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Raumwirtschaftstheorie
1. Begriff: Wissenschaftliche Disziplin der Ökonomie, welche die Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten unter der besonderen Berücksichtigung der räumlichen Dimension und unter spezieller Anwendung der Methoden der allgemeinen ökonomischen Theorie untersucht. Die Ein-Punkt-Wirtschaften der allgemeinen ökonomischen Theorie, in der alle Kosten der Raumüberwindung gleich Null sind, stellen logisch einen Spezialfall der allgemeineren Raumwirtschaftstheorie dar. - 2. Theorie: Die Raumwirtschaftstheorie untersucht wirtschaftliche Aktivitäten hinsichtlich (1) der Wahl des Standortes und der Flächengrößen, (2) der Bewegung von Gütern, Produktionsfaktoren und Informationen im Raum und (3) der Veränderung von räumlichen Produktionsstrukturen, Siedlungsstrukturen und raumgestaltenden staatlichen Aktivitäten. Dabei stehen drei raumstrukturbestimmende Tatbestände im Vordergrund: a) Raumüberwindungskosten, b) Agglomerationseffekte und c) Nachfrage nach Land bzw. Bodenleistungen. Dementsprechend gründet sich die Ableitung von Standortstrukturmodellen auf Modelle der Bodenrentenbildung, der ökonomischen Transformation von Gütern durch Transportleistungen, der Konkurrenz im Raum aufgrund der durch die Transportkosten bedingten Marktunvollkommenheiten und der Entstehung von Agglomerationseffekten. Unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen diesen raumdifferenzierenden Faktoren versucht die Raumwirtschaftstheorie die partialen Standorttheorien und Landschaftsstrukturmodelle (insbes. von Thünen, Christaller und Lösch) zu einer allgemeinen Theorie des räumlichen Gleichgewichts zu integrieren und weiter zu entwickeln (v. a. durch Isard und von Böventer). Optimale Raumstrukturen sind nicht statisch. Das Gewicht der einzelnen raumdifferenzierenden Faktoren hängt ab vom Entwicklungsstand und den Entwicklungsprozessen einer Volkswirtschaft, was von Böventer in seinem "quasi-historischen" Landschaftsstrukturmodell zeigt. Die Formulierung eines allgemeinen, dynamischen Modells der Raumwirtschaft ist allerdings noch nicht gelungen, da bisher noch keine regionale Wachstumstheorie vorliegt, welche unterschiedliche ökonomische Entwicklungsphasen und verschiedene Typen von Wachstumsprozessen umfaßt. - 3. Probleme: Neben den Schwierigkeiten der exakten Bestimmung von Agglomerationseffekten und der Verknüpfung von Standortstruktur- und regionalen Wachstumstheorien liegen die Probleme in der Anwendbarkeit der Raumwirtschaftsmodelle in der Raumordnungspraxis. Die zunehmende Komplexität der Modelle und Exaktheit der mathematischen Ableitung hat restriktivere Annahmen erforderlich gemacht und damit den Realitätsbezug weiter eingeschränkt. - 4. Verhältnis zu Nachbarwissenschaften: Die Raumwirtschaftstheorie nimmt eine Mittelstellung zwischen traditionellen Standorttheorien und der weiter greifenden Regionalwissenschaft ein, welche Teile der Planungswissenschaften mit umfaßt. In der Empirie bestehen Verknüpfungen mit der Wirtschaftsgeographie, insbes. der Industriegeographie. In der Theorie gibt es über die Analyse interregionaler Spezialisierungen und Austauschprozesse eine enge Beziehung der Raumwirtschaftstheorie zur Außenhandelstheorie. Als Spezialgebiet der Raumwirtschaftstheorie hat sich die Stadtökonomie herausgebildet.
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