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Totalanalyse
1. Begriff: Die Totalanalyse beschäftigt sich mit der Gesamtheit der über Märkte vermittelten Interaktionen zwischen konsumierenden und produzierenden Einheiten (Unternehmungen, Haushalte). Allgemein geht es um Totalanalyse immer dann, wenn die Interdependenz der Handlungen aller Wirtschaftssubjekte zur Debatte steht. In aller Regel wird die Betrachtung jedoch vereinfacht, da man nicht auf den anhaltenden Interaktionsprozeß - also einen Wettbewerbsprozeß in der Zeit - abstellt, in den die Wirtschaftssubjekte in kreativer Weise grundsätzlich immer auch Neuerungen einspeisen können und in dem daher nicht nur auf Gegebenheiten reagiert wird. Vielmehr geht man von bestimmten Daten (gegebene Vermögensbestände, Faktoren, Präferenzen, Produktionsfunktionen) und fixierten Verhaltensweisen aus, d. h., man reduziert das Problem auf eine preistheoretische Analyse, und zwar in dem Sinne, als man die Bewegung auf Gleichgewichtszustände hin thematisiert. Deshalb wird Totalanalyse oft auch mit der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts identifiziert. In jedem Falle geht es um die Analyse des horizontalen und vertikalen Preiszusammenhanges über die verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses hinweg. 2. Allgemeines Gleichgewicht setzt Gleichgewicht auf allen Teilmärkten (Produkt- und Faktormärkten) voraus, was zugleich bedeutet, daß auch alle Wirtschaftssubjekte ein individuelles Gleichgewicht hinsichtlich ihres Wirtschaftsplanes realisieren. Das heißt, daß sie sich an die herrschenden Daten in optimaler Weise angepaßt haben (Aktivitäten, die auf "kognitiver Kreation" i. S. v. G. Hesse beruhen, sind damit vom Ansatz her ausgeschlossen). Es wird im übrigen Nutzenmaximierung der Haushalte und Gewinnmaximierung der Unternehmen vorausgesetzt. - Die Modelle des allgemeinen Gleichgewichtes können von unterschiedlicher Komplexität sein. So unterscheidet man Modelle, in denen es nur um Tauschaktivitäten geht, von solchen, welche die Produktion in die Betrachtung einbeziehen. Weiterhin unterscheidet man zeitpunktbezogene von intertemporalen Gleichgewichtsmodellen bis hin zur Einbeziehung von Zukunftsmärkten (auf der Basis von kontingenten Verträgen). - Ausgangspunkt der Entwicklung einer Theorie des allgemeinen Gleichgewichts war A. Smiths Metapher von der "unsichtbaren Hand", die das Marktsystem über den Eigennutz der Wirtschaftssubjekte langfristig in eine Gleichgewichtssituation (klassisches Gravitationszentrum) bringe. Die Totalanalyse intendiert im Grunde nichts anderes, als die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen das der Fall ist. Dabei geht es zum ersten um die Frage, ob unter den jeweils gemachten Voraussetzungen ein solches Gleichgewicht überhaupt existiert. Zum zweiten wird geprüft, ob das so ermittelte Gleichgewicht eindeutig ist. Im Hinblick auf beide Fragen zeigt sich, daß die Bedingungen, unter denen ein eindeutiger gleichgewichtiger Preis- und Mengen-Vektor existiert, sehr restriktiv sind (u. a. müssen konvexe Indifferenzkurven und Isoquanten vorausgesetzt werden). Mit diesen Fragen ist aber noch nicht geklärt, wie das Marktsystem in den Zustand gelangt, in dem ein solcher Preis- und Mengen-Vektor zur Existenz kommt. Dies führt zu der Frage nach der Stabilität des Gleichgewichtszustandes: Gelangt das System nach einer Störung wieder zurück in diesen Zustand? Zur Beantwortung greift man auf die auf L. Walras zurückgehende Tâtonnement-Analyse zurück und diskutiert die Rolle des Auktionators: Da man - bis auf neuere Entwicklungen, in denen auch andere Marktformen analysiert werden - von Preisnehmer- oder Mengenanpasser-Verhalten (Polypol) ausgeht, muß eine Instanz die Preise verändern, solange der Gleichgewichtszustand noch nicht erreicht ist. Dies besorgt der Auktionator, der bei Gütern mit Angebotsüberhang (Überschußangebot) den Preis senkt und ihn bei Gütern mit einem Nachfrageüberhang (Überschußnachfrage) anhebt. Näherungsweise liegt also eine Art Börsenpreisbildung vor. Durch Versuch und Irrtum tastet sich der Auktionator auf diese Weise schließlich an den Gleichgewichtspreis-Vektor heran. Erst wenn dieser ermittelt ist, wird tatsächlich getauscht. Zum gleichen Resultat gelangt man auch ohne Auktionator dann, wenn die Wirtschaftssubjekte Verträge direkt abschließen und diese so lange gegenseitig anpassen, bis sie alle kompatibel sind, bevor sie dann tatsächlich vollzogen werden (Recontracting i. S. v. Edgeworth). - Durch diese Annahmen wird das sog. "false trading", also das Tauschen zu Nicht-Gleichgewichtspreisen, ausgeschlossen. Genau zu einem solchen Tausch kommt es jedoch bei Abwesenheit des Auktionators bzw. von Recontracting. Da in diesem Falle im Anpassungsprozeß Vermögensumverteilungen auftreten, wird das (Wieder-) Erreichen des Gleichgewichtszustandes selbst für den Fall fraglich, in dem die Existenz- und die Eindeutigkeitsfrage bejaht werden können. Im Ergebnis führt dies zu zusätzlichen restriktiven Bedingungen. - Schließlich wird in der Totalanalyse noch die Frage nach der Optimalität des Gleichgewichtszustandes aufgeworfen (Wohlfahrtsökonomik).
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