1. Begriff: Ein von G. Schmölders in der Finanzwissenschaft entwickelter Ansatz, der versucht, gegenüber den von den traditionellen "reinen" ökonomischen Theorien aufgestellten Verhaltenskonzepten als Prämissen ihrer Aussagen ein realitätsnäheres Bild über die Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen (Finanzpolitik) zu gewinnen. Die Finanzpsychologie ist ein explizit interdisziplinärer sozialwissenschaftlicher Ansatz. - 2. Ausgangspunkt der Finanzpsychologie bildet die vielfach empirisch fundierte Ansicht, daß die von den "reinen" ökonomischen Theorien unterstellten Verhaltensannahmen nur ein ungenaues Bild der Realität wiedergeben. Damit ist es für den Finanztheoretiker und -politiker unmöglich, auch nur einigermaßen genaue Transmissionsprozesse finanzpolitischer Impulse zu isolieren; Deskriptions- und Prognoseaufgabe sind somit nicht adäquat lösbar. - Hauptpunkt ist das in den traditionellen ökonomischen Theorien als Verhaltensmaxime unterstellte "klassische" Rationalitätskalkül der Wirtschaftssubjekte (Rationalprinzip) gem. dem methodologischen Individualismus (homo oeconomicus), das von einer autonomen Maximierung der Nutzen oder Gewinne bei jedem einzelnen Wirtschaftssubjekt - unbeeinflußt von anderen - ausgeht. - 3. Inhalt: Die Finanzpsychologie versucht, das rationale, aber auch das auf den ersten Blick im traditionellen Kontext irrationale Verhalten der Wirtschaftssubjekte genauer empirisch zu beschreiben (sozialökonomische Verhaltensforschung). Von besonderer Bedeutung sind die wechselnden Einflüsse zwischen Individuen und Gruppen, ihre Einstellungen und Motive im sozialen Umfeld sowie die Eigengesetzlichkeit sozialer Institutionen. - 4. Anwendung: Derzeit v. a. im Bereich der Steuerpsychologie und in der Psychologie der finanzpolitischen Willensbildung.
