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Angebotsökonomik
I. Begriff und Einordnung: 1. Die Angebotsökonomik betont die Bedeutung der Angebotsseite; damit deutliche Gegenposition zur Betonung der Nachfrageseite in der Keynesschen Lehre (vgl. auch keynesianische Positionen). Die Relevanz der Angebotsseite wurde allerdings auch von Keynes gesehen, ging aber bei vielen Spielarten des Keynesianismus verloren. - 2. Unter Angebotsökonomik i. e. S. versteht man die ökonomische Lehre, die ausschließlich auf die Angebotsseite setzt und die Nachfrageseite vernachlässigt. Wichtigste Vertreter einer solchen Angebotsökonomik sind Angebotsökonomik Laffer und G. Gilder. Die Angebotsökonomik hatte großen Einfluß auf die Wirtschaftspolitik in den ersten Jahren der Reagan-Administration (Reaganomics). Auch die von Margret Thatcher in Großbritannien betriebene Wirtschaftspolitik (Thatcherismus) folgte im wesentlichen den hier skizzierten Ideen. In der Bundesrep. D. wurde eine gemäßigte Form der Angebotsökonomik durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) propagiert (vgl. hierzu die diversen Jahresgutachten des Sachverständigenrates). - Vgl. auch Stabilisierungspolitik.
II. Kernpunkte: 1. Steuersatzsenkungen (insbes. bei leistungsabhängigen Steuern): Begründung: Steuersenkungen schaffen starke Leistungsanreize, die zu einem höheren volkswirtschaftlichen Wachstum führen, das so stark sei, daß das Steueraufkommen trotz rückläufiger Steuersätze zunehme (vgl. Laffer-Kurve). - 2. Reduzierung der Staatsausgaben, um den Staat zurückzudrängen und den Privaten und den Marktkräften wieder mehr Spielraum zu verschaffen. Begründung: Der Staat dürfe nur in ganz eng begrenzten Ausnahmebereichen aktiv werden. Nicht nur Steuern, sondern auch Staatsausgaben wirkten leistungshemmend und demotivierend. So werde etwa durch Maßnahmen der sozialen Sicherung (Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe, "foodstamps") die Arbeitslosigkeit künstlich auf einem höheren Niveau gehalten, weil die Bereitschaft, niedrigere Reallöhne zu akzeptieren, eingeschränkt sei. - 3. Budgetausgleich auf niedrigem Niveau. Begründung: Staatliche Kreditaufnahme verdränge in genau gleichem Umfang private Kreditnachfrage vom Kapitalmarkt. - 4. Deregulierung/Entregulierung: Durch Abbau der "Belastung der Angebotsseite" sollen die Marktkräfte entfesselt werden. Deregulierung bezieht sich v. a. auf Sozial-, Umverteilungs-, Umweltschutz- und Wettbewerbspolitik, z. B. Aufhebung von Lohn-Preis-Richtlinien, Umweltauflagen, Sicherheitsbestimmungen etc. Begründung: Staatliche Interventionen in den genannten Bereichen stellten Marktunvollkommenheiten (unvollkommener Markt) dar, die den dezentralen Koordinations- und Allokationsmechanismus störten. Die verschiedenen Formen der Sozialversicherung behinderten die privaten Anreize zum Sparen und Arbeiten sowie zur Eigenvorsorge. Analoge Hemmnisse ergäben sich durch staatliche Eingriffe in den übrigen Bereichen.
III. Konsequenzen: Aufgrund der beschriebenen Maßnahmen ergeben sich nach Ansicht der Angebotsökonomik zunächst Gewinnerhöhungen, die zu größerer Produktivität und höherem Wachstum, schließlich aber auch zu steigenden Löhnen führen. Eine ungleichmäßigere Einkommensverteilung wird als Voraussetzung eines höheren Gesamtwohlstands angesehen. Der durch die Angebotspolitik ausgelöste Wachstumsschub löst nach dieser Auffassung auch das Inflationsproblem, weil es vorübergehend zu einem Überschußangebot und damit zu einem Druck auf die Preise kommt.
IV. Kritik: 1. Die Auffassung, daß sich durch eine Steuersatzsenkung eine Erhöhung des Steueraufkommens erreichen läßt, muß für die derzeit geltenden Steuersysteme als widerlegt angesehen werden. - 2. Die Hypothese, daß der durch die staatlichen Ausgabenkürzungen verursachte Nachfrageausfall durch eine Erhöhung der privaten Nachfrage kompensiert wird, ist empirisch unbelegt. - 3. Die Hypothese einer vollständigen Verdrängung der privaten durch die staatliche Kreditnachfrage ist empirisch ebenfalls unbestätigt. - 4. Bei den Vorschlägen zur Deregulierung werden einseitig die (unbestreitbar vorhandenen) negativen Wirkungen von Interventionen überbetont. Die ökonomischen und gesellschaftlichen Vorteile, wie ökonomische und soziale Stabilität, Verminderung der Unsicherheit, Verteilungsgerechtigkeit, Umweltschutz, bleiben dagegen unberücksichtigt.
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