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Regionalisierung
I. Verkehrspolitik: Die Verantwortlichkeiten im öffentlichen Personennahverkehr sind im Rahmen der Bahnreform (Verkehrspolitik IV) neu geregelt worden. Waren früher vor allem der Bund (DB, DR, DB AG) und die Länder (nichtbundeseigene Eisenbahnen) für den Schienennahverkehr, die Kreise, Kommunen und kommunalen Zweckverbände für den restlichen öPNV zuständig, so sind zum 1. 1. 1996 die gesamte Planungs- und Finanzierungskompetenz auf die Länder übergegangen, die sie teilweise an die Kreise, Kommunen oder deren Zweckverbände weitergegeben haben. Ziel dieser Politik ist eine Verbesserung des Leistungsangebots im öPNV einerseits, eine Kostensenkung bei der Leistungserstellung andererseits. Diese Regionalisierung entspricht dem fiskalischen Äquivalenzprinzip, weil der Besteller einer Leistung auch die finanzielle Verantwortung für diese Leistung trägt. Sie entspricht weiterhin dem Wirtschaftlichkeitsprizip, weil der Besteller der Leistung durch Ausschreibung den Bereitsteller ermitteln kann, der bei vergleichbaren gemeinwirtschaftlichen Leistungen den geringsten Subventionsbedarf anmeldet. Und schließlich entspricht die Regionalisierung dem Subsidiaritätsprinzip, weil die Verantwortung für die Leistung auf der Ebene liegt, die am besten über deren notwendige Ausgestaltung und Umfang informiert ist. Zum Ausgleich der den Ländern, Kreisen und Kommunen durch die Regionalisierung entstehenden Ausgaben zahlt der Bund 1996 für den gesamten ÖPNV 8,7 Mrd., ab 1997 12 Mrd. DM aus seinem Anteil am Mineralölsteueraufkommen, wobei dann allerdings 3 Mrd. DM aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz entfallen. Von 1998 an steigt der Ausgleichsbetrag entsprechend der Wachstumsrate des Umsatzsteueraufkommens. Ende 1997 wird überprüft, "ob ein Betrag von 7,9 Mrd. Deutsche Mark ausreicht, um 1998 bis 2001 Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr in gleichem Umfang vereinbaren zu können, wie sie nach dem Fahrplan 1993/1994 erbracht worden sind" (§ 6 Regionalisierungsgesetz). Es bleibt abzuwarten, ob die Überprüfung zu verringerten Subventionsleistungen führt.
II. Standorttheorie: 1. Charakterisierung: Methode der Regionalforschung (Regionalanalyse) zur Raumgliederung. Die Regionalisierung ist ein zweckgebundenes, analytisches Verfahren zur Gruppierung von Beobachtungseinheiten (Standorten) auf der Grundlage irgendeiner Ähnlichkeit in Strukturmerkmalen oder in funktionalen Beziehungen der Beobachtungseinheiten untereinander. Im Unterschied zur älteren Wirtschaftsgeographie, die Regionen als quasi natürliche, real existente, a priori gegebene und durch die Gesamtheit der erfahrbaren Eigenschaften bestimmte Einheiten ("Landschaften") ansah, die bloß zu identifizieren seien, sind für die moderne Regionalforschung Raumgliederungen nicht absolut, sondern mehr oder minder zweckmäßig für einen bestimmten analytischen oder planerischen Zweck. Die unterscheidenden Kriterien müssen für den Zweck bedeutsam und Eigenschaften der Beobachtungseinheiten sein. Bei der Aggregierung von Standorten zu Regionen sind besonders zwei Klassen von Regionen zu unterscheiden: Strukturregionen (homogene Regionen) sind Mengen von Beobachtungseinheiten, die ein oder mehrere Merkmale bzw. in bestimmten Grenzen variierende Merkmalsausprägungen gemeinsam haben (z. B. Entwicklungsland, Schwerindustrieregion); Nodalregionen (funktionale Regionen) sind Mengen von Beobachtungseinheiten, die durch ein oder mehrere Bewegungsphänomene zu einem funktional organisierten Ganzen verbunden sind, die in einem prozessualen Zusammenhang eine Einheit bilden (z. B. zentralörtlicher Einzugsbereich). Davon unterschieden werden Programm- oder technische Regionen, die eine Raumgliederung zur Durchführung planerischer oder regionalpolitischer Programme vornehmen (z. B. Gebiete der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur). - 2. Zentral für die Regionalisierung als Klassifikationsverfahren ist die Wahl des Ähnlichkeitsmaßes und des Zuordnungsverfahrens. Traditionell werden Schwellenwerte bzw. Schwellenwertkombinationen, Kennziffern und Gleichgewichtsgrenzen verwandt. Problematisch an den häufig eingesetzten Schwellenwerten ist jedoch, daß sie selten theoretisch abgesichert sind. Als Alternative für die Bildung homogener Regionen durch Gruppierung (polythetische Klassifikation) bietet sich an, die Ähnlichkeit der räumlichen Beobachtungseinheiten auf der Basis ihrer Lage zueinander im sachlichen (mehrdimensionalen) Merkmalsraum zu bestimmen. Als Maß für die Ähnlichkeit kommen unter der Voraussetzung der Orthogonalität der Variablen verschiedene Distanzmaße in Betracht, wie z. B. euklidische Distanz oder der Cosinus des Winkels zwischen zwei Beobachtungseinheiten. Die (hierarchische) Gruppierung der Basiseinheiten zu Clustern erfolgt schrittweise unter wachsendem Informationsverlust, bis alle Einheiten in einem Cluster zusammengefaßt sind, unter der Bedingung der Maximierung der Varianz zwischen den Clustern und der Minimierung der Varianz innerhalb des Clusters. Für die Entscheidung, wieviele Regionen gebildet werden sollen, kann die Informationsverlustkurve Anhaltspunkte liefern. Nachgeschaltet werden dem Klassifikationsverfahren häufig Verfahren der Diskriminanzanalyse. Die "Güte" des clusteranalytischen Verfahrens hängt in besonderem Maße von dem Zuordnungsverfahren ab, das den neuen Lagepunkt von mehreren Punkten bestehender Cluster berechnet. - 3. Ein besonderes Problem der Regionalisierung stellt die Bildung räumlich zusammenhängender Regionen dar, also die Berücksichtigung der räumlichen Nachbarschaftslage (Kontingenz). Die Einbeziehung einer absoluten oder relativen Distanz als Klassifikationsvariable (Regionalisierung i. e. S.) führt zu wesentlich höherem Informationsverlust bzgl. der sachlichen Homogenität. Es hängt daher vom Zweck der Raumgliederung ab, ob kontingente oder disjunkte Regionen geeigneter sind.
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