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operative Frühaufklärung

I. Begriff: operative Frühaufklärung F. bezieht sich auf die Früherkennung latent bereits vorhandener Risiken und Chancen im kurz- bis mittelfristigen Bereich und erfolgt zumeist mit Hilfe von Frühwarnsystemen (Früherkennungssystemen). operative Frühaufklärung F. grenzt sich insbes. durch den zeitlichen Bezug seiner Identifikationskapazität, seine theoretischen Grundlagen und die Art seiner Informationsaufnahme/-verarbeitung von einer strategischen Frühaufklärung ab. In der Praxis der o. F. scheint - im Gegensatz zur strategischen Frühaufklärung - noch die Warnung vor latenten Risiken/Gefährdungen zu dominieren. operative Frühaufklärung F. gilt als wesentliche Informationsbasis operativer und/oder taktischer Planungen (Unternehmensplanung). - Im Rahmen o. F. wurde der Begriff Frühwarnsystem erstmals 1973 (damals sog. Melde- und Warnsysteme) gebraucht. In späteren Jahren hat sich der Inhalt des Begriffs Frühwarnsystem konkretisiert und derzeit werden Frühwarnsysteme als eine spezielle Art von Informationssystemen bezeichnet, die ihren Benutzern verdeckt bereits vorhandene Risiken oder Chancen mit so großem zeitlichen Vorlauf signalisieren, daß noch hinreichend Spielraum für präventive Aktionen zur Vermeidung angezeigter Risiken oder Wahrnehmung vorangekündigter Chancen verbleibt.
II. Entwicklungsstufen: In der etwa 15jährigen Geschichte einer Beschäftigung der Betriebswirtschaftslehre mit Fragen der Frühaufklärung sind mittlerweile drei Generationen von Frühwarnsystemen entwickelt worden: Die ersten beiden Generationen sind der o. F. zuzurechnen, die dritte Generation dagegen fällt unter dem Stichwort "strategisches Radar" in den Bereich der strategischen Frühaufklärung. - 1. Frühwarnsysteme der 1. Generation (kennzahlen-/hochrechnungsorientierte Frühwarnsysteme) ermitteln Frühwarninformationen entweder durch einen Zeitvergleich von Kennzahlen oder durch innerjährliche Hochrechnungen von Über- oder Unterschreitungen bestehender Jahrespläne (Budgets). - 2. Frühwarnsysteme der 2. Generation (indikatororientierte Frühwarnsysteme) bedienen sich spezifischer Frühwarnindikatoren, die mit zeitlichem Verlauf Daten/Informationen über latente, mit den herkömmlichen informationellen Instrumentarien der Unternehmung nicht oder erst zu spät wahrnehmbare Erscheinungen/Entwicklungen innerhalb und/oder außerhalb der Unternehmung liefern.
III. Elemente: operative Frühaufklärung F. umfaßt kennzahlen-/hochrechnungsorientierte und indikatororientierte Früherkennungssysteme, die in ihrem Output auf die inhaltlichen Schwerpunkte der operativen Planung zugeschnitten sind. Eine Ausnahme bilden Früherkennungsinformationen aus indikatororientierten Systemen, die den Rahmen operativer Planungen durch den Inhalt der von ihnen signalisierten Risiken/Chancen sprengen können und auch strategisch relevante Frühaufklärungsinformationen zu generieren in der Lage sind. operative Frühaufklärung F. bietet gute Ansätze zu einer EDV-Unterstützung im Rahmen der Frühaufklärung, da der Anteil quantifizierbarer Informationen und "starker Signale" nicht zuletzt wegen der (gegenüber der strategischen Frühaufklärung) geringeren zeitlichen Reichweite relativ hoch ist. - 1. Kennzahlen-/hochrechnungsorientierte Frühaufklärung: a) Auf Basis von Kennzahlen/Kennzahlensystemen: Die Verwendung von Kennzahlen/Kennzahlensystemen als Führungsinstrument der Unternehmungsführung reicht weit vor das Jahr 1973 zurück; damals jedoch noch nicht verbunden mit dem Begriff der o. F. Kennzahlen sind in diesem Zusammenhang als quantitative Ausdrücke (Verhältniszahlen) für die Darstellung relevanter betriebswirtschaftlicher Tatbestände mit konzentrierter Aussagekraft über den jeweiligen Betrachtungsgegenstand zu verstehen. Die Zusammenfassung und Einbindung in ein Kennzahlensystem verstärkt ihre Aussagekraft und wirkt Fehlinterpretationen - wie bei isolierter und/oder unsystematischer Kennzahlenverwendung leicht möglich - entgegen. Im Hinblick auf eine Frühwarnung mit Hilfe von Kennzahlen ist ein Zeitvergleich der jeweiligen Werte von zentraler Bedeutung. Stets geht es darum, positive oder negative Entwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen, die sich in einer Veränderung der Werte jeweiliger Kennzahlen im Zeitablauf über oder unter bestimmte Schwellenwerte hinaus ausdrücken. Im Rahmen pyramidenhaft aufgebauter Kennzahlensysteme ist dabei die Wahrscheinlichkeit größer, bedrohliche Entwicklungen im unteren Teil der Pyramide, d. h. in den weniger aggregierten Größen ("in den Details") früher zu erkennen als in den aggregierten Hauptkennzahlen. b) Auf Basis von Planungshochrechnungen: Im Rahmen von Planungshochrechnungen wird ein Vergleich zwischen Plan-Werten (zum Ende der Periode) und hochgerechneten Ist-Werten (zum gleichen Periodenende) erstellt. Bei dieser Vorgehensweise muß nicht erst abgewartet werden, bis nach Ablauf der Planperiode tatsächliche Ist-Werte im (Ist-)Zahlenwerk der Unternehmung ermittelt werden. Vielmehr wird auf Basis bereits realisierter (unterjähriger) Zwischenwerte eine jeweils in Teilperioden (Wochen, Monaten, Quartalen) zu aktualisierende Vorausschätzung (Planhochrechnung) der nach neuestem Erkenntnisstand zu erwartenden Ist-Werte am Ende der Plan-Periode vorgenommen. - Abweichungen aus solchen unterjährigen Hochrechnungen können als Frühwarninformationen interpretiert werden, die mit zeitlichem Vorlauf Aussagen über die voraussichtlichen Ist-Ergebnisse zum Periodenende gestatten. Der Grundgedanke dieser elementaren Form der o. F. findet in modernen Controlling-Konzeptionen (Controlling) bereits Anwendung, wenn auch häufig ohne die (offizielle) Bezeichnung "Frühwarnsystem". - 2. Indikatororientierte Frühaufklärung: Indikatororientierte Frühwarnsysteme als Träger der indikatororientierten Frühaufklärung haben die bisher größte Bedeutung im Rahmen der o. F. erlangt. Sie ermöglichen eine systematische Suche und Beobachtung von relevanten Erscheinungen/Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Unternehmung mit Hilfe dafür ausgewählter Frühindikatoren. Aufbau und Funktionsweise solcher Systeme sind in der Abbildung "Operative Frühaufklärung - Funktionsweise" verdeutlicht.
Neben der Auswahl relevanter Beobachtungsbereiche ist die Ermittlung geeigneter Indikatoren von zentraler Bedeutung für die Funktion solcher Systeme.
IV. Anwendung: Empirische Erkenntnisse über die Anwendung der o. F. liegen hauptsächlich für Frühwarnsysteme der 2. Generation vor. Danach wird indikatororientierte Frühaufklärung in der Praxis weniger als eine neu zu schaffende Institution verstanden, sondern als eine besondere Nutzung bereits bestehender Einrichtungen. Generell wird die Bedeutung und Anwendbarkeit einer o. F. bestätigt. - Als besonders wirkungsvoll haben sich nach Aussagen der Praxis die in der Übersicht "Operative Frühaufklärung - Indikatoren" dargestellten Indikatoren erwiesen. - Bei fast allen Unternehmungen, die über eine o. F. verfügen, erfolgt die Erhebung und Betreuung von Frühwarnindikatoren im Rahmen bestehender Planungs- und Berichtssysteme. Die Verarbeitung von Warnsignalen zu relevanten Frühwarninformationen wird in der Praxis überwiegend sowohl zentral als auch dezentral durchgeführt; es wird also nicht nur eine "Zentrale" benutzt. Dies gewährt offenbar größere Nähe zum Anwender jeweiliger Frühwarninformationen und erleichtert auf niedrigeren Aggregationsstufen die Auswertung/Verarbeitung eingehender Indikatormeldungen. - Als organisatorische Einheit für die Zentralisierung der o. F. wird eindeutig der Bereich Controlling favorisiert. - Neben einer Generierung von Frühwarnsystemen sollen der o. F. aus Sicht der Praxis als weitere Aufgaben zugeordnet werden: (1) Durchführung von Ursachen- und Wirkungsanalysen und (2) Planung von Gegenmaßnahmen. - Die enge Beziehung der o. F. zur Unternehmensplanung wird von der Praxis ausdrücklich bestätigt: Frühwarninformationen können danach entweder Neuplanungen initiieren oder Plananpassungen bewirken.


Literatur: Bertram, U., Früherkennungsorientierte Steuerung, München, Mering 1993; Geißler, J., Führaufklärungssysteme - Instrumente zur frühzeitigen Wahrnehmung von Chancen und Risiken im Unternehmen, Diss., TU Dresden 1995; Jacob, H. (Hrsg.), Früherkennung und Steuerung von Unternehmensentwicklungen, SzU. Bd. 34, Wiesbaden 1986; Klausmann, W., Betriebliche Frühwarnsysteme im Wandel, in: ZfO 1983, S. 39 ff.; Krystek, U., Frühwarnsysteme für die Unternehmung, in: agplan-Handbuch zur Unternehmensplanung, hrsg. von Grünewald, H.-G./Kilger, W./Seiff, W., 4. Aufl., Bd. 30. Ergänzungslieferung Nr. 5261 IV/85, S. 1 ff.; ders., FuE und Frühwarnsysteme, in: Strategische Unternehmensplanung. Stand und Entwicklungstendenzen, hrsg. von Hahn D./Taylor, B., 4. Aufl., Heidelberg, Wien 1986, S. 281 ff.; ders., Unternehmungskrisen. Beschreibung, Vermeidung und Bewältigung überlebenskritischer Prozesse in Unternehmungen, Wiesbaden 1987; ders., Früherkennungssysteme als Instrument des Controlling, in: Handbuch Controlling, hrsg. von E. Mayer/I. Weber, Stuttgart 1990, S. 419 ff.; ders., Früherkennungssysteme als Instrument zukunftsorientierter Unternehmensführung, in: Personalentwicklung für die 90er Jahre, hrsg. von K.-F. Ackermann/H. Scholz, Stuttgart 1991, S. 195 ff.; Krystek, U./Behrendt, I., Ökologieorientierte Frühaufklärung, in: Gablers Magazin 6/1991, S. 16 ff.; Krystek, U./Müller, M., Frühaufklärungssysteme (1) und (2), in: KreditPraxis 2/1996, S. 9 ff. und 3/1996, S. 34 ff.; Krystek, U./Zur, E., Projekt-Controlling: Frühaufklärung von projektbezogenen Chancen und Bedrohungen, in: Controlling 6/1991, S. 304 ff.;Krystek, U., Frühaufklärung für die Unternehmensführung, in: agplan-Handbuch zur Unternehmensplanung, hrsg. von H. G. Grünewald/W. Kilger/W. Seiff, Nr. 5261, Ergänzungslieferung Okt./Nov. 1996, S. 1 ff.; Rödl, H./Weiß, B., Insolvenzrisiken bei Geschäftspartnern frühzeitig erkennen und vermeiden, Eschborn/Ts. 1995; Welter, J., Betriebliches Frühwarnsystem am Beispiel der Ruhrkohle AG, in: ZfbF 1979, S. 117 ff.

 

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