Einrichtung von im Besitz der UdSSR befindlichen Unternehmen auf dem Gebiet der DDR, die 1951 rund ein Drittel der Industrieproduktion erbrachten. Als 1954 die UdSSR gegenüber der DDR auf weitere Reparationen verzichtete, waren Vermögenswerte von etwa 66 Mrd. Mark übertragen worden. - 2. Bundesrepublik Deutschland: In den westlichen Besatzungszonen wurden bis 1949 in unterschiedlichem Ausmaß Demontagen und Entnahmen durchgeführt, die insgesamt jedoch nur etwa ein Viertel des in der sowjetischen Besatzungszone realisierten Umfangs erreichten. Als in den Pariser Verträgen 1954 mit den Westmächten die Beendigung der Reparationsleistungen vereinbart wurde, waren etwa 6 Mrd. DM übertragen worden.
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