|
|
Marxismus-Leninismus
I. Charakterisierung: Offizielle Staatsphilosophie in der ehemaligen Sowjetunion und in den ehemaligen RGW-Staaten; aufgrund der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Umwälzungen in Frage gestellt bzw. zum größten Teil abgeschafft; vgl. auch Bolschewismus. Sie basiert auf dem Marxismus, der jedoch, zunächst von Lenin und später insbes. von Stalin, den praktischen Erfordernissen der russischen Revolution und des Aufbaus und der Stabilisierung angepaßt wurden.
II. Denkrichtungen: 1. Auf Lenin geht die These vom Sozialismus als einer eigenständigen Entwicklungsphase zwischen Kapitalismus und Kommunismus zurück (historischer Materialismus) - Kennzeichen: Diktatur des Proletariats unter Führung der kommunistischen Partei; Verstaatlichung der Produktionsmittel und zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses; Verteilung nach dem Leistungsprinzip (im Kommunismus nach dem Bedarfsprinzip). - Zwischenzeitlich wurde die Phase des Sozialismus weiter unterteilt: Etappe des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus (für die UdSSR bis Ende der 30er Jahre); Etappe der Vollendung des Aufbaus des Sozialismus (bis Ende der 60er Jahre); Etappe des entwickelten Sozialismus. In der letzten Phase werde die Basis für den Kommunismus geschaffen, ohne daß dabei jedoch eindeutig geklärt wird, wann und unter welchen Bedingungen letzterer realisiert sein wird. - Auf Lenin gehen auch das Konzept der elitären Kaderpartei und das innerparteiliche Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus (zentralistischer, straff hierarchisch gegliederter Parteiaufbau) zurück. Letzteres wurde nach der Revolution auf Staat und Wirtschaft übertragen. Durch seine Revolutions- und Parteikonzeption setzte Lenin an die Stelle des Marxschen Geschichtsdeterminismus den aktivistischen Voluntarismus. Seine Theorie über den Imperialismus stellte Lenin auf, um die Stabilität des Kapitalismus entgegen den Marxschen Voraussagen zu begründen. Auch die Thesen über den Staatsmonopolkapitalismus gehen auf Lenin zurück. - Mit dem 25. Parteitag der KPdSU wurde zwischenzeitlich von der These des absehbaren und zwangsläufigen Zusammenbruchs des Kapitalismus abgerückt; ihm werden sogar Effektivität und Leistungsfähigkeit zugesprochen. - 2. Während Lenin noch von einer baldigen Weltrevolution ausging (so auch Trotzkij mit seiner These der "permanenten Revolution"), für die die russische Revolution lediglich die Initialzündung bedeutete, postulierte Stalin nach Lenins Tod (1924) den "Aufbau des Sozialismus in einem Land". Als dafür einzuschlagenden Weg setzte er das Prinzip der vorrangigen Förderung der Schwerindustrie bei Vernachlässigung der Konsumgüterindustrie durch, verbunden mit einer Zwangskollektivierung der Landwirtschaft (Ende der 20er Jahre). Das auch die Wirtschaftsordnung der ehemaligen Sowjetunion kennzeichnende Modell einer staatssozialistischen Zentralplanwirtschaft wurde ebenfalls von Stalin mit dem ersten sowjetischen Fünfjahresplan (1928-1932) konzipiert und verwirklicht.
III. Bedeutung/Beurteilung: Die leninistisch-stalinistische Interpretation des Sozialismus (Staatseigentum, staatliche Lenkung und Beeinflussung aller gesellschaftlichen Bereiche durch die Partei, der Anspruch der Partei auf das Wahrheitsmonopol, die Wachstumskonzeption etc.) wurde später auf die anderen Staaten des Ostblocks übertragen und auch von zahlreichen Entwicklungsländern übernommen, obwohl bei diesen Staaten z. T. gänzlich andere Ausgangsbedingungen gegeben waren. Der Bolschewismus steht bei seinen Kritikern (Neo- wie Nicht-Marxisten) für ein starres, zentralistisches und bürokratisches System unter dem Herrschaftsmonopol einer autoritär-diktatorischen Partei. Mit den gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Umwälzungen der 80er/90er Jahre hat der M.-L. in den meisten Staaten des Ostblocks seine Rolle als Staatsdoktrin verloren.
<< vorheriger Begriff |
|
nächster Begriff>> |
|
|
|
Diese Seite bookmarken :
|
|