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Einzelkostenrechnung

I. Begriff: In den 50er Jahren von P. Riebel entwickeltes Teilkostenrechnungssystem (Teilkostenrechnung), das durch das Bestreben gekennzeichnet ist, die Realität des Kostenanfalls möglichst wirklichkeitsnah abzubilden.
II. Charakterisierung: 1. Kosten und Erlöse werden in der Einzelkostenrechnung nur dann erfaßt, wenn sie mit Auszahlungen bzw. Einzahlungen verbunden sind. Die Einzelkostenrechnung verwendet damit den entscheidungsorientierten Kostenbegriff. - 2. Als entscheidungsorientiertes Kostenrechnungssystem soll die Einzelkostenrechnung die auf das Durchführen bzw. Unterlassen bestimmter Handlungen zurückzuführenden kosten- und erlösmäßigen Konsequenzen bestimmen. Hieraus folgt unmittelbar die Notwendigkeit, alle Kosten und Erlöse als Einzelkosten bzw. Einzelerlöse zu erfassen. Zugleich führt die Vielzahl, Heterogenität und Interdependenz betrieblicher Entscheidungen zu einem Nebeneinander mehrerer Bezugsgrößenhierarchien, z. B. lassen sich Kosten der Versandpackung eines bestimmten Produkts parallel zumindest dem betreffenden Produkt, dem gewählten Vertriebsweg, dem belieferten Kunden und dem entsprechenden Absatzgebiet als Einzelkosten zurechnen. Nimmt man alle derartigen Zurechnungen gleichzeitig vor (Mehrfachzuordnung von Kosten), erhält man eine von den verschiedensten Fragestellungen her auswertbare Datenbasis. - 3. Die mit der multidimensionalen Erfassung von Einzelkosten verbundenen Abbildungs- und Speicherungsprobleme lassen sich am besten lösen, indem man die zweckneutrale Kosten- und Erlöserfassung streng von den zweckbezogenen Auswertungen trennt. Dies führt zur Unterscheidung von Grundrechnungen und Auswertungsrechnungen. Mit dieser Trennung weicht der Aufbau der Einzelkostenrechnung vom Aufbau aller sonstigen gebräuchlichen Kostenrechnungssysteme stark ab. Das andere entscheidungsorientierte Kostenrechnungssysteme (Direct Costing, Fixkostendeckungsrechnung, Plankostenrechnung) wie auch die Vollkostenrechnung kennzeichnende Neben- und Nacheinander einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung wird ersetzt durch eine nicht weiter strukturierte Sammlung von Kosten- und Erlösdaten, für die man neben dem entsprechenden Betrag noch eine Vielzahl von Merkmalen (v. a. ihre jeweilige Einordnung in die unterschiedenen Bezugsgrößenhierarchien) festhält, sowie durch die auf dieser Sammlung aufbauenden Auswertungen, zu denen z. B. auch eine traditionelle Kostenstellenrechnung zählt. - 4. Auch in Auswertungsrechnungen werden keinerlei Kosten und Erlöse geschlüsselt (Gemeinkostenschlüsselung). Hieraus folgt häufig ein retrograder, von Erlösen ausgehender und schichtenweise Kosten abziehender Aufbau der Auswertungsrechnungen. - Daher bezeichnet man die Einzelkostenrechnung häufig auch als Deckungsbeitragsrechnung, erfaßt damit aber nicht den Grundansatz dieses Rechnungssystems.
III. Aussagefähigkeit: Wenngleich nicht unumstritten, gelingt der Einzelkostenrechnung die Abbildung der Realität von allen derzeit entwickelten Kostenrechnungssystemen am besten. Der Grund hierfür liegt zum einen in dem Verzicht auf jegliche zweckbezogene Vorverdichtung von Informationen (wie etwa der Bildung von Abschreibungen in allen anderen Kostenrechnungssystemen) und zum anderen in dem Bemühen, möglichst viele Einflußgrößen auf den Anfall eines Kostenbetrags festzuhalten.
IV. Realisierung: Das Bemühen um eine möglichst wirklichkeitsnahe Abbildung des Kostenanfalls führt zu einem sehr komplexen Rechenwerk, das hohe Anforderungen stellt: a) hinsichtlich Genauigkeit der Kostenerfassung, die im Vergleich zu traditionellen Kostenrechnungssystemen mitunter erheblich höhere Erfassungskosten nach sich zieht, und b) hinsichtlich Speicherung der Kosten- und Erlösdaten, die eine universelle Auswertung, d. h. Kombination und/oder Verdichtung, zuläßt. Operational kann diese Anforderung nur unter Verwendung von (relationalen) Datenbanken (Relationenmodell) erfüllt werden. Derzeit findet sich diese Datenorganisation jedoch nur ansatzweise in gebräuchlichen Kostenrechnungs-Softwaresystemen (Kostenrechnungssoftware) verwirklicht. Schließlich muß gewährleistet sein, die gespeicherten Kosten- und Erlösdaten in akzeptabler Zeit für beliebige Rechnungszwecke auswerten zu können. Auch diese Anforderung läßt sich umfassend nur mit Hilfe (relationaler) Datenbanken realisieren.
V. Anwendungsprobleme: Angesichts der skizzierten hohen Anforderungen verwundert es nicht, daß das Konzept einer Einzelkostenrechnung bislang in der Praxis nicht weit verbreitet ist und nur ausschnittweise, z. T. sehr vereinfacht verwirklicht wurde. Hinzu kommt, daß durch die möglichst wirklichkeitsnahe Abbildung der Realität auch die Auswertungsrechnungen vergleichsweise komplexe Lösungen liefern. Anders als in der traditionellen Vollkostenrechnung weist z. B. die Produkterfolgsrechnung der Einzelkostenrechnung mehrstufig aufeinander aufbauende Deckungsbeiträge aus (Deckungsbeitragsrechnung), während der Kostenrechner bzw. der zuständige Disponent bislang gewohnt war, pro Erzeugnis nur eine einzige Erfolgsinformation zu erhalten (Gewinn für Produkt A in Höhe von X DM). Mangelndes Verständnis der Hierarchie von Deckungsbeiträgen hat in der Praxis nicht selten zu ruinösem Preiswettbewerb geführt.
VI. Weiterentwicklung: Zur Vermeidung derartiger Interpretationsfehler ist es erforderlich, den Disponenten nähere Hinweise zur Verwendung der von der Einzelkostenrechnung gelieferten Kosten- und Erlösinformationen an die Hand zu geben. Dies wird angesichts der unabdingbaren EDV-Realisation der Einzelkostenrechnung zu menügestützten Interpretationshilfen führen, die auf empirischen Untersuchungen (verhaltensorientiertes Rechnungswesen) basieren müssen. Ein weiteres wichtiges Feld der Weiterentwicklung der Einzelkostenrechnung ist die Integration der bislang vernachlässigten Kostenplanung (Plankostenrechnung).


Literatur: Vgl. Deckungsbeitragsrechnung.

 

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