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Betriebswirtschaftliche Steuerlehre
Steuerbetriebslehre, das mit den Besteuerungsfragen beschäftigte Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre.
I. Begründung: Die Tatsache der Besteuerung hat erhebliche Einflüsse auf die Liquidität, das Vermögen und die Organisation der Betriebe; betroffen sind ferner regelmäßig die Träger (Inhaber) und die Mitarbeiter der Unternehmungen. Die Steuerkomponente muß deshalb bei nahezu allen betriebswirtschaftlichen Struktur- und Prozeßentscheidungen berücksichtigt werden, weil andernfalls die Gefahr besteht, die wirtschaftliche Situation nicht optimal zu gestalten, und schwerwiegende - bis zur Existenzbedrohung reichende - Nachteile eintreten können. Die Eigenschaften des Steuerrechts (u. a. hohe Steuersätze, viele und interdependente Steuerarten, unbestimmte und unbeständige Regelungen, zahlreiche Optionsmöglichkeiten, Abhängigkeiten von Standort, Rechtsform und Inhabereigenschaften) machen es aber regelmäßig unmöglich, die steuerlichen Konsequenzen eines Vorhabens unmittelbar, einfach und rasch zu erkennen. Aus diesen Gegebenheiten hat sich die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Bearbeitung dieses Problemfeldes ergeben.
II. Wesen: Als Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St. wird der Teil der (allgemeinen und speziellen) Betriebswirtschaftslehre bezeichnet, der sich mit der mikroökonomischen Seite der Besteuerung beschäftigt. Wegen der großen Stoffülle und der besonderen Nähe zur Steuerjurisprudenz hat sich das Fach, obwohl es sich nicht als eigenständige Wissenschaft versteht, dennoch aus lehr- und forschungsökonomischen Gründen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als eine besondere akademische Lehr- und Prüfungsdisziplin entwickelt. Als deren Begründer ist F. Findeisen anzusehen. F. Schmidt (Universität Frankfurt a. M.) und H. Großmann (Handelshochschule Leipzig) haben die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St. erstmals in den akademischen Unterricht eingeführt. Die Disziplin wird heute an fast allen deutschsprachigen Universitäten durch eigene Lehrstühle gepflegt und ist auch an vielen Fachhochschulen etabliert. Vor allem Studierende, die eine steuerberatende Berufstätigkeit (Steuerberater, Steuerberatung) ausüben wollen, wählen die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St. als Prüfungsfach.
III. Gebiete: Innerhalb der Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St. werden drei wissenschaftliche Teil-Arbeitsgebiete unterschieden. - 1. Die analysierenden und beschreibenden Aufgaben werden von der betriebswirtschaftlichen Steuerwirkungslehre wahrgenommen. Es geht hier darum, die elementaren Steuerwirkungen (auf Liquidität, Vermögen und Organisation) den betriebswirtschaftlichen Plänen und Entscheidungen (Dispositionen) zuzuordnen, d. h., die dispositionsbezogenen Steuerwirkungen zu analysieren und zu beschreiben. Dazu gehört die Entwicklung von Quantifizierungsverfahren, die den unmittelbaren Einbau der Steuerwirkungen in betriebswirtschaftliche Kalküle ermöglichen (Teilsteuerrechnung); Untersuchungsgegenstände sind ferner die zuordnende Systematisierung der Steuerrechtsfolgen entsprechend der konstitutiven, prozessualen und terminlichen Einordnung des Sachverhalts einschließlich der Sachverhaltswertung; schließlich fällt einer betriebswirtschaftlichen Steuerwirkungslehre auch die Aufgabe zu, Programme für eine spezielle steuerliche Ungewißheitsanalyse zu entwickeln. - 2. Die betriebswirtschaftliche Steuergestaltungslehre (betriebswirtschaftliche Steuerplanungslehre) widmet sich der Aufgabe, die Entscheidungsträger des Betriebs bei der zieladäquaten Auswertung bzw. Gestaltung realisierter oder geplanter Sachverhalte zu beraten. Ihre Instrumente sind Steuerrechtsanalysen, Steuerwirkungsvergleiche und Steuerplanungsrechnungen. Sachlich geht es z. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre um Entscheidungshilfen bei der Aufstellung der Steuerbilanz, der Ausnutzung steuerlicher Optionsrechte, der Planung von Finanzierungsmaßnahmen, der Auswahl unter verschiedenen absatzpolitischen Instrumenten, der Organisation von Verbundunternehmungen, der Maßnahmen im Bereich des betrieblichen Sozialwesens. Die Entwicklung von Verhaltens- und Entscheidungsregeln zur Optimierung der betrieblichen Steuerbelastung als Teil des jeweiligen Gesamt-Optimierungsziels wird auch als betriebswirtschaftliche Steuerpolitik (Steuerpolitik II) bezeichnet. - 3. Nach herrschender Auffassung hat die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St. auch zum Zustand sowie zu geplanten oder durchgeführten Zustandsänderungen des betriebsbezogenen Steuerrechts kritisch Stellung zu nehmen. Dieser Aufgabe widmet sich die sog. wertend-normative betriebswirtschaftliche Steuerlehre (auch: gesellschaftlich-verpflichtete Betriebswirtschaftliche Steuerlehre St., Steuerrechtsgestaltungslehre). Sie gibt beispielsweise Anregungen zur zweckentsprechenden Gestaltung von Steuernormen, die ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten (z. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre eine Investition) erleichtern (z. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Reinvestitionsvergünstigungen durch Gewinnübertragungen oder besondere Abschreibungserleichterungen) oder erschweren (z. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre Investitionsteuern) sollen.
Literatur: Federmann, R., Betriebswirtschaftliche Steuerlehre als angewandte Wissenschaftsdisziplin, Berlin 1974; Fischer, L./Warneke, P., Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl., Berlin 1988; Haberstock, L., Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 7. Aufl., Hamburg 1989; Heigl, A., Unternehmensbesteuerung, 2. Aufl., München, Wien 1996; Heinhold, M., Unternehmensbesteuerung, Stuttgart 1996; Rose, G., Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Eine Einführung für Fortgeschrittene, 3. Aufl., Wiesbaden 1992; Rose, G., Betrieb und Steuer, Grundlagen zur Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, Erstes Buch: Die Ertragsteuern, 14. Aufl., Wiesbaden 1995, Zweites Buch: Die Verkehrsteuern, 12. Aufl., Wiesbaden 1995, Drittes Buch: Die Substanzsteuern, 9. Aufl., Wiesbaden 1993, Viertes Buch: Grundzüge des Besteuerungsverfahrens, 3. Aufl., Wiesbaden 1995, Fünftes Buch: Grundzüge des Internationalen Steuerrechts, 3. Aufl., Wiesbaden 1995; Scheffler, W., Besteuerung von Unternehmen, Heidelberg 1992; Schneeloch, D., Besteuerung und betriebliche Steuerpolitik, Bd. I., 2. Aufl., München 1994, Bd. II., München 1994; Schneider, D., Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., Wiesbaden 1994; Schult, E., Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, München, Wien 1994; Siegel, T., Steuerwirkungen und Steuerpolitik in der Unternehmung, Würzburg, Wien 1982; Wacker, W.H., Steuerplanung im nationalen und transnationalen Unternehmen, Berlin 1979; Wacker, W.H., (Hrsg.) Lexikon der deutschen und internationalen Besteuerung, 3. Aufl., München 1994; Wagner, F.W./Dirrigl, H., Die Steuerplanung der Unternehmung, Stuttgart, New York 1980; Wöhe, G., Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Bd. I/1, 6. Aufl., München 1988, Bd. I/2, 6. Aufl., München 1986, Bd. II/1, 5. Aufl., München 1990, Bd. II/2, 3. Aufl., München 1982.
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