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Bildungserträge und -nutzen
Sie erfassen direkte und indirekte Wirkungen von Bildungsaktivitäten auf folgenden vier Ebenen: 1. Individueller Nutzen und Erträge: a) Aus der Perspektive der lernenden Individuen bestehen die Wirkungen von Bildungsaktivitäten darin, daß sie in Gegenwart und Zukunft ein höheres Maß an Bedürfnisbefriedigung realisieren können, sei es unmittelbar während der Bildungsaktivitäten selbst, sei es aus der späteren Berufstätigkeit, sei es in der gegenwärtigen oder zukünftigen Freizeit. - b) Arten: Dieses höhere Maß an Bedürfnisbefriedigung kann durch direkte oder indirekte Nutzenstiftung von Bildungsaktivitäten erzeugt werden: Indirekte Nutzenstiftung liegt vor, wenn Bildungsmaßnahmen über die höhere Produktivität zu einem gestiegenen Einkommen beitragen, das c. p. die Vermögensposition des Individuums verbessert und ein höheres Niveau des Konsums und der Bedürfnisbefriedigung erlaubt. - c) Indikatoren: Da die direkte Erfassung des direkten wie indirekten Bildungsnutzens kaum überwindbare konzeptuelle sowie Datenprobleme aufwirft, ist es üblich, Ertragsindikatoren für Bildungsaktivitäten zu verwenden. (1) Alters-Bildungsniveau-Verdienst-Kurven: Erfaßt werden die Einkommensdifferenzen zwischen unterschiedlichen Bildungsniveaus nach Steuern. Neben Differenzen der Stunden-, Monats- oder Jahresverdienste werden vor allem die Lebenseinkommensabstände unterschiedlicher Bildungsniveaus als Maß für Bildungserträge erfaßt. Diese Nettolebenseinkommensdifferenzen werden aus Alters-Bildungsniveau-Verdienst-Kurven errechnet, welche die durchschnittlichen Jahresarbeitseinkommen der Erwerbstätigen in Abhängigkeit vom Lebensalter (als indirektes Maß der Berufserfahrung) und vom Bildungsniveau abbilden. Die periodischen Einkommensdifferenzen zwischen Bildungsniveaus werden in der Regel zum Kapitalmarktzinsfuß auf die Gegenwart abgezinst, um die Differenzen um den Zeitfaktor zu korrigieren. Der Gegenwartswert der Lebenseinkommensdifferenzen gilt als Ausdruck des individuellen monetären Bildungsertrages. (2) Verdienstfunktionen: Die Bildungs-Alters-Verdienst-Kurven suggerieren, daß die Einkommensdifferenzen zwischen Individuen allein auf Bildungsdifferenzen zurückzuführen seien. Eine Fülle von Studien hat alternative Hypothesen mit Hilfe von Verdienstfunktionen getestet, in die als Einkommensdeterminanten in unterschiedlicher Kombination und Operationalisierung neben Alter und Bildungsniveau folgende Elemente eingingen: Geschlecht, Berufserfahrung, Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Begabung, Motivation, soziale Herkunft, Region, Branche, Gesundheitsstatus etc. Unterschiedliche Spezifikationen, unterschiedliche Variablenoperationalisierungen sowie verschiedene Datensätze erzeugten unterschiedliche Evidenzen, so daß man zwar sagen kann, daß Bildung die Höhe von Einkommensdifferenzen mitbestimmt, die Stärke dieses Einflusses bleibt aber bis heute kontrovers. (3) Nutzen-Kosten-Analysen: Der Gegenwartswert der individuellen Bildungserträge einer bestimmten Bildungsinvestition vergleicht den abgezinsten Wert des Lebenseinkommens aus dieser Investition mit dem abgezinsten Wert des entgangenen Lebenseinkommens bzw. der Opportunitäts- oder indirekten Kosten. Für eine vollständige Bewertung der Vorteilhaftigkeit einer Bildungsinvestition fehlt der Vergleich des Gegenwartswertes der Erträge mit dem Gegenwartswert der direkten Bildungskosten. Diese Gegenüberstellung führt im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zum Nettogegenwarts- oder Kapitalwert einer Bildungsinvestition. Alternative Methoden bestehen in der Kalkulation der internen Verzinsung oder Rendite einer Bildungsinvestition oder in der Berechnung der Nutzen-Kosten-Relation. Die in der Literatur zur Nutzen-Kosten-Analyse allgemein diskutierten Probleme gelten gleichermaßen für Bildungsinvestitionen. Empirische Nutzen-Kosten-Kalkulationen von Bildungsinvestitionen im internationalen Vergleich zeigen, daß Bildungsinvestitionen auch im Vergleich zu Sachkapitalinvestitionen rentabel sind, und daß die Bildungsrendite mit dem Durchlauf durch das Bildungssystem leicht fällt (Cohn, E./Geske, T.G, Economics of Education, 3. Aufl., Oxford u. a., 1990). - 2. Institutionelle Bildungserträge: Sie fallen an, wenn Unternehmen selber aus- oder weiterbilden, sei es on-the-job oder auch systematisch wie im Rahmen der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Die Erträge fallen an, wenn die Unternehmen sich zumindest einen Teil der bildungsbedingten Produktivitätszuwächse aneignen können, was Becker (1975) zufolge bei spezifischem Training der Fall ist. In diesem Fall teilen sich Auszubildende und Unternehmen sowohl die Kosten wie auch die Erträge der Ausbildung. - 3. Staatliche Bildungserträge: Sie ergeben sich aus dem Umstand, daß bildungsbedingte höhere private Einkommen oder Unternehmensumsätze oder -gewinne selbst bei konstanten Steuersätzen zu höheren Einnahmen aus Lohn-, Einkommen-, Umsatz- und Unternehmenssteuern führen. - 4. Soziale bzw. gesellschaftliche Bildungserträge: Sie umfassen die individuellen, institutionellen und staatlichen Bildungserträge sowie die externen Erträge Dritter, die durch individuelle Bildungsinvestitionen erzeugt aber vom Investor nicht internalisiert werden können. Zu solchen durchaus umstrittenen externen Erträgen werden gezählt: Wirkungen auf Familienangehörige, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen und deren Produktivität bzw. Nutzenbefriedigungsniveaus, auf Demokratiebewußtsein und Gesetzesloyalität, Innovativität, Werthaltungen und Wirtschaftswachstum (Cohn, E./Geske T. G., a. a. O., 1990, S. 37 ff., 52 ff. und 125 ff.). Die gesellschaftliche Vorteilhaftigkeit von Bildungsinvestitionen wird durch die soziale bzw. gesellschaftliche Rendite bzw. Nutzen-Kosten-Analyse erfaßt. In diese Nutzen-Kosten-Kalkulation gehen auf der Ertragsseite die Arbeitseinkommen vor Steuer ein, während auf der Kostenseite neben den Opportunitätskosten alle direkten Kosten (der Individuen und der Institutionen bzw. des Staates) berücksichtigt werden. Berechnungen sozialer Renditen kommen zu beachtlichen Renditewerten mit einem den privaten Bildungsrenditen ähnlichen Gefälle nach Bildungsbereichen. Die Beobachtung, daß die sozialen Renditen international durchweg unter den privaten Renditen liegen, kann mit dem Verweis auf den hohen Kostenanteil erklärt werden, der üblicherweise aus den Staatshaushalten getragen wird. - Vgl. auch Bildungsökonomie VI.
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